Wenn morgens Wasser in der Küche steht

Fidschi und der Klimawandel Wenn morgens Wasser in der Küche steht

Seit sieben Jahren lebt Wulf Killmann in der Region Fidschi. Der Forstwirtschaftler leitet dort im Auftrag des Entwicklungsministeriums und der EU ein Programm der GIZ. Er hilft den Menschen, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Im Interview berichtet er, warum Gemeinden auf Fidschi umziehen müssen.

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Fidschi - Narikoso

Viele Häuser auf Fidschi stehen regelmäßig unter Wasser.

Foto: Gabor Sasvari/GIZ

Guten Tag, lieber Herr Killmann. Sie sind ja schon viele Jahre auf Fidschi und erleben den Klimawandel vor Ort. Welches ist in dieser Zeit Ihre eindrücklichste Erfahrung mit dem Klimawandel gewesen?

Die einschneidendsten Erlebnisse sind zwei: Die Verwüstung, die die Zyklone, also die Wirbelstürme, Pam in Vanuatu und Winston auf Fidschi in den letzten beiden Jahren verursacht haben. Das war erschreckend, denn die Wirbelstürme werden jetzt immer stärker als Ergebnis des Klimawandels.

Und das zweite Erlebnis ist das Absterben der Korallen, das ich beobachten konnte. Dieselben Korallen, die 2011 noch wunderschön waren, sind inzwischen tot.

Sie treffen ja auch viele Menschen, die vor Ort von dem Klimawandel direkt betroffen sind.

Ja, richtig, der Klimawandel betrifft die Menschen hier in vielfältiger Weise: Meeresspiegelanstieg, dann Versalzung des Grundwassers, Temperaturanstieg, veränderte Niederschläge und dadurch auch Probleme in der Landwirtschaft und in der Fischerei.

Wir sehen mit Sorge, dass viele Menschen in ihren Dörfern nichts mehr anbauen können, weil durch das Eindringen des Meerwassers in das Grundwasser die Böden versalzen. Das trifft die Menschen hier hart, vor allem diejenigen im ländlichen Raum. Sie bauen landwirtschaftliche Produkte für sich selbst an und sie fischen für sich selbst. Da vernichtet der Klimawandel die Lebensgrundlage.

Die Republik Fidschi ist Gastgeberin der diesjährigen Weltklimakonferenz vom 6. bis 17. November in Bonn. Damit hat erstmals ein kleinerer Inselstaat diese Rolle inne, der zudem in besonderer Weise vom Klimawandel betroffen ist. Unter Fidschis Präsidentschaft sind Resilienz und Klimaanpassung deshalb ein Schwerpunktthema der Konferenz.

Ist das auf allen pazifischen Inseln gleich?

Die pazifischen Inselstaaten sind geographisch unterschiedlich. Fidschi hat noch hohe Inseln, da kann man weit in die Berge ziehen. Aber in Ländern wie Tuvalu, Kiribati oder anderen ist die höchste Erhebung zweieinhalb Meter über dem Meeresspiegel. Und wenn der dann um 60 Zentimeter ansteigen wird bis zum Ende des Jahrhunderts – dann ist ein Großteil des Landes weg.

Hier im Pazifik steigt der Meeresspiegel im Schnitt sechs Millimeter pro Jahr an. Das bedeutet aber: Bei Springfluten sind die Fluten jetzt schon wesentlich höher, auch bei der normalen Flut. Und bei den vielen Stürmen in der Zyklonen-Saison von November bis März peitscht das Meerwasser so hoch, dass es in die Dörfer drängt. Das passiert schon bei Stürmen der Kategorie zwei. Dann kommt es zur Versalzung der Böden, auch wenn sich das Meerwasser wieder zurückzieht.

Das ist ein schneller Anstieg im Vergleich mit Deutschland: Hier ist der Meeresspiegel in den letzten 100 Jahren um zehn Zentimeter gestiegen – auf Fidschi dauert das nur rund 15 Jahre…

Ja, und man darf nicht vergessen: Deutschland hat Deiche. Wir haben in Deutschland eine Jahrhunderte alte Tradition, mit Sturmfluten umzugehen – mit einem ausgeklügelten Deichbausystem und einem Deichgrafen, der darauf schaut. Das hat schon Theodor Storm im "Schimmelreiter" berichtet.

Hier gibt es keine Deiche, und es ist auch schwierig, auf einer Koralleninsel einen Deich anzulegen. Man bekommt oft schon kein schweres Gerät dahin. Dann existieren keine Wege ans Meeresufer, um da hinzukommen und Infrastrukturanlagen zu bauen. Und es gibt auch nicht das Geld dafür.

