BioNTech-Mitgründer mit Deutschem Nationalpreis ausgezeichnet

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Rede von Bundeskanzler Merz bei der Verleihung des Deutschen Nationalpreises 2025 BioNTech-Mitgründer mit Deutschem Nationalpreis ausgezeichnet

Für ihren „Mut, Fleiß und Leidenschaft für die Sache” würdigte Bundeskanzler Friedrich Merz die Träger des Deutschen Nationalpreises 2025, Özlem Türeci und Uğur Şahin. Wissenschaft und Innovationen seien wichtig für Deutschland und sollten weiter gefördert werden.

Dienstag, 10. Juni 2025
Bundeskanzler Friedrich Merz mit Preisträger Ugur Sahin bei der Verleihung des Deutschen Nationalpreises 2025.

Die BioNTech -Mitgründer „verkörpern die Zukunftskraft einer freiheitlichen Gesellschaft – als Wissenschaftler, die Lösungen suchen, aber auch als Unternehmerinnen und Unternehmer, für die Verantwortung im Zentrum ihrer Arbeit steht”, sagte der Bundeskanzler bei der Verleihung des Deutschen Nationalpreises.

Foto: Bundesregierung/Marvin Ibo Güngör

Die BioNTech-Mitgründer Özlem Türeci und Uğur Şahin sind die diesjährigen Träger des Deutschen Nationalpreises der Deutschen Nationalstiftung. Sie hätten mit ihrem Engagement eine „medizinische Revolution“ vollbracht und zahlreiche Menschenleben gerettet, so Bundeskanzler Friedrich Merz in seiner Laudatio.

Der Kanzler betonte, dass Freiheit in Wirtschaft und Wissenschaft die Grundlage für solche Innovationen sei. Robert Koch, Rudolf Virchow und weitere namhafte Mediziner hätten gezeigt, dass Deutschland eine Wissenschaftsnation sei. Dieses Potenzial zu erhalten und auszubauen, sei dem Bundeskanzler ein großes Anliegen. Dazu unterstütze er die Forderungen aus Medizin und Wissenschaft nach Bürokratieabbau und einer gesicherten Finanzierung. Auch sollte Begabtenförderung unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft gestaltet und qualifizierte Zuwanderung ermöglicht werden. Der Gesundheitssektor müsse zukünftig nicht als Kostenpunkt, sondern vor allem als Wachstums- und Wohlstandstreiber gesehen werden.

Seit 1997 verleiht die Deutsche Nationalstiftung jährlich den Deutschen Nationalpreis für Personen oder Organisationen, die sich für eine demokratische Gesellschaft engagieren. Die überparteiliche, unabhängige und gemeinnützige Deutsche Nationalstiftung wurde 1993 vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung Deutschlands gegründet. Zu den früheren Preisträgerinnen und Preisträgern gehören unter anderem der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz, die Holocaustüberlebende und Streiterin gegen Antisemitismus, Anita Lasker Wallfisch, und das europäische Geschichtsnetzwerk EUSTORY.

Lesen Sie hier die Mitschrift der Rede:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, lieber Herr Dr. Mirow,
sehr geehrte Damen und Herren Mitglieder des Vorstandes, des Senats und des Kuratoriums der Deutschen Nationalstiftung,
Frau Bundesministerin,
liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Parlamenten,
vor allem aber sehr verehrte, liebe Frau Professor Türeci,
sehr geehrter, lieber Herr Professor Şahin,

