Mit der „Generation Europa“ deutsch-französische Freundschaft stärken

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Netzwerkprogramm für deutsch-französische Nachwuchskräfte Mit der „Generation Europa“ deutsch-französische Freundschaft stärken

Das „Generation Europa“-Nachwuchsprogramm bringt 60 Jahre nach Unterzeichnung des Élysée-Vertrags junge Engagierte aus Deutschland und Frankreich zusammen. Theresia Crone und Adrien Guillot berichten im Interview von ihrer Sicht auf die deutsch-französische Freundschaft. 

6 Min. Lesedauer

Links ist eine junge Frau mit grauer Mütze und grünem Pulli zu sehen. Rechts ist ein Mann mit dunklen Haaren und einem schwarzen Pulli mit blauem Hemdkragen zu sehen. Beide Personen lächeln leicht.

Die Deutsche Theresia Crone und der Franzose Adrien Guillot sind Teil des ersten Jahrgangs des „Generation Europa“-Netzwerks.

Foto: Thomas Tiefseetaucher und Adrien Guillot

Der Vertrag von Élysée ist das politische Symbol für die historische Versöhnung von Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg. Warum möchten Sie heute – 60 Jahre später – die deutsch-französische Freundschaft stärken?

Crone: Wir werden gerade in verschiedenen Bereichen daran erinnert, dass Sicherheit und unsere Freiheiten nicht selbstverständlich sind. Demokratische Werte müssen immer wieder verteidigt und erkämpft werden. Ich engagiere mich politisch, weil eine wehrhafte Demokratie eine aktive Zivilgesellschaft braucht. Zudem bin ich überzeugt, dass die deutsch-französische Freundschaft in den aktuellen Krisen nicht nur ein Fundament für Stabilität, sondern immer auch Instrument dafür sein kann, zu viel Eigennutz und Eigensinn zu überwinden – politisch und menschlich. Wer eine andere Kultur kennen lernt, wer in einen Dialog eintritt, wird weniger ignorant sein und Verständnis gewinnen. Man wird lernen, den Blick zu weiten. Ein effektiveres Mittel gegen Abschottung und Selbstisolation kann ich mir kaum vorstellen.

Guillot: Ich bin noch nie jemandem begegnet, der Frankreich und Deutschland als Feinde betrachtet hat. Ich glaube also, dass die Bevölkerung beider Länder in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg nicht nachtragend ist, was natürlich eine große Errungenschaft des Élysée-Vertrags ist. Frankreich und Deutschland tauschen sich in vielen Bereichen aus und arbeiten sehr gut zusammen. Ich bezeichne unsere beiden Länder oft als die besten Freunde der Welt, und ich hoffe aufrichtig, dass das stimmt. Doch eine Freundschaft muss gepflegt werden. Ich habe das Gefühl, dass noch mehr getan werden könnte, insbesondere im Hinblick auf den kulturellen Austausch und die berufliche Mobilität.

Das Nachwuchsprogramm „Generation Europa“ setzt sich für ein solidarisches Europa und gemeinsames soziales Handeln über Grenzen hinweg ein. Frau Crone, wo spüren Sie „Europa“ in Ihrem täglichen Leben am stärksten?

Crone: Meine Großeltern sind im Zweiten Weltkrieg aufgewachsen, meine Mutter in der DDR. Wenn ich das mit meinem Leben vergleiche, wird mir klar, was Europa als Friedensprojekt bedeutet. Schon in der Grundschule habe ich an deutsch-polnischen Austauschprogrammen teilgenommen. In der weiterführenden Schule konnte ich mit dem Brigitte-Sauzay-Programm für drei Monate nach Frankreich. Ich bin also mit einem Selbstverständnis aufgewachsen, dass ich von anderen Perspektiven viel lernen kann und dass uns Jugendliche mehr verbindet als trennt. Heute lebe ich in Paris und fahre regelmäßig mit dem Zug über die Grenze, ohne das Bewusstsein, dass diese Art von Mobilität nicht selbstverständlich ist. Ich studiere und lebe mit jungen Menschen aus anderen Ländern Europas zusammen, stelle Gemeinsames und Unterschiede fest. Ich glaube außerdem, dass die europäische Vernetzung mich mit einem Grundgefühl von Sicherheit aufwachsen ließ.

Die deutsche und die französische Regierung haben gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Zivilgesellschaft das Netzwerkprogramm „Generation Europa: Deutsch-Französische Nachwuchskräfte“ gegründet. Zweck des einjährigen Programms ist der Aufbau eines Netzwerkes, welches über die Ländergrenze hinweg gemeinsame Projekte entwickelt und umsetzt. Das Ziel: die Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich stärken.
Der erste Jahrgang des Nachwuchsprogramms besteht aus 24 jungen Menschen aus vielfältigen Bereichen der Gesellschaft. Sie werden ihre unterschiedlichen Perspektiven bei den gemeinsamen Projekten einfließen lassen. 

