Pressekonferenz nach dem Automobildialog im Bundeskanzleramt
Die Bundesregierung will die deutsche Autoindustrie dabei unterstützen, neben der Elektromobilität weitere Technologien voranzutreiben. Denn dies würde sie im weltweiten Wettbewerb stärken, sagte Bundeskanzler Merz nach dem Dialog mit der Automobilbranche.
- Mitschrift Pressekonferenz
- Donnerstag, 9. Oktober 2025
Bundeskanzler Merz mit VDA-Präsidentin Hildegard Müller, Finanzminister Lars Klingbeil und IG Metall-Vorsitzender Christiane Benner nach dem Automobildialog.
Foto: Bundesregierung/Guido Bergmann
Der Bundeskanzler hat mit Vertreterinnen und Vertretern der Automobilindustrie, von Gewerkschaften und Politik beraten, wie die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der deutschen Automobilwirtschaft gestärkt werden kann. Die deutsche Automobilindustrie ist eine Schlüsselindustrie und zentral für Wohlstand, Beschäftigung und technologischen Fortschritt in Deutschland. Sie steht aber auch unter großem Wettbewerbs- und Anpassungsdruck – durch die Transformation zur Elektromobilität, neue Antriebe, Digitalisierung und internationale Konkurrenz.
Die Bundesregierung und die Automobilindustrie bekennen sich klar zu den deutschen und europäischen Klimazielen. Zugleich setzen sie sich für technologieneutrale, flexible und realistische Rahmenbedingungen ein, um den Wandel der Automobilindustrie erfolgreich zu gestalten.
Das wichtigste in Kürze aus der Pressekonferenz:
- Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz: „Der Weg zur Elektromobilität ist eröffnet. Dieser Weg wird weitergehen“, so der Bundeskanzler. Es sei aber richtig, dass es Zeit für die Markteinführung brauche. Daher werde es „einen harten Schnitt 2035” mit ihm nicht geben, so Merz. Die Bundesregierung werde sich für eine Öffnung und Flexibilisierung der europäischen Regulierung der CO2-Flottengrenzwerte (EU-Regelung für so genanntes Verbrenner-Aus) einsetzen. Die Automobilindustrie solle auf alle denkbaren Antriebstechnologie setzen, um die Klimaneutralität zu erreichen. Denn nur so könne sie im weltweiten Wettbewerb bestehen.
- Klimafreundliche Mobilität: Die Bundesregierung will die Kfz-Steuerbefreiung für Elektro-Autos über 2030 hinaus um weitere fünf Jahre verlängern. Damit ergänze sie Verbesserungen bei Abschreibungsregeln für E-Fahrzeuge und bei der Dienstwagenbesteuerung. Außerdem will sie drei Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen beim Umstieg auf klimafreundliche Mobilität zu unterstützen.
- Ladeinfrastruktur: Mit dem Masterplan Ladeinfrastruktur 2030, dem Ausbau des Deutschlandnetzes und Maßnahmen für bidirektionales Laden sowie dem schnelleren Ausbau von Ladepunkten in Mehrparteienhäusern wird die flächendeckende Versorgung mit Ladestationen möglich gemacht. Außerdem unterstützt die Bundesregierung den Aufbau eines leistungsfähigen Batterie-Ökosystems und die Forschung, insbesondere bei Batteriezellen. Gleichzeitig wird an einer sicheren Rohstoffversorgung gearbeitet.
Sehen Sie hier die Pressekonferenz im Video:
Video
Lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:
Hildegard Müller:
Meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, es ist gut und richtig, dass der Autodialog heute stattgefunden hat und der Bundeskanzler mit der Bundesregierung den Austausch mit der deutschen Automobilindustrie und den Gewerkschaften, die, glaube ich, miteinander auch sehr eng abgestimmt sind, gesucht hat. Denn es gibt jetzt als essentiellen Punkt ein gemeinsames Verständnis der herausfordernden Lage im Bund wie in den Ländern. Die gemeinsame Arbeit an den Themen gilt es jetzt mit konkreten Punkten fortzuführen und zu verstetigen. Wir brauchen zeitnahe Entscheidungen und dann auch eine geeinte deutsche Stimme in Brüssel.