wenn Sie sich heute Abend entschließen sollten, noch einen kleinen Spaziergang zu machen, von hier aus in Richtung des Brandenburger Tores, und kurz davor nach rechts, nach Norden, abbiegen, dann kommen Sie irgendwann am Rahel Hirsch Center for Translational Medicine vorbei und kurz darauf zum Robert-Koch-Platz. Wenn Sie dann noch etwas weiter nach Nordwesten laufen, dann kommen Sie irgendwann am Charité-Campus Virchow-Klinikum vorbei. Von dort aus etwas weiter östlich sind Sie schnell auf der Behringstraße. Überall in Berlin und vermutlich ähnlich in den meisten deutschen Städten tragen Plätze und Straßen die Namen großer Pioniere der Medizin. Diese Namensgebungen haben einen Grund. Denn das Gesicht der modernen Welt, in der wir heute leben, ist von den Entdeckungen und Errungenschaften der modernen Medizin geprägt. Wir leben, jedenfalls in Europa, weitestgehend frei von Pest, Pocken, Polio, Röteln und selbst Masern. Wir haben Antibiotika. Wir haben Impfstoffe. Damit hat sich allein in den letzten 150 Jahren die durchschnittliche Lebenserwartung bei uns in Europa nahezu verdoppelt.

Die Geschichte der Moderne ist also auch und vor allem die Geschichte des medizinischen Fortschritts. Darum kennen wir die Namen so gut, die damit verbunden sind, eben Robert Koch, Rudolf Virchow, Emil von Behring, Alexander Fleming, Gerty Cori, Rachel Hirsch. Viele deutsche Namen sind darunter.

Liebe Özlem Türeci, lieber Uğur Şahin, in dieser Reihe großer deutscher Namen, großer deutscher Forscherinnen und Forscher stehen auch Sie beide. Wir ehren mit Ihnen heute zwei Pioniere, zwei Wegbereiter unserer heutigen, modernen Medizin. Wir ehren Ihren außergewöhnlichen Mut, immer wieder neu ins Ungewisse hinein Entscheidungen zu treffen und Wege einzuschlagen, für die es noch keine Landkarte gibt.

Sie haben sich entschieden, den Chancen der neuen mRNA-Technologie für immuntherapeutische Krebsbehandlung nachzugehen, zu einem Zeitpunkt, zu dem viele andere die Risiken sahen. Sie haben sich entschieden, zwei Unternehmen zu gründen, um Ihre vielversprechenden Forschungsergebnisse schneller zu den Patienten bringen zu können. Erst Ganymed Pharmaceuticals 2008 schließlich folgte die Gründung von BioNTech.

Dann, 2020, noch eine Entscheidung, mit der Sie beide – das kann man wohl ohne jede Übertreibung sagen – Geschichte geschrieben haben. Es ist ein Freitagabend Ende Januar. Seit drei Wochen ist der Ausbruch einer neuen Atemwegserkrankung im chinesischen Wuhan bekannt. Uğur Şahin liest in einer Fachzeitschrift über das Virus SARS-CoV-2. Am Wochenende diskutieren Sie beide. Sie sehen die Gefahr einer Pandemie, während andere noch von einem begrenzten Ausbruch ausgehen. Sie sehen gleichzeitig, dass es auf Basis Ihrer mRNA-Forschung möglich sein könnte, einen effektiven Impfstoff gegen dieses Virus zu entwickeln. Sie entscheiden sich, es zu versuchen, obwohl ein Misserfolg das Unternehmen BioNTech ziemlich sicher zum Ende gebracht hätte. Sie beginnen umgehend, schon am Montag, mit der Arbeit. Projekt Lightspeed läuft an.

Acht Jahre, so lange nimmt die Entwicklung eines neuen Impfstoffes durchschnittlich normalerweise in Anspruch. Sie beide und Ihr Team entwickeln in weniger als einem Jahr den COVID-19-Impfstoff, auf den inzwischen die ganze Welt wartet. Es ist ein Rekord, und es ist eine medizinische Revolution, eine Revolution, die Millionen von Menschen das Leben rettet.

Woher nehmen Sie beide den Mut zu solchen Entscheidungen? Mit Sicherheit hat Ihr wissenschaftliches Ethos etwas damit zu tun. Sie beide sind eben Wissenschaftler mit Leib und Seele. Uğur Şahin hat 2022 in einem Interview gesagt, Wissenschaft bedeute, ins Unbekannte aufzubrechen. Ja, meine Damen und Herren, nach vorn zu denken, sich nicht mit dem abzufinden, was vermeintlich eine Notwendigkeit, ja, Schicksal, vielleicht unveränderlich ist, sondern sich an die Arbeit zu machen, nach Lösungen zu suchen, das ist immer schon die Triebfeder wissenschaftlicher Arbeit gewesen. Es ist die Triebfeder des Fortschritts und der Moderne.

