Zeit: Nordafrika liegt vor der europäischen Haustür,
nicht vor der Amerikas. Haben wir erkannt, dass der Wandel dort
unsere Sache ist?
de Maizière: Das ist begriffen, hoffe ich. Die erste
Reaktion auf die Revolutionen war eine fast schon zynische:
Hauptsache, es kommen keine Flüchtlinge durch – und deshalb hat
Europa ein Interesse an Nordafrika. Jetzt blicken die Europäer aber
anders dorthin. Sie haben hoffentlich gelernt, dass demokratische
Stabilität im Norden Afrikas für alle gut ist. Nur sie verhindert
am Ende auch Migrationsströme.
Zeit: Nach dem 11. September haben sich alle
deutschen Regierungen zum Afghanistan-Einsatz bekannt. Heute gehen
selbst führende Politiker, die den Einsatz mit beschlossen haben,
auf Distanz. War der Krieg doch ein Irrweg?
de Maizière: Nein, Afghanistan war kein Irrtum. Es ärgert
mich, wenn heute diejenigen, die auch die Dimensionierung dieses
Einsatzes verantwortet haben, plötzlich sagen, im Nachhinein war
das alles nicht richtig – und uns dann die Folgen
überlassen.
Zeit: Aber auch Ihre Regierung rüstet doch nach zehn
Jahren mehr und mehr die Erwartungen ab.
de Maizière: Der Einsatz dauert schon so lange wie Erster
und Zweiter Weltkrieg zusammen. Die überzogenen Erwartungen an das
Ziel des Einsatzes mussten zurückgeschraubt werden. Wir wollen nur
noch erreichen, dass erstens von Afghanistan kein Terror exportiert
werden kann und dass zweitens dort hinreichend stabile
Sicherheitsstrukturen mit afghanischem Gesicht entstehen. Das ist
das Ziel der neuen Strategie. Wir sind alle mit Illusionen da
hineingegangen.