Kanzler Merz und Präsident Macron bei gemeinsamer Pressekonferenz in Paris
Die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich sei ein „Geschenk der Vergebung und Versöhnung – gerade für uns Deutsche”. Das sagte Bundeskanzler Friedrich Merz am Mittwoch auf seiner ersten Auslandsreise, die ihn zum Antrittsbesuch nach Paris führte.
- Mitschrift Pressekonferenz
- Mittwoch, 7. Mai 2025

Gemeinsam wollen Deutschland und Frankreich einen Neustart Europas vorantreiben, so Bundeskanzler Friedrich Merz und Präsident Emmanuel Macron.
Foto: Bundesregierung/Steffen Kugler
Es sei „gute Tradition" und „Ausdruck der tiefen Verbundenheit”, dass die erste Auslandsreise des deutschen Bundeskanzlers nach Frankreich führe, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris. Er kündigte außerdem einen deutsch-französischen Neustart für Europa an, um die Zusammenarbeit auf vielen Politikfeldern weiter zu intensivieren.
Die enge Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich erscheine heute fast selbstverständlich, sei sie aber nicht. Sie sei vielmehr „ein Geschenk der Vergebung und Versöhnung – gerade für uns Deutsche“. Sie sei zudem das „Ergebnis großer politischer Weitsicht” derer, die vor mehr als 70 Jahren in Verantwortung als französischer Präsident und deutscher Bundeskanzler gestanden haben. Merz erwähnte in diesem Zusammenhang den bevorstehenden 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai.
Der Bundeskanzler sprach unter anderem über:
- Neustart für Europa: Europa müsse sicherer, wettbewerbsfähiger und geeinter werden. Dies könne erreicht werden, wenn Frankreich und Deutschland zusammenstehen, „Kompromisse finden und den Fortschritt vorantreiben, gemeinsam mit unseren europäischen Freunden und Nachbarn”, so Merz.
- Sicherheit und Verteidigung stärken: Deutschland und Frankreich wollen „die Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit Europas weiter ausbauen und den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO stärken”, so der Kanzler. Dazu gehöre auch, die bilateralen Rüstungskooperationen zu vertiefen und zu beschleunigen sowie auch die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern.
- Klares Bekenntnis zur Ukraine: „Die Ukraine kann sich in ihrem Kampf gegen die russische Aggression weiterhin auf Deutschland und Frankreich verlassen”, betonte Kanzler Merz. Gemeinsam mit den europäischen Partnern wolle man der Ukraine „belastbare Sicherheitsgarantien geben” und auch mit den USA für einen „tragfähigen Frieden” zusammenarbeiten.
Lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:
(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)
Präsident Emmanuel Macron:
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Minister, Botschafter, meine Damen und Herren! Lieber Friedrich, es ist mir eine echte Freude, dich hier in Paris begrüßen zu dürfen. Wir können hier den neuen Bundeskanzler Deutschlands begrüßen, um eine neue Seite dessen aufzuschlagen, was seit Jahrzehnten im Mittelpunkt unseres großen deutsch-französischen Projekts steht. Es ist ein wichtiger Moment für unser Land. Ich gratuliere noch einmal zur gestrigen Wahl und begrüße Sie herzlich zur ersten Reise nach Frankreich!
62 Jahre nach dem Élysée-Vertrag und am sechsten Jahrestag nach dem Vertrag von Aachen feiern wir unseren neuen Schwung in dieser Partnerschaft. Es ist mehr als eine Kooperation oder eine Zusammenarbeit. Es soll ein deutsch-französischer Reflex werden. Wir haben heute gemeinsam eine Veröffentlichung verfasst. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten unsere Beziehung systematisch koordinieren. Wir möchten gemeinsam auf die Herausforderungen antworten, denen Europa bevorsteht. Wir werden in den folgenden Bereichen agieren: Souveränität, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit.
Unsere erste Verantwortlichkeit, die Sicherheit Europas, erfordert unsere entschlossene Unterstützung der Ukraine gegenüber Russland. Gemeinsam mit Deutschland werden wir weiterhin mit unseren Partnern, den Amerikanern und allen willigen Nationen zusammenarbeiten, um einen Waffenstillstand und die Voraussetzungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden basierend auf Sicherheitsgarantien zu erreichen. Gemeinsam werden wir auch weiterhin alle Konsequenzen aus der systemischen Bedrohung ziehen, die Russland für unsere europäische Sicherheit darstellt. Dazu müssen wir weiterhin in unsere Verteidigung investieren. Dies tun wir in Frankreich seit 2017, indem wir unseren Verteidigungshaushalt verdoppelt haben.
Ich begrüße die historische Entscheidung einer massiven Investition in die Verteidigung, die Deutschland vor einigen Wochen auf Initiative des Bundeskanzlers Merz getroffen hat. Diesen strategischen Weckruf für die europäische Verteidigung haben wir seit dem Europäischen Rat im März beschleunigt. Gemeinsam wollen wir den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Plan umsetzen und vertiefen, um öffentliche und private Finanzmittel für den vorrangigen Bedarf an Kapazitäten zu mobilisieren, der von allen Europäern festgestellt wurde, und massiv in unsere industrielle und technologische Basis für europäische Verteidigung zu investieren. Dies setzt klare europäische Präferenzen. Wir werden Panzer, Kampfflugzeuge, Langstreckenraketen brauchen.
Wir werden den deutsch-französischen Verteidigungssicherheitsrat einrichten, der regelmäßig zusammentreten wird, um operative Antworten auf unsere gemeinsamen strategischen Herausforderungen zu geben.
