Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und Präsident Macron nach der Ordentlichen Tagung des Europäischen Rates und Euro-Gipfel am 16.12.2021

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Bitte beachten Sie: Es handelt sich um ein Transkript auf Grundlage einer Audio-Datei. Fremdsprachliche Äußerungen wurden anhand der offiziellen Dolmetschung transkribiert.

BK Scholz: Wir haben gestern zusammen mit einem gemeinsamen Gespräch angefangen, das wir mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyi geführt haben. Das ist auch ein guter Grund, nach den zwei Tagen Tagung gemeinsam aufzuhören. Und in der Tat ist es ja mit einem großen Thema losgegangen, das uns auch während des Europäischen Rates bewegt hat, nämlich die Sicherheit und Integrität der Ukraine. Wir haben hier während des Rates auch darüber diskutiert, dass es für uns alle von allergrößter Bedeutung ist, dass die Grenzen Europas nicht verschoben werden, dass Sicherheit für alle existiert. Und es kann nur mit dem Respekt dieses Prinzips der gemeinsamen Sicherheit in Europa gelingen. Die Mitglieder des Rates sind sich alle einig und wir eben ganz besonders, dass es klar sein muss, dass wer diese Grenzen verletzt, auch mit entsprechenden Reaktionen rechnen muss und haben unsererseits aber auch darauf gedrungen, dass wir das Format, das existiert und mit dem Deutschland und Frankreich so verbunden sind, auch wieder aktiv machen und wirksam werden lassen wollen, nämlich das Normandie-Format und die entsprechenden Prinzipien, die dazugehören. Darüber haben wir uns mit Präsident Selenskyi aber auch untereinander unterhalten.

Neben der Frage der Sicherheit der Ukraine und den Konsequenzen, die das hat, haben wir uns auch über die schwierige Situation in Belarus unterhalten und deshalb bin ich sehr froh darüber, dass wir unsere Solidarität, insbesondere mit den baltischen Staaten und Polen bekunden und alle gemeinsam darstellen konnten, dass wir das Regime dazu auffordern, Menschen nicht zu missbrauchen. Wir sind froh, dass Europa gemeinsam dazu beitragen konnte, dass die Zahl derjenigen, die nach Belarus geflogen werden, zurückgegangen ist und es sogar wieder Rückflüge gegeben hat. Das zeigt auch, was eine solidarische europäische Aktion vermag.

Wir haben dann im Übrigen darüber gesprochen, dass wir unsere Flüchtlingspolitik in Europa generell koordinieren wollen und haben dazu ein paar weitere Festlegungen getroffen und uns ganz besonders und intensiv mit der Coronapandemie auseinandergesetzt. Das bleibt eine große, globale und europäische Aufgabe, die wir alle gemeinsam voranbringen müssen, um sicherzustellen, dass wir die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger schützen und gleichzeitig die ökonomische Stabilität wahren können. Für uns alle ist wichtig, dass wir nicht nur auf uns schauen, sondern dass wir auch gucken, dass die übrige Welt geimpft wird und wir die Staaten der Welt dabei unterstützen, das für ihre Bürgerinnen und Bürger auch möglich zu machen. Die COVAX-Initiative ist dabei ein ganz wichtiger Punkt.

Zuletzt haben wir auch die Frage der Energieversorgung und die damit verbunden Themen sorgfältig diskutiert. Schlussfolgerungen sind dabei noch nicht entstanden, aber es ist jedenfalls gemeinsam verstanden worden, dass wir die Preisentwicklung in den Energiemärkten genau beobachten müssen und gucken werden, wie wir dafür Sorge tragen können, dass es dort eine bessere Entwicklung gibt. Dass wir auch die Preisentwicklung im europäischen Emissionshandelssystem weiter beobachten werden und im Übrigen dann auch in Zukunft noch die nächsten Schritte miteinander zu beschreiben haben, wenn die Kommission ihre eigenen Vorschläge für die nächsten Fragen der Transformation des Energiemarktes gemacht haben wird, insbesondere den dazu vorgesehenen delegated act. Da gibt es in Europa auch unterschiedliche Vorstellungen, weshalb die Diskussion auch sicher weitergehen wird.

Im Übrigen ist es aber so, dass sich Frankreich und Deutschland in dieser Frage sicher sind, eng kooperieren zu wollen. Das haben wir nicht nur heute sondern auch bei unseren vorherigen Gesprächen so miteinander diskutiert und das werden wir auch fortsetzen.