Wir begrüßen, dass die Bundesregierung, aber auch die Ministerpräsidenten den Handlungsbedarf mit Blick auf die CO2-Flottenregulierung erkannt haben und gemeinsam mit der Automobilindustrie und den Gewerkschaften daran arbeiten wollen, wie die CO2-Emissionen im Verkehr deutlich gesenkt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie erhalten bleiben können. Der Schwerpunkt wird auf dem Hochlauf der Elektromobilität liegen, und trotzdem werden weitere technologische Optionen nötig sein. Dass die Bundesregierung Flexibilisierungsmöglichkeiten wie zum Beispiel in Hinblick auf Plug-in-Hybride und Range Extender unterstützt, ist ein positives Signal. Auch könnten moderne Verbrennerfahrzeuge mit zunehmend klimaneutralen Kraftstoffen einen Beitrag leisten. Fest steht: Diese Technologien werden weltweit eine Rolle auf dem Weg zur klimaneutralen Mobilität spielen.
Die Arbeitsplätze dafür sollten weiterhin auch in Deutschland und Europa angesiedelt werden können. Die Herausforderungen der CO2-Flottenregulierung sind vor allem in Brüssel entstanden, und deshalb braucht es auch Brüsseler Lösungen. Um diese zu finden, ist eine starke und geeinte Stimme Deutschlands von entscheidender Bedeutung. Klar ist angesichts insbesondere der herausfordernden wirtschaftlichen und geopolitischen Lage, der noch unzureichenden Rahmenbedingungen für die klimaneutrale Mobilität und der Erfordernisse der Transformation, dass Strafzahlungen unbedingt vermieden werden müssen. Der mangelnde Ausbau der Ladeinfrastrukturen und Stromnetze in Europa, um nur ein Beispiel zu nennen, kann nicht der Automobilindustrie angelastet werden. Die Unternehmen dürfen nicht zusätzlich und unnötig noch mehr durch die Transformation belastet werden. Das gilt für Pkw-Hersteller und ausdrücklich auch für Nutzfahrzeuge, über die wir heute auch sprechen konnten.
Wie weit die angekündigten Kaufanreize der Automobilindustrie am Standort helfen können, ist noch unklar. Es gilt jetzt, glaube ich, eine langwierige Diskussion um die Ausgestaltung zu vermeiden und rasch Klarheit zu schaffen, um Kaufzurückhaltung bei den Verbrauchern zu vermeiden und den Markt nicht abzuwürgen. Darüber hinaus gilt: Kurzfristige Strohfeuer helfen weder den Verbrauchern noch der Industrie und dem Klimaschutz. Bei Anreizen müssen gleiche Bedingungen für alle gelten. Protektionismus ist nicht der richtige Weg, und auf keinen Fall dürfen wir den Aufbau der Ladeinfrastrukturen sowohl im Pkw- als auch im Nutzfahrzeugbereich vermeiden. Es wäre hilfreich, den Anfang der Woche angekündigten Gesetzentwurf für die Kfz-Steuerbefreiung für reine Elektrofahrzeuge bis 2035 jetzt schnell vorzulegen, um die Käufer an dieser Stelle auch zu beruhigen.
Die immer wieder und klar zu benennende belastende Bürokratie, die die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie belastet, ist ein starkes Thema, nicht nur für Deutschland, sondern auch in Brüssel, wo viele Rechtsakte bereits beschlossen sind. Es gilt, auf die Rücksicht und auf die Umsetzung zu achten.
Wichtig ist, dass Deutschland seine technologische Führerschaft auch ausspielen kann. Deshalb war es auch sehr wichtig, über das autonome Fahren, Batterietechnologien und andere Punkte zu reden. Wir brauchen unbürokratische und harmonisierte Gesetzgebungsprozesse, die innerhalb Deutschlands schon länderübergreifend sind und auch zwischen den EU-Staaten funktionieren, um unsere technologische Führungsrolle langfristig auch auf die Straße zu bringen und damit hier weiter ein Garant für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung zu sein. Die Automobilindustrie ist bereit dazu. In dem Sinne herzlichen Dank für den Dialog und die besprochenen Aufgaben!