Wir werden unsere jeweiligen Arbeiten koordinieren, Analysen austauschen und die nationalen strategischen Überprüfungen aktualisieren, und wir werden im Verteidigungsbereich ein deutsch-französisches Programm für Innovationen auflegen, um bahnbrechende Innovationen zu ermöglichen, die für den Krieg von morgen notwendig sind.
Für ein souveränes Europa brauchen wir auch ein wohlhabenderes und wettbewerbsfähigeres Europa. Wir werden gemeinsam auf die Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs reagieren. Auch das wollen wir gemeinsam tun. Das gilt für die US-Zölle. Hier wird es eine geeinte europäische Antwort geben für ein ausgewogenes Ergebnis, das unsere Interessen respektiert. Dies rechtfertigt es noch mehr, dass wir in Europa bei unserer eigenen Agenda für Wettbewerbsfähigkeit voranschreiten. Wir werden also die Vereinfachung in vielen Bereichen beschleunigen – bei dem CSRD und CS3D.
Wir werden auch bei der Industrie durch eine nachhaltige Energiepolitik für mehr Wettbewerbsfähigkeit sorgen. Wir wollen kohlenstoffarme Energien, aber auch erschwinglichere Energien. Bei der Energieversorgung werden wir dafür sorgen, dass auf europäischer Ebene die kohlenstoffarmen Energien nicht mehr diskriminiert werden, wie zum Beispiel Kernenergie und Erneuerbare. Wir brauchen Investitionen in unsere Netze und grenzüberschreitende Infrastrukturen. Jedes neue Klimaziel wird glaubwürdig finanziert, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, um die Verlagerung von CO2-Emissionen zu verhindern.
Wir werden eine europäische Investitionsagenda unterstützen, um Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, insbesondere bei Zukunftstechnologien wie KI, Quantentechnologie, saubere Technologie, Biotechnologie, Raumfahrt, Halbleiter und Verteidigung. Gemeinsam mit Deutschland werden wir Fahrpläne für eine gemeinsame Forschungs- und Investitionsstrategie in den einzelnen Sektoren aufstellen. Insbesondere werden wir, wie gesagt, auch für die Vereinfachung der Regularien sorgen.
Wir werden konkrete Arbeitsgruppen einrichten, um in diesen Bereichen voranzukommen. Wir werden auf beiden Seiten des Rheins für mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr Kooperation sorgen, aber wir werden auch für die Vereinfachung der europäischen Agenda sorgen.
Wir wollen in Europa eine Spar- und Investitionsunion vorantreiben, um private Investitionen zu mobilisieren und dafür zu sorgen, dass die umfangreichen europäischen Ersparnisse besser für unsere strategischen Ziele eingesetzt werden. Wir wissen, dass wir investieren müssen. Wir müssen die Regularien für die Unternehmen vereinfachen. Das ist auch eine Lehre aus dem Bericht von Mario Draghi, und das ist eine Priorität, die wir mit Bundeskanzler Merz teilen. Das setzt voraus, dass wir die Software unserer Handelspolitik überarbeiten, dass wir unsere Partnerschaften und Absatzmärkte diversifizieren, die Wertschöpfungsketten entzerren und für unsere Versorgung die strategischen und sensiblen Sektoren schützen.
Mit dem Bundeskanzler teile ich eine starke Überzeugung. Unsere Ambition für Europa ist nur möglich, wenn Deutschland und Frankreich ihre jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Reformen koordinieren, damit unsere Modelle konvergieren. In den Bereichen Investition, Verteidigung, Energie und Raumfahrt – das habe ich schon gesagt – werden wir Hand in Hand arbeiten.
Wir haben ein gemeinsames Ziel und eine ganz genaue Steuerung. Es kann natürlich Meinungsverschiedenheiten geben. Wir haben unterschiedliche Interessen, das ist ganz klar. Wir stehen ja auch im Wettbewerb, aber wir werden uns koordinieren. Wir werden also unsere Arbeitsmärkte und unser Steuerwesen synchronisieren und koordinieren, um uns gegenseitig zu stärken. Auch in diesem Bereich wollen wir den deutsch-französischen Reflex, zum Beispiel zwischen unseren Sozialpartnern, wiederbeleben. Wir wollen auch den Dialog zwischen den deutschen und französischen Gewerkschaften, den Arbeitgeberverbänden sowie den Wirtschaftswissenschaftlern führen.
Zum Punkt Migration haben wir auf europäischer Ebene den Pakt zu Asyl und Migration verabschiedet. Das ist ein wirksamer Rahmen, der unverzüglich umgesetzt werden muss. Gemeinsam mit Deutschland wollen wir den Pakt harmonisiert umsetzen und ihn dann mit einem europäischen Rahmen für die Rückkehr ergänzen.
Uns ist auch das reibungslose Funktionieren des Schengenraums wichtig. Wir werden koordiniert vorangehen, um die strategische Steuerung zu gewährleisten. Wir wollen also die Grenzen schützen. Das ist ein ganz wichtiges Ziel für uns beide. – So, meine Damen und Herren, das wollte ich Ihnen heute sagen.
Herr Bundeskanzler, lieber Friedrich, ich freue mich über die Ambition, die wir beschlossen haben, gemeinsam zu tragen, und über unseren gemeinsamen Reflex für den deutsch-französischen Motor und für Europa. Sie erweisen uns die Ehre, Ihre Amtszeit hier in Paris zu beginnen.
Und wir werden die Ehre haben, Sie erneut zu konkreten Arbeiten zu begrüßen, die wir schon morgen starten. Wir werden den ersten deutsch-französischen Ministerrat einberufen und werden diesen Fahrplan, den wir heute angekündigt und verabschiedet haben, gemeinsam mit unseren Teams und unseren Ministern ganz konkret umsetzen.
