Rede des Kanzlers beim Kommunalkongress des Städte- und Gemeindebundes
In seiner Rede bekräftigte Bundeskanzler Merz den Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Nur so könnten Staatsmodernisierung und Mentalitätswandel hin zu einer Kultur des Vertrauens gelingen. Lesen Sie hier die Rede des Bundeskanzlers.

Mehr Digitalisierung, Wohnungsbau und Entlastungen, weniger Bürokratie: So sollen laut Bundeskanzler Merz Städte und Gemeinden gestärkt werden.
Foto: Bundesregierung/Sandra Steins
„Wir wollen hin zu einer Kultur des Vertrauens in der Annahme, dass Bürgerinnen und Bürger genauso wie Unternehmen sich in Deutschland grundsätzlich rechtstreu verhalten und eine hohe Eigenverantwortung wahrnehmen.” Das sagte Bundeskanzler Friedrich Merz in seiner Rede beim Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Damit forderte er einen grundlegenden Wandel im Verständnis des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger. Kanzler Merz ermunterte die Städte und Gemeinden, der Bundesregierung auf diesem Weg zu folgen. Nur dann könne es gelingen, überbordende Bürokratie im Land zu korrigieren.
Das Wichtigste in Kürze:
- Starke Kommunen stärken die Demokratie: Der Kanzler betonte die zentrale Rolle der Städte und Gemeinden für sozialen Zusammenhalt, Daseinsvorsorge und Heimatgefühl.
- Verwaltung digital denken: Ziel ist laut Bundeskanzler Merz, dass Behördengänge künftig fast vollständig digital möglich sind. Dazu gehören einheitliche Softwarelösungen, KI-gestützte Genehmigungsverfahren und das Once-Only-Prinzip.
- Migration ordnen und entlasten: Zur Begrenzung irregulärer Migration und zum Schutz kommunaler Kapazitäten halte die Bundesregierung, so der Kanzler, an Binnengrenzkontrollen fest, setzte den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten aus und strebe weitere Migrationsabkommen an.
- Wohnraum schaffen, Baurecht vereinfachen: Damit wachsende Städte Schritt halten können, solle schneller und einfacher gebaut werden. Dafür kündigte Merz Reformen im Planungs-, Bau- und Umweltrecht an.
Unter dem Leitmotiv „Stadt.Land.Jetzt – Starke Kommunen möglich machen“ kamen beim Kommunalkongress des Städte- und Gemeindebundes rund 800 Vertreterinnen und Vertreter aus Städten und Gemeinden in Berlin zusammen.
Lesen Sie hier die Mitschrift der Rede:
Liebe Frau Gause,
aber vor allem sehr geehrter Herr Präsident Brandl,
Herr Vizepräsident, lieber Herr Spiegler,
Herr Hauptgeschäftsführer, lieber André Berghegger,
Herr Präsident, Herr Pressl aus Österreich,
meine Damen und Herren,
herzlichen Dank für die sehr freundliche Begrüßung heute Morgen auf dem Kommunalkongress hier in Berlin! Ich freue mich, dass ich bei Ihnen sein kann.
Ich freue mich, dass ich noch ein paar Minuten Ihres Vortrages mitbekommen durfte. Ich meine es ernst. Ich habe gerade heute Morgen eine Einladung Ihres Bundeskanzlers angenommen, nach Salzburg zu kommen. Ich freue mich auf diese Begegnung. Ich freue mich auf gute Nachbarschaft mit Österreich, aber auch mit unseren europäischen Nachbarn in der gesamten Europäischen Union.
Damit bin ich, meine Damen und Herren, schon bei meinem ersten Thema. Wir stehen vor großen Herausforderungen in Deutschland, auf allen politischen Ebenen, im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden. Aber wir werden vieles von dem, was wir uns in Deutschland vornehmen, nicht allein schaffen, sondern wir werden es nur dann schaffen, wenn wir einen neuen europäischen Geist entstehen und wachsen lassen, der da lautet: Wir sind als Bundesrepublik Deutschland, in der geostrategischen Mitte Europas gelegen, darauf angewiesen, mit unseren Nachbarn vor allem in der Europäischen Union, aber auch darüber hinaus neue Formen der Zusammenarbeit zu finden. Deswegen bin ich in den ersten Tagen meines Amtes so viel in Europa unterwegs gewesen. Ich kann Ihnen sagen: Umgekehrt sind die Erwartungen an uns hoch.