Ich stelle mir vor, dass man als Krebsforscherin, als Krebsforscher in besonderer Weise mit dieser Widerständigkeit, mit diesem unbedingten Lösungswillen ausgestattet sein muss. Krebs steht wie keine andere Krankheit für einen jedenfalls bisher weitgehend unüberwindbaren Schicksalsschlag. Der Name der Krankheit allein ist so voller Schrecken, dass es bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein üblich war, dass Ärztinnen und Ärzte ihren Patienten die Diagnose verschwiegen haben. Noch immer wird Krebs oft beschwiegen. Dabei wird jeder zweite Deutsche, statistisch gesehen, in seinem Leben an Krebs erkranken, und jeder auch von uns heute hier, jeder kennt in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis Menschen, die an Krebs erkrankt und verstorben sind. Chemotherapie, auch das ist ein Begriff, der vielen Menschen Angst macht.

Die Forschung und die unternehmerische Arbeit von Özlem Türeci und Uğur Şahin aber haben eine Zukunft denkbar gemacht, in der diese Bilder der Vergangenheit angehören könnten, und in der der der Krebs seinen Schrecken verlieren könnte. Vielen Expertinnen und Experten zufolge stehen wir mit den mRNA-Impfstoffen jedenfalls vor einer weiteren echten medizinischen Revolution – möglicherweise am Beginn einer erfolgreichen Krebsbehandlung. Und das alles nur, weil Sie beide, Özlem Türeci und Uğur Şahin, sich immer wieder entschieden haben, ins Unbekannte aufzubrechen.

Von diesem Mut und von diesem wissenschaftlichen Ethos, meine Damen und Herren, können und sollten wir alle lernen – gerade auch wir in der Politik. Pragmatismus mag eine politische Tugend sein, aber unter dem Deckmantel des Pragmatismus geschieht es in der Politik eben nicht selten, dass wir den Willen einfach aufgeben, politisch etwas wirklich Grundlegendes zu gestalten.

Ja, gute Politik erkennt die Wirklichkeit an, und gute Politik erkennt auch an, dass gesellschaftlicher Wandel seine Zeit braucht, dass Gesellschaften ein Eigentempo haben, das eben nicht immer „light speed“ ist, weil Neuerungen – und seien sie noch so gut für das Gemeinwohl – eben vermittelt werden müssen. Das ist übrigens auch eine Lehre, die wir aus der Coronapandemie ziehen können.

Aber die Wirklichkeit anzuerkennen darf nicht heißen, sich einfach mit dem Status Quo abzufinden – vor allem dann nicht, wenn er zu wünschen übriglässt – oder vermeintliche Notwendigkeiten einfach zu behaupten. Unter solchen Prämissen wird Politik den Geschehnissen immer nur hinterherlaufen, statt voranzugehen und die Welt für die Menschen besser zu machen.

Es war die allzu optimistische Prämisse vom Ende der Geschichte, die uns ein vergleichbares Bild von der vermeintlich unaufhaltsamen Entwicklung unserer Gesellschaften hin zu Freiheit, Frieden, Rechtsstaat und Demokratie vermittelt hat – eine Prämisse, die uns zwei Jahrzehnte lang in einer falschen Sicherheit gewogen hat.

Aus dieser enttäuschten Sicherheitsillusion darf jetzt aber nicht ein neuer Fatalismus entstehen. Über Krieg, über Umbrüche in unseren Gesellschaftsordnungen wird gesprochen wie früher über Seuchen – und wie heute noch manchmal eben über Krebs: als Unvermeidlichkeit, als unentrinnbares Schicksal, als historisches Gesetz.