P Macron: Vielen Dank. Guten Abend, ich freue mich sehr, heute Abend hier an der Seite des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz zu stehen, für diese gemeinsame Pressekonferenz, bei diesem ersten Europäischen Rat, an dem wir gemeinsam teilgenommen haben. Ich teile voll und ganz, was der Bundeskanzler eben gesagt hat. Wir hatten eine wichtige Debatte mit Präsident Selenskyi, wo wir uns ganz klar zum Normandie-Format bekannt haben und wir wollen hier Russland einbeziehen. Ich hatte mit Präsident Putin vor einigen [unverständlich] bereits darüber gesprochen und ich begrüße das Engagement von Präsident Selenskyi, hier Vorschläge zu machen, um voranzukommen. Gestern hatten wir auch ein etwas erweitertes Gespräch mit den Partnern aus der östlichen Partnerschaft und die Schlussfolgerungen sind klar. Sie wurden gestern von Charles Michel und Ursula von der Leyen und ich bin der Meinung, dass es hier ein ganz wichtiger Raum für uns ist. Die Ukraine haben wir bereits angesprochen. Ich habe auch gestern lange mit dem azerbaijanischen Präsidenten und dem armenischen Premierminister gesprochen und ich begrüße sehr die Arbeit, die Charles Michel vor zwei Tagen geleistet hat. In diesem Dreiergespräch hat sich das einmal mehr gezeigt und konsolidiert, dass es beiderseits das Engagement gibt, uns hier einzusetzen, für eine Deeskalation, aber auch die zukünftige Sicherheitsstruktur. Wir wollen die Arbeit mit der Europäischen Union fortsetzen und auch im Rahmen der Minsker Gruppe.

Zu den anderen Themen dieses Rates:

Wir haben unsere Einstellung gegenüber hybriden Angriffen seitens Belarus ganz klar bekräftigt und auch unsere Solidarität gegenüber den baltischen Staaten und den Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union. Diese Agenda werden wir in den nächsten Monaten noch weiter definieren, vor allem durch den Fortschritt des Schengen-Raumes und auch natürlich des gemeinsamen Asylsystems und ganz klare Maßnahmen, die wir gegen jegliche Form hybrider Angriffe beschlossen haben.

Der Bundeskanzler war bereits sehr klar mit dem, was er hier zum Thema Energie gesagt hat, wo Deutschland und Frankreich gemeinsam daran arbeiten wollen, um hier gute Lösungen herauszuarbeiten. Es gab hier eine lange Diskussion während des Europäischen Rates zu diesen Themen.

Zu den Themen Sicherheit und Verteidigung haben wir Schlussfolgerungen, die in der Fortsetzung dessen stehen, was wir in Rom beschlossen haben. [Unverständlich] Und Präsident Biden auch eine operativere und stärkere europäische Verteidigung und auch die weiteren Arbeiten am strategischen Kompass. Das wurde bereits unter deutschem Ratsvorsitz begonnen und wird unter französischem Ratsvorsitz im März abgeschlossen werden.

Andere Themen wurden auch noch angesprochen, z.B. was wir als Ergebnis des EU-AU-Gipfels erwarten, dann auch wirtschaftliche Investitionen, Sicherheit und Migrationskontrolle. Also, dieser Gipfel wird ja im Februar hier in Brüssel stattfinden, wo wir ein besseres Bündnis mit dem afrikanischen Kontinent schließen wollen. Und natürlich betrifft das auch, wie der Bundeskanzler gesagt hat, das Thema Impfstoffe. Hier wollen wir solidarisch sein und hier wollen wir eine ganz offene Zusammenarbeit haben, was die Produktion, Spenden oder auch technologische Partnerschaften angeht. Dieser Gipfel wird also ein ganz wichtiger Termin für dieses euro-afrikanische Bündnis sein, mit vielen Themen, die unsere Bürger betreffen und die wirklich strukturierende Wirkung haben werden.

Dann zum Eurogipfel, da haben wir über die wirtschaftliche Situation gesprochen sowie die Kapitalmärkte und Bankenunion besprochen. Diese Diskussion hat es auch ermöglicht, hier einen ersten Austausch zu haben in diesem Format über die wirtschaftliche Governance, das Vorangehen der verschiedenen Arbeiten in diesem Bereich und auch den makroökonomischen und finanziellen Kontext, der beschrieben wurde von der Präsidentin der europäischen Zentralbank und dem Eurogruppenchef.

Das wollte ich noch ergänzend hinzufügen und abschließend möchte ich mich beim slowenischen Premierminister bedanken für den „Ratsfortschritt“ und den Ratsvorsitz und die Fortschritte, die in den letzten sechs Monaten erreicht worden sind im Bereich Digitales oder soziale Agenda. Vielen Dank für seine ständige Bereitschaft und Offenheit.