Christiane Benner:
Schönen guten Tag, meine Damen und Herren! Wir hatten einen sehr konstruktiven und konzentrierten Austausch über die Automobilpolitik. Ich möchte dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler ganz herzlich danken, dass dieser Austausch organisiert worden ist. Für uns war er mutmachend, weil wir glauben, dass allen klar geworden ist, dass mit hoher und dringender Stimme, mit lauter Stimme deutlich geworden ist, dass Handlungsbedarf besteht und dass wir unsere Stimme in Richtung Brüssel erheben müssen, aber auch einstimmig hier in Berlin. Denn der Arbeitsplatzabbau in der Automobilbranche geht weiter. Das ist dramatisch. Es gibt in vielen Unternehmen krasse Reaktionen, Standortschließungen, Personalabbau, und teilweise gibt es eine Abkehr vom Standort Deutschland. Das sehen wir kritisch, und das haben wir auch deutlich gemacht. Wir sehen die Politik in der Pflicht in Bezug darauf, dass wir schnelle Ergebnisse erwarten, um Beschäftigung und Industriestandorte in unserem Deutschland zu sichern. Unsere Beschäftigten warten auf ein klares Signal. Deswegen ist es gut, dass ja gestern erste Schritte verabredet wurden. Ich will auch ausdrücklich betonen: Die Verlängerung der Befreiung von der Kfz-Steuer ist absolut zu begrüßen, weil auch das Sicherheit gibt.
Wir brauchen von der Politik in Berlin und Brüssel zweierlei, erstens eine volle Offensive für Elektromobilität und zweitens gleichzeitig eine Flexibilisierung der CO2-Regeln bei Hybridantrieben und auch bei alternativen Kraftstoffen. Wir haben hier heute die Beschäftigten bei den Zulieferern vertreten, deren Zukunft an der Zukunft der Verbrennungstechnologie oder alternativer Antriebe hängt, aber auf der anderen Seite auch Betriebsräte aus Unternehmen, die zu 100 Prozent schon auf Elektro umgestellt haben. Das ist also ein enormes Spannungsfeld, aber wir können darauf Antworten finden.
Wir haben betont, dass es nicht ein Heilsversprechen gibt, also eine „silver bullet“, auf der „Weg mit dem Verbrenner-Aus“ geschrieben steht. Wir brauchen flexiblere Regelungen in Brüssel, ja, aber wir brauchen jetzt vor allem mehr Unterstützung für die Elektromobilität. Stichworte sind Ladesäulen, Strompreise, Kaufanreize, Bezahlbarkeit. Das sind die Punkte, und da brauchen wir definitiv einen Push; denn die meisten automobilen Arbeitsplätze der Zukunft hängen daran.
Wir brauchen steuerliche Unterstützung; da bin ich anderer Meinung als Frau Müller. Wir brauchen dringend steuerliche Unterstützung für Privatleute beim Kauf von E-Autos – das kann gerade für die Bezieher von kleineren und mittleren Einkommen dazu führen, dass wir wirklich einen Hochlauf bei der Elektromobilität hinbekommen –, transparente und bessere Preise an Ladesäulen und Flexibilität für Hybridtechnologie, aber auch den Einsatz klimaneutraler Kraftstoffe. Dafür sollte sich die Bundesregierung in Brüssel einsetzen.
Wir brauchen weiterhin einen echten Batteriebooster mit europäischer Hilfe. Das ist die Technologie der Zukunft, und das müssen wir in Europa gerne auch konsortial organisieren. Das sind dann Arbeitsplätze für die Zukunft in Deutschland.
Unsere Menschen, unsere Beschäftigten brauchen hier Perspektiven. Die brauchen Zuversicht, dass wir an diesen Standort glauben. Das heißt auch, dass wir in Zukunftsprodukte hier in Deutschland investieren. Die Unternehmen sollen mehr Spielraum bekommen, möglicherweise durch die Veränderung der Regulierung. Aber damit geht für uns die Formulierung und auch der Anspruch einher, dass dann auch deutsche Beschäftigte und der deutsche Industriestandort etwas davon haben. Hier kann auch das Thema „local content“ helfen, also einen Anreiz zu schaffen, sodass, wenn deutsche Wertschöpfung in Fahrzeugen verbaut wird, es dort Anreizmechanismen gibt. Auch das kann gerade in der Zulieferindustrie Arbeitsplätze absichern.
Wenn der Aderlass bei den Industriearbeitsplätzen so weitergeht und klimaneutrale Technologien in Zukunft nur noch importiert werden, dann wird auch jede Akzeptanz für den notwendigen Wandel am Standort Deutschland zerstört. Das ist, glaube ich, heute in dem Dialog auch angekommen. Unsere Beschäftigten sind verunsichert, und wir brauchen da jetzt Klarheit, dass wir es nach vorne schaffen können.