Im Raum des Politischen, in unseren Gesellschaften insgesamt, meine Damen und Herren, scheint der Fortschrittsoptimismus, der die Moderne einst angetrieben hat, erschöpft zu sein. Uns scheint die Freude an der Gestaltung unserer Zukunft abhanden zu kommen. So beschreiben es jedenfalls viele Beobachter. Und da erscheint es fast schon wie ein Paradoxon: Der Fortschritt, der heute in modernen Technologien gemacht wird, auch und gerade in der Medizin, ist überwältigend. Er geht in Quantensprüngen voran. Aber die Begeisterung darüber hält sich in unseren hin und wieder schon als „postmodern“ apostrophierten Gesellschaften doch allzu sehr in Grenzen.

Sehr geehrte, liebe Frau Özlem Türeci, sehr geehrter, lieber Herr Uğur Şahin, meine Damen und Herren, es ist meine feste Überzeugung, dass es in dieser Lage unsere Aufgabe ist, in der Politik und als Gesellschaft insgesamt nach vorne zu denken, ins Offene, den Horizont zu öffnen in unseren Köpfen, in unserem Denken – damit in unserem ganzen Land wieder Zuversicht möglich wird.

Vielleicht darf ich Ihnen aus meiner Sicht sagen, was es mir ermöglicht, mich immer wieder an diese Aufgabe zu erinnern: Das ist eben der Besuch von großen Forschungseinrichtungen – ob an Universitäten oder in Unternehmen –, in denen Zukunftsforschung betrieben wird. Das sind aber auch Ausbildungsbetriebe, in denen junge Menschen mit Freude und Leidenschaft einen Beruf erlernen, ein erstes Werkstück fertigen. Und das ist das Gespräch mit Wissenschaftlern, mit Spitzenforscherinnen und Spitzenforschern, mit Pionierinnen und Pionieren wie Uğur Şahin und Özlem Türeci.

Sie beide zeichnen wir heute aus für Ihre großen Verdienste um die virologische Forschung. Wir zeichnen Sie aber auch aus, weil wir uns selbst von Ihrem Mut, von Ihrem Fleiß, von Ihrer Leidenschaft für die Sache, von Ihrer unbedingten Neugier, weil wir uns als Gesellschaft von Ihnen inspirieren lassen wollen. Sie beide verkörpern die Zukunftskraft einer freiheitlichen Gesellschaft – als Wissenschaftler, die Lösungen suchen, aber auch als Unternehmer, für die Verantwortung im Zentrum ihrer Arbeit steht.

Sie sind Unternehmer geworden, um Ihre Forschung schnellstmöglich zum Patienten zu bringen. Gewinne investieren Sie in die Entwicklung neuer Ideen und Technologien. Sie beide liefern täglich den Beweis, dass Unternehmertum, richtig verstanden, auch Arbeit am Gemeinwohl ist.

Die Lichtgeschwindigkeit, mit der BioNTech den Covidimpfstoff entwickelt hat, wäre in einem Staatsapparat nicht möglich gewesen. Wir wissen aus der Erfahrung: Innovation und damit Fortschritt entstehen nur dort, wo es Freiraum gibt für Forscher und Entwickler, für Menschen mit Visionen, mit Willenskraft, mit Mut, mit Weitsicht.

Özlem Türeci und Uğur Şahin verkörpern diese Zukunftskraft einer freiheitlichen Gesellschaft, und sie zeigen, zu welchen Leistungen Bürgerinnen und Bürger unseres Landes mit Migrationshintergrund befähigt sind. Sie sind beide Kinder türkischer Einwanderer. Ihr Vater, liebe Frau ÖzlemTüreci , arbeitete als Chirurg in einem kleinen katholischen Krankenhaus. Ihr Vater, lieber Herr Uğur Şahin, arbeitete bei den Ford-Werken in Köln als einer der gut 14 Millionen „Gastarbeiter“, wie man früher zu sagen pflegte, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren nach Deutschland kamen und die den Wohlstand unseres Landes so maßgeblich mit erarbeitet haben.

Diese erste Einwanderergeneration hat dafür bis heute wenig Anerkennung bekommen. Uğur Şahin hat diese erste Generation türkischer Einwanderer in einem Interview einmal eine „ignorierte Generation“ genannt. Das ist ein Satz, den man nicht vergisst.