Vielen Dank, dass Sie hier sind. Vielen Dank für alles, was wir bereits beschlossen haben. Und vielen Dank auch für all die künftigen Arbeiten, die von historischer Bedeutung sein werden und die wir gemeinsam leisten werden. Vielen Dank.
Bundeskanzler Friedrich Merz:
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich zunächst sehr herzlich beim französischen Staatspräsidenten für seine sehr freundliche Einladung, heute nach meiner Wahl zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu meiner ersten Reise nach Paris zu kommen. Das ist eine gute Tradition, aber es ist auch Ausdruck der tiefen Verbundenheit zwischen unseren beiden Ländern. Es ist zudem ein Ausdruck der tiefen persönlichen Verbundenheit, die EmmanuelMacron und ich in den letzten Jahren mit vielfältigen Begegnungen sowohl in Frankreich als auch in Deutschland entwickelt haben.
Diese enge Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich mag uns heute sehr selbstverständlich erscheinen, aber sie ist es nicht und sie war es vor allem nicht. Deswegen bin ich dankbar, dass ich auch in diesen Tagen nach Paris kommen kann. Denn die deutsch-französische Freundschaft ist ein Geschenk, ein Geschenk der Vergebung und der Versöhnung, gerade für uns Deutsche, und sie ist das Ergebnis großer politischer Weitsicht derer, die vor über 70 Jahren als Präsident der Französischen Republik und als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland in dieser Verantwortung gestanden haben.
Wir werden morgen an den 80. Jahrestag des Kriegsendes denken. Gerade dieser Jahrestag, der 8. Mai 2025, ist eine gute Gelegenheit, um den Blick zurückzunehmen, aber vor allen Dingen auch nach vorn zu schauen. Diese 80 Jahre zeigen, wie eng die Verbindungen zwischen unseren beiden Ländern geworden sind. Ich persönlich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass sie in den nächsten Jahren noch enger werden und wir uns als Partner und Verbündete im Herzen Europas gerade dieser Verpflichtung stellen. Es ist mir persönlich deshalb eine große Ehre und eine Verpflichtung, dass ich heute hier in Paris sein darf. Vielen Dank noch einmal dir und auch deiner Regierung für diese Einladung und diese enge Freundschaft.
Meine Damen und Herren, Europa steht heute erneut vor enormen Herausforderungen. Es muss vor allem sicherer werden. EmmanuelMacron hat es in seiner Rede eben gesagt: Europa muss vor allem wettbewerbsfähiger werden, und dafür muss Europa geeinter werden. Wir werden diesen Herausforderungen nur gerecht werden können, wenn Frankreich und Deutschland noch enger als in der Vergangenheit zusammenstehen, aber auch Kompromisse finden und den Fortschritt gemeinsam voranbringen, gemeinsam mit unseren europäischen Freunden und Nachbarn.
Deshalb haben EmmanuelMacron und ich einen deutsch-französischen Neustart für Europa vereinbart. Wir werden der deutsch-französischen Freundschaft neuen Schwung verleihen, und wir werden unsere Zusammenarbeit auf allen Ebenen weiter vertiefen. Wir werden auch neue Formate entwickeln und weiterentwickeln, wie den E3-Prozess und das Weimarer Dreieck. Wir werden auch hier sehr eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Dies gilt ganz besonders für den Bereich der Sicherheit und der Verteidigung. Wir werden gemeinsam Maßnahmen treffen, um die Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit Europas weiter auszubauen und den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO weiter zu stärken. Das umfasst auch bilaterale Rüstungskooperationen, die wir vertiefen und beschleunigen werden als auch die Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern. Wir werden hierfür in allen Mitgliedsstaaten die Verteidigungsausgaben weiter steigern müssen. Nur so können wir unsere militärischen Fähigkeitslücken Stück für Stück schließen und die Ukraine weiter umfassend unterstützen.
Gemeinsam unterstützen der Staatspräsident und ich deshalb auch ganz ausdrücklich die Europäische Kommission bei ihrem Vorhaben zur Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeiten. Jetzt gilt es, diese guten Vorschläge schnell und gut in die Tat umzusetzen.
Staatspräsident Emmanuel Macron und ich haben zudem vereinbart, den deutsch-französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat weiter zu stärken. Wir wollen darin künftig unsere Unterstützung für die Ukraine noch besser koordinieren, unsere nationalen Verteidigungsplanungen und Beschaffungsvorhaben noch enger aufeinander abstimmen und auch auf strategische Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik neue Antworten geben.
Klar ist auch: Die Ukraine kann sich in ihrem Kampf gegen die russische Aggression weiterhin auf Deutschland und Frankreich verlassen. Lassen Sie mich ganz klar sagen, meine Damen und Herren: Auch Präsident Trump hat unsere volle Unterstützung, wenn es darum geht, ein Ende des Krieges herbeizuführen und das Töten in der Ukraine zu beenden. Wir werden hierfür eng mit den USA, der Ukraine und unseren europäischen Partnern für einen gerechten, dauerhaften und tragfähigen Frieden zusammenarbeiten. Sobald ein Waffenstillstand vereinbart ist, sind wir bereit, uns an dessen Überwachung zu beteiligen unter der Führung und Beteiligung der USA. Zudem werden wir der Ukraine zusammen mit unseren Partnern belastbare Sicherheitsgarantien geben, und wir werden zusammen mit unseren Partnern dafür sorgen, dass sich die Ukraine heute und künftig gegen jede weitere Aggression weiter verteidigen kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der französische Präsident und ich haben natürlich auch über die Spannungen zwischen Indien und Pakistan gesprochen. Auslöser war ein hinterhältiger Terroranschlag auf unschuldige Touristen. Die bisherige Bundesregierung hatte diesen Terroranschlag auf das Schärfste verurteilt. Dies sieht auch meine Regierung unverändert so. Der französische Präsident und ich sind uns einig: Wir sehen die Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Atommächten in der vergangenen Nacht mit allergrößter Sorge. – Nun ist es mehr denn je erforderlich, kühlen Kopf zu bewahren. Besonnenheit und Vernunft sind gefragt. An einer weiteren Eskalation sollte auch in der Region niemand ein Interesse haben. Wir stehen mit den Partnern in Europa und in der Region und auch mit den Konfliktparteien weiterhin in Kontakt und versuchen, unseren Einfluss auszuüben.