Bundesminister Lars Klingbeil:
Ich will mich zu Beginn bei Frau Benner, bei Frau Müller, aber vor allem beim Bundeskanzler für einen sehr guten Austausch bedanken, den wir hier heute im Kanzleramt hatten, zusammen mit Herstellern, mit Zulieferern, Verbänden, Gewerkschaften und Betriebsräten. Ich glaube, wir können als politisch Verantwortliche feststellen: Das war eine klare Botschaft, auch an uns. Wir sind alle, und das hat diese Runde geeint, völlig überzeugt: Das Automobil hat eine gute Zukunft in Deutschland. Es muss eine gute Zukunft in Deutschland haben. Aber vor allem geht es darum, dass das Auto aus Deutschland eine gute Zukunft hat, und daran haben wir gemeinsam zu arbeiten.
Wir haben heute nochmals festgestellt: Wir haben eine starke Automobilindustrie, wir haben eine starke Zulieferindustrie, aber in der Tat ist die Lage im Automobilbereich dramatisch. Wir stehen unter einem großen Druck. Deswegen geht es darum, jetzt auch politische Entscheidungen zu treffen.
Wichtig war heute in dieser Runde – das will ich ausdrücklich sagen –, dass wir von der Debatte rund um Überschriften weggekommen sind, sondern sehr konkret geworden sind. Es ist deutlich geworden, dass niemand, wirklich niemand, einen Weg infrage stellt, der konsequent in Richtung Elektromobilität geht. Es ist auch deutlich geworden, dass niemand infrage stellt, dass wir die Klimaziele erreichen wollen und dass wir Klimaziele und Industriepolitik nicht gegeneinander diskutiert haben. Aber klar ist eben auch: Wir gehen diesen Weg sehr konsequent, aber wir wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand. Deswegen werden wir innerhalb der Bundesregierung jetzt auch schnell zur Entscheidung kommen wollen, müssen und sollen.
Deutlich ist geworden: Wir brauchen mehr Flexibilität, wir brauchen Pragmatismus, und wir müssen immer wieder in den Fokus nehmen, dass es darum geht, eine starke Industriebranche und Arbeitsplätze hier in unserem Land aufrechtzuerhalten, aber hier auch die Arbeitsplätze der Zukunft für Deutschland zu sichern.
Ich habe es gerade gesagt. Wir werden innerhalb der Bundesregierung dafür schnelle Entscheidungen treffen müssen. Wir hatten gestern schon eine erste gute Diskussion, noch im Koalitionsausschuss. Die Frage von Plug-in-Hybriden, die Frage von Range Extendern und die Frage von Beimischungen als Zeichen auch der Technologieoptionen und der Flexibilität – das habe ich heute Morgen schon in der Pressekonferenz diskutiert – sind für uns ein Weg, den wir für absolut gangbar halten und bei dem wir auch zur Veränderung der deutschen Position kommen würden und kommen wollen.
Was ich hier noch betonen will, ist, dass auch in der Runde deutlich geworden ist: Wir haben in Deutschland die Chance für eine Technologieoffensive. Wenn es darum geht, dass Batterien, dass autonomes Fahren, dass alle diese Dinge in den Mittelpunkt gestellt werden und wir die richtigen Rahmenbedingungen in Deutschland dafür schaffen, dann liegt eine große Chance darin. Auch das war gerade Tenor der Debatte.
Lassen Sie mich am Ende sagen, dass wir einige konkrete Maßnahmen ja schon eingeleitet haben, und es ist mir als Finanzminister auch wichtig gewesen, vor diesem heutigen Dialog ein klares Signal zu setzen, was die Befreiung von Elektrofahrzeugen von der Kfz-Steuer angeht. Wir haben heute Nacht im Koalitionsausschuss die gemeinsame Verabredung getroffen, dass wir kleine und mittlere Einkommen beim Umstieg auf emissionsfreie Mobilität unterstützen wollen. Da werden wir jetzt genau am Programm arbeiten. Wir haben auch klar verabredet, dass wir die Ladeinfrastruktur konsequent weiter ausbauen. Es sind also Dinge passiert. Aber heute ist das klare Signal auch an uns als politisch Verantwortliche: Es muss jetzt zügig weitere Entscheidungen geben. Die Verabredung und, glaube ich, auch der gemeinsame Wille ist, dass wir mit einer Stimme in Europa agieren, aber dass wir auch hier in Deutschland jetzt schnell gemeinsame Entscheidungen treffen. Vielen Dank.
