Jugendlichen Flüchtlingen eine Stimme geben

Deutsches Jungendinstitut (DJI) Jugendlichen Flüchtlingen eine Stimme geben

Wie erleben junge Menschen ihre Situation, wenn sie aus einem Krisengebiet nach Deutschland geflüchtet sind, allein oder mit ihrer Familie? Dieser Frage widmet sich ein Forschungsprojekt des Deutschen Jugendinstituts.

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137.479 Minderjährige haben 2015 einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Nach Angaben der Bundesländer befinden sich derzeit rund 67.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Obhut der Kinder- und Jugendhilfe.

Studie mit 100 Jugendlichen

Kaum bekannt ist, wie sich die jungen Menschen kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland oder nach einem halben Jahr fühlen. Wie erleben sie die neue Situation, in der sie nicht mehr in Lebensgefahr sind wie im Herkunftsland oder während der Flucht? Wie kommen sie damit klar, sich an die Regeln im für sie fremden Land zu halten?

Die Fragen sind komplex, zumal die Situationen ganz unterschiedlich sind, je nachdem, ob die Kinder und Jugendlichen hier allein leben, betreut von der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe, oder mit ihrer Familie in einer großen Gemeinschaftsunterkunft. Zu differenzieren ist auch nach Geschlecht, Religion, Alter, Herkunftsland, Sprachkenntnissen, Aufenthaltsdauer in Deutschland und vielen Faktoren mehr.

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Im Magazin Impulse wird man die Ergebnisse erfahren

Foto: DJI/Ausserhofer

Das Deutsche Jungendinstitut (DJI) befragt derzeit in einer explorativen Studie 100 Jugendliche in 12 verschiedenen Einrichtungen mit einem großen Katalog von Fragen. Es geht auch um objektive Daten, aber vor allem um das persönliche Befinden und die Perspektive der Jugendlichen auf ihre Lebenslage. Die Politik möchte die Antworten natürlich sofort haben, um ihr Handeln darauf einzustellen, zumal eine Aufgabe des DJI auch die Beratung der Politik ist. Erste fundierte wissenschaftlich untermauerte Antworten wird es jedoch erst in einigen Monaten geben. Einfache Antworten werden diese ohnehin nicht sein.

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Das Gebäude des DJI in München

Foto: DJI/Bauereiss

50 Jahre Forschung und Politikberatung

Seit über 50 Jahren befasst sich das DJI wissenschaftlich mit Jugendlichen, aber nicht nur mit ihnen. Nach Auffassung des Direktors des DJI, Professor Dr. Thomas Rauschenbach, könnte es eigentlich auch Deutsches Institut für Kinder, Jugendliche und Familie heißen. Denn die Themen sind vielfältig: Sie reichen von Fragen der Kinderbetreuung, des Kinderschutzes über Fragen der Jugendkriminalität, des sexuellen Missbrauchs bis hin zu Trennungsfamilien oder der Entwicklung von Ganztagsschulen.

DJI Interview Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts

Das Institut wird ganz überwiegend durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) finanziert. Anders als fast alle anderen Forschungseinrichtungen des Bundes ist das DJI jedoch ein gemeinnütziger Verein, dem außer dem Bund unter anderem wissenschaftliche Einrichtungen, Kommunen sowie Verbände der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe angehören. Somit führt das DJI auch Forschungsprojekte durch, die nicht allein vom Bundesfamilienministerium vorgegeben werden.

Als Teil der Politikberatung sind die Kinder- und Jugendberichte sowie die Familienberichte anzusehen. Sie werden von unabhängigen Sachverständigenkommissionen erstellt, die  von der Bundesregierung berufen und vom DJI fachlich betreut werden. Auch arbeitet das Institut von Anfang an am - alle zwei Jahre erscheinenden - Nationalen Bildungsbericht von Bund und Ländern mit und führt Forschungsvorhaben für unterschiedliche Ministerien durch. An die Fachöffentlichkeit wendet sich das Institut unter anderem mit seinem Magazin DJI Impulse.

Betreuungslücke

Ein wichtiges Thema, dem sich das DJI seit Jahren widmet, ist die Frage der Kinderbetreuung. Der Ausbau der Kindertageseinrichtungen und der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz zunächst für die über 3-Jährigen und jetzt auch für jüngere Kinder haben dazu geführt, dass viele Eltern mit Kindern wieder verstärkt in den Beruf zurückkehren können. Ein Problem ergibt sich jedoch, wenn die Kinder anschließend in die Grundschule kommen, da in einigen Regionen nur wenige Ganztagsschulen für dieses Alter zur Verfügung stehen und Hortplätze rar sind.

Wie groß dieses Problem ist und wie es sich in den letzten Jahren verändert hat, können Forscher des DJI mit dem DJI-Survey "Aufwachsen in Deutschland" (AID:A) beantworten. Angaben von über 22.000 Personen aus der aktuellen, im vergangenen Jahr abgeschlossenen Befragung stellen eine Datenbasis für die Beantwortung zahlreicher Fragen dar. Von großem Vorteil ist dabei, dass schon 2009 eine vergleichbare Untersuchung stattfand, so dass sich Veränderungen über diesen Zeitraum hinweg untersuchen lassen.

Unterschiede zwischen Ost und West

Grafik DJI

Wie werden Erst- und Zweitklässler nach der Schule betreut?

Foto: DJI

Für die Betreuungsfrage zeigt sich, dass diese in Ostdeutschland schon 2009 ein geringeres Problem darstellte, da die Hortbetreuung hier traditionell sehr gut ausgebaut ist. Im Westen dagegen ist die Betreuungslücke noch beträchtlich, auch wenn die Zahl der weder im Hort noch einer Ganztagsschule betreuten Kinder von 64 auf 43 Prozent abgenommen hat.

Die AID:A-Befragungsdaten dienen allerdings nicht nur dazu, die Trends und Entwicklungen in der Kindertagesbetreuung zu analysieren – sie sind auch bei zahlreichen anderen Themen wertvoll. So erlauben sie beispielsweise Antworten auf bisher kaum untersuchte Problemstellungen wie etwa die Frage, wie Eltern nach einer Trennung die Betreuung der Kinder unter sich aufteilen und in welchem Maß getrennt lebende Eltern Kontakt zu ihren Kindern haben. Ebenso wie Väter mit dem Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Erziehung umgehen, ist Thema des Surveys. Aber auch das Leben Jugendlicher, ihre Freizeitaktivitäten, ihr Auszug aus dem Elternhaus werden so Gegenstand belastbarer wissenschaftlicher Aussagen.

Das Deutsche Jugendinstitut e.V. (DJI) ist europaweit eines der größten außeruniversitären sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute mit einem Alleinstellungsmerkmal an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und Fachpraxis. Sein Schwerpunkt liegt in der anwendungsorientierten Forschung und Expertise sowie Politikberatung zu den Lebensverhältnissen von Kindern, Jugendlichen und Familien sowie den darauf bezogenen sozial-, bildungs- und familienpolitischen Leistungen auf der Ebene von Bund, Ländern und Gemeinden. Das DJI wird institutionell gefördert vom BMFSFJ. Hinzu kommen zahlreiche Projekte des BMFSFJ und anderer Bundes- und Landesministerien und anderer Geldgeber. 360 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter 225 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, arbeiten am Sitz in München und einer Außenstelle in Halle/Saale.