Als Folge müssen neue Wohnorte für die Menschen gefunden werden. Ist für Sie Umsiedlung das größte Projekt?

Ja, das ist ein großes Thema. In Fidschi leben etwa 60 Prozent der Menschen in der Nähe des Meeres und in einigen Gebieten auf anderen Inselgruppen sogar alle, weil das kleine Inseln sind. Da müssen eine ganze Anzahl von Gemeinden umgesiedelt werden – einfach weil bei Springfluten oder Stürmen oder manchmal auch bei ganz normaler Flut das Wasser den Leuten morgens schon in der Küche steht. Das Meerwasser dringt in die Böden ein und versalzt Grundwasser und Böden. Dann können die Menschen um ihre Häuser herum nichts mehr anbauen.

Wir als GIZ haben die fidschianische Regierung darin unterstützt, ein Konzept für Umsiedlungen zu entwerfen. Das ist ja eine sehr komplexe Angelegenheit. Wir müssen alle Beteiligten einbeziehen, die Kirchen, die Frauengruppen, die Schulen, die verschiedenen Behörden und auch die Landbesitzer.

Leicht ist es, wenn die Gemeinde woanders noch Land hat, etwa im Landesinneren. Aber es gibt eben auch Fälle, wo mit anderen Grundbesitzern verhandelt werden muss, um einen neuen Ort für die Gemeinde zu finden. Grundsätzlich versuchen wir, Umsiedlung zu vermeiden, und suchen andere Lösungen. Die Menschen haben ja auch ein Heimatgefühl. Aber wenn natürlich die Böden versalzen sind, dann geht nichts anderes.

Wir kennen das in Deutschland ja nur von wenigen Umsiedlungen zugunsten des Braunkohleabbaus. Das war auch schwierig für die Dörfer.

Genau! Dazu kommen emotionale Aspekte, zum Beispiel verschwindet mit einer Umsiedlung der Friedhof. Hier ist es so, dass viele Menschen ihre Angehörigen um die Häuser herum bestatten. Das ist erlaubt. Man kann also Opa im Garten begraben. Dann hat man ihn auch im Tod noch um sich herum. Wenn jetzt umgesiedelt wird, dann lässt man die Gräber seiner Lieben zurück. Das ist schlimm für die Menschen.

Unsere andere Regel ist natürlich: Nur Umsiedeln, wenn die Leute, die in der Gemeinde leben, das selbst wollen. Aber auch das dauert seine Zeit und geht nicht von heute auf morgen. Fidschi ist da führend bisher. Wir haben den Entwurf dieser Umsiedlungs-Richtlinie im letzten November auf einer Regionalkonferenz Kollegen aus den anderen pazifischen Inselstaaten vorgestellt. Da gab es ein großes Interesse daran, weil das Thema alle betrifft – nicht nur Fidschi.

Deshalb wird es jetzt auf der Weltklimakonferenz vorgestellt?

Das wird bei einem Side Event auf der COP 23 vorgestellt. Danach werden wir von der GIZ weiter daran arbeiten und zwar nicht nur mit Fidschi, sondern auch mit den Nachbarländern.

Wulf Killmann vor Palmen.

Wulf Killmann leitet das Klimaprojekt der GIZ auf Fidschi.

Foto: Gabor Sasvari/GIZ

Wie sieht das Konzept aus, die Menschen sollen sich dort ja weiter selbst unterhalten können?

Ja genau, die Menschen sollen da genauso ihren Taro oder Jams anbauen können, je nach Standort können das andere Sorten sein. Wir schulen die Leute nicht von Knollen auf Weißbrot um, sondern es sind dieselben Gemüsearten, nur andere Sorten. Bei uns gibt es ja auch unterschiedliche Kartoffelsorten: Linda, Maria und wie sie alle heißen. Und sie sollen auch weiter fischen gehen können. Deshalb sollte der neue Wohnort nicht so weit vom Meer weg sein.

In manchen Orten müssen die Menschen neue Lebensmittel anbauen, obwohl sie nicht umziehen?

Ja, in manchen Gebieten dort wird es trockener und in anderen feuchter durch den Klimawandel. Und je nachdem wie sich die Klimabedingungen verändern, suchen wir mit den Gemeinden Sorten ihrer Knollenfrüchte, die entweder mehr Trockenheit oder mehr Feuchtigkeit vertragen. Es gibt hier eine Genbank, die von einer Regionalorganisation aufgebaut wurde und darauf greifen wir zurück.

Und da suchen Sie das geeignete Gemüse oder Obst heraus?

Genau, es geht vor allem um die Grundnahrungsmittel, Kohlenhydrate und kohlehydratreiche Grundnahrungsmittel, wie unsere Kartoffeln.

Zum Beispiel?

