1 00:00:00,015 --> 00:00:07,608 BK’IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, wir hatten einen informellen Europäischen Rat, 2 00:00:07,609 --> 00:00:16,487 der sich eigentlich mit außenpolitischen Diskussionen, Klima und COVID befassen sollte, 3 00:00:16,488 --> 00:00:31,033 der dann aber gestern Abend natürlich auch einen aktuellen Bezug zu der beispiellosen außerplanmäßigen Landung - 4 00:00:31,034 --> 00:00:34,512 um es vorsichtig zu umschreiben - des Ryanair-Fluges in Minsk hatte. 5 00:00:34,513 --> 00:00:40,958 Wir haben über diese Frage sehr intensiv beraten und alle miteinander gesagt, 6 00:00:40,959 --> 00:00:46,077 dass sie das Wort „beispiellos“ im wahrsten Sinne des Wortes verdient und 7 00:00:46,078 --> 00:00:51,678 dass das ein inakzeptables Vorgehen der belarussischen Behörden ist - 8 00:00:51,679 --> 00:00:55,965 eine erzwungene Landung, die Menschen in Gefahr gebracht hat und 9 00:00:55,966 --> 00:01:04,684 die vor allen Dingen zu der Festnahme des Journalisten Roman Protasewitsch und seiner Partnerin Sofia Sapega geführt hat. 10 00:01:04,685 --> 00:01:14,084 Das haben wir ganz entschieden verurteilt, und wir haben Belarus aufgefordert, die beiden umgehend freizulassen. 11 00:01:14,085 --> 00:01:19,672 Wir sind der Meinung, dass die Internationale Zivilluftfahrtorganisation, ICAO, 12 00:01:19,673 --> 00:01:22,899 den Fall dringend untersuchen muss. 13 00:01:22,900 --> 00:01:31,757 Wir haben außerdem die Außenminister gebeten, weitere Personen und Organisationen auf die Sanktionsliste zu nehmen 14 00:01:31,758 --> 00:01:38,150 - es sind ja bereits viele belarussische Politiker, unter anderem auch Präsident Lukaschenko, auf dieser Liste -, 15 00:01:38,151 --> 00:01:42,680 vor allen Dingen auch weitere gezielte Wirtschaftssanktionen zu beschließen und 16 00:01:42,681 --> 00:01:50,369 die Überflüge über den EU-Luftraum durch belarussische Fluggesellschaften zu verbieten. 17 00:01:50,370 --> 00:01:57,141 Wir haben auch die europäischen Fluggesellschaften aufgefordert, Flüge über Belarus zu vermeiden. 18 00:01:57,142 --> 00:02:01,214 Die Lufthansa zum Beispiel hat das auch schon so angekündigt. 19 00:02:01,215 --> 00:02:06,594 Im Anschluss hatten wir dann einen sehr guten und intensiven Austausch zu Russland. 20 00:02:06,595 --> 00:02:12,075 Das war ein wichtiger Zwischenschritt hin zum Europäischen Rat im Juni. 21 00:02:12,076 --> 00:02:17,617 Bis dahin werden die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst einen Bericht 22 00:02:17,618 --> 00:02:25,647 mit Handlungsoptionen vorlegen; denn es geht ja um sehr handfeste Entschlüsse, 23 00:02:25,648 --> 00:02:29,759 welche Art von Politik wir gegenüber Russland durchführen wollen. 24 00:02:29,760 --> 00:02:37,714 Wir waren uns einig, dass wir auf die russische Politik gemeinsam und koordiniert reagieren müssen und 25 00:02:37,715 --> 00:02:43,689 dass es auch notwendig ist, eine gemeinsame Vorstellung davon zu entwickeln, 26 00:02:43,690 --> 00:02:52,486 welche Art von Beziehungen wir uns vorstellen. Wie gesagt, die Diskussion wird im Juni-Rat fortgesetzt. 27 00:02:52,487 --> 00:03:00,040 Wir haben dann auch die Beziehungen zum Vereinigten Königsreich noch einmal dargelegt, 28 00:03:00,041 --> 00:03:05,976 insbesondere mit Blick auf Irland und Nordirland, und haben über den Nahen Osten 29 00:03:05,977 --> 00:03:12,384 sowie über den EU-US-Gipfel am 15. Juni gesprochen. 