Meine Damen und Herren, ich komme noch einmal auf den 8. Mai zurück. Es ist nicht nur der Vorabend des 8. Mai. Wir feiern am Freitag auch den 75. Jahrestag des Schuman-Plans, den Robert Schuman keine 900 Meter von hier entfernt am 9. Mai 1950 vorgestellt hat. Seine Idee, die französische und die deutsche Kohle- und Stahlproduktion zu vergemeinschaften, war nicht ein wirtschaftspolitisches Projekt, sondern sie war ein zutiefst politisches Projekt. Sie hat den Grundstein für die deutsch-französische Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt, und sie war zugleich die erste Gemeinschaft, die in der Europäischen Union aufgegangen ist. Daraus erwächst für unsere beiden Länder eine besondere Verantwortung für Europa.
Eine der drängenden Fragen, an die der französische Staatspräsident erinnert hat und an die auch ich erinnern will, ist: Wie stehen wir in der Europäischen Union für unsere gemeinsame Zukunft am besten zusammen? – Wir haben deshalb heute darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass eine größere Europäische Union auch in Zukunft handlungsfähig bleibt. Darum brauchen wir parallel zum Prozess der Erweiterung auch einen internen Reformprozess, zu dem Frankreich und Deutschland beitragen wollen. Zu diesen wichtigen Fragen werden wir insbesondere auch die Abstimmung mit unseren politischen Freunden in der Europäischen Union und ganz besonders mit unseren polnischen Nachbarn suchen. Sie wissen, dass ich heute in unmittelbarem Anschluss an meinen Besuch hier in Paris nach Warschau weiterreisen werde.
Auch wirtschaftspolitisch sind wir entschlossen. Wir wollen gemeinsam neue Impulse setzen. Präsident Macron hat einige Branchen angesprochen. Ich teile ausdrücklich auch seine deutlichen Hinweise auf die Industrien, die wir gemeinsam stärken wollen. Dabei geht es vor allem darum, die Wettbewerbsfähigkeit und den Industriestandort weiter zu stärken. Entscheidend sind für uns vor allem weitere Vereinfachungen, ein Rückbau der Bürokratie in der Europäischen Union und auch in unseren beiden Ländern. Wir müssen insgesamt innovativer und produktiver werden. Eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der auch die Vertiefung der europäischen Kapitalmärkte umfasst. Ich habe darüber mit Präsident Macron bereits einige Male gesprochen und will das auch heute hier noch einmal wiederholen. Wir haben ein hohes Interesse daran, die Kapitalmärkte in Europa, zwischen Deutschland und Frankreich, zu integrieren. Wir brauchen vor allem privates Kapital, das wir mobilisieren müssen, um die notwendigen Investitionen zu ermöglichen.
Deutschland und Frankreich können entscheidende gemeinsame Impulse zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit geben. Für unsere Wettbewerbsfähigkeit ist ein starker und ein offener Binnenmarkt unerlässlich. Ich bin dankbar für die Hinweise auch auf den europäischen Binnenmarkt, auch auf die beiden Berichte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und zur weiteren Entwicklung des europäischen Binnenmarktes, die der Europäischen Kommission vorliegen. Wir beide wollen das gemeinsam nach Kräften unterstützen. Zu einem solchen Binnenmarkt gehört auch eine ambitionierte europäische Handelspolitik. Offener und regelgebundener Handel bleiben für uns elementar. Daher setzen sich Deutschland und Frankreich weiterhin entschieden für neue Handelsabkommen und für die weitere Entwicklung der europäischen Handelspolitik ein.
Meine Damen und Herren, das ist die Agenda für uns. Ich will ausdrücklich sagen, dass wir auch Aufträge an unsere beiden Regierungen mitnehmen, Aufträge auch zwischen den einzelnen Fachministern, entsprechende Arbeiten aufzunehmen, die Arbeit in allen Bereichen der Wirtschaftspolitik, der Sicherheitspolitik, der Verteidigungspolitik, der Finanzpolitik zu verstärken.
Die meisten von Ihnen wissen, dass meine Prägung auch aus dem Europäischen Parlament mich seit über 30 Jahren eng mit Frankreich verbindet. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Staatspräsident Emmanuel Macron, auch mit beiden Regierungen. Wir werden verschiedenste Formate suchen und auch Aufträge erteilen, damit bis in die Zivilgesellschaft hinein die Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaften, viele weitere Institutionen jetzt auch gemeinsam an diese Arbeit gehen, in unserem Auftrag, mit unserer Bitte versehen, die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich noch einmal zu intensivieren. Ich denke, jetzt ist die richtige Zeit, dies zu tun. Ich freue mich jedenfalls sehr darauf, dass wir das gemeinsam auf den Weg bringen.
