Aufgaben zum Wohle Deutschlands lösen

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Im Wortlaut: Merkel Aufgaben zum Wohle Deutschlands lösen

Im Gespräch mit der Rheinischen Post äußert sich Bundeskanzlerin Merkel zur Krise in der Ostukraine, der bevorstehenden Europawahl sowie zur Renten- und Finanzpolitik der Großen Koalition.

  • Interview mit Angela Merkel
  • Rheinische Post
Bundeskanzlerin Angela Merkel

Die Bundeskanzlerin füllt ihre Aufgabe mit Freude aus und kümmert sich um viele Themen.

Foto: Bundesregierung/Bergmann

Das Interview im Wortlaut:

Rheinische Post (RP): In der Ost-Ukraine herrscht Bürgerkrieg. Haben Sie die Heilung, dass das Land in seinen bisherigen Grenzen erhalten bleiben kann? 

Angela Merkel: Die territoriale Integrität der Ukraine muss wie die jedes souveränen Staates geachtet werden. Es ist eine sehr ernste Situation, denn schon mit der Annexion der Krim durch Russland wurde die staatliche Unversehrtheit der Ukraine verletzt.

RP: Hat die bisherige Strategie aus Diplomatie, Sanktionen und Hilfe für die Ukraine etwas gebracht?

Merkel: Wir haben in Genf wenigstens erste Vereinbarungen für eine Stabilisierung der Ukraine erreicht, die allerdings bislang nicht umgesetzt wurden. Ich bin dennoch überzeugt, weiter alles daranzusetzen, eine politische Lösung für den Konflikt in der Ukraine zu suchen. Deshalb arbeiten der Außenminister und ich dafür, dass in der Ukraine am 25. Mai frei und demokratisch ein neuer Präsident gewählt werden kann. Auf dem Weg dahin kann die OSZE eine wichtige Rolle spielen. Alle Parteien der Genfer Konferenz sollten sie unterstützen und sich gegebenenfalls auch noch einmal treffen. Auch das Format des runden Tisches, wie wir es 1989/1990 gemacht haben, könnte helfen.

RP: Und Wladimir Putin?

Merkel: Präsident Putin bleibt aufgefordert, die prorussischen Kräfte in der Ukraine zum Niederlegen der Waffen und zur Räumung der besetzten Häuser aufzurufen. Russland übt etwa durch Truppen in der Nähe der ukrainischen Grenze oder durch die unverändert bestehende Ermächtigung des russischen Parlaments zum militärischen Eingreifen in der Ukraine weiterhin einen enormen Druck auf die Ukraine aus. Notfalls sind wir auch zu weiteren Sanktionen bereit, auch wenn wir sie uns wahrlich nicht wünschen. Sie sind für uns kein Selbstzweck.

RP: Ist die Präsidentenwahl am 25. Mai der Maßstab für weitere Sanktionen?

Merkel: Das Ziel sind diplomatische Fortschritte für eine Stabilisierung der Ukraine, und da spielen die Wahlen am 25. Mai eine wichtige Rolle. Dafür setzen wir uns ein. Tatsächliche diplomatische Fortschritte können weitere Sanktionen vermeiden.

RP: Hat die EU zu Beginn der Krise Russlands Rolle und die prorussischen Kräfte in der Ukraine unterschätzt?

Merkel: Nein. Die Annäherung zwischen der EU und der Ukraine fand ja schon mit dem früheren ukrainischen Präsidenten Janukowitsch statt, der über lange Zeit das Assoziierungsabkommen mit der EU verhandelt und immer wieder gesagt hat, es unterschreiben zu wollen. Zugleich hat auch die EU stets einen engen Dialog mit Russland über unsere gemeinsame Nachbarschaft geführt. Eine sich modernisierende und wettbewerbsfähigere Ukraine wäre für alle Nachbarländer eine gute Entwicklung. Es wurde durchaus thematisiert, inwieweit Probleme aus solch einem Abkommen der EU mit der Ukraine beispielsweise im Handel mit Russland entstehen könnten. Entscheidend für uns war und ist, dass eine freie und souveräne Ukraine selbst über die eigene Zukunft befinden kann.

RP: Wie groß ist Ihr Einfluss auf Putin?

