Hoyer: Damit muss man sehr vorsichtig umgehen. Wir sind in
einem Bündnis, in dem die einzelnen Partner extrem unterschiedliche
Erfahrungen mit Russland gemacht haben. Und das erfordert immer
wieder gutes Zureden und Vertrauensbildung. Aber man darf auch
nicht die falschen Signale aussenden. Russland reagiert bisweilen
überempfindlich und übersieht, welche Empfindlichkeiten es bei
Nato-Partnern auslösen kann, die bis vor zwei Jahrzehnten dem
Ostblock zugehörten.
SZ: Sind das wirklich überzogene Empfindlichkeiten
Moskaus, wenn es verärgert auf die Stationierung amerikanischer
Raketen in Polen reagiert? Oder wenn es das von den USA betriebene
Raketenabwehrsystem, das im Herbst ja wohl von der Nato übernommen
werden wird, mit tiefem Misstrauen beobachtet?
Hoyer: Bei der Raketenabwehr sollte die Nato einen
offensiven Weg suchen, Russland einzubinden. Denn die eigentlichen
Probleme, auf die Nato und Europa mit einer Raketenabwehr reagieren
könnten, haben wir mit Russland gemeinsam. Deswegen ist es ganz
wichtig, dass wir von der Vorstellung wegkommen, ein
Raketenabwehrsystem gegen Russland aufzubauen. Es könnte viel
interessanter sein, es mit Russland aufzubauen.
SZ: Was heißt einbinden? Heißt das auch gemeinsames
Kommando und auch Raketen auf russischem Boden?
Hoyer: Wenn man ein integriertes System will, dann muss man
die Russen voll einbinden. Und das heißt, dass sie Teilhaber am
Gesamtsystem sein müssen. Ich glaube aber, da ist das Misstrauen
auf russischer Seite gegenwärtig noch größer als auf unserer
Seite.
SZ: Was meinen Sie mit größerem Misstrauen auf
russischer Seite? Meinen Sie denn, dass die Russen sich allein auf
die Beteuerungen verlassen sollten, dass die Raketen nicht gegen
sie gerichtet sind und dass mit der militärischen Planung gegen
einen Angriff aus dem Osten nicht sie gemeint
seien?