Wir werden also ab dem 01. Januar den Vorsitz übernehmen. Es wird vor allem auch um Sicherheit und Verteidigung gehen, Reform des Schengenraumes, Beziehungen zu Afrika, Wirtschafts- und Wachstumsmodell. Die Prioritäten hatte ich vor einigen Tagen bereits vorgestellt. Wir wollen diese Agenda in den Dienst aller 27 Mitgliedsstaaten stellen.

Vielen Dank.

Frage: Ich habe eine Frage an den Bundeskanzler: Es war Ihr erster EU-Gipfel. Sie sind neu dazugekommen. Vielleicht können Sie uns ein bisschen erzählen? Was hat Sie überrascht? Wie haben Sie sich gefühlt? Was fanden Sie nervig? Wie ist es Ihnen auf Ihrem ersten EU-Gipfel ergangen?

BK Scholz: Das ist jetzt vielleicht ein etwas banaler Hinweis, aber ich habe gerade Koalitionsverhandlungen hinter mir und die sind auch sehr lang und mit langen Gesprächen verbunden gewesen. Ich habe an vielen Treffen dieser Art teilgenommen, deshalb war ich eigentlich nicht so überrascht, dass es hier auch so zugegangen ist, wie sonst. Aber es ist wichtig, dass hier doch bei den meisten Fragen erkennbar war, wie sehr konstruktiv um Lösungen gerungen wurde und dass man schon merkt, dass da europäisch etwas zusammenwächst, gerade wenn wir uns gegen äußere Bedrohungen zur Wehr setzen müssen. Und das gilt ja im Hinblick auf die hybriden Angriffe die wir wahrnehmen, mit dem was Belarus macht oder im Hinblick auf die schwierige Sicherheitssituation um die Ukraine herum. Also, eine wichtige, gute Erfahrung und ich habe mich wohlgefühlt.

Frage: Vielen Dank. Ich hoffe, Sie können mich hören. Meine Frage geht an den französischen Präsidenten, da Sie Afrika angesprochen haben: Ich möchte Sie fragen ob Sie der Ansicht sind, dass es jetzt Zeit ist für eine afrikanische-europäische Entwicklungsbank in Afrika. Sollte das die „EBAD“ sein, die ja das Hauptquartier in London hat und wenn das der Fall ist sind Sie bereit, mit den Amerikanern darüber zu sprechen, sich aus der „EBAD“ zurückzuziehen? Die „EBAD“ ist ja in Subsahara-Afrika schon vertreten. Dort gibt es aber kein überzeugendes Entwicklungsmodell für diesen Bereich. Das wurde ja schon gesagt. Sollte es ein neues Modell geben oder wollen Sie auf dem Prozess aufbauen, den Sie in 2018 begonnen haben, den Status-Quo-Plus-Prozess? Der Status quo in Afrika – reicht da Status Quo Plus?

P Macron: Das wichtigste sind der Ehrgeiz und natürlich auch die Beträge. Sie haben ja die Situation perfekt beschrieben. Die EBAD sind natürlich jetzt in Afrika bereits präsent. Kurzfristig werden wir auf dem verbesserten Status quo aufbauen und dem Abschluss des Waisenberichtes, denn das ist das Wirksamste. Es braucht eine Transformation, um ein richtiges Netz zu haben. Das wird natürlich einige Zeit in Anspruch nehmen. Für dieses wirtschaftliche Bündnis, denke ich, ist das das Wichtigste.

Erstens, Europa muss dazu beitragen, Afrika Eigenmittel zum Investieren zu geben. Das bedeutet: Sonderziehungsrechte oder auch natürlich Verkauf von Goldreserven, je nach Land. Da wird natürlich die Rolle von Charles Michel sehr wichtig sein, denn er muss diese Arbeiten koordinieren. Jetzt im G20-Rahmen haben wir bereits 100 Mrd. Sonderziehungsrechte neu zugeteilt. Das ist auch bereits ein großer Teil des Finanzierungsbedarfs für den afrikanischen Kontinent. Und wir als Europäer müssen gemeinsam mit dem IBF und der Weltbank daran arbeiten, noch weiter zu leisten.