30 00:03:13,660 --> 00:03:19,873 Aufgrund der aktuellen Vorkommnisse in Mali haben wir auch dazu noch einmal Schlussfolgerungen getroffen, 31 00:03:19,874 --> 00:03:26,552 die darauf aufbauen, dass wir uns den Entscheidungen der Afrikanischen Union und von ECOWAS anschließen. 32 00:03:26,553 --> 00:03:33,074 Wir haben schnell bzw. sofort und, wie ich finde, auch entschieden reagiert. 33 00:03:33,075 --> 00:03:40,251 Die Diskussion gegenüber Belarus, aber auch Russland, war zielorientiert und konstruktiv, 34 00:03:40,252 --> 00:03:44,230 und das hat auch den Charakter dieses ganzen Rates geprägt. 35 00:03:44,231 --> 00:03:48,640 Heute Vormittag fand dann die Diskussion über COVID-19 statt. 36 00:03:48,641 --> 00:03:55,608 Wir alle haben begrüßt, dass es jetzt eine Einigung über das digitale Impfzertifikat gibt, 37 00:03:55,609 --> 00:04:00,392 und haben der portugiesischen Präsidentschaft dafür auch gedankt. 38 00:04:00,393 --> 00:04:04,498 Es ist jetzt natürlich noch ein Stück Arbeit nötig, um dies umzusetzen 39 00:04:04,499 --> 00:04:07,701 - wir arbeiten ja auch national in Deutschland daran -, 40 00:04:07,702 --> 00:04:12,178 aber die Rechtsgrundlage ist jetzt erst einmal da, und das ist wichtig. 41 00:04:12,179 --> 00:04:19,146 Wir haben des Weiteren das Thema der Virusvarianten, also der Mutationen, auf die Tagesordnung gebracht; 42 00:04:19,147 --> 00:04:21,147 ich habe das auch selber angesprochen. 43 00:04:21,148 --> 00:04:26,147 Wir wissen, dass wir hier in Zukunft noch schneller und gemeinschaftlicher reagieren müssen. 44 00:04:26,148 --> 00:04:32,495 Deshalb war es gut, dass im Rat schon in der letzten Woche eine Verständigung auf einen Mechanismus erfolgt ist, 45 00:04:32,496 --> 00:04:37,442 um schnell und koordiniert auf neue Varianten reagieren zu können. 46 00:04:37,443 --> 00:04:41,181 Wir haben uns heute auch noch einmal mit der Impfstoffverteilung beschäftigt 47 00:04:41,182 --> 00:04:46,615 sowohl mit der europäischen als auch mit der internationalen. 48 00:04:46,616 --> 00:04:50,859 Wir wissen, dass, um die Pandemie weltweit in den Griff zu bekommen, 49 00:04:50,860 --> 00:04:55,267 alle die Chance haben müssen, Impfstoffe zu bekommen. 50 00:04:55,268 --> 00:04:58,904 Europa bzw. die Europäische Union ist hier ein gutes Beispiel; 51 00:04:58,905 --> 00:05:06,177 denn von den auf unserem Gebiet produzierten Impfstoffen geht ein großer Teil in Drittstaaten. 52 00:05:06,178 --> 00:05:08,356 Das reicht aber natürlich noch nicht aus. 53 00:05:08,357 --> 00:05:12,062 Deshalb haben wir auch noch einmal hervorgehoben, dass die Initiative Italiens 54 00:05:12,063 --> 00:05:16,062 mit dem G20-Gesundheitsgipfel von allergrößter Bedeutung war und 55 00:05:16,063 --> 00:05:21,773 dass wir von dem europäischen Kontingent mindestens 100 Millionen Dosen 56 00:05:21,774 --> 00:05:29,157 bis zum Ende des Jahres sozusagen abgeben werden. 57 00:05:29,158 --> 00:05:32,339 Ich habe bereits in der Rom-Konferenz erklärt, 58 00:05:32,340 --> 00:05:36,549 dass Deutschland sich mit 30 Millionen Dosen daran beteiligen wird. 59 00:05:36,550 --> 00:05:38,550 Der Nachmittag galt dem Klimaschutz. 60 00:05:38,551 --> 00:05:46,222 Ursula von der Leyen hat von dem Paket „Fit for 55“, also „Fit für das 55-Prozent-Ziel“, 61 00:05:46,223 --> 00:05:50,751 berichtet und hat noch einmal die große Bandbreite der Rechtsakte, 62 00:05:50,752 --> 00:05:58,416 die uns im Juli erwarten, erläutert. Wir warten jetzt auf die Vorschläge. 