Bundeskanzler Friedrich Merz:
Meine Damen und Herren, auch ich möchte zunächst mit einem sehr herzlichen Wort des Dankes an die Automobilindustrie in der ganzen Breite beginnen, nicht nur an die großen Hersteller, sondern auch an die industriellen Zulieferer, aber auch an die mittelständischen Zulieferer und die Vertreterinnen und Vertreter der Belegschaften. Das gilt insgesamt für den Verband der deutschen Automobilindustrie, Frau Präsidentin Müller. Das gilt für die Gewerkschaften, die Vorsitzende der IG Metall. Es gilt aber auch für die Kollegen aus dem Kabinett und für die Ministerpräsidenten, die die Bundesländer vertreten haben, in denen die Automobilindustrie in Deutschland stark ist.
Die Automobilindustrie in Deutschland ist eine Schlüsselindustrie. Es gibt keine zweite Industrie, die den Standort Deutschland über die letzten gut 100 Jahre hinweg so geprägt hat, und es gibt auch keine Industrie, von der in Deutschland so viele Arbeitsplätze abhängen, gegenwärtig und in Zukunft, wie von der Automobilindustrie. Deswegen haben wir ein strategisches Interesse daran, eine wettbewerbsfähige, technologisch führende Automobilindustrie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in Deutschland zu erhalten und die Wettbewerbsnachteile, die wir haben, so schnell wie möglich wieder auszugleichen. Das ist zum Teil Aufgabe der Unternehmen selbst. Das ist aber auch ein Teil der Aufgabe, die wir in der Politik zu leisten haben. Deswegen war es mir wichtig, dass wir alle Beteiligten heute einmal zu diesem Dialog um den Tisch versammelt haben.
Ich denke, wir haben einige Themen besprochen, aus denen jetzt auch sehr konkret einiges für das folgt, was wir gemeinsam schaffen wollen. Das Wichtigste ist: Der Weg zur Elektromobilität ist eröffnet. Dieser Weg wird weitergehen, und Elektromobilität wird voraussichtlich die zentrale Antriebstechnologie der nächsten Jahre sein, jedenfalls nach allem, was wir heute technologisch abschätzen können. Dieser Weg wird konsequent von der Industrie und mit Unterstützung der Belegschaften weitergegangen, aber auch mit dem klaren Commitment der Politik in Deutschland und in Europa. Dies ist sozusagen die Hauptstraße, auf der gefahren wird.
Aber es gibt weitere Technologien. Es ist vor allem richtig, dass wir Zeit brauchen, um diese Technologien auch im Markt zu erproben und einzuführen. Vermutlich ist die Einschätzung eines der großen Hersteller, die wahrscheinlich auch von anderen geteilt wird, richtig, dass wir bis zu diesem Jahr, das immer wieder in der Diskussion steht, also bis zum Jahr 2035, nur etwa zu 50 Prozent eine Marktdurchdringung der Elektromobilität im Pkw-Bereich erreichen können. Der Lkw-Bereich ist noch einmal ein besonderer Bereich, der seine besonderen Herausforderungen hat. Aber noch einmal: Der Weg in die Elektromobilität ist richtig, und den werden wir weiter konsequent gehen.
Aber es gibt eine Diskussion im Zusammenhang mit der europäischen Regulierung, die in den letzten Monaten schon die Diskussion bestimmt hat und die auch heute die Diskussion in unserem Kreis bestimmt hat. Ich will es einmal mit einem Satz sagen, der von einem der beteiligten Ministerpräsidenten geäußert worden ist, der da lautet: Einen harten Schnitt 2035 darf es nicht geben. Ich will mir diesen Satz ausdrücklich zu eigen machen. Nach dem, was ich in der Europäischen Union und mit den Partnern in der Europäischen Union tun kann, will ich es auch so sagen: Einen solchen harten Schnitt im Jahr 2035 wird es, wenn es nach mir geht, und ich werde alles tun, um das zu erreichen, nicht geben. Wir brauchen hier eine Öffnung, wir brauchen hier eine entsprechende Flexibilität. Das bedeutet im Klartext, dass ich die Automobilindustrie und die Zulieferer in Deutschland ermutigen möchte, weiter an allen denkbaren Antriebstechnologien zu forschen, sie zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass wir auf unterschiedlichste Weise die Klimaneutralität gemeinsam erreichen – das ist das wichtigste Ziel –, und zwar mit Antriebstechnologien, die diesem Ziel dienen, aber die gleichzeitig auch die technologische Führung in allen denkbaren Technologien für Deutschland ermöglichen. Nur das schafft die notwendige Wettbewerbsfähigkeit auf der Welt, und nur das schafft auch die Möglichkeit für den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland, die von vielen Fragen abhängig sind, nicht zuletzt eben auch von der Wettbewerbsfähigkeit auf der ganzen Welt.