Merkel: Ich halte es für wichtig, zum Gespräch bereit und fähig zu bleiben, auch in politisch schwierigen Situationen. Präsident Putin und ich sind gesprächsfähig, auch wenn das natürlich nicht heißt, dass wir übereinstimmen. Er hat leider Entscheidungen getroffen, mit denen Russland das internationale Recht bricht. Er tut derzeit auch zu wenig, um zur tatsächlichen Entspannung der gefährlichen Situation beizutragen. Mittelfristig handelt Präsident Putin damit nicht im Interesse Russlands.

RP: Können Sie mit dem russischen Präsidenten Absprachen treffen?

Merkel: Darin liegt nicht das Problem. Wie Präsident Putin Russlands Interessen derzeit definiert und sie umsetzt, das unterscheidet sich leider von den Interessen eines Großteils der internationalen Staatengemeinschaft, und damit verstößt er gegen das Völkerrecht.

RP: Kann sich das Schicksal der Krim in der Ost-Ukraine wiederholen?

Merkel: Wir setzen uns dafür ein, dass das nicht passiert.

RP: Welche Auswirkung hat die Ukraine-Krise auf die Europawahl?

Merkel: Die Ukraine-Krise führt uns mit aller Deutlichkeit vor Augen, welches Glück und welcher Schatz die europäische Einigung ist. Wir gedenken in diesem Jahr des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren, des Beginns des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren und des Mauerfalls vor 25 Jahren. Die Europäische Union löst einen Konflikt wie den zwischen Russland und der Ukraine anders als vor 100 und 75 Jahren nicht mehr mit militärischen Mitteln. Wir Deutschen hatten 1989 das große Glück, friedlich unseren Weg in Freiheit gehen zu können. Die Ereignisse in der Ukraine zeigen uns, wie schwer es heute anderen Ländern noch gemacht wird, auch ihren eigenen Weg zu gehen. Und wir erfahren aufs Neue, dass jeden Tag hart dafür gearbeitet werden muss, um unser europäisches Friedenswerk zu erhalten.

RP: Bei der Wahl des Kommissionspräsidenten müssen die Staatschefs die Wahl zum EU-Parlament berücksichtigen. Bedeutet dies, dass auf jeden Fall Martin Schulz oder Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident werden?

Merkel: Nach dem Lissabon-Vertrag ist es so, dass das Parlament auf Vorschlag des Rats der Staats- und Regierungschefs den Kommissionspräsidenten wählt und dass dabei der Rat den Ausgang der Wahl berücksichtigt. Die Spitzenkandidaten der Parteienfamilien in Europa werden in diesem Zusammenhang natürlich eine Rolle spielen.

RP: Vizekanzler Gabriel sagt, es wäre Volksverdummung, wenn nicht einer der beiden Kommissionschef würde.

Merkel: Wir haben eine klare vertragliche Grundlage, mit der der Europäische Rat dem Europäischen Parlament seinen Vorschlag für den nächsten Kommissionspräsidenten machen wird.

RP: Gäbe es Widerstand gegen einen deutschen EU-Kommissionschef?

Merkel: Nein. Die Sozialisten haben Martin Schulz zum Spitzenkandidaten nominiert und die EVP Jean-Claude Juncker. Vorbehalte gegenüber Nationalitäten gibt es nicht.

RP: Zur Berliner Politik: Befinden Sie sich in Ihrer Wunschkoalition?

Merkel: Ich befinde mich in einer Koalition, die gut arbeitet und in der wir fest entschlossen sind, unsere Aufgaben entsprechend dem Koalitionsvertrag zum Wohle Deutschlands zu lösen. Wie die Ukraine zeigt, hat uns schon gleich zu Beginn der Legislaturperiode ein Thema erreicht, mit dem in dieser Form nicht zu rechnen war. Auch bei diesem wirklich schwierigen Problem gehen wir im Einvernehmen vor.

RP: Die Zustimmung für die große Koalition ist groß. Spiegelt das Bündnis die Mentalität der Deutschen wider?

Merkel: Die große Koalition erfüllt insoweit die Erwartungen, als sie den Wählerauftrag ernst nimmt. Das wird geachtet, denke ich.

RP: Können Sie uns ein Projekt der CDU aus den ersten 100 Tagen nennen, auf das Sie stolz sind?

