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"Deutschlands Stimme hat Gewicht"

Di, 28.09.2010
allermeisten Deutschen nahmen damals an, dass die Teilung noch Jahrzehnte fortbesteht. Wären die Menschen in der DDR 1989 nicht zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen, würde ich wahrscheinlich immer noch darauf warten, als Rentnerin einigermaßen frei reisen zu können. Die Wiedervereinigung war zwar – rechtlich gesehen – ein Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes, aber politisch war es eine ganz bewusste und gewollte Vereinigung. Die übergroße Mehrheit der Menschen, die an den einzigen freien Volkskammerwahlen teilgenommen haben, wollte die Einheit sehr rasch. Dass dieser Wunsch in Erfüllung ging, ist dem diplomatischen Geschick von Bundeskanzler Helmut Kohl und seinem Außenminister Hans-Dietrich Genscher zu verdanken, aber auch dem Fleiß und der Weitsicht der Politiker, die die Währungsunion und den Einigungsvertrag binnen kürzester Zeit ausgehandelt haben.
 
dpa: Gibt es eine Errungenschaft der DDR, die mit der Wiedervereinigung untergegangen ist und besser hätte erhalten werden sollen?
 
Merkel: Manches, was heute als "Errungenschaft" gilt, versehe ich mit einem dicken Fragezeichen. Denn man muss immer wissen: Was immer die SED an Strukturen geschaffen hat, es war ideologisch motiviert und sollte dazu dienen, den Sozialismus zu festigen. Im Erziehungswesen war das besonders spürbar. Dass es trotzdem einige praktische Einrichtungen gab wie die Polikliniken, bestreite ich nicht. Und die sind in Form der Ärztehäuser ja heute in ganz Deutschland anzutreffen.
 
dpa: Was ist der größte Gewinn für den Osten und für den Westen?
 
Merkel: Für alle Deutschen ist es ein ungeheurer Gewinn, in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat und in Frieden mit allen Nachbarstaaten leben zu können. Das ist das erste Mal in der ganzen deutschen Geschichte und hat für mich einen unschätzbaren Wert.
 
dpa: Welche wichtige Aufgabe/wichtiges Ziel ist 20 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht erfüllt? Wie lange ist der Solidaritätsbeitrag noch nötig?