Notaufnahmelager Marienfelde
Für viele Flüchtlinge war das Notaufnahmelager Marienfelde in West-Berlin erste Anlaufstelle nach ihrer Flucht aus der DDR. 1953 Jahren eröffnet, ist das ehemalige Lager heute das zentrale Museum zum Thema Flucht und Ausreise aus der DDR.
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Tor zur Freiheit: das Notaufnahmelager Marienfelde
Foto: Bundesregierung / Schütz
Am 14. April 1953 eröffnete Bundespräsident Theodor Heuss das Notaufnahmelager Marienfelde in West-Berlin. Mit einem aufwändigen Programm, Dauer- und Sonderausstellungen erinnert die historische Stätte in diesem Jahr an 60 Jahre ihres Bestehens.
Ein lebendiger Ort der Migration
Der massenhafte Zustrom von Flüchtlingen aus der DDR hatte zum Bau des zentralen Aufnahmelagers in West-Berlin geführt. Rund vier Millionen Menschen verließen zwischen 1949 und 1990 die DDR in Richtung Bundesrepublik. Bis zum Ende der DDR 1990 passierten 1,35 Millionen DDR-Flüchtlinge und Übersiedler dieses schmale "Tor zur Freiheit".
Hier wurden sie untergebracht und versorgt. Hier durchliefen sie auch das notwendige Verfahren, um eine Aufenthaltsgenehmigung für die Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin zu erhalten. Bis heute ist das ehemalige Notaufnahmelager Marienfelde ein lebendiger Ort der Migration.
Im Dezember 2010 wurde das Aufnahmelager Marienfelde reaktiviert und wird seitdem vom Internationalen Bund im Auftrag des Landesamtes für Gesundheit und Soziales als Übergangswohnheim für Flüchtlinge und Asylbewerber genutzt. Hier hat auch die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde ihren Sitz.
Deutsch-deutsche Fluchtbewegung
Das Notaufnahmelager war ein hochaufgeladener Schauplatz in den Auseinandersetzungen des Kalten Kriegs. Hier waren die Folgen des SED-Regimes unmittelbar zu spüren. Besonders in der Zeit bis 1961 hatte das Notaufnahmelager als "Tor zur Freiheit" einen hohen Symbolwert.
Westdeutsche und West-Berliner Politiker kamen nach Marienfelde, um demonstrativ ihre Solidarität mit den Flüchtlingen aus der DDR zu bekunden. Für die DDR hingegen war das Aufnahmelager ein "Feindobjekt". Denn hier offenbarte sich die Schwäche des politischen Systems der DDR, das die Menschen massenhaft aus dem Land trieb.
Zeitzeugen erinnern sich
Viele Erinnerungen und Erzählungen von Zeitzeugen kreisen um die Minuten voller Bangen und Hoffen während der Flucht.
Wilfried S.*, der 1957 als junger Mann aus der DDR floh, erzählt: "Am 7. Mai 1957 setzte ich mich dann in den Zug […] Ich werde nie vergessen … Friedrichstraße … die Angst, die man damals hatte! Die kann man heute schwer beschreiben. Man sieht, wie die reinkommen mit den Hunden, durch den Wagen gehen, man weiß nicht, soll man jetzt auf den Boden gucken, wird man vielleicht gerade dadurch auffällig, oder nicht; soll man die angucken, oder provoziert man sie dann. Es war ein traumatisches Erlebnis."
*Der Zeitzeugenbericht entstammt einem Interview der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde am 12.03.2001
Geschichte und Gegenwart erleben
Heute erinnert eine Ausstellung an Ursachen, Verlauf und Folgen der deutsch-deutschen Fluchtbewegung. Mit ihrer Dauerausstellung, einem vielfältigen Bildungs- und Veranstaltungsprogramm, Sonderausstellungen und Forschungsprojekten lädt die Erinnerungsstätte ihre Besucher ein, mehr über die Flucht und Ausreise im geteilten Deutschland zu erfahren.
Die ständige Ausstellung "Flucht im geteilten Deutschland" spannt in sieben Themenräumen den Bogen von der Entscheidung zum Verlassen der DDR bis zur gesellschaftlichen Eingliederung in die Bundesrepublik. Sie fragt danach, wie es den Menschen trotz Kontrolle, Gewalt und Repression der DDR-Regierung gelang, Grenze und Mauer zu überwinden.
Besonderes Augenmerk gilt den Geschehnissen in Marienfelde: dem Notaufnahmeverfahren, dem Leben im Aufnahmelager und der Bespitzelung von Flüchtlingen durch den Staatssicherheitsdienst der DDR. Ein Exkurs im ersten Raum stellt Menschen vor, die den umgekehrten Weg nahmen und aus der Bundesrepublik in die DDR gingen.
Obwohl sich viele Flüchtlinge nur kurze Zeit in Marienfelde aufhielten, hatte das Aufnahmelager für sie eine besondere Bedeutung. Es war eine biografische Schnittstelle zwischen ihrem alten Leben in der DDR und dem ersehnten neuen in der Bundesrepublik.
Die Erinnerungsstätte Marienfelde hat es sich zur Aufgabe gemacht, die materielle Überlieferung zur Geschichte des Ortes und der deutsch-deutschen Fluchtbewegung zu sammeln und zu bewahren. Ergänzt wird der Sammlungsbestand der Erinnerungsstätte durch ein Fotoarchiv, ein historisches Pressearchiv und ein Zeitzeugenarchiv.