63 00:05:58,417 --> 00:06:01,317 Wir haben heute eine Orientierungsdiskussion geführt. 64 00:06:01,318 --> 00:06:05,041 Es war vollkommen klar, dass wir, nachdem wir das Klimaschutzgesetz haben, 65 00:06:05,042 --> 00:06:08,547 uns heute natürlich noch nicht detailliert auf Maßnahmen verständigen konnten, 66 00:06:08,548 --> 00:06:11,574 weil die Vorschläge der Kommission ja gar nicht vorliegen. 67 00:06:11,575 --> 00:06:16,339 Aber der Zwischenschritt war wichtig, weil alle noch einmal ihre nationalen Erwartungen 68 00:06:16,340 --> 00:06:19,613 in Bezug auf das Paket der Kommission äußern konnten. 69 00:06:19,614 --> 00:06:23,908 Ich denke, das wird dabei helfen, dann im Herbst unter slowenischer Präsidentschaft 70 00:06:23,909 --> 00:06:27,988 die Beratungen zu diesem Thema wirklich zügig in Angriff zu nehmen. 71 00:06:27,989 --> 00:06:34,600 Alles in allem ein dicht gefüllter Europäischer Rat - außerplanmäßig, 72 00:06:34,601 --> 00:06:37,630 aber zum richtigen Zeitpunkt, würde ich sagen. 73 00:06:37,631 --> 00:06:43,039 Deshalb war es aus meiner Sicht sehr konstruktiv und gut, wie wir diskutiert haben. 74 00:07:00,698 --> 00:07:06,818 FRAGE VON DER BURCHARD: Frau Bundeskanzlerin, ich hätte gerne eine Frage zu den Wirtschaftssanktionen gestellt. 75 00:07:06,819 --> 00:07:10,860 Es gibt ja schon so ein Waffenembargo gegen Belarus. 76 00:07:10,861 --> 00:07:14,914 Können Sie vielleicht schon etwas genauer beschreiben, was noch mehr getan werden könnte? 77 00:07:14,915 --> 00:07:18,447 Gibt es vielleicht schon irgendeine Vorstellung auf EU-Ebene? Was glauben Sie? 78 00:07:18,448 --> 00:07:26,553 Könnte man Importsanktionen verhängen oder den Export von EU-Gütern nach Weißrussland unterbinden? 79 00:07:26,554 --> 00:07:32,550 Eine Frage zu der ganzen Aktion von Lukaschenko hinsichtlich des Ryanair-Fluges: 80 00:07:32,551 --> 00:07:39,877 Sind Sie besorgt, dass das Erstarken von Putin in der Region dazu geführt hat, 81 00:07:39,878 --> 00:07:44,270 dass er sich so etwas überhaupt getraut hat, dass ihn vielleicht auch die fehlende Reaktion der EU 82 00:07:44,271 --> 00:07:49,849 ermutigt haben könnte, solche Aktionen überhaupt zu unternehmen und dass das noch weiter zunehmen könnte? 83 00:07:49,850 --> 00:07:56,802 BK’IN DR. MERKEL: Wir sind der Meinung, dass es sich um den Bruch von internationalen Abkommen handelt. 84 00:07:56,803 --> 00:08:02,177 Wenn die Völkergemeinschaft zusammenarbeiten will, dann ist das nicht akzeptabel. 85 00:08:02,178 --> 00:08:07,416 Es geht jetzt nicht darum, ob jemand schuld ist. Das macht man nicht. 86 00:08:07,417 --> 00:08:10,973 Wenn, dann muss darauf eine Reaktion erfolgen. Diese haben wir beschlossen. 87 00:08:10,974 --> 00:08:14,011 Ich kann jetzt keine einzelnen Unternehmen nennen. 88 00:08:14,012 --> 00:08:19,193 Es müssen Unternehmen gefunden werden, die eben geeignet sind und 89 00:08:19,194 --> 00:08:22,591 hinsichtlich derer es auch rechtsfest ist, dass wir sie sanktionieren. 90 00:08:22,592 --> 00:08:26,879 Genau das konnten wir gestern Abend in der kurzen Diskussion nicht leisten. 91 00:08:26,880 --> 00:08:30,455 Damit ist der Rat beauftragt worden. Ich glaube, das ist auch die richtige Stelle. 