Ich möchte deswegen die Gelegenheit nutzen, auch Ihnen zu sagen: Nutzen Sie die vielfältigen Möglichkeiten, die Sie auf kommunaler Ebene haben, im Austausch mit unseren Nachbarn im Osten, im Westen, im Süden und im Norden! Wir brauchen unsere Nachbarn, und unsere Nachbarn brauchen uns. Wenn wir daraus etwas Gutes machen, können wir als Europäer gemeinsam stärker werden und stärker in die Zukunft gehen. Das wünsche ich mir auch ausdrücklich heute Morgen in der kommunalen Familie.
Starke Kommunen möglich machen, dieses Motto haben Sie für den Kongress gewählt. Ich will Ihnen sagen, dass das auch das Ziel der Bundesregierung ist. Ich sage das nicht nur, weil ich heute bei Ihnen bin, sondern auch, weil wir gemeinsam in der Koalition das ernst meinen. Wir wissen, dass große Teile der Probleme unseres Landes Ihre Probleme sind. Wir wissen aber auch, dass viele Lösungen der Probleme unseres Landes nur mit Ihnen zusammen möglich sind. Deswegen möchte ich Ihnen genauso wie den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder, die ich morgen Abend zu Besuch habe, anbieten, dass wir eine neue, vielleicht auch bessere Form der Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden und mit den Landkreisen finden, wissend, dass sie Teil der Länder sind und nicht Teil des Bundes. Daran halten wir selbstverständlich fest. Aber eine gute Zusammenarbeit zwischen Städten, Gemeinden, Landkreisen, Ländern und Bund ist deshalb trotzdem möglich. Ich möchte sie Ihnen hiermit ausdrücklich anbieten, meine Damen und Herren.
Denn es ist doch einfach so: Das Gefühl, zu Hause zu sein, das Gefühl, eine Heimat zu haben, das Gefühl, mit Traditionen verbunden zu sein, vielleicht auch ein bisschen stolz darauf zu sein, was man selbst in seinem unmittelbaren Umfeld geschaffen hat, im Dorf, in der Stadt, all das wurzelt doch in unseren Städten und in unseren Gemeinden. Dort wollen und dort müssen wir es auch bewahren. Das ist jedenfalls die feste Überzeugung unserer Regierung.
Wir alle kennen die Herausforderungen, vor denen wir überall in unserem Land gemeinsam stehen: Überregulierung, lähmende Prozesse, ein immer größer werdender Investitionsstau, Rückstand bei der Digitalisierung und zudem eine Überfrachtung der Städte und Gemeinden mit immer neuen Aufgaben. Wir sind als Bundesregierung, meine Damen und Herren, nicht angetreten, um all diese Probleme einfach nur neu zu beschreiben. Wir sind angetreten, um sie Schritt für Schritt zusammen mit Ihnen zu lösen, im Schulterschluss mit den Gemeinden und mit den Ländern.
Was heißt das nun konkret? Zunächst einmal wollen und müssen wir in Deutschland mehr investieren, und zwar zum einen in die bestehende Infrastruktur, die dringend repariert werden muss. Straßen, Brücken, Schulen, Sporthallen, Kitas, Sie alle kennen die Beispiele besser als wir hier in Berlin. Hinzu kommen die Investitionen in die neue Infrastruktur, in moderne Technologien, in zusätzliche Wohnquartiere, in die Digitalisierung, in die kommunale Wärme- und Energieplanung und schließlich Ladesäulen und E-Busse. Auch diese Themen kennen Sie alle gut. Ich will Ihnen im Namen der Bundesregierung sagen: Wir lassen Sie mit diesen Aufgaben nicht allein.
Sie alle haben mitverfolgt, welche Entscheidungen wir im Übergang zwischen dem 20. und dem 21. Deutschen Bundestag getroffen haben. Das war nicht leicht. Das war auch den Umständen zwischen diesen beiden Parlamenten geschuldet. Aber ich will mich auch an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich dazu bekennen, dass es richtig war, zunächst die Möglichkeiten deutlich zu erweitern, in unsere Verteidigungsfähigkeit zu investieren. Die Notwendigkeit, dies zu tun, dürfte mittlerweile jedem, der einigermaßen einsichtsfähig ist, klar sein. Aber für uns war auch klar: Wir wollen auch zusätzliche Investitionsmöglichkeiten schaffen und über die Grenzen dessen hinausgehen, was uns das Grundgesetz bisher erlaubt hat. ‑ Aber auch dies sei sehr deutlich und klar gesagt: Es müssen zusätzliche Mittel in zusätzliche Vorhaben fließen und nicht zusätzliche Mittel in Ausgaben, die ohnehin geplant waren.