Lesen Sie hier die Fragerunde im Anschluss:
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben, was ungewöhnlich war, schon vor Ihrer Ernennung begonnen, sich abzusprechen und zu besprechen. Können Sie uns verraten, auf welchen Feldern, auf denen der deutsch-französische Reflex, den Präsident Macron eben erwähnt hat, noch nicht so richtig funktionierte, Sie vorangekommen sind? Wie steht es etwa um die Bereitschaft, das Handelsabkommen mit den MERCOSUR-Staaten möglichst schnell durchzubringen, und wie steht es um die Bereitschaft eine langfristig gemeinsame Antwort auf Trumps erratische Zollpolitik zu finden?
Eine letzte Frage: Steht der Stabilitätspakt in der derzeitigen Form noch? Ursula von der Leyen hat Ausnahmeregelungen für Verteidigungsausgaben geltend gemacht. Steht Deutschland jetzt für eine lockerere Handhabung, was die Verteidigungsausgaben angeht?
Bundeskanzler Merz: Wir haben natürlich über diese Themen gesprochen. Wir sind uns einig, dass wir in der Handelspolitik in Europa vorankommen wollen. Sie alle wissen, dass die Handelspolitik nicht mehr in der Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten liegt, sondern dass sie wie die Währungspolitik in ausschließlich europäischer Zuständigkeit liegt. Sie kennen meine persönliche Meinung, dass das MERCOSUR-Abkommen so schnell wie möglich verabschiedet und in Kraft gesetzt werden sollte. Wir suchen aber auch nach weiteren Handelspartnern. Wir unterstützen die Kommission auf dem Weg, weitere Handelspartner in der Welt zu suchen. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, weitere Handelsabkommen vorzubereiten und zu verabschieden. Darüber sind wir uns im Prinzip einig. Ich weiß, dass es aus Frankreich im Hinblick auf die Abkommen immer noch einige Themen gibt, die Frankreich gern beantwortet sehen möchte. Aber ich denke, dies sind Einzelthemen, die nicht das Ganze infrage stellen, sondern bei denen wir einen gemeinsamen Weg finden können, um in der Handelspolitik in Europa voranzukommen.
Der Fiskalpakt gilt. Die Kommission hat vorgeschlagen, für die Verteidigungspolitik gewisse Ausnahmen zuzulassen. Frau Wiegel, das sind genau die Instrumente, die wir auch in Deutschland mit der Änderung des Grundgesetzes ermöglicht haben, dass nämlich die Verteidigungsausgaben jenseits von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland nicht mehr auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Einen ähnlichen Mechanismus soll es auch für die europäischen Fiskalregeln geben. Dies wird Deutschland unterstützen.
Wir werden aber auch dabei bleiben, dass es richtig ist, dass diese Fiskalregeln jenseits der Verteidigungsausgaben in der Europäischen Union gelten. Sie schaffen auch finanzpolitische Stabilität. Sie geben auch ein klares Signal in die Kapitalmärkte, dass die Europäische Union weiterhin darum bemüht sein muss, Fiskalregeln einzuhalten, damit auch die Schuldentragfähigkeit unserer Mitgliedsstaaten nicht überfordert wird.
Präsident Macron: Diese beiden Themen sind wirtschaftliche Themen, die auf europäischer Ebene geregelt werden müssten. Die Dogmen von gestern sind in einer sich ständig verändernden Welt nicht unbedingt mehr gültig. Natürlich brauchen wir eine kommerzielle Diversifizierung in Europa. Das ist nötig, und das müssen wir tun, um unsere Interessen zu vertreten und zu verteidigen. Wir brauchen eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, und wir müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit noch stärken.
Bei den Abkommen, die derzeit diskutiert und verhandelt werden wie zum Beispiel MERCOSUR, müssen wir für Kohärenz sorgen. Wir sind für wirtschaftliche Abkommen und für Handelsabkommen, wenn die europäischen Produzenten dabei geschützt werden und wenn für Ausgewogenheit und Gleichbehandlung gesorgt wird. Deshalb haben wir unseren Standpunkt vertreten, wenn es etwa um CETA geht. Wir brauchen gewisse Klauseln, und wir müssen dafür sorgen, dass die Bedingungen, die wir unseren eigenen Produzenten vorgeben, auch in den Drittländern eingehalten werden. Das ist auch logisch. Wenn wir jeden Tag die Anforderungen bei uns erhöhen und gleichzeitig die Handelsgrenzen für Produzenten öffnen, die sie nicht einhalten, dann werden wir bald keine heimischen Produzenten mehr haben. Das wollen wir nicht. Deshalb brauchen wir diese Synchronisierung.
Wir wollen unsere eigenen Regularien, unsere Agenda vereinfachen. Ich bin davon überzeugt, dass wir für die großen Handelsabkommen Lösungen finden werden, mit denen es uns gelingen wird, unsere eigenen Vorgaben, unsere Arbeitsbedingungen für unsere Produzenten zu erhalten und gewissen Schutzklauseln einzubauen, damit diese Produzenten gegen unausgewogene Abkommen geschützt sind.
Wir müssen in diesem Kontext auch sehen, dass wir derzeit mit sehr viel Deregulierung konfrontiert sind, bei Währungspolitik, Investitionspolitik, Wirtschaftspolitik usw. Natürlich hat das auch Auswirkungen auf den Staatshaushalt. Wir brauchen also zum Beispiel die G7. Sie ist ein Forum, in dem wir uns hauptsächlich mit diesen Problemen beschäftigen. Ich habe versucht, diese Themen auf den Tisch zu bringen.