Ich will zwei Aspekte hinzufügen, die in der Diskussion herauskamen und die auch mir wichtig sind. Der eine ist: Für die Elektromobilität brauchen wir Infrastruktur. Diese Infrastruktur muss gebaut werden, und die wird nicht ohne staatliche Unterstützung und nicht ohne staatliche Beteiligung gebaut werden können. Wir sind auf dem Weg, das zu tun. Wir haben erste Entscheidungen auch im Bundeskabinett getroffen. Wichtig ist, dass wir Strompreise in Deutschland haben, die wettbewerbsfähig sind. Die sind im Augenblick noch zu hoch. Deswegen diskutieren wir ja auch vor diesem Hintergrund über das Thema der niedrigeren Strompreise und Industriestrompreise.
Das Zweite ist: Die Finanzierung für die Unternehmen muss auf breitere Beine gestellt werden, auf ein breiteres Fundament gestellt werden. Mehr und mehr Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, haben große Probleme mit der Finanzierung ihrer Unternehmen. Das hängt mit den Strukturen unseres Kapitalmarktes zusammen. Das hängt aber auch mit der sehr starken Bankenregulierung speziell in Deutschland – zum Teil auch in Europa, aber insbesondere in Deutschland – zusammen. Auch dieses Themas nehmen wir uns an, weil es einfach wichtig ist, dass die Unternehmen mit Banken und dem Kapitalmarkt in einer guten Kombination die Finanzierung ihrer Unternehmen sichergestellt bekommen. Noch einmal: Das ist insbesondere ein Thema des Mittelstandes und der kleineren und mittleren Unternehmen, die in dieser Industrie und in dieser Branche eine ebenso wichtige Rolle wie die großen bekannten Namen haben, die wir alle kennen.
In diesem Sinne bedanke ich mich noch einmal wirklich sehr herzlich. Es war eine gute Diskussion. Die gibt mir persönlich sehr viel Motivation, jetzt auf diesem Weg, den wir eingeschlagen haben, weiterzugehen.
Vielleicht noch ein kurzer Hinweis auf den weiteren Prozess: Wir werden jetzt in der Koalition mit den beteiligten Parteien CDU, CSU und SPD die Gespräche auswerten, die Diskussion auswerten. Wir werden daraus Handlungsempfehlungen für die Regierung, für das Parlament und für unsere Koalition ableiten. Ich bin entschlossen, das jetzt wirklich sehr zügig umzusetzen, immer wieder auch rückgekoppelt mit dem Verband, den Unternehmen, den Belegschaften, den Gewerkschaften, einfach, damit wir dieses gemeinsame Ziel erreichen, mit der deutschen Automobilindustrie in ihrer ganzen Breite eine wettbewerbsfähige, starke Industrie in Deutschland zu haben, die vor allem dafür sorgt, dass wir gute und gut bezahlte Arbeitsplätze in der deutschen Automobilindustrie erhalten und neue schaffen können. Die Perspektiven dafür sind gut, aber die Herausforderungen sind nicht klein. Vielen Dank.
Frage: Herr Bundeskanzler, noch einmal zur Klarheit: Das Verbrenner-Aus 2035 steht. Wenn man sich den gestrigen gemeinsamen Gastbeitrag von Herrn Lies und Herrn Söder durchgelesen hat, dann hatte man ja den Eindruck, das sei jetzt der Kompromisskorridor. Jetzt hat Herr Söder das heute Morgen auf der Pressekonferenz wieder infrage gestellt. Können Sie also einmal Aufklärung bieten? Steht 2035 plus Flexibilisierung, oder steht 2035 nicht?
Frau Müller, jetzt ist Ihnen die Bundesregierung dabei schon ein wenig entgegengekommen und will Ihnen weiter entgegenkommen. Können Sie denn im Gegenzug für die Automobilbranche Investitionszusagen oder Zusagen für eine Beschäftigungssicherung geben?
