Konferenz „Zukunft gestalten – Transformation, gemeinsam, jetzt!“
Workshop 3 beschäftigte sich mit dem Themenbereich aus dem fünften Transformationsbereich der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie: Nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme.
5 Min. Lesedauer
1. Prägnante Zitate, Aussagen, Meinungen
Aus der Einleitung von Staatssekretärin Bender, Bundeslandwirtschaftsministerium, BMEL:
- Wir stünden in der Land- und Ernährungswirtschaft vor enormen Herausforderungen: Klimakrise, Artensterben, zunehmende Umweltverschmutzung und hoher Ressourcenverbrauch gefährdeten unsere natürlichen Lebensgrundlagen und damit auch unsere Ernährungssicherheit.
- Die Landwirtschaft befinde sich in einer besonderen Situation, sie sei Verursacher, Opfer und zugleich auch Teil der Lösung zur Bekämpfung der Klimakrise.
- Drei Themen aus dem BMEL herausgestellt: der Umbau der Tierhaltung, die Europäische Agrarpolitik und deren Ausrichtung auf ökologische und gesellschaftliche Leistungen sowie der Ausbau des Ökolandbaus auf 30 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Anbaufläche bis 2030.
- Das Agrarsystem könne nicht ohne das Ernährungssystem geändert werden, es müsse darüber gesprochen werden, sich pflanzenbetonter zu ernähren, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und regionale Wertschöpfungsketten zu stärken.
- Auch der internationale Blick auf das Thema sei wichtig – „Zero Hunger“ sei ein wichtiges Nachhaltigkeitsziel, die Erzeugung vor Ort müsse gestärkt werden, es müsse hingeschaut werden, wie groß unser Fußabdruck in anderen Ländern sei und faire Handelsbeziehungen aufbauen.
Aussagen aus der Runde: - 30 Prozent Ziel sei zwar ambitionierter als das EU-Ziel, solle aber noch ambitionierter sein.
- Zu beachten sei das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit -> Grundwasser verunreinigt durch Chemikalien/Antibiotikarückstände.
- Druck, der auf den Bauern laste, komme auch daher, dass sie auch unter dem Druck der Marktpreise stünden (Kosten für Dünger), aber man könne auch weitere Nährstoffquellen einbeziehen, zum Beispiel würden menschliche Fäkalien nicht zur Nährstoffrückgewinnung genutzt. Diese sollten als Ressource angesehen werden und nicht als zu beseitigender Abfall.
- Marktmacht des Handels sei vor allem bei der Preisgestaltung spürbar. 70 Prozent der höheren Kosten für nachhaltige Produkte sei von Marktdominanz des Handels verursacht.
- Handel mache sich selbst zum Vorreiter der Nachhaltigkeit, dies müsse aber nicht immer stimmen (Papierverpackungen seien nicht immer besser als Plastik), oft würde bestimmt Produkte herausgesucht und in den Fokus gestellt.
- Die Konsumentinnen und Konsumenten seien überfordert von der Komplexität einer nachhaltigen Ernährung.
- Lock-in-Effekte in der Landwirtschaft (Bedenken vor großen Investitionen) müssen gemindert werden.
- 30 Prozent Ökolandbau sei ein ambitioniertes Ziel, aber auch die 70 Prozent der übrigen Landwirtschaft müssten nachhaltiger gestaltet werden.
- Thema Lebensmittelverschwendung: Appell, bereits existierende Instrumente mit Leben zu füllen; Notwendigkeit, an den Themen dranzubleiben und den Dialog mit den Akteuren fortzusetzen im Rahmen der Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung; Chancen böten auch Verpackung und Lebensmittelsicherheit, müsse mit der Lebensmittelverschwendung zusammen gedacht werden, Ermutigung, Prozesse neu anzupacken und weiter zu führen.
- Im Bereich Sport: Strahlkraft für Alternativen für Fleischkonsum stärken, Allianzen mit dem Sport schmieden und als Formate nutzen.
- Idee der Ernährungstransformation werde an vielen Stellen diskreditiert. Frage von Staatssekretärin Bender in die Runde, wie man aus dem Kulturkampf um die Ernährung, auch angefacht durch die Medien, wieder herauskommen könne?
- Ein Ansatz könne der aktuelle Bürgerrat zum Thema Ernährung sein, in dem diskutiert werde, wie die Verhaltensänderungen umgesetzt werden könnten, Verweis auch auf das Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen „Politik in der Pflicht: Umweltfreundliches Verhalten erleichtern“; Gutachten sollte dem Bürgerrat vorgelegt werden.
- Appell, mutiger zu denken („Muss immer alles wirtschaftlich gedacht werden?“), mehr Zeit für ein gutes Leben durch eine Vier-Tage-Woche, in der am freien Tag Arbeit für die Gemeinschaft geleistet werden könne, wie Gemüseanbau oder Kochen.
2. Welche Dimensionen des Themas wurden besonders häufig genannt oder besonders intensiv diskutiert?
Gemeinsam wurden Punkte aus der Diskussion für das Plenum gesammelt, über die weitestgehend Konsens bestand:
- Keine Ressourcen verschwenden, (Nährstoff-)Kreisläufe schließen und Lebensmitteverschwendung reduzieren.