92 00:08:30,456 --> 00:08:35,713 Wichtig für uns ist das politische Signal, dass wir es jetzt nicht bei einfachen Listungen belassen, 93 00:08:35,714 --> 00:08:38,309 sondern dass wir darüber hinaus gehen wollen. 94 00:08:44,151 --> 00:08:50,651 FRAGE DR. GUTSCHKER: Frau Bundeskanzlerin, ich habe auch eine Frage zu Belarus. 95 00:08:50,652 --> 00:09:00,978 Wie lautet denn aus Ihrer Sicht zusammengefasst die Botschaft an Lukaschenko, die von den Beschlüssen ausgehen? 96 00:09:00,979 --> 00:09:11,309 Damit verbunden die Frage: Wenn er die beiden Personen, die verhaftet worden sind, wieder freilässt, 97 00:09:11,310 --> 00:09:20,242 zum Beispiel die Sperrung von Flügen - aufgehoben werden? 98 00:09:20,243 --> 00:09:29,558 Was ist das Kalkül hinter diesen gezielten wirtschaftlichen Sanktionen, die ja deutlich über das hinausgehen, 99 00:09:29,559 --> 00:09:33,126 was in den bisherigen Sanktionsrunden gemacht worden ist? 100 00:09:33,127 --> 00:09:40,060 BK’IN DR. MERKEL: Es gibt kein Kalkül in dem Sinne - das hört sich so nach Taktik an -, 101 00:09:40,061 --> 00:09:43,211 sondern es ist die Antwort auf einen beispiellosen Vorgang. 102 00:09:43,212 --> 00:09:47,943 Ich würde ja gerne Wenn-dann-Fragen beantworten, Herr Gutschker. 103 00:09:47,944 --> 00:09:54,738 Aber leider stellt sich diese Wenn-dann-Frage-nicht. Es gibt keine Freilassung. 104 00:09:54,739 --> 00:09:59,260 Es wäre schön, es gäbe sie, denn dann könnten wir auch die weiteren Schritte besprechen. 105 00:09:59,261 --> 00:10:04,613 Aber nichtsdestotrotz steht die Freilassung ganz weit oben. 106 00:10:04,614 --> 00:10:12,425 Es ist ja auch ganz evident, dass die Drohung, die angebliche Sicherheitsgefährdung des Flugzeuges --- 107 00:10:12,426 --> 00:10:16,624 Darüber hätte man ja noch reden können, wenn niemand verhaftet worden wäre. 108 00:10:16,625 --> 00:10:21,531 Wenn aber die Gelegenheit einer Landung dazu genutzt wird, 109 00:10:21,532 --> 00:10:27,284 unliebsame Gegner sozusagen ins Gefängnis zu befördern, dann ist doch ganz offensichtlich, 110 00:10:27,285 --> 00:10:31,529 was da passiert ist, zumal ja das vorgeschobene Argument der Hamas, 111 00:10:31,530 --> 00:10:37,547 die dort angeblich etwas von sich gegeben hätte, auch sofort dementiert wurde. 112 00:10:37,548 --> 00:10:42,621 Der Vorgang ist beispiellos. Die ICAO muss jetzt rum wie num eine Untersuchung vornehmen. 113 00:10:42,622 --> 00:10:47,191 Es wäre sehr, sehr wichtig, wenn die beiden Personen freigelassen würden. 114 00:10:47,192 --> 00:10:53,062 Aber leider kann ich Ihnen die Frage, was dann passiert, nicht beantworten. Ich würde es gerne tun. 115 00:11:00,832 --> 00:11:04,311 FRAGE GRIMM: Guten Tag, Frau Bundeskanzlerin! Kurze Frage: 116 00:11:04,312 --> 00:11:11,071 Warum gibt es keine gemeinsamen Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zum Klima oder kommen die noch? 117 00:11:11,072 --> 00:11:16,532 BK’IN DR. MERKEL: Es gibt kurze Schlussfolgerungen zum Klima. 118 00:11:16,533 --> 00:11:23,879 Diese heißen, dass wir noch einmal auf unsere Beschlüsse vom 10. und 11. Dezember zurückgehen, 119 00:11:23,880 --> 00:11:35,633 dass wir die Kommission bitten, schnell ihr Legislativpaket und ein Impact Assessment vorzulegen, 120 00:11:35,634 --> 00:11:40,275 also die Folgen für die einzelnen Nationalstaaten herunterzubrechen. 