Bundeskanzler eröffnet Hannover Messe
Eine riesige Chance für Deutschland: Die Transformation hin zur Klimaneutralität sei ein großer Treiber für Beschäftigung und Wachstum, sagte der Bundeskanzler in seiner Eröffnungsrede der Hannover Messe.
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Bei dem gemeinsamen Messerundgang konnten sich Bundeskanzler Scholz und der indonesische Präsident Widodo von neuen Technologien überzeugen lassen.
Foto: Bundesregierung/Imo
Am Sonntag hat Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit dem indonesischen Präsidenten Joko Widodo die Hannover Messe eröffnet. Indonesien ist in diesem Jahr das Partnerland der weltweit größten Industriemesse. Auf der Messe zeigen mehr als 4.000 Unternehmen ihre Technologien und Innovationen. Die Messe findet vom 17. bis zum 21. April 2023 statt. Mehr als 150 Aussteller aus Indonesien sind dabei vertreten: von Start-Ups bis hin zu großen Industrieunternehmen und Industrieparks. Auch Industrieverbände sowie Ministerien und staatliche Institutionen sind dabei.
Wirtschaftsbeziehungen mit demokratischen Partnern stärken
Dass Indonesien in diesem Jahr Partnerland auf der Hannover Messe sei, freue ihn besonders, so der Kanzler. Indonesien liegt im Zentrum des indopazifischen Raums, zwischen China, Indien, Ozeanien und Amerika. Dem Land komme deswegen eine besondere Rolle zu: „Wenn wir uns Gedanken über Wachstumsmärkte und Diversifizierung machen, wenn wir unsere politischen und wirtschaftlichen Antennen inzwischen viel stärker auf den indopazifischen Raum ausrichten, dann führt an Indonesien kein Weg vorbei.“
Die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Indonesien und Deutschland sollen künftig noch enger werden. Der Kanzler setzt sich ausdrücklich für einen raschen und erfolgreichen Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Indonesien ein. Die Verhandlungen hierfür dauern seit 2016 an. Durch einen erfolgreichen Abschluss würde „auf einen Schlag ein gemeinsamer Wirtschaftsraum mit weit über 700 Millionen Menschen entstehen“.
Mit Indonesien sei eine der weltweit ersten Partnerschaften beim fairen Übergang zu erneuerbaren Energien geschlossen worden, so der Kanzler. „Wegweisend ist Indonesiens Bereitschaft, seinen Stromsektor bis 2050 komplett zu dekarbonisieren.“ Die G7 würde in den kommenden Jahren staatliche und private Investitionen in zweistelliger Milliardenhöhe mobilisieren, um Indonesien bei seinem Weg aus der fossilen Energie zu unterstützen. In wenigen Tagen wird Indonesien außerdem dem Klima-Club beitreten, welcher einen fairen Wettbewerb, gemeinsame Regeln und Standards garantieren soll.
Messerundgang gemeinsam mit indonesischem Präsidenten
Am Montagmorgen konnte sich der Bundeskanzler beim gemeinsamen Messerundgang mit dem indonesischen Präsidenten einen Eindruck von Technologien und Lösungen für eine vernetzte und klimaneutrale Industrie verschaffen „Viele Unternehmer haben sich dieser Aufgabe bereits heute verschrieben. Viele Produkte, die hier gezeigt werden, haben das Zeug, echte Verkaufsschlager in der ganzen Welt zu werden“, erklärte der Bundeskanzler. Beispielsweise schaute sich der Bundeskanzler eine Anlage an, durch die mit Algen und CO2, das aus der Luft gefiltert wird, Biomasse entsteht. „Das ist eine ganz entscheidende Möglichkeit für die Verbesserung unseres Klimas, aber auch für die Entstehung von Produkten, die wir brauchen“, sagte der Kanzler anschließend.
Außerdem gab es noch eine hoch moderne Wasserfiltrationsanlage zu sehen, bei der mithilfe von intelligenten Sensoren verschmutztes Wasser sehr effizient aufbereitet wird, damit es den Reinheitsgrad erreicht, der zum Beispiel für die Elektrolyse notwendig ist. „Beide Produkte schonen unsere Ressourcen und tragen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Kreislaufwirtschaft bei“, so der Kanzler.