- Nachhaltige Produkte im Wettbewerb stärken, beispielsweise Bio-Produkte und Internalisierung externer Kosten/“wahre Preise“, mehr Transparenz und Subventionsumverteilung.
- Wirtschaftlich erfolgreiche, nachhaltige Leuchttürme identifizieren und bekannt machen.
- Ernährung im Rahmen der planetaren Grenzen ganzheitlich denken, auch soziale Aspekte einbeziehen und nicht sektoral denken.
- Bildung und Beratung für Praktiker/innen und Verbraucher/innen, verantwortlich und gemeinsam.
- Beteiligung von Bürgerräten.
3. Wo gab es überwiegenden Konsens? Umgekehrt: Was war besonders strittig?
Zu den unter 2. genannten Punkten gab es überwiegend Konsens.
- Konsens bestand auch darüber, dass die Agrar- und Ernährungssysteme extrem komplex seien und das Thema ganzheitlich über die Sektoren behandelt werden müsse, was es für die Verbraucherinnen und Verbraucherinnen und Verbraucher sehr komplex und kaum überschaubar mache.
- Es brauche unterstützend eine gute Sozial- und Arbeitsmarkpolitik, es handele sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
- Strittig war, Verbraucherinnen und Verbraucher in die Pflicht zu nehmen vs. Abwälzen des komplexen Themas nachhaltiger Ernährung auf die Verbraucherinnen und Verbraucher.
- Unterschiedliche Meinungen gab es auch dazu, ob nachhaltige Systeme immer auch wirtschaftlich tragfähig sein müssten. Derzeit sei dies im System so angelegt, wir befänden uns in einer Marktwirtschaft mit EU-Binnenmarkt.
4. Besondere Hinweise zu den Zielen oder den Indikatoren?
- Bestehende Strategien Nutzen und weiterhin mit Leben füllen. (siehe Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung)
- Stärkeres Einbinden der Wissenschaft in die Prozesse.
- Subventionsumverteilung zur Erreichung der Ziele -> feste Rahmenbedingungen für Landwirtinnen und Landwirte, die vieles umsetzen würden, wenn es eine Finanzierung gäbe.
- Ziel 30 Prozent Öko-Landbau sehr ambitioniert, da das derzeitig in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, DNS, verankerte 20 Prozent Ziel noch nicht erreicht sei und der Absatz durch die Inflation gesunken sei, deswegen gezielt auf die Außer-Haus-Verpflegung setzen, hier sei der Absatz derzeit unterdurchschnittlich
5. Besondere Hinweise der anwesenden Moderatoren / Impulsgeber
Auszüge aus dem Input der Staatssekretärin unter 1.
- Im Rahmen der Diskussion geht die Staatssekretärin auf den von einigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer geäußerten Unmut über die Enthaltung auf EU-Ebene für das Verbot von Glyphosat ein. Sie verdeutlicht, dass die Ablehnung der weiteren Zulassung im Koalitionsvertrag verankert sei und auch dem Wunsch des BMEL entspreche. Eine Enthaltung sei aber das Vorgehen, wenn sich die Koalitionspartner nicht einigen können.
- Auch auf das Thema Transparenz und Nachhaltigkeitskennzeichnung geht die Staatsekretärin ein und erklärt, dass die EU an einem Siegel arbeite, diese Arbeiten aber derzeit zurückgestellt habe, weil es zeitlich unter dem aktuellen Mandat nicht mehr fertigzustellen sei. Das Thema sei sehr komplex, hier alle Aspekte unter einem Siegel zu vereinen, sehr schwierig und mit vielen Zielkonflikten behaftet (Klima, Tierwohl, Biodiversität).
Abschließend erklären Staatssekretärin und Moderatorin, dass
- die Ergebnisse dokumentiert,
- für die Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und den derzeit erarbeiteten Transformationsbericht aufgenommen würden
- und es zwei weitere Regionalkonferenzen für die Weiterentwicklung der DNS, sowie weitere Beteiligungsformate, geben werde.
6. Besondere Empfehlungen/Forderungen an die Bundesregierung
- Änderung der Düngemittelverordnung in Hinblick auf die Nutzung menschlicher Fäkalien, um Nährstoffkreisläufe zu schließen.
- Forderung nach Förderung von Bildung, Weiterbildung und Beratung für Landwirtinnen und Landwirte. Es gäbe kaum Foren zum Austausch von Informationen im Biobereich.
- Identifikation wirtschaftlich tragfähiger Leuchtturmprojekte.
- Fortführung von Sektor-Dialogen zur Lebensmittelverschwendung.
- Entscheiden und unterstützen durch Vorbild der Bundesregierung – insbesondere im Bio-Bereich
- Senkung der Mehrwertsteuer für Hülsenfrüchte.
- Anpassung der Ernährungspyramide an die Eat-Lancet Empfehlungen.
- Förderung von Pyrolyseanlagen für Klärschlamm.
- Initiative, Bio-Produkte unverpackt zu lassen.