Aber wie gesagt, müssen wir in Europa uns unbedingt anpassen. Wir haben einen Rahmen. Wir wissen, dass unsere öffentlichen Finanzen in Ordnung kommen müssen. Wir haben auch rechtliche Zwänge in diesem Bereich. Wir müssen auch glaubwürdig bleiben. Die Währungspolitik stammt noch ein bisschen aus den 90er-Jahren. Für die Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen, müssen wir international eine neue Diskussionsgrundlage finden, die vernünftig abläuft und gut für die europäische Wohlfahrt ist. Wir brauchen Zölle. Die Zollpolitik der USA bringt alles durcheinander, was wir aufgebaut haben.
Ich denke deshalb, dass wir mehr öffentliche europäische Investitionen brauchen. Das wird auch der Kern des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens sein. Wir müssen also mehr investieren. Wir haben einige Möglichkeiten für Ausnahmen gefunden. Das hat Bundeskanzler Merz in Bezug auf die Verteidigung schon erwähnt. Wie gesagt, ist Glaubwürdigkeit ein ganz wichtiger Punkt. Wir wollen deshalb auch mehr privates Kapital mobilisieren. Wir wollen in puncto des Klimas, der Verteidigung und anderer Bereiche einen gemeinsamen Kapitalmarkt. Spargelder sind ein wichtiges Mittel, um öffentliche Investitionen zu finanzieren.
Frage: Vielen Dank, Herr Kanzler, vielen Dank, Herr Präsident. Sie haben gesagt, dass Sie gemeinsam und entschlossen die Ukraine unterstützen wollten. Werden Sie in der nächsten Zeit einen gemeinsamen Besuch in Kyjiw planen?
Herr Kanzler, zu den Sicherheitsgarantien für die Ukraine: Schließt Deutschland aus, im Rahmen eines Sicherungstrupps Soldaten in die Ukraine zu schicken, oder wie würden Sie zu den Sicherheitsgarantien für die Ukraine beitragen?
Bundeskanzler Merz: Ich plane in der Tat, innerhalb der nächsten Wochen einen Besuch in der Ukraine. Die Abstimmung darüber, wie dieser Besuch ablaufen wird, findet gerade statt. Ich will allerdings auch sagen: Wir wollen gemeinsam aus der Europäischen Union heraus jeden möglichen Beitrag leisten, damit es dort über das kommende Wochenende hinaus einen dauerhaften Waffenstillstand gibt und damit es dann auch ein Friedensabkommen mit Russland geben kann. Bevor es nicht zu einem dauerhaften Waffenstillstand und einem solchen Abkommen mit Russland gekommen ist, können wir über den Umfang der Sicherheitsgarantien, die wir der Ukraine geben, keine Auskunft erteilen, weil wir die Bedingungen einfach noch nicht kennen. Aus meiner und aus unserer Sicht bleibt es wichtig, dass die Vereinigten Staaten von Amerika an diesem Prozess und auch an einer späteren Sicherheitsgarantie für die Ukraine beteiligt bleiben. Über allem muss stehen, dass dieser Krieg beendet wird, und zwar dauerhaft und nicht, so wie jetzt in Aussicht gestellt, nur für einige Tage über das kommende Wochenende.
Deswegen wird es auch aus meiner Sicht ganz entscheidend sein, ob das Angebot, das die Vereinigten Staaten von Amerika machen und das auch die Europäische Union macht, nämlich wirklich zu Friedensgesprächen, zu einer diplomatischen Lösung zu kommen, von der russischen Seite über das kommende Wochenende hinaus angenommen wird. Die ukrainische Seite ist nach meinem Eindruck dazu bereit. Aber die Entscheidung darüber, ob dieser Krieg beendet wird oder nicht, liegt in Moskau, und sie muss in Moskau getroffen werden. Ich verbinde es wirklich mit der Hoffnung, dass dann auch über das Wochenende hinaus eine Chance besteht, zu einem Waffenstillstand und dann auch zu Friedensverhandlungen zu kommen, die dann zu einem entsprechenden Abkommen führen könnten.
Präsident Macron: Wir werden uns hier mit dem Kanzler und seinem Team eng koordinieren. Wir teilen komplett die Vision. Die Frage ist jetzt: Will Russland überhaupt einen Waffenstillstand von 30 Tagen und will Russland überhaupt einen dauerhaften Frieden? Alle anderen Antworten kommen dann im Laufe der Zeit. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht immer Informationen und Sichtbarkeit schaffen für jemanden, der auf seiner Seite nicht für Transparenz sorgt und keinen Frieden will. Die Frage ist: Wird der russische Präsident abgesehen von den drei Tagen, die da jetzt versprochen werden, endlich ein bisschen Seriosität zeigen, wird er endlich sein Wort halten und das einhalten, was er den amerikanischen Diplomaten versprochen hat? Die Frage ist also: Wird es einen Waffenstillstand geben, wird es einen dauerhaften Frieden geben? Wir werden uns, wie gesagt, eng abstimmen, damit es dazu kommt.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben die Verteidigungskooperation angesprochen. Der französische Präsident hat angeboten, die französischen Atomwaffen für einen europäischen Nuklearschirm zur Verfügung zu stellen. Sind Sie bereit, darüber in Gespräche einzutreten? Haben Sie dazu vielleicht schon heute etwas Konkretes vereinbart?
Herr Präsident, welche deutsche Rolle würden Sie bei einem solchen Projekt sehen, und wie schnell sollte man dabei voranschreiten?
Eine Nachfrage zur Ukraine: Der Bundeskanzler hat sich mehrfach dazu bereit erklärt, Marschflugkörper vom Typ Taurus in Abstimmung mit Bündnispartnern, die solche Waffen auch haben, an die Ukraine zu liefern. Frankreich ist ein Bündnispartner, der schon ähnliche Marschflugkörper geliefert hat. Würden Sie sich wünschen, dass Deutschland da nachzieht?
