Die intelligente Fabrik

Hightech-Strategie Die intelligente Fabrik

Fabrik der Zukunft: Einzelanfertigung ist nicht aufwändiger als die Serienproduktion. Die industrielle Produktion durchläuft derzeit eine nahezu revolutionäre Entwicklung. Industrie 4.0 ist das Stichwort, mit dem sich Projekte der Zukunftsaufgabe "Digitale Wirtschaft und Gesellschaft" der Hightech-Strategie beschäftigen.

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Werker und Planer werden durch Internet- und Kommunikationstechnologien bei den alltäglichen Aufgaben unterstützt

Foto: DFKI/Fotoagentur Fox/Voelkner

"Mein Kaffee kann sprechen!" Das war der Inhalt einer Szene des Komikers Otto Walkes vor vielen Jahren, angeregt durch eine Kaffeewerbung. Was damals ein Witz war, ist heute Realität: Dinge kommunizieren. Man spricht vom "Internet der Dinge".

Vierte industrielle Revolution

Für die Industrie stellt dies eine völlig neue Situation dar. Professor Wolfgang Wahlster, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), hat zusammen mit anderen den Begriff "Industrie 4.0" geprägt. Das Internet der Dinge ist die Basis für die die vierte industrielle Revolution. Als erste gilt die Mechanisierung durch Wasser- und Dampfkraft, als zweite die Fließbandfertigung und als dritte der Einsatz von Elektronik und Informationstechnik.

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Revolutionär ist der Schritt von der Serienfertigung hin zur Fertigung individueller Produkte zu Preisen, die bisher nur durch die Massenfertigung möglich waren. Bestes Beispiel ist natürlich die Automobilfertigung. Aber das DFKI und dessen Smart Factory haben ein ganz einfaches Beispiel auf Messen präsentiert: Die Produktion eines individuellen Visitenkartenetuis.

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Individuelles Visitenkartenetui

Foto: SmartFactoryKL /C. Arnoldi

Der Kunde hat die Wahl zwischen unterschiedlichen Farben des Etuis, verschiedenen Werbegeschenken, die eingelegt werden können und natürlich seiner individuellen Gravur. An jedem Etui-Boden befindet sich ein kleiner elektronischer Chip, auf dem die Kundenwünsche als digitales Produktgedächtnis gespeichert sind. In den unterschiedlichen Montage- und Bearbeitungsstationen kommuniziert das Produkt mit der Maschine und teilt seine individuellen Fertigungswünsche mit. In der Montagestation "Deckel-verprägen" zum Beispiel teilt das aktive Produktgedächtnis der Maschine mit, welche Deckelfarbe sich der Kunde gewünscht hat.

Individuelle Produkte im Trend

Entscheidend ist dabei, dass die Fertigung eines individuellen Produkts –beispielsweise ein rotes Etui für den Kunden Max Mustermann mit eingelegtem USB-Stick– nicht aufwändiger ist als das immer gleiche Produkt aus der Serienproduktion. Die Smart Factory des DFKI realisierte die weltweit erste herstellerübergreifende Produktionsanlage mit mittlerweile 18 Partnern aus der Industrie. Besonders ist an dieser Anlage nicht nur die kundenindividuelle Fertigung, vielmehr auch das modulare Prinzip der Anlage. Die einzelnen Produktionsmodule können, wie Legosteine, ganz einfach nach aktueller Auftragslage angeordnet werden.

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Die weltweit erste herstellerüberreifende Industrie 4.0-Produktionsanlage

Foto: SmartFactoryKL /C. Arnoldi

Individuelle Produkte liegen im Trend. Das zeigt auch diese erfolgreiche Geschäftsidee: Ein ganz persönlich im Internet zusammengestelltes Müsli. 2012 gewannen die Jungunternehmer den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie.

Im ganz großen Rahmen ist dies das Prinzip der modernen Automobilproduktion. Bei Einzelfertigung dachte man früher nur an Rolls Royce. Die Preise waren entsprechend hoch. Wer dagegen einen VW Käfer kaufte, hatte eine begrenzte Auswahl bei Farben, Motorstärke und Ausstattung. Wollte man einen schwarzen Käfer haben, musste man eventuell erheblich länger warten als auf einen roten. Das lag daran, dass das Werk tagelang das gleiche Modell in der gleichen Farbe und mit der gleichen Ausstattung produzierte. Die Autos warteten dann auf Abnehmer. Die Umrüstung auf ein anderes Modell in anderer Farbe, mit anderem Motor dauerte dann einige Tage, in denen die Produktion stillstand.

Ein nach Industrie 4.0 gebautes Auto ist vollständig individuell nach Kundenwünschen gebaut. Wegen der Vielzahl an frei wählbaren Komponenten von Farben, Motor, Innenausstattung und Elektronik ist jedes Fahrzeug ein Einzelstück.

Selbststeuernde, modulare Produktion

Gesteuert wird alles dezentral, das heißt jedes einzelne Modul steuert sich selbst und ist deswegen auch vollkommen unabhängig von seinen Nachbarmodulen. Jede Station erkennt den aktuellen Zustand des Werkstücks und alle Kundenwünsche. Über die Ausführung des Produktionsschritts entscheidet das Modul autonom und individuell für jedes Produkt. Den Überblick bietet ein digitales Abbild der Anlage, das sich aus den gesammelten Daten der Anlagenmodule zusammensetzt.

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Modultausch bei laufender Produktion

Foto: SmartFactoryKL

Durch diesen modularen Aufbau der Produktion, kann die Anlage auch schnell an geänderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Will der Produzent beispielsweise keine Werbegeschenke mehr einlegen, zieht er das entsprechende Modul einfach aus dem Produktionsverbund, der Rest produziert unbeirrt weiter. Umrüstzeiten entfallen, neue Komponenten lassen sich ohne Unterbrechung der Produktion in den Produktionsprozess einbringen und selbst bei Instandhaltung oder Wartung kann die Produktion unterbrechungsfrei weitergeführt werden.

Entscheidend für das rasche Voranschreiten von Industrie 4.0 waren die Entwicklungen im Internet- und Kommunikationsbereich. Mikro-Webserver, die in drahtlosen Netzwerken kommunizieren sind heutzutage für wenige Euro in industrietauglicher Ausführung erhältlich.

Eingebettete Systeme

Bei den sogenannten "Eingebetteten Systemen" ist Deutschland auf dem Weltmarkt an der Spitze. Die Bundesregierung hat die Entwicklung bereits frühzeitig durch die Innovationsallianz SemProm (Semantic Product Memory) unterstützt. Es hapert allerdings noch am Netzausbau mit garantierten Übertragungszeiten für die Echtzeitsteuerung von Fabriken, der im Rahmen der "Digitalen Agenda" der Bundesregierung vorangetrieben werden soll.

Personal wird nach Auffassung von Wahlster dabei in Summe nicht eingespart, da in Industrie 4.0 neue Aufgaben hinzukommen - schließlich wurde das Konzept zusammen mit den Gewerkschaften erarbeitet. Er geht sogar von wachsendem Bedarf nach höherwertig qualifizierten und interdisziplinär ausgebildeten Kräften aus. Die Wartung der komplexen computergesteuerten Maschinen erfordert Facharbeiter mit einer guten und breiten beruflichen Qualifikation. Industrie 4.0 muss den Werker dabei zusätzlich bei seinen Aufgaben unterstützen. Hier bieten Tablet-PCs, Datenbrillen und Datenuhren ein breites Feld an Möglichkeiten. Auch bei Schulung und Ausbildung können Internet- und Kommunikationstechnologien ein realitätsnahes und schnelles Lernen ermöglichen.