Zweitens, wir müssen mit unseren Instrumenten arbeiten und wir haben diese beiden Entwicklungsbanken, die ihre Koordinierung noch verbessern müssen. Das geht aus dem Waisenbericht hervor, aber vor allem muss ihr Engagement noch verstärkt werden und noch besser mit den afrikanischen Regionalbanken zusammenarbeiten. Seien es jetzt die Sonderziehungsrechte, da glaube ich, ein wichtiges Element der Vorbereitung unseres Gipfels mit der afrikanischen Union und auch mit den „Regionalobsessionen“ ist die Nutzung der bereits existieren Banken. Denn die afrikanischen Banken haben auch eine Möglichkeit der Hebelwirkung mit den vorhandenen Mitteln, um somit unsere eigene Finanzierung effizienter zu gestalten und natürlich die Afrikaner mehr in die Governments heineinzuholen. Ich denke, was hier zu erwarten ist von der wirtschaftlichen Governments von den Afrikanern ist, dass sie mehr zu Akteuren werden. Also, die IWF, der IDA-Fonds wird das in den nächsten Jahren immer wichtiger werden. Bei den Programmen der EBLD geht es vor allem um die Verbesserung, das haben Sie bereits angesprochen, also was auf den Waisenbericht zurückgeht. Und wir müssen den Afrikanern helfen, ihre eigenen Projekt durchzuführen. Und letzter Punkt: Die Frage, die sich Präsident Makisalj gestellt hat, ist eine afrikanische Kapazität Geld aufzunehmen auf den Märkten, also Weltbank und IWF-Mittel zu nutzen, um jetzt die ersten Verluste aufzufangen, anstatt jetzt Instrumente zu nutzen von Washington oder Brüssel, um die ganzen Programme abzudecken. Und das alles wollen wir bei dem kommenden Gipfel besprechen.

Frage: Die Gesundheitslage wird ja als besorgniserregend eingeschätzt wegen der Omikron-Variante. Es wird jetzt davon gesprochen, dass manche Länder PCR-Tests vorschreiben, auch für geimpfte Personen. Werden Sie das Gleiche tun in Ihren beiden Ländern?

Und eine persönliche Frage an P Macron: Muss man beim morgigen Verteidigungsrahmen mit einer weiteren Verschärfung der Maßnahmen rechnen?

P Macron: Morgen werden wir natürlich die Gesundheitslage erneut beleuchten. Natürlich müssen wir alle Indikatoren hier heranziehen. Natürlich wird die Auslastung der Krankenhäuser hier wichtig seien. Und die Inzidenzen sind sehr hoch in unseren Ländern, aber teilweise nur mit leichten Verläufen. Und die Zahlen muss man auch anhand der Impfquote entsprechend lesen und interpretieren. Wir müssen auf den Rat der Experten und Wissenschaftler hören, was diese neue Omikron-Variante angeht und seine Verbreitung in Frankreich und dann die entsprechenden Entscheidungen treffen.

Zum ersten Punkt: Frankreich hat PCR-Tests mit Nicht-EU-Mitgliedsstaaten. Die Regierung hat vor zwei Tagen angekündigt, dass Großbritannien jetzt rot eingestuft wird. Dann werden diese Tests wieder zwingend erforderlich. Aber wir haben nicht vor, innerhalb der Europäischen Union diese Tests einzuführen, denn für uns ist das gute Funktionieren der Freizügigkeit sehr wichtig. Und es ist natürlich klar, dass sich das Virus, wenn es in einem Land ist, natürlich auch in den anderen Ländern schnell verbreitet. Die meisten Bewegungen entstehen natürlich durch die Grenzpendler, die sowieso nicht betroffen sind von diesen Maßnahmen, deswegen ist deren Effizienz auch nicht so groß. Natürlich gilt das Entsprechende für Drittstaaten, wo wir die entsprechenden Maßnahmen einführen werden.

BK Scholz: Es ist wichtig, deshalb haben wir ja auch unsere bisherigen Maßnahmen ausgerichtet. Wir haben für einzelne Länder von außerhalb Europas, wo jetzt eine besondere Gefährdungslage existiert, strenge Maßnahmen ergriffen, was Reisemöglichkeiten betrifft. Aber natürlich auch für diejenigen, die nach Hause zurückkommen, strenge PCR-Tests. Aber das gilt natürlich nicht für den Raum, der hier angesprochen wurde, in gleicher Weise. Deshalb wird das immer alles beobachtet werden müssen, aber erst einmal sind wir hier so unterwegs, wie Frankreich dann ja auch.