Merkel: Mehrere. Ich bin zum Beispiel stolz darauf, dass Finanzminister Schäuble einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorgelegt hat und dass wir im nächsten Jahr gar keine neuen Schulden mehr machen. Ich freue mich auch über das zukunftsweisende Erneuerbare-Energien-Gesetz, das wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben.

RP: Sie thematisieren immer wieder die Demografie und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Dann verstehen wir nicht, wie Sie diesem teuren Rentenpaket zustimmen können.

Merkel: Wir haben in Deutschland über viele Jahre eine Politik gemacht, durch die Lohnzusatzkosten gesunken sind und die Zahl der Arbeitsplätze gestiegen ist. Das soll auch so bleiben. In all diesen Jahren haben die Arbeitnehmer Lohnzurückhaltung geübt. Jetzt haben wir auch dank dieser Anstrengungen eine wirtschaftlich erfreuliche Lage und gut gefüllte Rentenkassen. In dieser Situation halte ich das Rentenpaket für verantwortbar, zumal die unter dem Stichwort "Mütterrente" bekannten Verbesserungen für Frauen, die ihre Kinder vor 1992 bekommen haben, die Rentenversicherung nicht dauerhaft belasten. Die zusätzlichen Kosten dafür gehen um die Jahre 2030 bis 2035 zurück. Bei der ab schlagfreien Rente nach 45 Beitragsjahren senken wir das Eintrittsalter jetzt auf 63 Jahre ab, heben es dann aber Stück für Stück wieder auf 65 Jahre an. Das heißt, wenn die großen demografischen Herausforderungen kommen, haben wir bei der Altersgrenze im Grundsatz wieder die Regelung hergestellt, die vor der Reform galt. Damit wird die Entscheidung zur Rente mit 67, mit der wir uns auf die demografischen Herausforderungen vorbereiten, beibehalten.

RP: Warum ist der CDU die Mütterrente so wichtig?

Merkel: Für jüngere Mütter gibt es pro Kind drei Jahre Anerkennung im Rentensystem. Wir haben das Elterngeld eingeführt, die Kitas ausgebaut und einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz geschaffen. Das sind alles Dinge, von denen Mütter früherer Jahrgänge nur träumen konnten. Und trotzdem wird ihnen bisher nur ein Jahr pro Kind bei der Rente gutgeschrieben. Das ist nicht gerecht, deshalb ist die Ausweitung der Mütterrente vertretbar.

RP: Was, wenn die nette Rente ab 63 eine Frühverrentungswelle auslöst?

Merkel: Wir sind uns in der Koalition einig, dass wir das verhindern wollen, und diskutieren gerade über den besten Weg. Ich bin optimistisch, dass wir eine Lösung finden.

RP: Müssen wir nicht eher jenen, die länger arbeiten wollen, dies auch erleichtern?

Merkel: Wie die Lebensarbeitszeit gestaltet werden kann, wie Beruf und Familie zu vereinbaren sind- das sind Fragen, die immer mehr Menschen wichtig sind. Tatsächlich gibt es ältere Menschen, die gerne länger in ihren Berufen arbeiten wollen, die Freude daran haben, ihre Erfahrung noch länger einzubringen. Deshalb wollen wir in der Koalition auch darüber sprechen, wie wir dem Wunsch derjenigen, die freiwillig über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus erwerbstätig sein wollen, besser entsprechen können.

RP: Gibt es in dieser Wahlperiode noch die Chance, dass die "kalte Progression" in der Steuer abgebaut wird?

Merkel: Wenn sich finanzielle Spielräume ergeben, wird die Koalition über einen Abbau der "kalten Progression" reden, aber auf absehbare Zeit sehe ich diese Spielräume nicht.

RP: Beim Abbau der "kalten Progression" geht es darum, Leistungsträger nicht übermäßig zu belasten. Bleibt das Ihr politisches Ziel?

Merkel: Wir haben uns entschieden, zuerst darauf hinzuarbeiten, keine neuen Schulden zu machen. Das schaffen wir 2015 zum ersten Mal seit Jahrzehnten - für jeden Bürger ist das eine gute Nachricht.

RP: Horst Seehofer behauptet, dass Sie über 20l7 hinausregieren werden. Hat er recht?

Merkel: Ich bin mit viel Freude und Elan Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende und kümmere mich jetzt um viele Themen, auch um die Europawahl im Mai.

Das Interview wurde geführt von Michael Bröcker und Eva Quadbeck für die

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