Im Streitfall hilft der Ombudsmann

Versicherungen Im Streitfall hilft der Ombudsmann

Streit mit der Versicherung kann zu langwierigen und kostspieligen Auseinandersetzungen vor Gericht führen. Der Ombudsmann für Versicherungen kann helfen, dies zu verhindern. Bei welchen Problemen Verbraucher sich an ihn wenden können und wie ein Verfahren abläuft - Ombudsmann Wilhelm Schluckebier gibt Antworten.

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Versicherungsombudsmann Dr. h.c. Wilhelm Schluckebier

Seit 1. April 2019 ist Wilhelm Schluckebier Ombudsmann für Versicherungen.

Foto: Dietmar Gust für Versicherungsombudsmann e. V.

Der Versicherungsombudsmann ist ein neutraler und unabhängiger Streitmittler bei Beschwerden von Versicherungskunden gegen Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler. Er hilft Verbrauchern bei der Formulierung ihres Beschwerdeanliegens und prüft es nach Recht und Gesetz. Die Verbraucher erhalten so kostenfrei, einfach und schnell Rechtsschutz, ohne das Kostenrisiko bei den staatlichen Gerichten einzugehen.

Herr Schluckebier, Sie sind seit einem Jahr im Amt des Versicherungsombudsmanns. Mit welchen Problemen kommen die Leute zu Ihnen?

Schluckebier: Jährlich wenden sich etwa 18.000 Verbraucher an uns, die von ihrem Versicherer enttäuscht sind, sich ungerecht oder schlecht behandelt fühlen. Meist ist ein Schaden eingetreten und es stellt sich die Frage, ob er mitversichert ist und ob der Versicherer alle Kosten übernimmt. Auch Beratungsfehler sind immer wieder Thema. In der Rechtsschutzversicherung kommt es etwa zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob der Rechtsschutzfall vor oder nach Beginn des Versicherungsvertrags eingetreten ist. Oder in der Fahrradversicherung, wenn die Bedingungen des Versicherers verlangen, dass das Fahrrad zur Diebstahlsicherung an einem fest verankerten Gegenstand angeschlossen gewesen sein muss. Aber was ist, wenn es nur am Rahmen gesichert war, allerdings in einem Fahrradkeller? Die meisten Beschwerden bekommen wir übrigens aus dem Bereich der Rechtsschutzversicherung: 3.200 im letzten Jahr. Gefolgt von der Lebensversicherung mit ebenfalls über 3.000 Beschwerden.

Warum sind ausgerechnet das die häufigsten Beschwerden?

Schluckebier: Unser Leben ist immer stärker von Rechtsregeln bestimmt. Damit wächst das Risiko, in rechtliche Auseinandersetzungen verwickelt zu werden. Das hat ein hohes Absicherungsbedürfnis bei uns allen zur Folge. Sehr viele Menschen haben deshalb eine Rechtsschutzversicherung. Die Versicherungen versichern aber nur bestimmte Risikobereiche. Daraus ergibt sich Streitpotential. Bei den Lebensversicherungen lassen sich die alljährlich von den Versicherern mitgeteilten unverbindlichen Prognosen über den am Ende der Vertragslaufzeit auszuzahlenden Betrag seit einigen Jahren wegen des Niedrigzinsumfeldes nicht mehr halten und müssen nach unten korrigiert werden. Das führt zum Teil zu großer Enttäuschung, wenn der Vertrag ausgezahlt wird. Wir können die versicherungsmathematische Berechnung, die der Leistung zugrunde liegt, aber nachprüfen.

Wann stellen sich Versicherungen quer?

Schluckebier: So etwas kann ganz verschiedene Gründe haben. Oft sind es Sachverhalte, bei denen die Versicherer im Schadenfall den Verdacht schöpfen, dass versucht wird, noch etwas mehr zu Gunsten des Versicherten oder des Geschädigten herauszuholen. Es geht aber auch um schwierige Beweissituationen, etwa beim Einbruchdiebstahl, wenn der Geschädigte Probleme hat den Nachweis zu führen, dass er zuvor im Besitz der von ihm als gestohlen gemeldeten Gegenstände war und welchen Wert diese hatten. Deutlich wird das etwa bei Schmuckgegenständen. Bei wertvolleren Gegenständen, die im Rahmen der Hausratversicherung mitversichert sind, ist es deshalb vorteilhaft, Fotos der gestohlenen Stücke zu haben und im Idealfall auch noch einen Anschaffungsbeleg.

Wann sollte sich ein Versicherungskunde bei Ihnen melden?

Schluckebier: Immer dann, wenn er eine Entscheidung des Versicherers nicht versteht, sie für unzutreffend hält oder auch, wenn er sich nicht sicher ist und eine Überprüfung durch eine unabhängige Stelle herbeiführen möchte. Das gleiche gilt für die Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers. Diese Prüfung ist für den Kunden grundsätzlich kostenfrei. Er erhält sie sehr schnell, binnen 90 Tagen, nachdem die kompletten Unterlagen vorliegen. Und: Das Ergebnis ist für ihn nicht bindend. Der Weg zu einem Gericht steht dem Verbraucher weiter offen. Er kann also nur gewinnen.

Wie funktioniert ein Ombudsmann-Verfahren?