Die Aufstellung des Bundeshaushalts 2025, die wir noch vor uns haben ‑ der Bund hat zurzeit keinen laufenden Haushalt ‑, des Haushalts 2026, dessen Aufstellung sich unmittelbar daran anschließen wird, und dann die Finanzplanung der Jahre 2027, 2028, 2029 werden eine gewaltige Kraftanstrengung. Aber, meine Damen und Herren, gerade deshalb haben wir auch den Ländern und mit den Ländern den Kommunen zusätzliche Investitionsmittel aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität zur Verfügung gestellt. Wir gehen davon aus, dass auch die Städte und Gemeinden in Deutschland mit diesen Mitteln verantwortungsvoll umgehen und dass sie vor allen Dingen in die zusätzlichen Investitionen gehen, die notwendig sind, damit wir lebenswerte Städte und Gemeinden in Deutschland behalten.
Ich will hinzufügen, dass wir alle uns gemeinsam dieser Verantwortung bewusst sind. Das heißt auch, dass wir nicht nur über zusätzliche Ausgaben zu sprechen haben werden, sondern dass wir auch über kommunale Kosten sprechen müssen werden. Um es noch deutlicher zu sagen: Wir müssen die Aufgaben und mit den Aufgaben die Ausgaben überprüfen.
Das heißt zunächst einmal: Deutschland muss schneller, einfacher und digitaler werden, alles drei, und zwar nicht irgendwann, übermorgen, nächstes Jahr, übernächstes Jahr, sondern hier und jetzt. Auch das war für uns und auch für mich persönlich der Grund, in dieser Bundesregierung erstmalig ein eigenständiges Digitalisierungs- und Staatsmodernisierungsministerium einzurichten, ein Ministerium, das aus mindestens fünf bestehenden Häusern der früheren Bundesregierungen Kompetenzen übernommen hat, zum Teil ganze Abteilungen, also nicht etwa ein Ministerium, das sozusagen am Rande dessen steht, was ohnehin schon immer war, sondern ein Ministerium, das jetzt im Zentrum der Arbeit der Bundesregierung steht mit den Themen der Digitalisierung und der Staatsmodernisierung. Diese beiden Themen gehören in eine Hand. Denn die Staatsmodernisierung können wir nicht ohne Digitalisierung denken, und Digitalisierung können wir nicht ohne Staatsmodernisierung denken. Ich will es ausdrücklich sagen: Ich bin sehr dankbar, dass ich mit Karsten Wildberger einen Mann aus der Privatwirtschaft gewinnen konnte, der bereit ist, sich einer solchen politischen Aufgabe zu stellen und eine solche Aufgabe anzunehmen. Es ist nicht selbstverständlich, dass so etwas in Deutschland möglich ist.
Meine Damen und Herren, wenn wir von Bürokratie und Verwaltungsmodernisierung sprechen, dann möchte ich das nicht mit den alten Überschriften tun. Ja, wir wollen dieses Thema ernsthaft anpacken. Aber das erschöpft sich nicht in der Korrektur des einen oder anderen kleineren Gesetzes. Dahinter steht ‑ diesen Geist atmet unser Koalitionsvertrag ‑ ein Mentalitätswandel in der Art und Weise, wie staatliche Institutionen mit den Bürgerinnen und Bürgern und mit den Unternehmen in Deutschland umgehen. Um es einmal sehr klar und deutlich zu sagen: Wir wollen weg von der Misstrauenskultur, dass den Bürger und den Unternehmen grundsätzlich mit Misstrauen und dann mit einer entsprechenden Kontrolldichte begegnet wird. Wir wollen hin zu einer Kultur des Vertrauens in der Annahme, dass Bürgerinnen und Bürger genauso wie Unternehmen sich in Deutschland grundsätzlich rechtstreu verhalten und eine hohe Eigenverantwortung wahrnehmen, auch in der Art, wie sie leben, in der Art, wie sie arbeiten, und in der Art, wie sie ihre Unternehmen führen. Das ist ein grundlegender Wandel im Verständnis des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger, meine Damen und Herren.