Bundeskanzler Merz: Herr Fischer, die Frage, wie wir den atomaren Schutzschild über Europa aufrechterhalten, ist eine Frage, die nicht losgelöst von der gegenwärtigen Verteidigungsstrategie im NATO-Bündnis beantwortet werden kann. Der atomare Schutzschild über Europa wird im Augenblick von den Vereinigten Staaten von Amerika mit der sogenannten atomaren Teilhabe auch unseres Landes gewährleistet. Ich sehe die grundsätzliche Notwendigkeit, dass wir mit Frankreich und auch mit Großbritannien über die Frage diskutieren, wie wir eine solche Antwort der Abschreckung auch in Zukunft gemeinsam geben können. Dies ist aber ausdrücklich gemeint als eine Ergänzung zu dem, was wir gegenwärtig mit den Vereinigten Staaten von Amerika im NATO-Bündnis vereinbart haben.
Ich habe aus meiner Meinung nie ein Geheimnis gemacht, dass wir dem von Präsident Macron schon mehrfach vorgetragenen Wunsch einer Diskussion zwischen unseren beiden Ländern über diese Frage entsprechen sollten. Das habe ich auch wiederholt und das haben wir auch in unserer letzten Begegnung hier in Paris miteinander besprochen. Es wird ein Format geben, in dem diese und andere verteidigungs- und sicherheitspolitische Fragen zwischen unseren beiden Ländern diskutiert werden: Das ist das Format 3-plus-3.
Die Regierungschefs, die Außenminister und die Verteidigungsminister unserer beiden Länder werden diese und andere Fragen unserer gemeinsamen Verteidigungsfähigkeit in den nächsten Wochen und Monaten gemeinsam erörtern. Präsident Macron und ich werden unseren jeweiligen Ministern sozusagen auch den Auftrag geben, diese Diskussion zu führen. Das ist aber zunächst einmal eine Diskussion, die wir gemeinsam führen, weil wir wissen wollen, was wir gegenseitig auch in der Verstärkung unserer Verteidigungsanstrengungen miteinander machen können. Das ist ausdrücklich kein Substitut für das, was gegenwärtig an atomarer Garantie durch die Vereinigten Staaten von Amerika für Europa ausgesprochen wird.
Präsident Macron: Seit einigen Jahren tun wir alles, um die europäische Säule der NATO zu stärken. Es geht nicht darum, unsere Verantwortlichkeit zu verringern, sondern wir wollen die NATO stärken. Genau das hat auch der Bundeskanzler gerade gesagt. Wir gehen davon aus, dass die Europäer sich besser organisieren wollen, aber das heißt nicht, dass wir unseren historischen Beitrag infrage stellen. Wir haben einfach diesen Weckruf bzw. diese mehreren Weckrufe – Syrien, Afghanistan, das, was jetzt gerade passiert – gehört, und als Europäer würden wir uns unrecht tun, wenn wir der Geschichte nicht Rechnung tragen. Wir müssen mit der neuen Einstellung der Amerikaner leben und wir müssen unsere Verantwortung übernehmen. Es ist daher ganz normal, dass wir alle Themen diskutieren, inklusive der nuklearen Abschreckung. Wir müssen auf unsere Geschichte eingehen und unseren Besonderheiten Rechnung tragen. Frankreich ist nun einmal in dieser Hinsicht unabhängig, und wenn man sich gegenseitig vertraut, ist es ganz normal, dass man diese Diskussionen angeht. Jetzt geht es darum, dass unsere Minister, unsere Teams und auch wir selbst ‑ das wird sicher eine Weile dauern, aber wir werden das auf jeden Fall tun – in dem Sinne arbeiten, dass wir sagen: Okay, die Europäer übernehmen ihre Verantwortung in diesem historischen Rahmen, in dem wir eben leben.
Nun zu der Frage zu den Taurus-Marschflugkörpern. Ich werde versuchen, direkt und kohärent zu antworten: Ich möchte, dass unsere Länder koordiniert mit allen anderen Alliierten die Ukraine so lange unterstützen, wie es nötig ist. Wir werden gegenüber den Ukrainern transparent sein, wir werden ihren Bedarf decken, aber werden so wenig wie möglich darüber sprechen; denn es ist auch gut für den Schutz der Ukrainer, wenn wir hier nicht zu viel reden. Deshalb haben wir beschlossen, dass wir in gewissen Bereichen keine eindeutigen Informationen geben. Wir werden nicht in jeder Pressekonferenz über Waffenkategorien und Waffenmodelle sprechen; denn es könnte durchaus sein, dass auch die russische Armee die Antwort auf Ihre Fragen hört.
Frage: Herr Macron, Bundeskanzler Merz hat gesagt, dass ein nachhaltiger Waffenstillstand in der Ukraine unter der Schirmherrschaft der Amerikaner angestrebt werde. Das haben wir in Frankreich noch nicht gehört. Ist das eine rein französische Idee ist oder ist das eine gemeinsame Idee?
Es gibt ja einen israelischen Eroberungsplan, das heißt, Israel möchte so viel wie möglich vom Gazastreifen erobern. Meine Frage an den Herrn Bundeskanzler und an den Präsidenten: Wie werden die Europäer darauf reagieren? Die niederländische Regierung hat sich zum Beispiel die Frage gestellt, ob wir das Assoziierungsabkommen mit Israel aufkündigen sollten. Ist das etwas, was Sie auch ins Auge erfassen?