Bundeskanzler Friedrich Merz: Ich will es noch einmal genauso wiederholen, wie ich es gerade gesagt habe: 2035 darf es keinen harten Schnitt geben. Das ist auch technisch gar nicht möglich. Insofern werden wir in der Europäischen Union jetzt über die Themen sprechen. Das heißt nicht, dass wir jetzt zurückgehen, dass wir zu den alten Technologien zurückgehen, sondern wir wollen mit Elektromobilität und anderen Formen klimaneutraler Antriebe gemeinsam nach vorne gehen. Das wird eine intensive Diskussion in der Europäischen Union werden.
Ich will der Kommission danken. Es wird morgen, am 10. Oktober, den Abschluss der Befragung geben. Es wird dann einen entsprechenden Reviewprozess innerhalb der Kommission geben. Wir werden uns schon in zwei Wochen auf dem Europäischen Rat in Brüssel mit diesen Fragen beschäftigen, und ich werde darauf drängen, dass in der Europäischen Union Entscheidungen getroffen werden, die genau das ermöglichen, nämlich eine umfassende technologische Weiterentwicklung hin zur Klimaneutralität, aber nicht mit einem Datum im Kalender, das wir nicht erreichen können, das unrealistisch ist, sondern mit einer klaren Perspektive, die den Unternehmen auch in Deutschland die notwendige Zukunftsperspektive eröffnet.
Hildegard Müller: Vielleicht von meiner Seite noch Folgendes: Wir haben Milliarden in den Hochlauf der Elektromobilität investiert, und wir werden das auch weiter tun, allein in den nächsten vier Jahren mit rund 320 Milliarden Euro für Forschung, Entwicklung, Digitalisierung und mit 220 Milliarden Euro für den Auf- und Umbau von Werken. Wir stehen also hinter diesem Weg. Ob und wo diese Investitionen getätigt werden, hängen jetzt zum einen von einem erfolgreichen Hochlauf ab. Ich glaube, der Bundeskanzler hat das Richtige gesagt, auch zur Notwendigkeit von Infrastrukturen, Ladestrompreisen und anderen Themen.
Das Zweite ist natürlich die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes, die nicht nur eine Aufgabe für Berlin, sondern vor allem auch für Brüssel ist, was die Anerkenntnis und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit angeht. Man kann über Strategien für „local content“ und anderes nachdenken, aber sie sind kein Ersatz für die Frage einer Wettbewerbsfähigkeit in Europa. Auch Zölle sind die Spitze eines Eisberges. Die eigenen Hausaufgaben richten sich in dieser Frage vor allem an Berlin und an Brüssel. Wir sind bereit, zu investieren, und natürlich auch bereit, Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten, aber Sie sehen die Komplexität der Herausforderung.
Frage: Herr Klingbeil und Herr Merz, können Sie schon etwas Genaueres dazu sagen, wer denn von diesen neuen Kaufzuschüssen profitieren wird? Wenn Sie von kleinen und mittleren Einkommen sprechen, wie hoch sind die dann? Ab wann wird es die Kaufzuschüsse geben? Wie viel wird es geben? Da besteht ja nämlich sonst die Gefahr, dass viele Leute jetzt erst einmal abwarten, wenn das zu lange offen ist. Wann wird es da also Details geben, oder können Sie uns die jetzt schon nennen?
Frau Müller und Frau Benner, der Kanzler hat ja gerade vorgeschlagen, Sie sollten alle Antriebstechnologien weiter erforschen, in sie investieren und sie entwickeln. Bisher war ja immer ein Argument: Wenn man alles so ein bisschen macht, dann macht man nichts richtig gut, und deswegen konzentriert man sich auf die Elektromobilität. Haben Sie also genug Kapazitäten, Finanzmittel usw., um wirklich drei Stränge parallel zu verfolgen, und ist das die richtige Strategie?
Bundesminister Lars Klingbeil: Wir haben das heute Nacht beschlossen – es war heute Nacht auch ein bisschen später –, und wir – das Umweltministerium und wir im Finanzministerium – arbeiten jetzt mit Hochdruck daran. Wir haben schon das Ziel, innerhalb der Bundesregierung jetzt sehr schnell zu sagen, wie wir das umsetzen. Aber dabei – das will ich auch noch einmal sagen – werden wir auch aus Programmen lernen müssen, die es in diesem Land schon einmal gab und die vielleicht nicht so funktioniert haben, wie man das Ganze vorhatte.