121 00:11:40,276 --> 00:11:47,680 Wir freuen uns darüber, dass jetzt auch die Vereinigten Staaten von Amerika wieder an Bord sind, 122 00:11:47,681 --> 00:11:56,375 und wollen auch bei der COP 26 in Glasgow und unter den G20-Mitgliedern aktiv auftreten. 123 00:11:56,376 --> 00:11:59,745 Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass der Europäische Rat, 124 00:11:59,746 --> 00:12:05,058 unabhängig von den Beratungen in den einzelnen Fachräten, noch einmal darauf zurückkommen wird, 125 00:12:05,059 --> 00:12:11,855 um die Vorschläge der Kommission nach dem 14. Juli zu bewerten. 126 00:12:11,856 --> 00:12:15,548 ZUSATZFRAGE GRIMM: Was halten Sie persönlich davon, 127 00:12:15,549 --> 00:12:21,792 dass die polnische Regierung die Eilanweisung des Europäischen Gerichtshofes ignoriert, 128 00:12:21,793 --> 00:12:27,016 den großen Braunkohletagebau im deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck 129 00:12:27,017 --> 00:12:29,958 sofort zu stoppen? War das auch ein Thema? 130 00:12:29,959 --> 00:12:35,901 BK’IN DR. MERKEL: Das war heute kein Thema. Deshalb kann ich dazu nicht detailliert Stellung nehmen. 131 00:12:55,382 --> 00:13:02,344 FRAGE DR. DELFS: Frau Bundeskanzlerin, kurz zurück zur Geschichte mit Belarus. 132 00:13:02,345 --> 00:13:06,782 Wie bewerten Sie die Rolle des russischen Präsidenten? 133 00:13:06,783 --> 00:13:17,728 Bisher war ja immer nur die Rede von Sanktionen gegen Herrn Lukaschenko bzw. das belarussische Regime. 134 00:13:17,729 --> 00:13:24,920 Aber man sagt ja allgemein, dass das wohl nicht möglich gewesen wäre ohne das Okay von Putin. 135 00:13:24,921 --> 00:13:30,871 Werden Sie das Gespräch mit dem russischen Präsidenten über diesen Vorfall suchen? 136 00:13:30,872 --> 00:13:36,778 Was heißt das Ganze eigentlich für das Verhältnis der EU zu Russland? 137 00:13:36,779 --> 00:13:41,772 Dazu gibt es ja sehr ambivalente Signale: zum einen einen Vorfall wie gestern, 138 00:13:41,773 --> 00:13:48,051 zum anderen aber auch die Tatsache, dass sich der russische Präsident bald mit Herrn Biden trifft. 139 00:13:48,052 --> 00:13:51,354 Es sind ja sehr ambivalente Signale, die man hört. 140 00:13:51,355 --> 00:13:55,771 BK’IN DR. MERKEL: Man kann unterschiedlicher Meinung sein und sich trotzdem sprechen und treffen. 141 00:13:55,772 --> 00:13:57,724 Das tue ich mit dem russischen Präsidenten. 142 00:13:57,725 --> 00:14:00,828 Ich habe gestern in der Russland-Diskussion auch dazu aufgerufen, 143 00:14:00,829 --> 00:14:03,857 dass wir das auch als Europäische Union insgesamt tun. 144 00:14:03,858 --> 00:14:09,564 Denn unsere europäischen Interessen können wir natürlich im Gespräch mit dem russischen Präsidenten besser vorbringen, 145 00:14:09,565 --> 00:14:14,734 als wenn das der amerikanische Präsident tut, wobei ich sehr zufrieden wäre, 146 00:14:14,735 --> 00:14:20,056 wenn es zu einem solchen Treffen kommen würde. Das hat es immer gegeben, auch im Kalten Krieg. 147 00:14:20,057 --> 00:14:23,348 Diplomatie hat nur dann eine Chance, wenn man miteinander spricht. 148 00:14:23,349 --> 00:14:27,726 Wir haben gestern keine gesicherten Erkenntnisse über die Rolle Russlands gehabt. 149 00:14:27,727 --> 00:14:31,252 Deshalb haben wir auch keine Bewertung vorgenommen. 150 00:14:31,253 --> 00:14:33,683 Wenn ich mit dem russischen Präsidenten spreche, 151 00:14:33,684 --> 00:14:36,427 dann wird sicherlich auch dieses Thema auf der Tagesordnung stehen. 