„Deutschland wird und muss zeigen, dass es sich europäisch sehr stark engagiert”

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Pressekonferenz von Bundeskanzler Merz und dem Präsidenten des Europäischen Rates Costa „Deutschland wird und muss zeigen, dass es sich europäisch sehr stark engagiert”

Deutschland will sich auch künftig europäisch stark einbringen, so Bundeskanzler Friedrich Merz nach dem Zusammentreffen mit EU-Ratspräsident António Costa. „Wir werden die Anstrengungen gemeinsam fortsetzen und in den nächsten Jahren verstärken.” 

13 Min. Lesedauer

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Freitag, 9. Mai 2025
Bundeskanzler Merz und EU-Ratspäsident Costa gehen über einen roten Teppich vor den Flaggen der EU-Staaten.

Bundeskanzler Merz trifft zum Besuch beim Präsidenten des Europäischen Rates Costa ein. 

Foto: Bundesregierung/Jesco Denzel

Er sei „froh und dankbar”, genau am Europatag, am 9. Mai 2025, in Brüssel zu sein, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz nach seinem Zusammentreffen mit dem EU-Ratspräsidenten António Costa in Brüssel. Es sei schon das Anliegen von Robert Schuman und seinen Wegbegleitern gewesen, „die Kräfte zu bündeln, Europa stark zu machen und einen Mehrwert zu schaffen". Schuman habe schon damals gewusst, „dass kein Land allein in der Lage ist, die Herausforderungen zu bestehen, vor denen er damals stand und vor denen wir heute mehr denn je wieder stehen”, so Merz.

Kanzler Merz betonte außerdem, dass sich Deutschland in der Europäischen Union stark engagieren wolle. Außerdem sei es notwendig, so Merz, den europäischen Binnenmarkt weiter zu stärken, da er seit über 30 Jahren eine entscheidende Rolle für Wohlstand und Politik spiele.

Lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)

Präsident António Costa:

Guten Morgen! Es freut mich sehr, den Bundeskanzler Friedrich Merz hier zu begrüßen.

Heute ist ein ganz bedeutsamer Tag; denn wir feiern heute den 75. Jahrestag der Schuman-Erklärung, also des Beginns unserer Union.

Ich möchte dem Bundeskanzler, seiner neuen Regierung und Deutschland in den nächsten vier Jahren alles Gute wünschen. Deutschland ist natürlich eine wesentliche Säule unserer Europäischen Union, und ein starkes Deutschland ist wesentlich für unsere Wirtschaft und für unsere Kapazität, die verschiedenen Herausforderungen auf der Welt zu meistern. Ich freue mich sehr, Bundeskanzler Merz zuzuhören und gehört zu haben, dass unsere Prioritäten und die der deutschen Regierung völlig übereinstimmen: Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit und Migration. Natürlich werden wir die Möglichkeit haben, in den nächsten Jahren sehr gut zusammenzuarbeiten. Dies ist gut für Europa, und ich hoffe, es ist auch gut für Deutschland.  Herr Bundeskanzler, bitte!

Bundeskanzler Friedrich Merz:

(auf Englisch) Danke schön, Herr Präsident!  Lieber António, herzlichen Dank für die nette Einladung nach Brüssel heute. Ich schätze Ihre Gastfreundschaft und das gute Treffen, das wir heute Morgen hatten. Es war nicht das einzige Treffen; vielmehr hatten wir schon vor ein paar Wochen ein Treffen, als ich in Deutschland noch in der Opposition war. Aber herzlichen Dank dafür, dass ich heute hierherkommen durfte!

(auf Deutsch) Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich heute, am 9. Mai, in Brüssel sein kann  gleich an meinem dritten Tag im Amt und am Europatag. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind groß, aber vielleicht ist es gerade deshalb notwendig, einmal auf die Ursprünge der Europäischen Union hinzuweisen; denn genau heute vor 75 Jahren hat der frühere französische Außenminister Robert Schuman die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorgeschlagen. Wenn Sie in die Gründungsdokumente schauen und wenn Sie seine Rede, die er vor 75 Jahren gehalten hat, noch einmal nachlesen, dann werden Sie dort eine zutiefst politische Begründung finden. Das hatte nichts mit der Kohle- und Stahlindustrie zu tun, sondern es war der Versuch, ein Instrument zu schaffen, mit dem er den Grundstein für die Vergemeinschaftung von Politik in Europa gelegt hat  zunächst zwischen Deutschland und Frankreich, zunächst mit der Kohle- und Stahlindustrie, aber dann eben auch mit weiteren Sektoren, über die EURATOM-Gemeinschaft und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hin zur Europäischen Union, so wie wir sie heute haben.