Einen Punkt will ich hier auch sehr klar benennen: Wir haben schon vor, dass dieses Programm dazu beiträgt, dass gerade die deutsche Automobilindustrie gestärkt wird. Nicht umsonst haben wir heute auch noch einmal deutlich gemacht – ich habe das für mich deutlich gemacht –, dass wir gerne auch Standortgarantien erreichen wollen, dass wir hier Investitionen sehen wollen, dass wir die Absicherung von Beschäftigung haben wollen. Dafür bringen wir politisch jetzt auch Dinge auf den Weg. Aber ich bitte ein bisschen um Verständnis dafür, dass wir zwischen heute Morgen um zwei, als wir das Ganze beschlossen haben, und jetzt noch kein fertiges Konzept haben.
Bundeskanzler Merz: Keinen Gesetzentwurf!
Bundesminister Klingbeil: Aber ich werde versuchen, Sie glücklich zu machen und dass wir es dann bald haben werden.
Christiane Benner: Ich würde vielleicht zu dem Aspekt noch etwas sagen, weil Herr Merz es ja auch ganz klar gesagt hat: Die Hauptstraße fährt elektrisch. Wir werden aber trotzdem die anderen Technologien weiter optimieren wollen und produzieren wollen. Im Moment kommt die Unsicherheit für Unternehmen und Beschäftigte ja in erster Linie dadurch, dass irgendwie unklar war, wohin das denn geht oder ob es sich sozusagen noch lohnt, weiter in Hybridtechnologien zu investieren und sie auch zu produzieren. Das heißt – das ist ja die Idee –, dass wir mit dieser Flexibilisierung auch einfach noch einmal eine Sicherheit für diesen Übergang schaffen.
Ich glaube nicht, um auf Ihre Frage zu sprechen zu kommen, dass man an alles mit gleicher Energie herangehen wird. Finanziell wird das überhaupt nicht stemmbar sein. Aber uns geht es darum, dass wir einen zu großen Aderlass gerade in der Zulieferindustrie haben, die jetzt Möglichkeiten dafür braucht, dass über 2035 hinaus noch etwas geht, und dies auch hier an diesem Standort. Die Arbeit, die wir ja in den Betrieben auch schon machen, nämlich jetzt zu sehen, wo man in Zukunftsfelder reingehen kann, werden wir weiter verschärfen. Aber das würde uns einfach noch einmal einen anderen Übergangszeitpunkt geben, weil wir auch wissen: Wir werden 2035 nicht zu 100 Prozent elektrische Fahrzeuge haben. Das ist ja wie eine Glaskugel. Das ist die Hauptmeile. Aber wir wollen einfach die Möglichkeiten haben, in diesen anderen Antriebstechnologien weiter zu produzieren, zu optimieren, Beschäftigung zu halten. Das gibt uns Zeit, das gibt Luft, zu atmen. Trotzdem bleibt natürlich für die kleineren Zulieferer das ganze Finanzierungsthema bestehen. Aber dazu ist auch etwas gesagt worden. Da werden auch Lösungen erwartet. Das hat heute auch eine Rolle gespielt.
Müller: Vielleicht nur noch ergänzend: 70 Prozent unserer Arbeitsplätze in der Autoindustrie in Deutschland sind mit dem Export verbunden. Die Welt fährt verschiedene technische Optionen. In China gehört zum Beispiel zur Elektromobilitätsdiskussion nicht nur der reine BEV, sondern auch der Plug-in-Hybrid und der Range Extender dazu. Das ist der größte Einzelmarkt der Welt. Das heißt, wenn wir unsere Absatzzahlen und damit auch Beschäftigtenverhältnisse hier halten wollen, dann müssen wir allein aus dem Grund schon in der Lage sein, klimaneutrale Technologien verschiedener Art anzubieten.
Wo die einzelnen Schwerpunkte eines Unternehmens liegen, ist eine unternehmerische Entscheidung. Aber das Commitment, das ich eben genannt habe, gilt im Wesentlichen auch klar dem Hochlauf der Elektromobilität. Ich kann das nur unterstützen, was hier gesagt worden ist. Aber die technischen Optionen helfen jetzt, helfen heute, Arbeitsplätze zu sichern. Deshalb ist das ein wichtiger Appell, und wir danken für die Unterstützung der Bundesregierung in dieser Frage in Brüssel.
Bundeskanzler Merz: Gut, vielen Dank!