Bundeskanzler Merz: Unsere feste Überzeugung ist, dass wir diesen Krieg in der Ukraine nicht ohne ein weiteres politisches und militärisches Engagement der Vereinigten Staaten von Amerika beenden können. Das können die Europäer gegenwärtig nicht ersetzen. Auch die Absicherung eines Waffenstillstandsabkommens oder gar eines Friedensvertrages mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine sollte durch eine entsprechende Beteiligung der Vereinigten Staaten von Amerika gewährleistet sein. Wir sind bereit, auf der europäischen Seite und auch auf der Seite Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens sowie vieler anderer Länder der Europäischen Union unseren Beitrag zu leisten ‑ das wollen wir. Wir wissen aber auch, dass wir die Amerikaner weiter brauchen. Deswegen wird das auch in meinen Gesprächen mit der amerikanischen Regierung so klar zum Ausdruck kommen. Wir wollen, dass die Amerikaner an Bord bleiben, dass sie weiter in der NATO, aber auch gegenüber der Ukraine weiter ihre Verantwortung wahrnehmen.
Die Entwicklung im Gazastreifen besorgt uns zutiefst. Ich habe das auch gestern in einer Fernsehsendung in Deutschland gesagt und wiederhole das hier gerne. Die israelische Regierung und die israelische Armee haben ein berechtigtes Interesse daran, den Terrorismus der Hamas zurückzudrängen, aber sie haben auch eine humanitäre Verpflichtung gegenüber der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, und ich hoffe sehr, dass die israelische Regierung sich dieser Verpflichtung bewusst ist. Es gibt vielfältigste Möglichkeiten, Hilfslieferungen in Anspruch zu nehmen, aber diese Hilfsmöglichkeiten müssen die Menschen im Gazastreifen auch erreichen, die Menschen müssen sie auch in Anspruch nehmen können. Es ist eine Mitverantwortung der israelischen Regierung, dies sicherzustellen.
Der neue Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Jo Wadephul, wird am Wochenende nach Israel reisen, und er wird dies auch in meinem Auftrag der israelischen Regierung genau so sagen: Wir stehen ohne Wenn und Aber an der Seite Israels, wir verstehen ohne Wenn und Aber die Notwendigkeit, sich gegen den Terrorismus der Hamas zu schützen. Aber noch einmal: Es gibt auch eine humanitäre Verpflichtung der israelischen Regierung gegenüber der nicht betroffenen Zivilbevölkerung, gegenüber den Kindern, den Älteren, den Männer und Frauen, die im Gazastreifen unter diesem Terror der Hamas genauso leiden wie auch das Land Israel in den letzten Jahren, insbesondere seit dem 7. Oktober des Jahres 2023. Israel muss diese Verantwortung also wahrnehmen ‑ ich meine auch sagen zu dürfen: mehr wahrnehmen als in den vergangenen Tagen.
Präsident Macron: Wir unterstützen die Beteiligung der USA. Wir brauchen beide die USA, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Wir haben auch mit unseren britischen Freunden zusammengearbeitet für das Abkommen in Dschidda. Das war ja auch ein amerikanischer Vorschlag für den Frieden in der Ukraine. Wir wollen die amerikanische Administration also am Tisch haben, und wir wollen einen robusten und dauerhaften Rahmen gestalten. Das ist sowohl für die Glaubwürdigkeit als auch für die Nachhaltigkeit dieses Waffenstillstands wichtig. Wie gesagt, die Dinge gehen in die richtige Richtung. Die Amerikaner müssen ihre Verantwortung tragen ‑ einmal bei der Überwachung des Waffenstillstands und natürlich bei der Vorbereitung eines dauerhaften Friedens.
Nun zum Gazastreifen. Sie haben bereits daran erinnert: Wir hatten von Beginn an schon immer eine klare Position. Wir waren seit dem 7. Oktober immer schon auf der Seite von Israel und verurteilen die Hamas für die Geiselnahmen. Israel ist aber auch eine Demokratie, hat dieselben Werte und Prinzipien wie wir, und es kann keinen doppelten Standard geben. Wenn wir sagen, dass wir bei der Ukraine zu helfen versuchen, damit sie ihr Staatsgebiet schützen kann, dann müssen wir das auch bei Gaza tun. Natürlich, Hamas ist eine terroristische Gefahr, aber wir können die Situation in Gaza, so wie sie jetzt ist, nicht akzeptieren. Auch die Vertreibung von Bevölkerung ist nicht akzeptabel.
Deshalb agieren wir weiterhin gemeinsam mit dem Premierminister Netanjahu. Wir wollen, dass die humanitären Lieferungen, die seit dem Beginn des März unterbrochen sind, wieder aufgenommen werden. Das hat es noch nie gegeben seit Oktober 2023, noch nie wurden die Bevölkerungen so lange daran gehindert, Zugang zu Nahrung, zu Wasser und zu medizinischer Versorgung zu bekommen. Die Lage im Gazastreifen ist inzwischen wirklich kritisch. Wir brauchen daher unbedingt diesen Zugang zu Hilfe, und dann stellt sich natürlich auch die Frage der Geiseln. Wir brauchen einfach wieder einen neuen politischen Weg. Das ist eben genau das, was wir gemeinsam mit Saudi-Arabien tun: Wir versuchen, eine gegenseitige Anerkennung und auch Sicherheitsgarantien zu erreichen, damit Israel in Ruhe und in Frieden in dieser Region leben kann, auf der anderen Seite die Palästinenser aber auch wissen, dass sie ihren eigenen Staat haben. Das ist also etwas, was wir unterstützen und was wir weiterhin unterstützen werden.
Vielen Dank, meine Damen und Herren. Ich danke noch einmal ganz herzlich dem Herrn Bundeskanzler, und ich danke auch Ihnen für Ihr Kommen!