Chemische Rohstoffe aus Abgas

Hightech-Strategie Chemische Rohstoffe aus Abgas

Abgase aus der Stahlindustrie werden heute zur Stromerzeugung genutzt. Künftig sollen aus ihnen wertvolle Rohstoffe für die Chemieindustrie gewonnen werden. Das auf 15 Jahre angelegte Projekt Carbon2Chem® ist Teil des Zukunftsfeldes "Nachhaltiges Wirtschaften und Energie" der Hightech-Strategie.

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Außer Stahl entstehen hier auch wertvolle Gase

Foto: ThyssenKrupp Steel Europe Fotografie

Wie man aus Kohle und Wasser ein brennbares Gas erzeugt, weiß man seit fast 200 Jahren. Unsere Städte wurden durch das in Gaswerken erzeugte Stadtgas beleuchtet. Schon damals war bekannt, dass mit geeigneten Katalysatoren und dem Zusatz von Wasserstoff ein Synthesegas entsteht. Dieses ist Grundstoff für eine Vielzahl wertvoller chemischer Produkte. So lässt sich Ammoniak herstellen – unverzichtbar für die Herstellung von Dünger - oder Methanol als wertvoller Ausgangsstoff für organische Verbindungen oder als Treibstoff.

Diese auf Kohle basierten Verfahren gerieten allerdings etwas in Vergessenheit, weil sich diese chemischen Verbindungen sehr viel preiswerter aus Erdöl und Erdgas herstellen lassen. Jetzt, wo diese Rohstoffe knapper und teurer werden, besinnt man sich auf die alten Verfahren.

Große Mengen Hüttengas

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Stahlwerk

Foto: thyssenkrupp Steel Europe Fotografie

Stahl- und Hüttenwerke produzieren riesige Mengen von Prozessgasen, das so genannte Hüttengas. Es enthält nicht nur Kohlendioxid (CO2) sondern auch Stoffe, die im altbekannten Synthesegas enthalten waren. Die Hüttengase sind brennbar und werden heute vollständig zur Stromerzeugung genutzt, wobei auch CO2 freigesetzt wird. Viele Hüttenwerke decken so ihren eigenen Strombedarf.

Da CO2 für unsere Atmosphäre schädlich ist, besteht nun die Überlegung, das Hüttengas nicht mehr nur einfach zu verbrennen sondern stattdessen chemische Produkte daraus zu erzeugen. Wenn damit der Kohlenstoff im Kreislauf gefahren wird, entlastet das die Atmosphäre erheblich. Schließlich produziert ein großes Stahlwerk bis zu zwei Millionen Kubikmeter Hüttengas in nur einer Stunde.

Nicht so einfach

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Wertvolle Stoffe aus Hüttengasen

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Nun klingt dies zunächst sehr einfach. Tatsächlich aber sind die alten wissenschaftlichen Grundlagen beispielsweise über Katalysatoren nicht ausreichend für eine Produktion unter heutigen industriellen Bedingungen. Deshalb optimieren das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT und das Max-Planck Institut für Chemische Energie Konversion in Mülheim unter anderem geeignete Katalysatoren im Projekt.

Zwar weiß man, was hauptsächlich im Hüttengas enthalten ist. Denkbar ist jedoch, dass sich darin auch Stoffe befinden, die Katalysatoren zerstören. Andererseits sind vielleicht nennenswerte Mengen weiterer chemischer Verbindungen darin enthalten, die es sich lohnen würde zu nutzen. Das Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion ist in der Lage, Gas bis hin zu winzigsten Spuren auf darin enthaltene Stoffe zu analysieren.

Auch eine ökonomische Frage

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass sich Chemiewerke nicht in unmittelbarer Nähe von Hütten- oder Stahlwerken befinden, was aber nötig wäre, um das Gas sofort zu nutzen. Der Bau eines Hüttenwerks in der Nähe einer Chemiefabrik ist wegen der Kosten nicht denkbar. Ob der Bau einer Anlage der chemischen Industrie zur Gasumwandlung in der Nähe eines Hüttenwerks wirtschaftlich ist, bedarf entsprechender fundierter Analysen.

Schließlich benötigt der Umwandlungsprozess große Mengen von Wasserstoff. Da Wasserstoff nicht frei verfügbar ist, muss er aus Wasser hergestellt werden. Dazu sind große Mengen elektrischer Energie notwendig. Käme diese Energie aus herkömmlichen Kohlekraftwerken, entstünde dort so viel CO2, das den Nutzen für die Atmosphäre massiv verringern würde. Der Wasserstoff muss also mit Hilfe erneuerbarer Energiequellen gewonnen werden, also aus Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse. Auch hier muss eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Lösung gefunden werden.

17 Partner

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Hochöfen arbeiten rund um die Uhr

Foto: ThyssenKrupp Steel Europe Fotografie

Zur Lösung all dieser Fragen hat sich ein Konsortium unter Federführung der Thyssenkrupp AG zusammengeschlossen. In ihm arbeiten 17 Partner aus Industrie und Wissenschaft zusammen. Das Bundesforschungsministerium unterstützt das Projekt mit mehr als 60 Millionen Euro, die Industrie plant Investitionen von mehr als 100 Millionen Euro bis 2025.

Insgesamt ist eine Laufzeit von 15 Jahren vorgesehen. Diese Zeit wird notwendig sein, um unsere Atmosphäre wirklich zu entlasten. Das Abschalten von Stahlwerken wäre sicher keine Lösung, schließlich basiert unsere Wirtschaft und unser Wohlstand auf Stahl. Der Bedarf für Autos, Maschinen, Hausbau und vieles mehr kann nur durch eigene Stahlwerke gedeckt werden.