„Besonders gut gefallen hat mir das zweite Beispiel der Helden der Zukunft, ein Messestand, der komplett von Auszubildenden vorbereitet worden ist“, erklärte Scholz. „Wir diskutieren heute über den Fachkräftemangel und die Herausforderungen, die für die Industrie und für die Wirtschaft mit ihm verbunden sind. Hier zeigt sich: Es gibt tolle junge Leute“, unterstrich er nach dem Messerundgang.
Scholz: De-Risking statt Decoupling
„Weltweit arbeiten Länder daran, riskante Abhängigkeiten abzubauen und ihre Handelsbeziehungen breiter aufzustellen“, erklärte Scholz. Statt einem „Decoupling“ (Entkopplung) von einzelnen Märkten brauche man ein kluges, vorausschauendes „De-Risking“ (Risikoabbau). In Sachen Diversifizierung zögen Politik und Wirtschaft in Deutschland an einem Strang. Ein wichtiges Thema seien dabei Rohstoffe, insbesondere bei der Transformation zur Klimaneutralität und der Digitalisierung.
„Wenn es uns gelingt, mehr Verarbeitungsstufen dort anzusiedeln, wo die Rohstoffe im Boden lagern, dann schafft das nicht nur größeren Wohlstand vor Ort, sondern dann sorgen wir zugleich dafür, dass wir künftig mehr als nur einen oder zwei Lieferanten haben“, erklärte der Bundeskanzler. „Aber für eine sichere Rohstoffversorgung reicht das allein nicht aus. Wir wollen deshalb auch die Förderung und Weiterverarbeitung in Europa und, wo es möglich ist, in Deutschland stärken.“
„Vom Reden ins ‚Doing‘ kommen“
Freier und fairer Handel, resiliente Lieferketten, genügend Rohstoffe sei der eine Teil dessen, was wir bräuchten, damit die große industrielle Transformation hin zur Klimaneutralität gelinge, so der Kanzler. „Der andere Teil ist, dass wir diese Transformation hier in Deutschland nun wirklich anpacken, dass wir vom Reden ins ‚Doing‘ kommen“, sagte Kanzler Scholz.
„Die Transformation bietet eine riesige Chance für unser Land“, so der Kanzler weiter. Sie sei der große Treiber für Beschäftigung und Wachstum. „Allerdings hat dieser Aufschwung, der da möglich wird, drei Voraussetzungen: erstens klare, verlässliche, konkrete Ziele, damit Sie Ihre Investitionen sicher planen können, zweitens ‚Druck auf dem Kessel‘, die besagte Deutschland-Geschwindigkeit, und drittens genügend Fachkräfte, die hier in Deutschland mit anpacken. Alle drei Dinge bringen wir voran.“
Schnell und unbürokratisch
Bis 2045 will Deutschland eines der ersten klimaneutralen Industrieländer sein. Schon 2030 sollen 80 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien kommen, und das bei steigendem Strombedarf. „Um das zu erreichen, brauchen wir eine Roadmap mit Zwischenschritten, mit einem Monitoring, mit Verbindlichkeit“, so der Kanzler. „Beim Bau der LNG-(Flüssiggas-)Terminals an unseren Küsten haben wir gezeigt, wie schnell und unbürokratisch Deutschland sein kann. Das ist ab jetzt der Maßstab, auch beim Bau von Energieanlagen, von Speichern und Übertragungsnetzen, und auch beim Bau von Schienen, Brücken und Straßen.“
Fachkräftebedarf decken
Damit aus der Transformation ein großer Aufschwung werde, brauche unser Land Fachkräfte. Deshalb sei im Kabinett die umfassendste Reform zur Fachkräftesicherung auf den Weg gebracht worden, die es in Deutschland je gegeben habe, so der Kanzler. Es gelte, das inländische Potenzial voll auszuschöpfen und für ausländische Fachkräfte die Einwanderung zu erleichtern.
Bundeskanzler Scholz zeigte sich zuversichtlich, dass aus diesen klaren Zielen ein „großer Aufschwung für unser Land“ werde. Die neuesten Prognosen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute seien angehoben worden und im Land würden milliardenschwere Zukunftsinvestitionen getätigt. Er rief Unternehmen dazu auf, in neue Anlagen und Produktionen zu investieren: „Wer früh dran ist, der ist Teil des Aufschwungs.“