Ich möchte Sie, die Städte und Gemeinden, ermutigen und ermuntern, uns auf diesem Weg zu folgen. Nur dann kann es uns gelingen, diese Kontrolldichte, diese überbordende Bürokratie in unserem Land wirklich im Grundsatz zu korrigieren und nicht nur in kleineren Randerscheinungen.
Es gibt ein paar Aufgaben, die wir im Verhältnis zwischen Bund und Kommunen zu leisten haben. Ich will Ihnen die Beispiele nennen. Wir werden dafür sorgen, dass die Fördermittel des Bundes wesentlich bürokratieärmer zugewiesen werden. Sie werden in Zukunft die Gelder einfacher und schneller von uns bekommen, und das vor allem mit dem Wissen, dass Sie vor Ort besser als wir entscheiden können, welche konkreten Projekte damit gefördert werden sollen.
Ich will allerdings auch hinzufügen, meine Damen und Herren: Die Bäume wachsen, aber sie wachsen nicht in den Himmel. Wir werden auch sehr kritisch zu überprüfen haben, in welchem Umfang wir noch Fördermittel zur Verfügung stellen. Wenn alles gleichzeitig gefördert wird, dann ist es fast so, als wenn nichts gefördert wird. Die Schwerpunkte richtig zu setzen, sie vernünftig auszusuchen und da anzusetzen, wo es wirklich hilft, wo es für die Bürgerinnen und Bürger einen erkennbaren Mehrwert, einen Fortschritt, gibt, das wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, dies zu tun. Wir werden in diesem Zusammenhang auch die Schwellenwerte für Ausschreibungen absenken, einfach, um diese Verfahren zu beschleunigen und Sie von viel zu viel Bürokratie deutlich zu entlasten.
Lassen Sie mich ein weiteres offenes Wort sagen, meine Damen und Herren. Wir werden eine umfassende Ausgabenüberprüfung vornehmen müssen, auch im Sozialrecht. Ich will vor der Klammer sagen: Es ist völlig selbstverständlich, die Bundesrepublik Deutschland bleibt ein sozialer Rechtsstaat. Wir werden dafür sorgen, dass diejenigen, die den Sozialstaat brauchen, ihn auch in Zukunft ohne Wenn und Aber zur Verfügung haben. Dass wir allerdings über Jahre hin jährliche Steigerungsraten von bis zu zehn Prozent bei der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe sehen, ist so nicht länger akzeptabel. Da müssen wir gemeinsam nach Wegen suchen, wie den zu Recht Bedürftigen genauso Rechnung getragen wird wie der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte. Hier stehen uns intensive Beratungen bevor.
Meine Damen und Herren, wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger wie die Unternehmen ihre Daten im Kontakt mit der Verwaltung in Zukunft nur noch einmal eingeben müssen. Das sogenannte Once-Only-Prinzip werden wir durchsetzen. Auch dies wird ein erheblicher Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung für Sie und die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sein. Es wäre auch für die Ämter vor Ort eine erhebliche Erleichterung der Arbeit.
Damit Beschleunigung wirklich gelingt und Behörden vor Ort nicht einfach nur wieder mit Mehraufgaben belastet werden, arbeiten wir auch an der KI-gestützten Digitalisierung von Genehmigungsverfahren. Auch hier gibt es einen großen Spielraum für Verbesserung, für Vereinfachung, gerade im Hinblick auf die notwendigen Investitionsentscheidungen in Ihren Städten und Gemeinden.
Und damit bin ich noch einmal bei dem Thema Digitalisierung: Unser Rückstand auf diesem Feld ist mittlerweile ein erheblicher Wettbewerbsnachteil für die gesamte deutsche Volkswirtschaft. Das müssen wir ändern, und das werden wir auch ändern, damit wir diesen Rückstand schnell aufholen. Es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger von der Leistungsfähigkeit unseres Gemeinwesens wieder neu überzeugt sind und sie sehen, dass hier etwas vorangeht. Wir wollen, dass zukünftig so gut wie alle Behördengänge digital möglich sind.