Ich bin daher froh und dankbar, dass ich die Gelegenheit habe, genau am heutigen Tag, am Europatag, am 9. Mai 2025, hier in Brüssel zu sein. Denn es war das Anliegen von Robert Schuman und seinen Wegbegleitern, die Kräfte zu bündeln, Europa stark zu machen und einen Mehrwert zu schaffen, weil er schon damals wusste, dass kein Land allein in der Lage ist, die Herausforderungen zu bestehen, vor denen er damals stand und vor denen wir heute mehr denn je wieder stehen.

Das ist aus meiner Sicht eine gute Gelegenheit, an die Gründungsgeschichte der europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union anzuknüpfen. Sie wissen, dass ich in den frühen Neunzigerjahren selbst Mitglied einer Institution in Europa war, nämlich Mitglied des Europäischen Parlaments. Ich habe hier in Brüssel und in Straßburg die gesamte Gesetzgebung für den europäischen Binnenmarkt miterlebt. Ich habe die Zeit hier verbracht, als die deutsche Wiedervereinigung möglich wurde, und mit der deutschen Wiedervereinigung auch ein weiterer großer Schritt hin zur Vereinigung Europas  und zwar nicht nur des Westens, sondern auch des Ostens der Europäischen Union.

Das war der Grund dafür, dass ich vorgestern als erster Bundeskanzler soweit ich zurückblicken und das beurteilen kann  in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland am selben Tag nicht nur in Paris war, sondern auch in Warschau. Es war mir wichtig, dies auch als ein wirkliches Zeichen der Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich und Polen zu nehmen. Das heißt aber nicht, dass nur die großen Mitgliedstaaten in meinem Blick sind; vielmehr lege ich sehr viel Wert darauf, dass sich auch die kleinen und mittleren Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Deutschland verlassen können und dass sie sich auch auf die neue deutsche Bundesregierung verlassen können. Das werde ich in den nächsten Tagen und Wochen auch in vielen einzelnen Gesprächen und Begegnungen so zeigen.

Was müssen wir in Europa tun? Nun, wir müssen ganz unabhängig von den sehr aktuellen Herausforderungen, auf die ich noch zu sprechen komme, den europäischen Binnenmarkt vollenden. Er ist das Rückgrat unseres Wohlstandes, er ist das Rückgrat der europäischen Politik seit vielen Jahren  seit jetzt über 30 Jahren. Es ist eine große Erfolgsgeschichte, aber sie muss fortgeschrieben werden. Ich will hier nur beispielhaft die Integration der Kapitalmärkte nennen, aber gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung will ich ausdrücklich auch die Zusammenfassung unserer Anstrengungen ansprechen, eine Verteidigungsindustrie in Europa aufzubauen. Ich habe Präsident Costa auch gebeten, bei der Notwendigkeit neuer finanzieller Mittel bitte nicht aus dem Blick zu verlieren, dass wir sehr viel effizienter werden müssen, dass wir die Systeme vereinfachen müssen, dass wir auch größere Stückzahlen in Europa brauchen und dass wir einfach sehr viel mehr an zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für Ausrüstung ermöglichen müssen. Das geht nur gemeinsam in der gesamten Europäischen Union.

Vor diesem Hintergrund steht natürlich die Frage im Raum, wie Europa mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine weiter umgeht. Ich werde das, was ich als Oppositionsführer im Deutschen Bundestag in den vergangenen dreieinhalb Jahren immer wieder gesagt habe, weiterhin so sagen und jetzt in Regierungshandeln umsetzen, dass wir nämlich fest und unbezweifelbar an der Seite der Ukraine stehen, dass wir alles dafür tun wollen, um diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden, dass dies aber nur mit der Ukraine geht, dass das nicht über den Kopf der Ukraine hinweg möglich ist, sondern dass wir klarstellen müssen, wo wir stehen. Wir stehen an der Seite der Ukraine, und ich freue mich, dass dies für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis auf eine oder zwei Ausnahmen auch weiterhin gilt.