Vielleicht noch einen Hinweis zu der Frage der neuen Variante und was das für uns für Schlussfolgerungen auslöst: Wir haben uns entschieden, dass wir die Impfkampagne weiter fortführen, dass wir möglichst viele neu impfen wollen, weil das am Ende immer schützt. Und dass wir vor allem diejenigen, die schon zwei Impfungen haben, mit einer dritten Auffrischungsimpfung versehen wollen. Und das geschieht in großer Anstrengung, die wir jetzt unternehmen. Diese hat auch ein großes Tempo aufgenommen und das Tempo der Auffrischungsimpfung, der Boosterimpfung hat dazu beigetragen, dass sich sogar erheblich viele neu entscheiden, sich überhaupt mal impfen zu lassen. Also, beides klappt gewissermaßen gleichzeitig. Und das wollen wir in diesem Jahr so machen. Da ist unser Ziel, dass wir von einem bestimmten Zeitpunkt an, wo wir diese Kampagne angefangen haben, 30 Mio. Impfungen bis zum Jahresende zustande kriegen und das wollen wir dann Anfang nächsten Jahres nochmal fortsetzen.

Frage: Eine Frage an Sie beide: In der EU muss in den nächsten Wochen über die Frage entschieden werden, ob Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke als klimafreundlich eingestuft werden sollten. Haben Sie über diese Frage gesprochen? Gibt es die Aussicht darauf, dass es eine gemeinsame Position von Deutschland und Frankreich gibt? Oder wird die EU-Kommission in dem Streit entscheiden müssen und der Streit zwischen Deutschland und Frankreich in dieser Frage wird bleiben? Dankeschön.

BK Scholz: Wir haben natürlich über die Frage, wie wir unsere Energiepolitik ausrichten wollen, gesprochen. Und auch, welche Konsequenzen das für die europäischen Maßnahmen hat. Es gibt jetzt demnächst einen zweiten delegated act der Europäischen Kommission, den sie auf den Weg bringen wird.

Und über die Frage, wie der aussehen könnte, sind wir intensiv im Gespräch miteinander, aber auch mit der Kommission. Die Perspektiven sind etwas unterschiedlich, was die Wege betrifft, die wir jeweils in unseren Ländern gehen wollen. Deutschland hat schon sehr lange entschieden, dass es einen Pfad verfolgt, bei dem für uns in Deutschland die Atomenergie keine Rolle spielt, wir auch aus der Kohleverstromung aussteigen und die erneuerbaren Energien so massiv ausbauen wollen, dass wir es schaffen, den veränderten, gestiegenen Strombedarf der deutschen Wirtschaft damit zu decken. Das muss man immer mit im Blick haben. Es geht ja nicht nur um den Ersatz von z.B. Strom aus Kohle, sondern es geht ja auch darum, dass wir alles dafür tun, dass wir die industriellen Prozesse verändern. Und das wird zu einer erheblichen Steigerung des Strombedarfs führen. Stahlwerke, die nicht mehr mit Kohle arbeiten, sondern mit Strom für einen wesentlichen Teil des Prozesses, müssen natürlich riesige Mengen Strom bekommen, damit das funktioniert. Das Gleiche gilt für die chemische Industrie. Und diese Beispiele ließen sich endlos verlängern. Das ist der Pfad den wir gehen, Frankreich geht einen anderen Pfad, andere Länder wieder auch und es gibt ziemlich unterschiedliche Modelle. Und deshalb ist es wichtig, dass man seine eigenen Pfade verfolgen kann und gleichzeitig europaweit zusammenbleibt. Es ist keine einfache Aufgabe, wie ja die Diskussion nicht zwischen uns, sondern insgesamt heute gezeigt hat. Aber am Ende wird es ja zusammengehen müssen was man in Europa macht, trotz unterschiedlicher Schwerpunktsetzung und Perspektiven.

P Macron: Ich bestätige und sage, dass das kein deutsch-französisches Thema ist. Das ist ja ein Ansatz der Europäischen Kommission, hier einen delegated act zu verabschieden. Das ist eine Initiative der Europäischen Kommission zur Taxonomie für die erneuerbaren Energien. Und das ist ja auch schon geschehen. Und auch für die anderen Energieformen. Der Herr Bundeskanzler hat das gerade ganz richtig beschrieben. Wir haben unterschiedliche Energiemodelle und das hat sich in den letzten Jahren noch einmal verstärkt. Und wir verfolgen demnach nicht die gleichen Ziele. Was wir erreichen müssen ist eine Taxonomie, die es uns erlaubt, unsere Industriepolitik fortzusetzen und kurrent zu sein, mit der Dekarbonisierung unserer Wirtschaft und der Stromversorgung. Und natürlich auch um das Klimapaket umsetzen zu können und natürlich vor allem das Fit-for-55-Paket. Wir haben in den letzten Tagen darüber gesprochen und werden das auch fortsetzen, um einen guten deutsch-französischen Kompromiss zu finden. Aber das ist keine Vorbedingung für einen delegated act. Das ist vor allem auch die Arbeit der Europäischen Kommission. Es ist natürlich wichtig, dass unsere beiden Länder in der vorbereitenden Arbeit hier voll engagiert sind und transparent sowie respektvoll miteinander umgehen. Und das tun wir auch.