152 00:14:36,428 --> 00:14:40,039 Aber wir können uns jetzt nicht mit Mutmaßungen abgeben. 153 00:14:40,040 --> 00:14:44,585 Dass es ein enges Verhältnis zwischen Belarus und Russland gibt, ist bekannt. 154 00:14:44,586 --> 00:14:47,758 Aber wie gesagt: keine gesicherten Erkenntnisse. 155 00:14:47,759 --> 00:14:53,917 Man wird sicherlich noch einmal überlegen, ob es noch Passagiere gab - das ist ja die Vermutung -, 156 00:14:53,918 --> 00:14:58,452 die auch nicht bis Vilnius weitergeflogen sind, und wer das ist. 157 00:14:58,453 --> 00:15:01,518 Aber ich kann darüber nur mutmaßen, und das möchte ich nicht. 158 00:15:44,813 --> 00:15:50,542 FRAGE ROTH: Hallo! Frau Bundeskanzlerin, habe ich Sie gerade richtig verstanden, 159 00:15:50,543 --> 00:15:52,379 dass die Vorkommnisse in Minsk und die 160 00:15:52,380 --> 00:16:11,710 (akustisch unverständlich) 161 00:16:11,711 --> 00:16:24,827 durchaus in einem gemeinsamen Kontext diskutiert wurden? 162 00:16:24,828 --> 00:16:28,416 BK’IN DR. MERKEL: Nein, das haben Sie nicht richtig verstanden. 163 00:16:28,417 --> 00:16:34,788 Wir haben natürlich die Frage gestreift, ob Russland etwas mit der Sache zu tun haben könnte. 164 00:16:34,789 --> 00:16:38,200 Wir haben keine Erkenntnisse gehabt und das deshalb nicht weiter vertieft. 165 00:16:38,201 --> 00:16:44,632 Die Russland-Diskussion stand unabhängig von der Belarus-Diskussion schon seit Langem auf der Tagesordnung. 166 00:16:44,633 --> 00:16:48,208 Das war der Grund dafür, dass wir uns gestern Abend getroffen haben. 167 00:16:48,209 --> 00:16:52,219 Wir haben sie vollkommen unabhängig vom Fall Belarus und 168 00:16:52,220 --> 00:17:04,776 auch in einem viel umfassenderen Kontext geführt. 169 00:17:04,777 --> 00:17:10,167 FRAGE PREISS: Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Sie nach Herrn Protasewitsch fragen. 170 00:17:10,168 --> 00:17:14,413 Sie haben gestern seine Freilassung gefordert. Gestern Abend ist ein Video von ihm aufgetaucht, 171 00:17:14,414 --> 00:17:20,064 das der britische Premierminister Boris Johnson als erschütternd empfunden hat. 172 00:17:20,065 --> 00:17:24,315 Frau Tichanowskaja hat gesagt, sie habe den Eindruck, dass er misshandelt worden sei. 173 00:17:24,316 --> 00:17:28,769 Herr Protasewitsch selbst sagt, nein, ihm gehe es gut und er werde gut behandelt. 174 00:17:28,770 --> 00:17:33,586 Welchen Eindruck haben Sie von dem Video, und was sagt uns das über die Zustände in Belarus? 175 00:17:33,587 --> 00:17:40,487 BK’IN DR. MERKEL: Ich kann es auch nur als besorgniserregend und erschütternd einstufen, wie es Boris Johnson gesagt hat. 176 00:17:40,488 --> 00:17:46,060 Das macht unsere Forderung danach, dass er freigelassen werden muss und 177 00:17:46,061 --> 00:17:50,461 dass man alles dafür tun muss, zumal wenn man seine Eltern hört, ja nur noch dringlicher. 178 00:17:50,462 --> 00:17:55,123 Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Kanäle dafür nutzen. 179 00:18:00,972 --> 00:18:08,656 FRAGE KOCH: Frau Bundeskanzlerin, ich habe noch eine Frage zu Nord Stream 2. Kommissionschefin von der Leyen 180 00:18:08,657 --> 00:18:17,308 sprach gestern davon, dass auch dieses Thema noch einmal in diesem Bericht zu der Russlandpolitik 181 00:18:17,309 --> 00:18:20,225 erörtert werden soll und dass Vorschläge gemacht werden sollen. 182 00:18:20,226 --> 00:18:23,428 Wie weit sind Sie dabei zu gehen bereit? 