Ja, also in Papua Neuguinea zum Beispiel in der Gemeinde Kivori, die liegt etwa 150 Kilometer westlich von der Hauptstadt Port Moresby. Dort bauen die Leute hauptsächlich Jams an, eine Knollenfrucht. Die heimischen Sorten wachsen inzwischen dort nicht mehr. Da haben wir afrikanischen Jams eingeführt, der robuster ist und gut gedeiht.

Wie viele Menschen werden von Umsiedlungen betroffen sein?

Unsere Pilotgemeinde Narikoso sind jetzt erst einmal etwa hundert Leute, aber insgesamt werden es Tausende sein, die das betrifft auf Fidschi. Die Schätzung, wie viele Gemeinden gefährdet sind, liegt zwischen 30 und 120, je nach dem, wen man fragt. Manche gehen sogar von 200 Gemeinden aus.

Da gibt es sehr unterschiedliche Sichtweisen. Deshalb arbeitet die Weltbank im Auftrag von Fidschi momentan an einer Studie über die Verletzlichkeit der einzelnen Gemeinden, damit wir nachher einen verlässlichen Stand dazu haben.

Wie gehen die Menschen insgesamt damit um?

Oft sind es die Älteren, die gern bleiben wollen. Die Jüngeren sehen die Notwendigkeit, umzusiedeln. In unserer Pilotgemeinde Narikoso stehen sie alle dahinter. Aber das war ein langer Prozess der Informationsvermittlung und sehr vieler Gespräche und Diskussionen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Kultur des Talanoa gemacht? Dieses Konzept aus Fidschi, das auch auf der Weltklimakonferenz eine Rolle spielt – wie macht sich das im Alltag bemerkbar?

Also, Talanoa bedeutet im Grunde, dass es keine einsamen Einzelentscheidungen gibt, sondern dass man im Kreis zusammen sitzt und Dinge diskutiert. Häufig steht eine Schale Kava zwischen den Gesprächspartnern und man trinkt das zusammen. Kava ist ein Wurzelgetränk, kein Alkohol, einfach ein lokales Getränk.

Die Gesellschaft hier ist eine Konsensgesellschaft mit einem sehr gemeinschaftlichen Ansatz. Alles wird ausdiskutiert, aber wenn eine Person "nein" sagt und ihr Veto einlegt, dann wird es nicht gemacht. Alle suchen nach Kompromissen, bis jeder einverstanden ist. Das ist eine tolle Erfahrung, muss ich sagen.

Welche Vor- oder Nachteile hat das im Vergleich zur Entscheidungsfindung in Deutschland?

Es dauert länger, aber dafür wird es dann auch von allen getragen. Es gibt in Fidschi beides: Modernität und gleichzeitig sind bestimmte Traditionen sehr verankert. Auch wenn die Leute mit ihren Hybridautos durch die Städte fahren – sie setzen sich immer noch zusammen und diskutieren die Themen aus. Die Talanoa bleibt eine ganz wichtige Institution.

Hat Ihre Arbeit Ihr Verhalten oder Ihre Einstellung geändert?

Ich bin mir vor allem meines Privilegs bewusster, nach Deutschland zurückgehen zu können – in ein sicheres Umfeld. Die Menschen hier bleiben in dieser Region, einer der verletzlichsten Regionen der Welt gegenüber dem Klimawandel. Sie sind dem mehr oder minder hilflos ausgeliefert und müssen damit umgehen.

Ich bin überzeugt davon, dass unsere Arbeit hier, im Auftrag des deutschen Steuerzahlers und der deutschen Bundesregierung, eine ausgesprochen nützliche und wichtige Arbeit ist. Deutschland nimmt hier wirklich seine Verantwortung wahr, zu der es sich zuletzt durch das Pariser Abkommen bekannt hat.

Welche Botschaft haben Sie an die Teilnehmer der Weltklimakonferenz?

Dass wir unser Herz aufmachen und den Menschen helfen, die von dem Klimawandel bedroht sind und dass wir tatsächlich auch an uns selbst arbeiten. Die pazifische Inselregion ist vom Klimawandel schon jetzt betroffen. Es ist kein Thema der Zukunft, nichts, was in 30, 40, 50 Jahren stattfindet, es findet jetzt statt – mit negativen Auswirkungen auf das Leben der Menschen.

Diese kleine Region zeigt, wie es in anderen Ländern und Regionen der Welt in Zukunft aussehen könnte. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir den Menschen helfen, mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen. Und wir sollten unser eigenes Verhalten überdenken und dazu beitragen, die Emissionen zu reduzieren.

Lieber Herr Killmann, vielen Dank für dieses Schlusswort und das freundliche Gespräch.