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"Die Zeit der Feindbildproduktion ist vorbei"

Fr, 23.07.2010

 
Hoyer: Damit muss man sehr vorsichtig umgehen. Wir sind in einem Bündnis, in dem die einzelnen Partner extrem unterschiedliche Erfahrungen mit Russland gemacht haben. Und das erfordert immer wieder gutes Zureden und Vertrauensbildung. Aber man darf auch nicht die falschen Signale aussenden. Russland reagiert bisweilen überempfindlich und übersieht, welche Empfindlichkeiten es bei Nato-Partnern auslösen kann, die bis vor zwei Jahrzehnten dem Ostblock zugehörten.
 
SZ: Sind das wirklich überzogene Empfindlichkeiten Moskaus, wenn es verärgert auf die Stationierung amerikanischer Raketen in Polen reagiert? Oder wenn es das von den USA betriebene Raketenabwehrsystem, das im Herbst ja wohl von der Nato übernommen werden wird, mit tiefem Misstrauen beobachtet?
 
Hoyer: Bei der Raketenabwehr sollte die Nato einen offensiven Weg suchen, Russland einzubinden. Denn die eigentlichen Probleme, auf die Nato und Europa mit einer Raketenabwehr reagieren könnten, haben wir mit Russland gemeinsam. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir von der Vorstellung wegkommen, ein Raketenabwehrsystem gegen Russland aufzubauen. Es könnte viel interessanter sein, es mit Russland aufzubauen.
 
SZ: Was heißt einbinden? Heißt das auch gemeinsames Kommando und auch Raketen auf russischem Boden?
 
Hoyer: Wenn man ein integriertes System will, dann muss man die Russen voll einbinden. Und das heißt, dass sie Teilhaber am Gesamtsystem sein müssen. Ich glaube aber, da ist das Misstrauen auf russischer Seite gegenwärtig noch größer als auf unserer Seite.
 
SZ: Was meinen Sie mit größerem Misstrauen auf russischer Seite? Meinen Sie denn, dass die Russen sich allein auf die Beteuerungen verlassen sollten, dass die Raketen nicht gegen sie gerichtet sind und dass mit der militärischen Planung gegen einen Angriff aus dem Osten nicht sie gemeint seien?