183 00:18:23,429 --> 00:18:27,517 Gibt es bestimmte Vorschläge wie zum Beispiel diesen Abschaltmechanismus, 184 00:18:27,518 --> 00:18:31,527 über den oft gesprochen wurde, mit denen Sie sich anfreunden könnten? 185 00:18:31,528 --> 00:18:39,183 Sehen Sie, nachdem die US-Regierung ja von bestimmten Sanktionen abgesehen hat, 186 00:18:39,184 --> 00:18:47,782 jetzt einen besonderen Handlungsdruck auf Berlin, 187 00:18:47,783 --> 00:18:52,210 sozusagen auf die Amerikaner zuzugehen und einen Kompromiss zu finden? 188 00:18:52,211 --> 00:18:58,200 BK'IN DR. MERKEL: Es wird sicherlich über Nord Stream 2 mit Amerika auch noch einmal Diskussionen und Gespräche geben. 189 00:18:58,201 --> 00:19:02,523 Wir haben das ja erst einmal begrüßt, weil ich sowieso sehr kritisch 190 00:19:02,524 --> 00:19:07,992 zu den exterritorialen Sanktionen stehe, egal wo sie angewandt werden. 191 00:19:07,993 --> 00:19:14,033 Das ist ein Instrument, das, glaube ich, doch hinterfragt werden kann. 192 00:19:14,034 --> 00:19:18,519 Der Hohe Beauftragter hat uns gestern einen einführenden Bericht über Russland gegeben. 193 00:19:18,520 --> 00:19:25,602 Das war recht interessant, was sowohl die Frage der Direktinvestitionen in Russland anbelangt, 194 00:19:25,603 --> 00:19:28,545 von denen ein großer Teil aus der Europäischen Union stammt, 195 00:19:28,546 --> 00:19:34,534 als auch die Frage der Energieabhängigkeit, von der ich sagen würde, 196 00:19:34,535 --> 00:19:38,499 dass wir eben längst nicht einseitig von Russland energieabhängig sind. 197 00:19:38,500 --> 00:19:41,989 Aber es gibt natürlich starke Energiebeziehungen zu Russland. 198 00:19:41,990 --> 00:19:46,936 In diesem Kontext muss man auch über alle Energieverbindungen nachdenken. 199 00:19:46,937 --> 00:19:54,202 Es gibt TurkStream, es gibt Nord Stream, es gibt die Leitungen durch die Ukraine. 200 00:19:54,203 --> 00:19:56,442 Man muss jetzt immer wissen, worüber man spricht. 201 00:19:56,443 --> 00:20:02,275 Spricht man über die Energieabhängigkeit von Russland bzw. die Energiebeziehungen mit Russland, 202 00:20:02,276 --> 00:20:05,322 die es im Kalten Krieg gegeben hat, oder spricht man über die Frage, 203 00:20:05,323 --> 00:20:12,691 ob Nord Stream 2 ein Instrument ist, um die Durchleitung von Gas durch die Ukraine zu minimieren, 204 00:20:12,692 --> 00:20:15,903 wobei wir uns dafür eingesetzt haben, dass es einen Gasvertrag gibt, 205 00:20:15,904 --> 00:20:23,533 der der Ukraine auch weiterhin die Transitgebühren sichert? Das sind ja zwei völlig unterschiedliche Fragen: 206 00:20:23,534 --> 00:20:32,699 Möchte ich überhaupt aus Russland Rohstoffe beziehen, und kann jemand, der sich auf seine Transitgebühren verlässt, 207 00:20:32,700 --> 00:20:39,600 nun durch Nord Stream 2 oder durch eine andere Erdgasleitung sozusagen in eine nachteilige Situation kommen? 208 00:20:39,601 --> 00:20:44,118 Ich denke, dass das natürlich bei den Diskussionen, die wir dann im Juni führen werden, 209 00:20:44,119 --> 00:20:46,119 auch noch einmal eine Rolle spielen wird. 210 00:20:46,120 --> 00:20:53,273 Ich persönlich glaube, dass das, was im Kalten Krieg möglich war, auch heute möglich sein sollte. 211 00:20:53,274 --> 00:20:57,336 Aber ich habe auch immer einen besonderen Schwerpunkt auf die Frage der Ukraine gelegt. 