Frage: Eine Frage zu Russland. Glauben Sie, dass diese Abschreckung, diese präventiven Sanktionen Vladimir Putin wirklich Angst einjagen kann? Die Frage richtet sich an beide. Vielen Dank.

P Macron: Jetzt zur Frage der Ukraine, denn ich denke, darauf zielt Ihre Frage ab. So beruht un­se­re Strategie auf einer multiplen Herangehensweise.

Erstens, durch Abschreckung. Das war auch der von Präsident Biden und der USA bei seinem Austausch mit Präsident Putin und auch mit der Europäischen Union. Da sehen wir bereits ganz klare Signale und wir stimmen uns ab.

Zweitens: Es geht darum, Russland wieder einzubeziehen in einen politischen Rahmen, der als einziger in der Lage ist, die Ukrainefrage zu klären, nämlich das Normandie-Format und zur Umsetzung der Minsker Protokolle. Und das wollen wir auch in den nächsten Wochen fortsetzen.

Drittens, Wir müssen der Ukraine weiter helfen. Und das haben wir auch im Rahmen der östlichen Partnerschaft beschlossen. Also, wirtschaftliche, soziale, industrielle Situation, Pressefreiheit, auch die Qualität der Presseberichterstattung in der Ukraine, um Präsident Selenskyi bei seiner Arbeit zu helfen. Das ist diese koordinierte Herangehensweise an diesen drei Fronten. Und ich glaube, so wird es uns kurzfristig möglich sein, soweit wie möglich voranzukommen.

Wir sehen uns natürlich die militärische Lage auch an, aber glauben, dass ein regelmäßiger Dialog mit Russland auf dieser Basis, wir dürfen hier natürlich nicht naiv sein, aber es darf auch nicht keinen Dialog geben – müssen wir den einzigen Weg finden, der zu verfolgen ist in der Region, nämlich der Weg des Gesprächs und der politischen Lösung.

BK Scholz: Das ist das große Vorhaben, das wir hier noch einmal vorangebracht haben. Deshalb haben wir, wie ich eingangs gesagt habe, damit begonnen, ein Gespräch mit Herrn Selenskyi zu führen, um seine Situation auch zu verstehen, wie die besonderen Herausforderungen in der Ukraine sind. Deshalb haben wir uns mit der östlichen Partnerschaft darüber unterhalten und deshalb habe wir das auch hier im Rahmen des gesamten Rates getan. Und eine wichtige Schlussfolgerung, die aus allem herausgekommen ist, ist, dass wir das eine gute Gesprächsformat, das wir haben, als Europäer, nämlich das Normandie-Format, neu beleben wollen. Und dass wir damit auch unseren Beitrag leisten wollen, die Situation in eine gute Richtung zu wenden. Einfach ist das nicht, man darf sich da nichts vormachen. Und deshalb gehört auch dazu, dass wir klare Worte finden, wenn es etwa um die Integrität der Grenzen geht.

Frage: Eine Frage an Sie beide, gleichlautend auch anknüpfend an das Thema „Sanktionen und Ukraine“. Wenn die EU in der Vergangenheit Sanktionen verhängt hat, dann hat sie sich immer darum bemüht, dass die Lasten, die natürlich auch auf der europäischen Seite dadurch entstehen, relativ gut verteilt sind. An Sie beide die Frage: Ist es für Sie eine Priorität, dass das auch bei diesen Sanktionen so ist? Oder sagen Sie, da geht es um Krieg und Frieden und das kann dieses Mal nicht die Priorität sein?

BK Scholz: Wir diskutieren über die Maßnahmen die zu ergreifen sind und die wir ergreifen können für den Fall, dass es nicht gelingt, eine friedliche Entwicklung möglich zu machen. Aber dass wir das tun, dass wir die verschiedenen Maßnahmen einzeln bewerten, auch auf ihre Auswirkung hin und die Effizienz, das ist ja nur die Vorbereitung für einen Fall, der nicht eintreten soll. Und das gehört eben beides so zusammen.

P Macron: Wir haben die bereits bestehenden Sanktionen für sechs Monate verlängert und die Frage stellt sich ja nach der Auswirkung der Wirksamkeit der Sanktionen. Das muss natürlich auch vertraulich gemacht werden. Und das wird nur veröffentlicht, wenn es soweit ist. Ziel ist, wie wir bereits gesagt haben, eine politische Lösung auf dem Verhandlungsweg zu finden. Wir haben jetzt formell nur eine sechsmonatige Verlängerung der bereits bestehenden Sanktionen beschlossen.