Gemeinsam mit allen 24 Teilnehmenden sollen Ideen entwickelt werden, wie Zukunftsthemen rund um die deutsch-französische Freundschaft gestaltet werden können. Haben Sie bereits Ideen für Projekte und Aktivitäten in diesem Rahmen, Herr Guillot?

Guillot: Ausgehend von meiner beruflichen Tätigkeit ist mein erster Gedanke, mich stärker in Kooperationsprojekte zwischen Frankreich und Deutschland einzubringen. Dies könnte durch die Werbung für Forschungsförderungsmöglichkeiten, die Erleichterung des deutsch-französischen Wissenschaftleraustauschs und die Übernahme einer aktiveren Rolle bei wissenschaftlichen Informationsveranstaltungen geschehen. Außerdem möchte ich mich dafür einsetzen, dass der Zugang zu zweisprachigen Schulen verbessert wird, was ich für Familien mit Kindern für sehr wichtig halte. Zum jetzigen Zeitpunkt fällt es mir schwer, einen genauen Plan im Kopf zu haben, da ich mich erst noch mit den anderen Teilnehmern treffen und sehen muss, welche Möglichkeiten sich aus dem Programm „Generation Europa“ ergeben werden.

Frau Crone, Sie studieren Deutsch-Französische Rechtswissenschaften an der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne und der Universität zu Köln. Wie erleben Sie das Miteinander in ihrem deutsch-französischem Jahrgang?

Crone: Unser Studium begann in Köln, wo meine französischen Kommiliton*innen sich in einem anderen Land, mit einer anderen Sprache und einem anderen Rechtssystem zurechtfinden mussten. Seit dem Sommer ist es genau andersherum. Jetzt sind wir deutschen Student*innen in der Situation, dass alles neu und ungewohnt ist. Dadurch ist ein ganz besonderer Zusammenhalt entstanden. Ich habe oft das Gefühl, dass wir uns gar nicht mehr als eine Gruppe zweier Nationalitäten verstehen, sondern als eine „europäische Leidensgemeinschaft“, zumindest in den Prüfungsphasen. Abgesehen von den anstrengenden Phasen, bin ich super dankbar, dass wir zwei Rechtssysteme kennenlernen können. Wir lernen dadurch, das Recht von mehreren Seiten zu betrachten und zu hinterfragen. Ich habe zum Beispiel den Eindruck, dass öffentliche Interessen, wie auch der Umweltschutz, im französischen Recht traditionell eine größere Rolle spielen.

Herr Guillot, Sie leben mit Ihrer deutschen Frau und zwei gemeinsamen Kindern in Berlin. Welche Rolle spielt die deutsch-französische Geschichte in der Beziehung zwischen Ihrer deutschen und französischen Familie? 

Guillot: Ehrlich gesagt, war das nie ein Diskussionsthema in unseren Familien. Wir sind uns alle der Vergangenheit bewusst, aber wir sind viel mehr in der Gegenwart verankert und genießen einfach die Kultur des jeweils anderen, so wie sie jetzt ist. Nichtsdestotrotz ist Berlin ein so einzigartiger Ort, der mich immer wieder daran erinnert, dass unsere Länder vor nicht allzu langer Zeit im Krieg waren und die Folgen der deutschen Teilung mehrere Jahrzehnte andauerten. Wir erleben jeden Tag die Folgen internationaler Konflikte vor den Toren der EU, und meiner Meinung nach ist die EU sehr erfolgreich darin gewesen, dies zu verhindern, zumindest zwischen ihren Mitgliedern.

Frau Crone, Sie engagieren sich vielfältig für den Klimaschutz. Welchen Mehrwert hat es für die EU, wenn sich Deutschland und Frankreich im Bereich Klimaschutz vernetzen?

Crone: Die EU scheitert beim Klimaschutz immer wieder an der Angst, zu radikal zu sein. Man will den Status quo erhalten und übersieht, dass wir uns „auf dem Weg in die Klimahölle befinden“, wie es der UN-Generalsekretär zuletzt sagte. Das Bundesverfassungsgericht hat daher zutreffend im sogenannten „Klimabeschluss“ festgestellt, dass wir unsere zukünftige Freiheit und Sicherheit nur sicherstellen können, wenn wir heute die Emissionen reduzieren. Wenn Deutschland und Frankreich gemeinsam an der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens arbeiten, wird das auch andere Länder motivieren, ihrer Pflicht nachzukommen. Beide Länder gehören historisch zu den größten Emittenten der Welt und sind die größten Volkswirtschaften der EU, daraus ergibt sich eine mehrfache Verantwortung, eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Das Schlusswort hat Herr Guillot... 

Guillot: Wenn ich meine Antworten auf Ihre Fragen zusammenfassen müsste, würde ich sagen, dass Frankreich und Deutschland in der Tat sehr gut zusammenarbeiten, und als Teil der EU sind beide Länder von Gegnern zu sehr guten Freunden geworden. Nichtsdestotrotz gibt es Raum für Verbesserungen, um die deutsch-französische Beziehung zu stärken, und ich hoffe, dass das Programm „Generation Europa“ uns die Möglichkeit gibt, neue Ideen einzubringen.