MONIKA GRÜTTERS Staatsministerin, Beauftragte der Bundes- regierung für Kultur und Medien. Umfang von ihr Gebrauch, wie es das nie zuvor gegeben hat. Das Internet schafft, vergessen wir das bei allen Klagen über Hass und Häme nicht, glänzende Voraus- setzungen für die Meinungsfreiheit. Jeder kann an ihr teilhaben und partizipieren. Und so soll es auch sein. Artikel 5 bedeutet nicht: Journalisten haben das Recht, eine freie Meinung zu äußern. Sondern jeder hat das Recht dazu. Und der Staat darf nicht durch Zensur eingreifen. Grütters: Jede autoritäre Herrschaft beginnt damit, Intellektuelle, Kreative und Künstler buchstäblich mundtot zu machen. Wir beobachten das inzwischen in vielen Ländern – sogar in Europa. Dieses Recht wird schneller mit Füßen getreten, als wir denken können. Mascolo: Der beste Verbündete, den der Journalismus in diesem Land immer gehabt hat, ist die unabhängige Justiz. Auf sie haben wir uns, auch wenn es einmal Kon- flikte mit dem Staat gab, noch stets verlassen können. Grütters: Wir versuchen darüber hinaus, mit markanten Maßnahmen unabhängigen Journalismus und freie Me- dien zu stärken. So will der Gesetzgeber mit dem Netz- werkdurchsetzungsgesetz Rechte, die es in der analogen Welt gibt, auch in der digitalen Welt verteidigen. Und wir haben das Informationsfreiheitsgesetz geschaffen – und so das Recht aller Bürger ausgeweitet, Informationen des Bundes einzusehen. Trotzdem belegen Umfragen, dass die Menschen sich zunehmend schlechter informiert fühlen. Was ist da schiefgelaufen? Mascolo: Es gibt nicht eine einzige Ursache dafür, dass Menschen eine neue Unübersichtlichkeit beklagen. Die wesentlichste ist ganz sicher, dass wir mitten in einer technologischen Revolution leben, deren Ausgang DAS GESPRÄCH niemand vorherzusagen vermag. Was tun? Suchen Sie sich aus, welchen Medien Sie vertrauen wollen. Sind diese fair, ausgewogen, faktentreu? Bleiben Sie kritisch und fordernd. Überprüfen Sie, wer Ihnen was voraus- gesagt hat. Und beschäftigen Sie sich mit Positionen und Meinungen, die Sie nicht teilen. Heute ist es ein- fach, unter sich zu bleiben, immer in der eigenen Echo- kammer. Aber es ist notwendig und gut, sich mit jenen auseinanderzusetzen, die man am wenigsten versteht. Die Demokratie ist kein Schützengraben. Sie lebt davon, dass wir uns zuhören. Populisten tun übrigens oft, was das Gegenteil von gutem Journalismus ist: Sie spitzen zu, lassen weg, unterschlagen notwendige Fakten und setzen auf Emotionalisierung. „Wir müssen wieder lehren und lernen, misstrauisch zu sein.“ Monika Grütters Grütters: Die Rückmeldung „Wir fühlen uns nicht gut informiert“ bedeutet auch, dass es nicht allein um die schiere Quantität geht, sondern dass das Navigieren durch dieses Angebot offensichtlich für viele eine Über- forderung darstellt. Deshalb müssen Medienkompe- tenz und Kritikfähigkeit an den Schulen früh eingeübt werden. Letztlich geht es um Urteilsfähigkeit gegen- über Inhalten, deren Wahrheitsgehalt und Quelle nicht überprüfbar sind. Viele Menschen, gerade Schüler, infor- mieren sich im Netz und hinterfragen nicht, was sie dort angeboten bekommen. Sie glauben, in dieser Fülle die richtige Antwort zu finden, wenn sie nur den richtigen Suchbegriff eingeben. Das ist mitnichten der Fall. Wir müssen wieder lehren und lernen, misstrauisch zu sein. Was entgegnen Sie jenen, die „Lügenpresse“ skandieren? Grütters: „Lügenpresse“ ist zunächst einmal schon vom Begriff her kritisch zu sehen, weil er seinen Ursprung im 13