Heute wissen wir das besser. Wir müssen vieles gerade mit dem Blick auf die junge Generation aber auch besser machen.

„Wie können wir Kinder fördern? Wie können wir es Kindern ermöglichen, ihre Fähigkeiten zu nutzen und sich weiterzuentwickeln und dann wiederum für die Gesellschaft tätig zu werden?“

Meine Damen und Herren, auch das ist ein Zitat von Uğur Şahin. Er hat sein Abitur 1984 an einem Gymnasium in Köln als erstes türkisches Gastarbeiterkind abgelegt, und er war zugleich der Jahrgangsbeste.

Lassen Sie mich genau daran anschließen: Ich will, wir wollen in einem Deutschland leben, in dem Begabungen und Fähigkeiten ohne Ansehung der sozialen oder ethnischen Herkunft nach Kräften gefördert werden, und das nicht nur, weil das ein Wachstumstreiber für unsere Volkswirtschaft sein könnte, sondern vor allem, weil es hier um das zentrale Versprechen geht, aus dem sich die Strahlkraft einer freiheitlichen Gesellschaft erst entwickeln kann, das Versprechen nämlich, dass sich jede und jeder mit seinen Talenten und seinen Fähigkeiten frei entwickeln kann. Bei BioNTech arbeiten heute Menschen aus mehr als 80 Nationen. Auch das ist Teil Ihres Erfolges. Es zeigt sich hier einmal mehr: Wir brauchen als Volkswirtschaft qualifizierte Zuwanderung. Wir brauchen Fachkräftezuwanderung als Fortschrittsmotor. Ideologien und Ideologen, die das infrage stellen, gefährden nicht nur den Wohlstand unseres Landes, viel schlimmer noch, sie gefährden in ihrer Engstirnigkeit die Zukunft unserer freiheitlichen Ordnung.

Meine Damen und Herren, es wird daher in den nächsten Jahren eine zentrale Aufgabe für die Bundesregierung sein, in Deutschland und in Europa Rahmenbedingungen für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung zu schaffen, die Schritt halten können mit allen – ich betone: mit allen – forschungsintensiven Standorten auf der Welt. Wir waren einmal der erfolgreichste Pharmastandort weltweit. Deutschland nannte sich selbst die Apotheke der Welt. Wir könnten an diese Erfolge der Vergangenheit heute wieder anschließen, wenn wir alle Scheuklappen ablegen und Forschung und Entwicklung zulassen, vor allem im Bereich der Biotechnologien, so wie dies unter anderem BioNTech in den letzten Jahren gelungen ist.

Deutschland ist eine Wissenschaftsnation. Wir haben eine hochinnovative Wissenschaftslandschaft. Aber wir müssen als Land besser werden, unsere Spitzenforschung auch schneller in Patente und in Produkte, Medikamente, Behandlungsmethoden, Medizintechnik aus der interdisziplinären Forschung und Entwicklung zu übersetzen. Sie, liebe Özlem Türeci, haben einmal in einem Interview gesagt, die technologische Revolution der Gegenwart brauche schnelle Prozesse, um innovative Therapien früher zu Patienten zu bringen, und Sie beide fordern seit Jahren: Wir müssen in Deutschland, in Europa, unsere Arzneimittelentwicklungsroutinen modernisieren, damit sie nicht zum Flaschenhals für medizinische Innovation werden. – Ich möchte darauf erwidern: Wir in der Politik hören Sie. Wir werden unsere Kraft darauf ausrichten, diesen Flaschenhals zu beseitigen, und wir werden auch über die Finanzierung dieses medizinisch-technischen Fortschritts miteinander sprechen müssen. Unser System muss insgesamt effizienter und leistungsgerechter werden, und es sollen in der Tat alle Menschen an diesem Fortschritt teilnehmen können.