Frage: Guten Tag, Herr Präsident, Herr Bundeskanzler. Die Frage richtet sich an Sie beide. Haben Sie während dieses Rates über die Uiguren in China gesprochen? Es geht ja um einen möglichen europäischen diplomatischen Boykott der olympischen Spiele. Wurde darüber auch gesprochen? Gibt es auch Maßnahmen zur Verhinderung von Baumwolle aus China, die von Zwangsarbeitern aus Uiguren geerntet worden sind?

P Macron: Wir kennen dieses Thema und haben mehrfach drüber gesprochen. Das stand aber heute nicht auf der Tagesordnung. Die Außenminister haben darüber gesprochen und werden es auch wieder tun. Ich würde das auch trennen.

Einmal die Zwangsarbeit der Uiguren. Da haben wir uns verpflichtet und haben das auch präzisiert im Dezember 2020 unter deutschem Vorsitz, dass es ein Prozess zur Einhaltung der Konventionen der internationalen Arbeitsorganisation, um diese Zwangsarbeit durch China zu verhindern. Das haben wir auch als Vorbedingung für das Investitionsabkommen definiert. Es scheint hier ein Willen seitens China zu geben, in diese Richtung zu gehen. Jetzt gilt es ganz konkret politische, diplomatische Arbeit zu leisten um zu versuchen, China hier mitzunehmen, um zu versuchen, dieses schreckliche Thema zu bearbeiten, das Sie angesprochen haben.

Das zweite Thema hängt von diesem Dialog auch ab. Gibt es eventuell die Möglichkeit, dass wir uns hier jede Industrie und jeden Sektor einzeln anschauen müssen, damit sich China auf diese Zusammenarbeit – Das würde ich jetzt getrennt sehen von dem Thema des möglichen Boykotts der olympischen Spiele, denn sonst hätten wir diese Entscheidung schon vor langem getroffen. Und wir wollten ja auch die olympischen Spiele nicht politisieren.

Und zu den olympischen Spielen ganz kurz: Kein Land hat bisher hat bisher einen sportlichen Boykott beschlossen, soviel ich weiß. Der Boykott, der wirklich auch Auswirkungen hätte – wir sind jetzt dabei, uns unter Europäern abzusprechen, um die Situation zu bewerten und zu beschließen, auf welcher Ebene wir vertreten sein werden. Das ist ein Beratungsprozess der vorangeht, der aber noch nicht abgeschlossen ist.

BK Scholz: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Sie haben im Detail auch über die Entwicklung der Energiepreise gesprochen. Ist Marktintervention, Markteingriff auch eine Option für die Zukunft, wenn die Preise weiter steigen? Oder welche Maßnahmen würden Sie eventuell noch in Erwägung ziehen?

BK Scholz: Wir haben die Situation sorgfältig untersucht und werden das auch weiter tun. Das ist die Frage, die wir im Rat miteinander diskutiert haben. Wir entwickeln sich die Preise auf den Märkten? Und das bleibt auch eine Aufgabe, immer genau zu schauen: Was ist die Ursache der gegenwärtigen Entwicklung? Da muss man langfristige Entwicklungen mit einbeziehen. Natürlich hat die konjunkturelle Entwicklung, die vielen Konjunkturmaßnahmen, die jetzt überall auf der Welt ergriffen worden sind, dazu beigetragen, dass die Nachfrage nach fossilen Ressourcen massiv gestiegen ist. Und das gilt auch überall wo sich die wirtschaftliche Entwicklung nach vorne entwickelt und wir Wirtschaftskraft bekommen in Ländern, bei denen das lange nicht der Fall war. Das erhöht aber auch die Nachfrage. Und das merken wir jetzt auch in den Preisen. Insofern muss man das genau beobachten und sich dann überlegen, was zu tun ist. Das ist letztendlich auch die Lage, in der wir uns jetzt jedenfalls befinden.

Frage: Ich wollte zurückkommen auf die Taxonomie. Ich wollte wissen, ob Sie, Herr Scholz, sich irgendwann damit anfreunden könnten, dass die Kernenergie als grüne Energie angesehen wird? Und Sie, Herr Macron, könnten Sie sich vorstellen, dass dem nicht so ist?

P Macron: Also, die Frage wird sich nicht so als Methode stellen, denn der delegated act, der von der Europäischen Kommission vorgestellt werden wird, bedeutet nicht, dass jeder Staat alles akzeptiert. D.h. um den zu blockieren, braucht es eine ausreichende Anzahl von Mitgliedsländern, um das zu erreichen. Also, die Arbeit der Kommission in den nächsten Tagen wird natürlich sehr wichtig sein.