Ich weiß, meine Damen und Herren, dass das gerade für Sie in den Städten und Gemeinden eine enorme Herausforderung ist, denn 80 Prozent der Verwaltungsleistungen unseres Landes werden von Ihnen erbracht – nicht vom Bund, nicht von den Ländern, sondern von Ihnen. Deswegen ist dies ein Angebot, aber auch eine gemeinsame Herausforderung, die wir mit Ihnen zusammen lösen wollen. Der Bund wird Sie dabei umfangreich unterstützen, etwa mit der Entwicklung und Finanzierung von Software. Wir erwarten dann aber auch von Ihnen ‑ das will ich genauso deutlich sagen ‑, dass Sie diese Software in den Kommunen einsetzen, dass wir eine möglichst einheitliche Struktur schaffen und wir eine möglichst geringe Zahl von Schnittstellen haben, da sie sonst die Systeme wieder unnötig komplizieren würden. Lassen Sie uns also bitte gemeinsam daran arbeiten, möglichst einheitliche Systeme zu entwickeln. Ich höre die Unruhe im Saal. Ich weiß, dass ich hier offensichtlich einen wichtigen Punkt anspreche.
Meine Damen und Herren, ein dritter Punkt ist mir wichtig: Wir wollen den Kommunen nicht nur immer weiter neue Lasten aufbürden, wir wollen auch Lasten reduzieren. Damit bin ich beim Umgang mit irregulärer Migration nach Deutschland. Wir haben in der Europäischen Union mittlerweile – Gott sei Dank – eine Einigkeit, dass wir die Außengrenzen noch viel besser schützen müssen als wir das in der Vergangenheit getan haben. Das ist der richtige Weg, auch für Deutschland. Selbst wenn wir keine europäischen Außengrenzen haben, außer der zur Schweiz, dann sage ich jedem Gastgeber, der mich empfängt, und jedem Gast, den ich in Deutschland aus unseren europäischen Nachbarländern empfange: Die europäischen Außengrenzen sind auch unsere deutschen Außengrenzen. Deswegen haben wir hier die gemeinsame Aufgabe, die Außengrenzen der Europäischen Union in Zukunft besser zu schützen.
Aber bis die Lage an den Außengrenzen mit Hilfe von neuen europäischen Regeln deutlich verbessert ist, werden wir die Kontrollen an den Binnengrenzen aufrechterhalten müssen. Wir haben gestern eine vorläufige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin gesehen, die die Spielräume hier möglicherweise noch etwas einengt. Aber die Spielräume sind nach wie vor da. Wir wissen, dass wir nach wie vor Zurückweisungen vornehmen können. Wir werden das selbstverständlich im Rahmen des bestehenden europäischen Rechtes tun. Wir werden es auch tun, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in unserem Lande zu schützen und die Städte und Gemeinden vor Überlastung zu bewahren. Dies ist eine Aufgabe, der wir uns unverändert stellen wollen.
Wir haben im Bundeskabinett in der letzten Woche die ersten Entscheidungen dazu getroffen. Wir haben den Familiennachzug der subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre ausgesetzt. Wir haben einen weiteren Beschluss in der Vorbereitung, nämlich freiwillige Aufnahmeprogramme so weit wie möglich zu beenden, und wir werden weitere Migrationsabkommen mit Herkunftsländern abschließen. Wir tun das alles, meine Damen und Herren, um auch Sie, die Städte und Gemeinden, zu entlasten. Denn wir wissen: Wohnraum, Schulräume, Kitaplätze, das alles ist nicht ohne Grenzen, das alles ist endlich. Wenn wir zu geordneten Verhältnissen in den Städten und Gemeinden gerade in dieser Hinsicht kommen wollen, dann müssen wir den Zuzug nach Deutschland begrenzen. Wir wollen jedenfalls unsere Städte und Gemeinden bei der Integration nicht weiter überfordern. Denn damit sinkt auch der Rückhalt für qualifizierte Zuwanderung, die wir wollen, die wir brauchen.
Auch dazu möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bekennen: Qualifizierte Zuwanderung in Deutschland ist nicht nur gewollt, sie ist notwendig, und deswegen werden wir auch eine rein digital ausgestattete zentrale Einrichtung schaffen, die jenseits der Ausländerbehörden der Städte und Gemeinden, jenseits der 140 und mehr diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland, ein vereinfachtes Verfahren zur Zuwanderung in den Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht, einschließlich der Arbeitsgenehmigungen und Aufenthaltserlaubnisse.
