Bundesregierung

 

Niebel: Gezielte Sanktionen gegen das libysche Regime

Do, 24.03.2011
 
Die Enthaltung bei der UN-Resolution zu Libyen sei Ergebnis eines schwierigen Abwägungsprozesses gewesen, erläutert Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel im Gespräch mit dem Berliner Tagesspiegel. Vor Beginn eines militärischen Engagements gelte es zu klären, wie man es wieder beendet, so Niebel.
Der Tagesspiegel: Für die FDP ist kein Wert so wichtig wie die Freiheit. Schmerzt es Sie als Liberalen nicht, dass Deutschland die engsten Verbündeten in der Libyen-Frage allein lässt?
 
Dirk Niebel: Es war ein schwieriger Abwägungsprozess. Die Geschichte zeigt, dass Flugverbotszonen keine Massaker verhindern. Die Risiken für die Zivilbevölkerung sind aber hoch. Wir hätten als größte europäische Nation in der Nato nicht zustimmen und eine militärische Beteiligung ausschließen können. Wir sind bündnistreu, wir haben 7000 Soldaten im Auslandseinsatz. Wir entlasten das Bündnis, indem wir deutsche Soldaten für Awacs-Einsätze nach Afghanistan schicken.
 
Der Tagesspiegel: Warum zieht Deutschland seine Schiffe aus dem Nato-Verband zur Durchsetzung des Waffenembargos ab?
 
Niebel: Das Waffenembargo ist richtig. Seine Durchsetzung ist aber eingebettet in das Gesamtkonzept der militärischen Aktionen. Deshalb ist es folgerichtig, dass Deutschland sich nicht beteiligt.
 
Der Tagesspiegel: Warum trennen Sie nicht zwischen Teilnahme am Flugverbot und Embargo?
 
Niebel: Nein, das kann man nicht. Es geht um ein- und dasselbe UN-Mandat. Entweder wir beteiligen uns an seiner militärischen Durchsetzung oder nicht.
 
Der Tagesspiegel: Vermissen Sie einen politischen Plan der Interventionsmächte für Libyens Zukunft?
 
Niebel: Man sollte wissen, wie man ein militärisches Engagement wieder beendet, bevor man es beginnt.
 
Der Tagesspiegel: Sind Sie als Liberaler nicht in der Pflicht, die Freiheitskämpfer zu unterstützen?
 
Niebel: Ich bin sehr dafür, dass die Libyer die Chance auf ein freies, demokratisches Leben haben. Der Diktator muss verschwinden. Aber wir wissen nicht, ob die Gegner Gaddafis sich für Freiheit einsetzen würden, oder ob es sich schlicht um klassische Stammeskämpfe handelt.
 
Der Tagesspiegel: Sie waren im Januar im Jemen. Dort lässt das Regime auf Demonstranten schießen. Erhält der Jemen immer noch Entwicklungshilfe aus Deutschland?
 
Niebel: Wer in Libyen zum Schutz von Zivilisten militärisch interveniert, müsste das auch im Jemen tun. Wollen wir tatsächlich bei jedem potenziellen Bürgerkrieg auf der Welt einschreiten? Es gibt eine enge Entwicklungskooperation mit dem Jemen im Bereich Wasser und Abwasser, Bildung und Korruptionsbekämpfung. Wir haben die meisten unserer rund 80 Mitarbeiter aus dem Land geholt, weil die Sicherheitslage so schlecht ist.
 
Der Tagesspiegel: Welche Möglichkeiten gibt es, wenn der Präsident weiter auf sein Volk schießen lässt? Können wir hinnehmen, dass am Golf von Aden nach Somalia mit Jemen auch seine zweite Küste zu einem unkontrollierbaren "Failed State" wird.
 
Niebel: Es gilt das Primat der Politik. Deshalb halte ich gezielte Sanktionen gegen das Regime für eine Möglichkeit. Zudem müssen regionale Mächte, allen voran Saudi-Arabien, ihren Einfluss geltend machen. Der Jemen ist strategisch extrem wichtig. Wir versuchen die Situation zu stabilisieren, indem wir die Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern. Damit helfen wir den Jemeniten auch, ihre eigenen Interessen gegen die Regierung durchsetzen zu lernen.
 
Das Gespräch führte Hans Monath für den Tagesspiegel.
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