212 00:20:57,337 --> 00:21:01,476 Dazu, was man tun könnte, wenn: Das dritte Energiebinnenmarktpaket 213 00:21:01,477 --> 00:21:06,606 gibt uns bestimmte Handlungsoptionen. Aber das muss ja alles nach Recht und Gesetz erfolgen. 214 00:21:06,607 --> 00:21:10,825 Deutschland hat diesem dritten Energiebinnenmarktpaket zugestimmt, und die Möglichkeiten, 215 00:21:10,826 --> 00:21:15,096 die es in diesem Zusammenhang gibt, kann man auch jederzeit nutzen. 216 00:21:22,143 --> 00:21:28,496 FRAGE RIEGERT: Frau Bundeskanzlerin, ich habe noch eine Frage zu Ihrer gestrigen Russlanddiskussion. 217 00:21:28,497 --> 00:21:36,888 Seit 2016 trägt die EU ja die fünf Prinzipien wie eine Monstranz vor sich her, was die Russlandpolitik angeht. 218 00:21:36,889 --> 00:21:40,529 Umgesetzt worden ist davon wenig. Frustriert es Sie nicht, 219 00:21:40,530 --> 00:21:44,154 dass Sie da eigentlich gar nichts bewegen können und wieder alles verschieben mussten? 220 00:21:44,155 --> 00:21:46,763 Müssten da nicht langsam Taten folgen? 221 00:21:46,764 --> 00:21:53,465 BK'IN DR. MERKEL: Nein, das frustriert mich überhaupt nicht, weil wir ja diesen Mehrschrittprozess 222 00:21:53,466 --> 00:21:58,796 schon verabredet hatten. Wir haben in Porto über genau diese Frage gesprochen, 223 00:21:58,797 --> 00:22:01,828 wie eine Russlanddiskussion aussehen kann. 224 00:22:01,829 --> 00:22:07,889 Sie ist durch die Vorkommnisse in der Tschechischen Republik oder durch die Erkenntnisse 225 00:22:07,890 --> 00:22:14,176 aus den Untersuchungen über das, was 2015 oder 2014 passiert ist, noch einmal auf die Tagesordnung gekommen. 226 00:22:14,177 --> 00:22:20,363 Dann haben wir gesagt: Wir diskutieren, wir bitten die Kommission um einen Bericht, 227 00:22:20,364 --> 00:22:24,614 und auf der Grundlage dieses Berichts mit konkreten Handlungsoptionen werden wir 228 00:22:24,615 --> 00:22:26,286 dann im Juni die Diskussion fortsetzen. 229 00:22:26,287 --> 00:22:32,566 Wenn das Ganze zu einer gemeinschaftlichen Einschätzung unserer Russlandpolitik führt, 230 00:22:32,567 --> 00:22:35,148 dann wäre ja schon sehr viel gewonnen. 231 00:22:35,149 --> 00:22:40,945 Das, was gestern in dieser Orientierungsdiskussion herauskam, ist, dass alle der Meinung waren, 232 00:22:40,946 --> 00:22:48,492 dass wir in der Summe natürlich sehr viele Möglichkeiten haben, auch gegenüber Russland aufzutreten, 233 00:22:48,493 --> 00:22:50,939 aber dass wir unter unseren Möglichkeiten bleiben, 234 00:22:50,940 --> 00:22:57,048 weil es eben oft doch sehr unterschiedliche bilaterale Reaktionen einzelner Mitgliedstaaten gibt. 235 00:22:57,049 --> 00:23:01,751 Diese Heterogenität schwächt die Europäische Union. 236 00:23:01,752 --> 00:23:08,126 Wenn wir von europäischer Souveränität sprechen, dann brauchen wir eben auch einen gemeinsamen Auftritt. 237 00:23:08,127 --> 00:23:10,839 Das ist das, was die Diskussion geprägt hat. 238 00:23:10,840 --> 00:23:17,657 Da wir uns vorher doch recht schnell über eine Reaktion in Bezug auf Belarus einigen konnten, 239 00:23:17,658 --> 00:23:21,122 hat diese Diskussion eigentlich in dem Geist stattgefunden, 240 00:23:21,123 --> 00:23:27,059 dass man auch in anderen außenpolitischen Fragen eine gemeinsame Haltung entwickeln sollte. 241 00:23:29,028 --> 00:23:33,231 Danke schön und viele Grüße an die Bildschirme! 242 00:23:33,232 --> 00:23:39,390 Ich meinte die Personen, die hinter den Bildschirmen sitzen.