Meine Damen und Herren, das bringt mich zu meinem letzten Punkt. Es ist erfreulich, wenn unsere Städte wachsen, wenn auch die Erwerbsbevölkerung in Deutschland wächst statt zu sinken. Aber dann müssen unsere Städte und Gemeinden auch mitwachsen. Das heißt mit anderen Worten: Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum und eine mitwachsende Infrastruktur. Anders ausgedrückt ‑ so habe ich es auch in meiner ersten Regierungserklärung gesagt: Wir müssen bauen, bauen, bauen.
Mit dem beschlossenen Sondervermögen für Infrastruktur geben wir dazu einen Anschub, damit auch die Bauwirtschaft ihre aktuelle Durststrecke überwindet. Aber noch viel wichtiger ist, dass wir das Bauen selbst einfacher und günstiger machen. Die Kollegin Verena Hubertz, die das Bauministerium übernommen hat, hat hier bereits erste Vorschläge für einen Wohnungsbau-Turbo unterbreitet. Aber auch hierzu gehört: Wir müssen runter von den komplexen Vorschriften. Wir müssen einfacher bauen. Wir müssen auch den Mut haben, von einzelnen Vorschriften abzuweichen. Wir wollen eine grundlegende Reform des Planungsrechts, des Baurechts, des Umweltrechts, des Vergabe- und Verfahrensrechts, einfach damit der Modernisierung unseres Landes im Grundsatz nichts mehr im Wege steht.
Damit möchte ich zum Ausgangspunkt zurückkommen. Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer gewaltigen Kraftanstrengung in Deutschland. Für die Umsetzung brauchen wir Sie – nicht nur die Länder, sondern Sie, die Städte, Gemeinden und Landkreise. Denn es ist eine Aufgabe, die wir nur gemeinsam schultern können, die wir nur gemeinsam lösen können.
Ich will deswegen zum Schluss noch einmal auf das Motto Ihres Treffens zurückkommen. Wenn Sie das erreichen wollen, dann geht das nur mit einer großen Kraftanstrengung. Starke Kommunen möglich zu machen, heißt, den Bürgerinnen und Bürgern auch wieder Vertrauen in die Handlungsfähigkeit unseres Staates zurückzugeben. Wir müssen zeigen, was in unserem doch großartigen Land steckt, welche Fähigkeiten wir haben, welche Begeisterungsfähigkeit auch bei jungen Menschen möglich ist.
Schauen Sie sich einfach nur die Berichte der letzten Runde von „Jugend forscht“ an. Da sind junge Menschen mit einer unglaublichen Begeisterung für Technik, für neue Entwicklungen, für neue Verfahren und neue Ideen unterwegs. Ich bin davon überzeugt: Wir haben in unserem Land das Zeug dazu. Oder, um es auf einen viel einfacheren Satz zu bringen: Wir können das aus eigener Kraft schaffen. Es liegt nur an uns. Wir warten nicht auf andere. Wir brauchen dazu auch nicht andere. Es liegt an uns, ob wir das gemeinsam hinbekommen, jenseits aller Parteipolitik. Dies ist eine Institution, ein Verband jenseits aller Parteipolitik.
Ist dies eine Anstrengung, die ich unserer Gesellschaft zutraue? Da ich gerade Herrn Werneke von ver.di in der ersten Reihe sitzen sehe: Das ist eine Aufgabe, die auch Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zusammen lösen können und müssen, meine Damen und Herren. Zu diesem Miteinander, zu dieser gemeinsamen Kraftanstrengung, möchte ich Sie gerne aufrufen. Sagen Sie uns, was wir tun können. Wir sagen Ihnen, was wir von Ihnen erwarten. Wenn wir uns in diesem Geist gemeinsam auf den Weg machen, wenn Sie diese ausgestreckte Hand annehmen und Sie mit ausgestreckter Hand auf uns zukommen, dann bin ich mir sicher, dass wir die Vertrauenskrise unserer Demokratie gemeinsam überwinden können, dass wir zeigen können, was in diesem Land steckt, was in dieser Gesellschaft steckt, zu welchen Leistungen eine offene, freiheitliche, demokratische Gesellschaft in der Lage ist.
Ihrer Verbandstagung alles Gute!