Ich habe gestern Abend mit dem amerikanischen Präsidenten telefoniert. Er hat mich über seinen Plan eines dreißigtägigen Waffenstillstandes unterrichtet. Ich habe meine Unterstützung zum Ausdruck gebracht und gesagt, dass wir dies auch aus der Sicht der deutschen Bundesregierung für richtig halten. Insbesondere Russland ist jetzt aufgefordert, sich endlich auf einen längeren Waffenstillstand einzulassen, der Raum für einen echten Friedensvertrag geben muss.

Deutschland steht dazu in sehr engem Austausch mit Frankreich, Großbritannien, Polen und weiteren europäischen Partnern. Auch mit dem Präsidenten des Europäischen Rates habe ich mich darüber heute Morgen ausgetauscht. Wir teilen diese Einschätzung voll und ganz. Sie werden in engem Schulterschluss mit unseren europäischen Partnern die Ukraine weiterhin unterstützen. Wir werden sie unterstützen, sich weiterhin effektiv verteidigen zu können. Wir stehen bereit, gegebenenfalls auch weiteren Druck auf Russland auszuüben. Wir fordern Russland auf, jetzt endlich den Pfad für echte Friedensverhandlungen zu beschreiten. Wenn dies nicht geschieht, werden wir nicht zögern, den Sanktionsdruck zusammen mit unseren europäischen Partnern und den Vereinigten Staaten von Amerika weiter zu erhöhen. Wir Europäer müssen nicht nur noch mehr für die Ukraine tun, sondern wir müssen unsere Verteidigungsfähigkeiten in der Europäischen Union auch eigenständiger organisieren. Das steht im selben Kontext.

Selbstverständlich ist auch die Begrenzung der irregulären Migration ein Thema gewesen, das mir wichtig ist. Sie kennen die Entscheidungen, die in Deutschland gestern getroffen worden sind. Um es hier sehr klar und sehr deutlich zu sagen, weil es einige Irritationen gegeben hat: Niemand in der Bundesregierung, auch ich persönlich nicht, hat eine Notlage ausgerufen. Wir kontrollieren jetzt an den Grenzen intensiver. Wir kontrollieren in etwa so wie während der Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Jahr. Wir werden auch weiterhin zurückweisen. Aber das alles steht im Einklang mit europäischem Recht. Darüber sind auch unsere europäischen Nachbarn vollumfänglich informiert. Es gibt hier keinen deutschen Alleingang. Wir sind mit unseren europäischen Nachbarn abgestimmt.

Meine Damen und Herren, ich freue mich darauf, in den nächsten Wochen, Monaten und gegebenenfalls Jahren auch die Zusammenarbeit im Europäischen Rat zu suchen. Ich bin António Costa für seine Arbeit dankbar, die er dort als ständiger Präsident leistet. Ich habe ihm heute Morgen noch einmal meine und auch unsere klare Position, die Position der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, erläutert, dass wir uns in dieser Europäischen Union stark engagieren wollen, dass wir unsere langjährigen Erfahrungen einbringen wollen, dass wir uns gemeinsam mit der Europäischen Union, gemeinsam im Europäischen Rat, aber auch in allen Ministerräten sehr stark engagieren werden. Ich werde auch die Kabinettsmitglieder in Berlin bitten, ihre Präsenz hier in Brüssel gegenüber früheren Jahren deutlich zu erhöhen. Deutschland wird und muss zeigen, dass es sich europäisch sehr stark engagiert. Das liegt im europäischen Interesse, aber das liegt auch im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Wir werden die Anstrengungen gemeinsam fortsetzen und in den nächsten Jahren verstärken.

Insofern noch einmal, lieber António, herzlichen Dank für die Gastfreundschaft heute Morgen! Ich freue mich wirklich sehr auf unsere Zusammenarbeit.