Aber, meine Damen und Herren, unsere Gesundheitspolitik steht mir viel zu oft unter der Überschrift einer Kostenlast. Diese Überschrift hat natürlich eine gewisse Berechtigung. Aber der Gesundheitssektor insgesamt ist mit all seinen Leistungen auch zugleich der am schnellsten wachsende Sektor unserer Volkswirtschaft. Den Gesundheitssektor daher nicht nur als Kostenfaktor, sondern als Wachstumsmotor und als Wohlstandstreiber zu verstehen, ist dabei mindestens ebenso wichtig, vor allem, wenn wir auf die großen Chancen eines globalen Marktes schauen, in dem der Wettbewerb um diese Innovationen heute mehr denn je stattfindet.

Damit bin ich wieder bei Ihnen, liebe Preisträger. Sie haben vor einigen Tagen eine Vereinbarung mit einem großen amerikanischen Unternehmen zur weiteren Entwicklung eines Ihrer vielversprechendsten Wirkstoffkandidaten zur Krebsbehandlung abgeschlossen. Sie können in den nächsten Jahren mehrere Milliarden US-Dollar in die Forschung investieren. Sie sind damit mit Ihrem Unternehmen endgültig in der ersten Liga der forschenden Pharmaunternehmen der Welt angekommen. Darf ich das so sagen? Darf ich das so sagen, meine Damen und Herren, und auch in Ihrer aller Namen? Wir sind richtig stolz auf Sie! Wir freuen uns. Wir freuen uns mit Ihnen.

Nun lassen Sie mich zum Schluss noch einen Sachverhalt ansprechen, der mich beschwert, der aber zugleich eine weitere Aufgabe beschreibt, die wir nur politisch lösen können. Sie wissen vermutlich alle: BioNTech ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Aber es werden nicht alle von Ihnen wissen, dass der Börsengang vor gut sechs Jahren trotz der Gründung und des Sitzes des Unternehmens in Deutschland in den USA stattgefunden hat, genauer in New York an der Technologiebörse NASDAQ. Das schaffen nicht viele Unternehmen aus Deutschland, und das ist für BioNTech bis heute aller Ehren wert. Dieser Börsengang zeigt aber auch, dass wir besser werden müssen in der Ausgestaltung eines europäischen Kapitalmarkts, der solche Börsengänge in Zukunft in Deutschland oder, sagen wir besser, in Europa möglich machen muss; denn damit würden wichtige Teile der Wertentwicklung solcher Unternehmen in Europa verbleiben und vor allem den Wohlstand unserer Gesellschaften auch über den Kapitalmarkt mehren. Diese Aufgabe müssen wir in der Politik in die Hand nehmen, und gehen Sie davon aus, dass ich fest dazu entschlossen bin, das zu tun; denn erst dann wird die Erfolgsgeschichte dieser Unternehmen richtig rund, um es einmal salopp zu sagen, wenn nämlich Forschung, Innovation, Patente und Produkte genauso aus Deutschland und Europa kommen, wie der damit einhergehende Wohlstand über den Kapitalmarkt im Wesentlichen in Deutschland und in Europa verbleibt. Aber darum müssen Sie beide, sehr geehrte Preisträger, sich nicht auch noch kümmern. Das machen wir.

Uns allen bleibt heute nur, Ihnen von ganzem Herzen zu gratulieren und Sie mit dem Deutschen Nationalpreis 2025 auszuzeichnen. In unserer Gesellschaft verleihen wir Preise, meine Damen und Herren, um uns zu erinnern, was uns wichtig ist, für welche Werte wir stehen, welche Ziele wir haben, was für uns vorbildhaft ist. Wir ehren heute zwei herausragende Forscherpersönlichkeiten und Unternehmer, zwei Pioniere, die auf ihrem Forschungsgebiet Weltmaßstäbe setzen und die uns dabei als Gesellschaft in Deutschland zeigen, was möglich ist, wenn Menschen sich entscheiden, die Dinge besser zu machen. Sie beide erinnern uns daran, dass Deutschland ein Land sein kann, aus dem Lösungen für Menschheitsaufgaben kommen, Fortschritt also, Zukunft. Mir persönlich ist es eine besondere Ehre, Ihnen heute im Namen der Deutschen Nationalstiftung diese Auszeichnung mit verleihen zu dürfen. Wir alle gratulieren Ihnen, und wir sind Ihnen von ganzem Herzen dankbar.