Schluckebier: Das Verfahren kann erst beginnen, wenn der Verbraucher sich zuvor beim Versicherungsunternehmen beziehungsweise Vermittler beschwert hat und diese damit die Möglichkeit hatten, direkt Stellung zu beziehen. Die Beschwerde beim Ombudsmann kann auf allen gängigen Kommunikationskanälen erfolgen: also telefonisch, auf der Website, per E-Mail, Fax oder auch mit klassischem Brief. Die Mitarbeiter im Servicecenter helfen, die erforderlichen Unterlagen zusammenzustellen. Hat der Versicherer zu der Beschwerde Stellung genommen und liegen alle nötigen Unterlagen vor, prüfen wir die Streitfragen unter rechtlichen Gesichtspunkten. Besteht Grund zur Beanstandung, wird dem Versicherer empfohlen abzuhelfen, heißt zu leisten. Kommt er dem nicht nach und ist die Lage rechtlich eindeutig, kann der Ombudsmann das Versicherungsunternehmen bis zu einem Wert von 10.000 Euro zur Leistung verpflichten. Bei Werten bis zu 100.000 Euro spricht er eine Empfehlung aus.

Macht es einen Unterschied, ob Sie Beschwerden gegen Versicherungsunternehmen oder Vermittler prüfen?

Schluckebier: Ja. Bei Beschwerden gegen Unternehmen können wir diese bis zu einer bestimmten Wertgrenze zur Leistung verpflichten. Die Unternehmen erkennen diese Entscheidung als für sich verbindlich an. Die Vermittler sind vom Gesetzgeber zwar rechtlich verpflichtet, an dem Schlichtungsverfahren teilzunehmen. Im Falle einer Beschwerde ist die Entscheidung des Ombudsmanns für sie jedoch nicht verbindlich, wird aber freiwillig häufig befolgt. In jedem Fall bekommen die Beteiligten eine kompetente rechtliche Prüfung mit verständlicher Begründung.

Welche Voraussetzungen sind für ein Schlichtungsverfahren notwendig?

Schluckebier: An den Ombudsmann können sich nur Verbraucher wenden, nicht also Gewerbetreibende, Selbstständige oder Firmen. Weiter muss die Beschwerde im Zusammenhang mit einem Versicherungsvertrag stehen. Und: Die Beschwerden müssen ein Mitgliedsunternehmen des Vereins Versicherungsombudsmann e.V. betreffen. Das ist jedoch bei fast allen Versicherungsunternehmen in Deutschland der Fall. Wir werden tätig bei Beschwerden zu Hausrat- und Gebäudeversicherungen, ebenso zu Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherungen. Auch die Kfz-, Unfall-, Lebens-, Renten- und Berufsunfähigkeitsversicherungen gehören dazu. Die privaten Kranken- und Pflegeversicherer haben allerdings eine eigene Beschwerdestelle. Die gesetzlichen Versicherungen gehören nicht zu seinem Aufgabenbereich.

Wann haben sie Erfolg?

Schluckebier: Unter Erfolg verstehen wir, dass der Verbraucher ganz oder zum Teil das erreicht, was er anstrebt. Das geschieht in vielen Fällen durch Leistung des Versicherers auf Anregung des Ombudsmanns oder durch eine erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens angebotene Kulanzregelung des Versicherers. Die Versicherer sind grundsätzlich sehr kooperativ und entgegenkommend.

Wie viele Beschwerden erhalten Sie im Jahr und wie hoch ist die Schlichtungsrate?

Schluckebier: Im letzten Jahr gingen bei uns fast 18.000 Beschwerden ein. Davon waren mehr als 13.000 zulässig. Die Erfolgsquote, also ein Verfahrensausgang, der dem Versicherungsnehmer vollständig oder zum Teil den gewünschten Vorteil bringt, lag in der Sparte Lebensversicherung bei 26 Prozent, in den übrigen Sparten bei insgesamt 45,9 Prozent.

Zahlreiche Reisen wurden aufgrund der Corona-Pandemie storniert, konnten nicht stattfinden. Inwieweit hat sich die Pandemie bei Ihnen bemerkbar gemacht und was raten Sie Betroffenen?

Schluckebier: Die Covid-19-Pandemie hat zu einem leichten Anstieg der Beschwerdezahlen in der Reiseversicherung geführt. In jedem Fall prüfen wir die Anliegen und beantworten sie. Die Betroffenen müssen sich aber zunächst bei ihrem Reiseveranstalter und gegebenenfalls beim Reiseversicherer melden und ihre Ansprüche dort anmelden. Erst wenn sie nicht oder nicht zufriedenstellend reguliert werden, können sie sich an uns wenden.

Die Reiseversicherung ist allerdings keine Allgefahrenversicherung. In den Bedingungen der Versicherer sind die versicherten Rücktrittsgründe aufgeführt. Dazu zählen etwa typischerweise die persönliche unerwartete schwere Erkrankung des Reisenden selbst oder eines nahen Angehörigen, nicht aber die Sorge vor einer Infektion am Zielort - selbst dann nicht, wenn eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für den Reisezeitraum und das Reiseziel besteht. In solchen Fällen können wir leider nicht helfen, weil die Bedingungen klar und unmissverständlich formuliert sind.

Je nach Fall werden die Betroffenen jedoch darauf hingewiesen, dass sie sich bei ihrem Reiseveranstalter, wenn es sich um Pauschalreisen handelt, möglicherweise auf ein stornofreies Rücktrittsrecht berufen können, das im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist. Bei anderen Reisen, also Nicht-Pauschalreisen, gelten grundsätzlich von den Anbietern individuell festgelegte zeitlich gestaffelte Stornomöglichkeiten.