Fragerunde im Anschluss:

Frage:  Herr Bundeskanzler, Sie haben das Gespräch gestern Abend mit dem amerikanischen Präsidenten Trump angesprochen. Sie haben aber nichts dazu gesagt, wie die Diskussion zum Zollstreit mit der EU verlaufen ist. Können Sie uns ein bisschen dazu sagen und auch, welche Lösungsmöglichkeiten aus Ihrer Sicht bestehen, was die EU Herrn Trump möglicherweise anbieten kann?

Zum Thema des Ukrainekonflikts: Können Sie uns sagen, was Trump von der EU, von den Europäern, erwartet, um die dreißigtägige Waffenruhe umsetzen zu können?

Eine Frage an den Präsidenten, etwas Einfaches: Was erwarten Sie vom neuen deutschen Bundeskanzler? Gibt es irgendetwas, was er besser machen kann als Olaf Scholz?

Präsident Costa: Jemand Neues bedeutet immer neue Energie. Deutschland ist ab dem ersten Tag der Europäischen Union ein sehr verlässlicher Partner und trägt im Namen unterschiedlicher Führungsspitzen immer dazu bei, die Europäische Union zu stärken, eine Brücke zu schlagen und Einheit unter den 27 zu schaffen. Meine Erwartung ist natürlich, dass Friedrich Merz weiterhin Deutschland ins Zentrum der Europäischen Integration, der Entscheidungsfindung rückt. Es ist unsere dritte Sitzung. Wir haben uns in München auf der Sicherheitskonferenz getroffen. Dann haben wir uns nach Ihrer Wahl hier in Brüssel erneut getroffen. Jetzt sind Sie der Bundeskanzler. Ich bin absolut zuversichtlich. Ich glaube an die neue Energie und den neuen Willen, mit dem Aufbau der Europäischen Union weiterzumachen.

Bundeskanzler Merz: Zu den beiden Themen: Was die Zölle betrifft, habe ich dem amerikanischen Präsidenten zunächst einmal zu dem Abkommen gratuliert, das er gerade gestern mit Großbritannien vereinbart hat. Das ist ein guter Weg. Ich habe ihm allerdings auch erläutert, dass dies mit weiteren einzelnen europäischen Staaten, die Mitglied der Europäischen Union sind, nicht geht, weil wir in der Handelspolitik nur gemeinsam handeln können und wollen. Ich hatte den Eindruck, dass er das akzeptiert und dass es dann auch seine Sicht ist, dass er das nur mit uns zusammen tun kann. Ich habe ihm aber auch gesagt, dass ich da mit der Kommissionspräsidentin eng abgestimmt bin und dass wir das hier gemeinsam auch gerne tun wollen.

Ich habe ihm gesagt, dass es aus meiner Sicht keine gute Idee ist, diesen Zollstreit zu eskalieren. Die beste Lösung wäre „down to zero“ für alles und für alle. Er hat mich eingeladen, nach Washington zu kommen, und wir werden in naher Zukunft über diese Frage miteinander reden. Mein Eindruck ist, dass auch in Amerika mittlerweile die Diskussion über die nachteiligen Auswirkungen der hohen Zölle für die eigene Volkswirtschaft beginnt, und die nimmt er natürlich wahr. Insofern werden wir einmal versuchen, herauszufinden, was wir da gemeinsam machen können. Meine Überzeugung ist und bleibt, dass ein solcher Zollstreit uns nur allen schaden kann und am Ende niemandem wirklich nutzt.

Ich will bei dieser Gelegenheit auch sagen: Wir sollten nicht nur über Zölle reden, sondern wir sollten auch über technologische Standards und die gegenseitige Anerkennung sprechen. Das ist ja immer auch ein zweiter Teil – häufig ein sehr unterschätzter Teil – von Handelsabkommen. Die gegenseitige Anerkennung von technologischen Standards ist meistens mindestens genauso wichtig wie die Frage, wie hoch kleinere oder größere Zölle sind. Dieser zweite Aspekt wird für mich in den Gesprächen also auch eine große Rolle spielen.