Kurz zur Kernenergie: Die Kernenergie kann nicht mit erneuerbaren Energien gleichgesetzt werden, aber es ist sicherlich eine kohlenstoffarme Energieform und eine kohlenstoffarme Stromquelle. Und als solche wollen wir sie auch eingestuft haben. Sonst muss man hier sehr vorsichtig sein, sonst kommt man in eine etwas verwirrende Palette von Einstufungen. Man muss ja sehen, was hier anerkannt wird von den internationalen Experten. Eine nicht intermetente Stromquelle und als solche sollte sie, denke ich, auch eingestuft werden.

BK Scholz: Die Frage wird völlig überbewertet. Es geht hier um die Einschätzung der Aktivitäten von Unternehmen. Wichtig für diejenigen, die Geld anlegen wollen. Und die Intensität der Debatte zeigt, dass das Geldanlegen ein wichtiges Thema ist, aber sie sollte nicht überschätzt werden. Am Ende entscheiden die einzelnen Länder, welchen Weg sie gehen wollen im Hinblicke auf ihren Pfad für eine emissionsfreie Zukunft. Der deutsche ist ja diskutiert und bekannt und zu dem gehört schon länger der Ausstieg aus der Atomenergie. Nächstes Jahr wird das letzte Kraftwerk abgeschaltet und der Einstieg in den massiven Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien beginnt. Und die Taxonomie ist ein Kleines Thema in einer ganz großen Frage.

Frage: Herr Bundeskanzler, der Gipfel und Ihr bilaterales Treffen standen ja, wie Sie eingangs geschildert haben, im Geiste der Solidarität mit der Ukraine. Wäre es da nicht konsequent, Nord Stream 2 in Zweifel zu ziehen? Inwieweit war das auch Teil der heutigen Gespräche? Und damit verbunden die Frage an Sie, P Macron, inwieweit sind Sie sich da einig beziehungsweise uneins? Was wünschen Sie sich da von der Bundesregierung? Vielen Dank

BK Scholz: Das ist eine Frage, die ich schon fast vermisst habe. Danke, dass Sie sie gestellt haben. Aber unabhängig davon, handelt es sich im Hinblick auf Nord Stream 2 um ein privatwirtschaftliches Vorhaben, das soweit vorangetrieben worden ist, dass dort jetzt eine genehmigte Pipeline liegt und dass noch eine Teilfrage entschieden wird, inwieweit das den Bundling-Kriterien des europäischen Energierechts entspricht. Darüber entscheidet ganz unpolitisch eine Behörde in Deutschland, die aber viele zur Konsultation heranzieht. Dieser Prozess ist im Gange. Und ansonsten ist das eine andere Frage, als die, die wir vorhin erörtert haben, nämlich dass wir uns untereinander unterhalten, was wir tun können, um sicherzustellen, dass eben der Fall nicht eintritt, dass die Integrität der Ukraine verletzt wird. Ansonsten ist es so, dass sich Deutschland sehr verantwortlich dafür fühlt, dass die Ukraine auch weiterhin ein Land des Gasttransits bleibt. Wir haben uns sehr dafür eingesetzt, dass der jetzt bestehende Gasttransitvertrag überhaupt wieder zustande kommt. Die Verlängerung stand lange auf der Kippe und wir haben selber aktiv dafür gesorgt und mitgeholfen, dass das funktioniert. Wir werden uns auch in Zukunft dafür verantwortlich fühlen, dass es klappt mit dem Gasttransit aus der Ukraine und dass das Land selber eine gute Entwicklung nehmen kann. Insbesondere auch für das, was auch wichtig ist für die Zukunft Europas, den Ausbau erneuerbarer Energien, die Entwicklung einer wasserstoffindustriellen Struktur, die dann auch für die Versorgung Europas eine so wichtige Rolle übernehmen kann, wie das heute mit dem Gas der Fall ist. Insofern ist das das, was wir tun –

P Macron: Für mich gibt es hier nichts Neues dazu. Wir haben vor mehreren Jahren schon darüber gesprochen. Wir haben über die geopolitische Einbettung gesprochen bei dem Gipfel in Paris am 09. Dezember 2019. Da gab es einen intensiven Austausch natürlich dazu mit der Ukraine und mit Deutschland und natürlich auch in bilateralen Gesprächen und auch mit der Europäischen Kommission. Ich denke, der Ausgleich wurde gefunden. Das ist also nicht Neues und das birgt keine Lösung für die derzeitigen schwierigen – oder erschwert diese auch nicht.