Im Ernstfall gut geschützt

Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien - ABC-Schutz (WIS) Im Ernstfall gut geschützt

Nukleare Strahlung, lebensgefährliche Krankheitserreger und hochgiftige Chemikalien sind die größten Gefahren moderner Kriege, aber auch bei Industrieunfällen oder terroristischen Angriffen. Was im Ernstfall zu tun ist, weiß das Wehrwissenschaftliche Institut für Schutztechnologien – ABC-Schutz.

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Zodiac

Schutzanzug Zodiac im Einsatz

Foto: WIS

Sie sehen martialisch aus, mehrere Generationen von ABC-Schutzanzügen, also Anzügen, die einen Soldaten schützen, wenn er in Gefahr ist, radioaktiver Strahlung, biologischen Kampfstoffen oder gefährlichen Gasen ausgesetzt zu werden. Wenn ein Anzug aus Gummi besteht – wie der seit Jahren eingesetzte Zodiac - und völlig dicht abschließt, ist der Träger weitgehend sicher. Aber die Arbeit in dem Anzug ist sehr belastend. Da kein Luft-, Feuchtigkeits- und Wärmeaustausch erfolgen kann, schwitzt er extrem stark, die Körpertemperatur steigt an bis zu lebensgefährlichen Werten. Die Tragezeit ist daher auf 30 Minuten begrenzt, was bei bestimmten Einsatzszenarien sehr kurz ist.

Belastende Schutzanzüge

ABC_Schutzmaske

Schutzmaske mit Filter

Foto: WIS

Forscherinnen und Forscher am Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien – ABC-Schutz (WIS) gehen nun zwei Wege. Einer besteht in einer elektronischen Messeinrichtung, die in den Anzug und die darunter getragene Unterwäsche eingebaut ist und per Funk meldet, wenn etwa eine kritische Körpertemperatur erreicht ist. Der andere Weg ist ein völlig neuartiger Anzug, der einen Luftaustausch ermöglicht. Um den Träger trotzdem zu schützen, besteht er aus zwei Filterschichten, die durch Aktivkohle und eine Filtermembrane chemische Substanzen und kleinste Staubpartikel oder biologische Gefahrstoffe binden.

Ein weiteres Teil der ABC-Schutzkleidung ist die Atemmaske, die mit Aktivkohle eine Vielzahl von Gasen bindet und so die Atemwege des Soldaten schützt. Es gibt allerdings eine Reihe von Gasen, die nicht ausreichend ausgefiltert werden. Das ist aber heute von besonderer Bedeutung, da Gefahren nicht nur von Giftgasangriffen ausgehen, sondern auch davon, dass Chemieanlagen angegriffen werden. Vielversprechend für die Filtrierung sind die so genannten MOFs (engl.: metal-organic frameworks). Das sind mikroporöse kristalline Materialien, die aus metallischen Atomen und organischen Molekülen bestehen. Wie sie wirken, welche Gase sie wie lange filtern können, ist eine Forschungsaufgabe des WIS. Erste Analysen zeigen, dass sie bestimmte Chemikalien sehr gut binden. Bei anderen Substanzen besteht noch Forschungsbedarf.

Forschen, prüfen, beraten

Luftbild WIS

Gelände des WIS

Foto: WIS

Die Beispiele zeigen eine zentrale Aufgabe des WIS: Die Entwicklung geeigneter Schutzvorrichtungen für Soldaten der Bundeswehr. Es liegt auf der Hand, dass die Erkenntnisse auch zivilen Stellen wie dem Katastrophenschutz oder der Feuerwehr zugutekommen.

Dr. Winfried Schuhn, Direktor und Professor des WIS, hebt den Dreiklang der Aufgaben hervor: „Forschen – Prüfen – Beraten“. So prüfen die etwa 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts beispielsweise, wie gut Geräte in der Lage sind, Gefahren zu erkennen – zu detektieren. Darüber hinaus berät das WIS in erster Line die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium, aber auch andere Ministerien auf Bundes- und Landesebene bis hin zu Feuerwehren.

WIS Interview Dr. Winfried Schuhn, Direktor und Professor des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Schutztechnologien – ABC-Schutz

Natürlich sind viele Erkenntnisse auch geheim. „Der Feind oder ein Terrorist sollte nicht wissen, was die Bundeswehr kann“, sagt Schuhn. Weitere Themen der Einrichtung sind der Schutz von Geräten vor elektromagnetischer Strahlung, wie sie bei einem Nuklearunfall entstehen. Das WIS befasst sich weiterhin mit Brandschutz und der Aufbereitung belasteten Wassers.

Mikroorganismen abtöten

Schließlich geht es um Dekontamination von Personen, Kleidung und Gerät - sie also nach einem Einsatz von biologischen oder chemischen Kampfstoffen, radioaktivem Staub oder giftigen chemischen Industriechemikalien zu reinigen. Schutzanzüge werden chemisch, unter Umständen bei großer Wärme gereinigt, Fahrzeuge mit geeigneten Chemikalien abgesprüht.

Plasmakammer

Plasmakammer

Foto: WIS

Elektronische Geräte würden naturgemäß diese Prozedur nicht überleben. Dabei kann ein im Einsatz verwendeter Computer lebenswichtige Informationen enthalten. Was tun, wenn er mit lebensgefährlichen Erregern wie Milzbrandbakterien in Berührung kam? Hier nun forschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WIS mit Plasma. Unsere normale Atemluft lässt sich durch Anlegen von Hochspannung in einer geeigneten Kabine in hoch reaktive Bestandteile – das Plasma -aufspalten. Diese reagieren mit den Zellen von Mikroorganismen und töten diese ab, während elektronische Geräte nicht geschädigt werden.

Segensreich in der Medizin

Dass dies funktioniert, weiß man aus der Medizin, in der Plasma eingesetzt wird, um antibiotikaresistente Bakterien abzutöten, die verhindern, dass Wunden heilen. Plasma tötet die Bakterien ab, ohne die Haut zu schädigen. Das Problem beim Einsatz für Geräte ist zunächst die für die Gerätedekontamination erforderliche Größe der Kammern, in der das Plasma erzeugt wird und wirkt. Hier besitzt das WIS inzwischen einen ersten Prototyp. Mit ihm gilt es, zahlreiche Fragen zu beantworten. So weiß man noch nicht genau, welche Stoffe außer den erwünschten Komponenten des Plasmas entstehen. Er wird wohl noch einige Jahre dauern, bis die Plasmageräte am Einsatzort der Bundeswehr zu Verfügung stehen. Dann aber werden sie große Vorteile gegen herkömmlichen Methoden und Geräten aufweisen.

Der Forschungsbedarf und mithin die Forschungsaktivitäten des WIS leiten sich unmittelbar aus dem Fachauftrag des Ressorts Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) ab. Die Arbeiten des WIS dienen der Sicherstellung der Analyse-, Bewertungs- und Handlungsfähigkeit der Bundeswehr im Bereich ABC-Schutz und Brandschutz.