Was die Ukraine betrifft: Es gibt den Entwurf eines Kommuniqués zwischen den genannten Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Er kennt den Text. Er ist weitgehend identisch mit seinem Vorschlag einer 30-tägigen Feuerpause. Es liegt jetzt, und das war unsere gemeinsame Einschätzung, wirklich an Russland, die im Zuge des 8. oder 9. Mai angekündigte Feuerpause nicht nur für den heutigen Tag und das Wochenende festzusetzen, sondern eben darüber hinaus. Ich hoffe, dass das von allen Beteiligten als eine Chance angesehen wird, jetzt wirklich über einen Waffenstillstand zu Verhandlungen über einen Friedensvertrag zu kommen. Trump waren die Zahlen der Verluste der Soldaten auf beiden Seiten sehr präsent, und er empfindet das als eine große Last und auch als ein viel zu großes Opfer. Das hat mich in dem gestrigen Gespräch auch einigermaßen zuversichtlich sein lassen, dass er jetzt auch den Druck auf Russland verstärkt, damit es jetzt wirklich nach diesem Wochenende zu einer Phase kommt, in der es dann ernsthafte Verhandlungen geben kann.

Frage: Die zweite Frage betrifft den Handelskrieg mit Trump. Glauben Sie, dass, wenn man Zölle von zehn Prozent hätte, das schließlich und endlich für die Europäische Union akzeptabel wäre?

Bundeskanzler Merz: Was können wir gemeinsam machen? Ich habe das in dieser Woche auch mit Präsident Macron in Paris und auch mit Ministerpräsident Tusk in Warschau besprochen. Wir werden bei der Frage der mittelfristigen Finanzplanung, also des Finanzrahmens der Europäischen Union, sicherlich einige Meinungsverschiedenheiten haben. Ich werde die Haltung der deutschen Bundesregierung nicht verändern, was die Verschuldungsmöglichkeiten der Europäischen Union betrifft. Das müssen Ausnahmen bleiben. Ausnahmen hat es in der Vergangenheit gegeben, aber wir werden jetzt für längere Zeit mit Krisen und schwierigen Situationen auf der Welt konfrontiert sein. Das kann nicht zur dauerhaften Rechtfertigung von zusätzlichen europäischen Schulden genutzt werden. Aber das wird eine schwierige Diskussion werden. Darüber gibt es sicherlich auch Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland, einigen nordeuropäischen Staaten und anderen Staaten in der Europäischen Union, darüber gibt es auch nicht überall einen Konsens zwischen Deutschland und Frankreich, aber darüber reden wir vernünftig.

Einig sind wir uns etwa bei der Frage der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Wir sind uns einig bei dem Thema des Rückbaus der europäischen Bürokratie. Das Ganze nur zu vertagen und zu verschieben, ist keine Antwort. Es braucht einige Regulierungen, die aufgehoben werden müssen. Ich will Ihnen als Beispiel nur diese CSDDD-Direktive nennen, also die europäische Lieferkettenrichtlinie. Deren Inkrafttreten zu vertagen, ist keine Antwort. Das ist nur eine vorläufige Lösung des Problems. Die dauerhafte Lösung des Problems muss darin bestehen, diese Richtlinie schlicht aufzuheben, wie wir das mit dem deutschen Lieferkettengesetze in naher Zukunft auch machen werden.

Wir werden natürlich auch über Fragen des europäischen Wettbewerbsrechtes zu sprechen haben. Ich nenne abschließend ein Beispiel: Das Thema Kapitalmarktunion hat nach meinem Dafürhalten, und das teile ich auch mit Emmanuel Macron, viel zu sehr unter dem Aspekt der Haftungsregime gestanden und viel zu wenig unter der Frage, wie wir denn einen offenen, breiten und tiefen europäischen Kapitalmarkt schaffen. Da werden wir jetzt auch gemeinsam einige Initiativen ergreifen, weil wir einfach sehen, dass europäische Unternehmen in Deutschland und in Europa nicht genügend Kapital zur Verfügung haben, weil wir eben immer noch so stark zersplitterte Kapitalmärkte haben. Da werden wir auch gemeinsame Initiativen ergreifen, um das in den nächsten Jahren besser zu machen.

Vielen Dank und auf manches Wiedersehen auch in diesem Raum! Ich bedanke mich sehr herzlich!