Konferenz „Zukunft gestalten – Transformation, gemeinsam, jetzt!“
Workshop 2 beschäftigte sich mit dem Themenbereich aus dem zweiten Transformationsbereich der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie: Nachhaltige Stadtentwicklung, Bau- und Verkehrswende.
5 Min. Lesedauer
1. Prägnante Zitate, Aussagen, Meinungen aus der Diskussion
- Peter Fritsch, Bundesumweltministerium: Innenentwicklung muss stärker berücksichtigt werden; Reduzierung Flächenverbrauch Schlüsselindikator, „Mutter der Indikatoren“; Fläche ist begrenzt, wir können Fläche nicht erweitern; Investitionen in Bau von Wohnungen in Ballungsräumen: Menschen wollen dort nicht nur leben, sondern auch arbeiten. Architekten lernen nur, neu zu bauen, Umbauen ist noch nicht angekommen. Haltungswechsel muss auch in Lehre ankommen, Studierende lernen nur Neubau
- Forderung, dass die Planung der Umnutzung im Bestand gefördert werden soll
- Isabel Gómez: nicht nur Ressourcenschonung in den Vordergrund stellen, sondern komplett neuen Umgang mit Bauen finden. Wir brauchen Zahlen zu den Zielen. => Es sollen konkrete Absenkpfade vereinbart werden. Ressorts sollten stärker dazu beitragen.
- Dr. Gabriele Schneider, Kommissariat der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro Berlin: Umbau ist auch häufig deutlich teurer als Neubau. Wie kann das wirtschaftlich gestaltet werden? Insbesondere Gebäude der 1950er/60er Jahre. Mit Denkmalschutz müssen Lösungen gefunden werden, häufig Hindernis.
- Juliane Haus, Wissenschaftszentrum Berlin, Mobilitätsforschung: Kultur des Experimentierens wichtig, bei Diskussion um mehr Fläche für Fuß- und Radverkehr ist die Frage, wo diese „gewonnen“ werden kann? Kann nur damit einhergehen, Flächen des motorisierten Individualverkehrs umzuwidmen. Müssen wir alles neu experimentieren? Können wir nicht auch bestehende gute Ansätze übertragen? => Wissenstransfer ist notwendig, aber schwierig; Wissen kommt nicht zur Anwendung
- Bundesstiftung Gleichstellung: Sustainable Development Goal 5 Geschlechtergleichheit; => Bundesbauministerium/S I 1 zuständig für feministische Stadtentwicklungspolitik, Leitlinien in Erarbeitung, Care-Perspektive stärker berücksichtigen
- Anne Keßler, Bundesbauministerium: 70 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer nehmen aufgrund eingeschränkten Sicherheitsgefühls nach 22 Uhr nicht mehr den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Würden sie alle den ÖPNV nehmen, wäre eine deutliche Reduktion des motorisierten Individualverkehrs (MIV) bereits umgesetzt, die Mobilitätswende stark vorangebracht...
2. Welche Dimensionen des Themas wurden besonders häufig genannt oder besonders intensiv diskutiert?
- Handlungsschwerpunkt Stadtentwicklung: Nachhaltige Stadtentwicklung, Bau- und Verkehrswende als sehr breites (und sehr praktisches) Arbeitsfeld: Wie wollen wir in Zukunft in unseren Städten und Gemeinden leben?
- Herausforderungen insbesondere bei Treibhausgasemissionen, Ressourcenverbrauch, Schadstoffemissionen/Lärm/Müll, Flächenverbrauch
- Thematisierung und Aushandlungsprozesse unverzichtbar zu vielfältigen Zielkonflikten: Nutzungskonflikten in der Fläche, beim Wohnen zwischen sozialen und ökologischen Zielen, im öffentlichen Raum
- Umbaukultur auch in Bauleitplanung und Flächenpolitik verankern
- Als Aufgabenfeld der integrierten Stadtentwicklungspolitik stärken: Beispiel Innenentwicklung und 30-hektar-Ziel erreichen, ressort- und sektorenübergreifende Zusammenarbeit stärken
- Handlungsschwerpunkt Gebäude: Neue Umbaukultur (mit zirkulärem Bauen) als Hebel zur Transformation zur Nachhaltigkeit – Verankern in Haltung aller Beteiligten, Mentalität, Rechtsprechung und Ausbildung
- Forderung, dass die Planung/Umsetzung der Umnutzung im Bestand gefördert werden soll
- Akzeptanz und Umsetzungschancen stärken: Gute Zukunftsbilder produzieren, Visualisierung, Re-Beauty
- Handlungsschwerpunkt Mobilität: Gerechte Nutzungsverteilung im öffentlichen Raum ermöglicht nachhaltige Mobilität und schafft mehr Lebensqualität in den Quartieren
3. Wo gab es überwiegenden Konsens? Umgekehrt: Was war besonders strittig?
• Siehe 2
4. Besondere Hinweise zu den Zielen oder den Indikatoren?
- 70% der Sustainable Development Goals, SDGs, haben städtischen Bezug, konkret SDG 11 – Nachhaltige Städte und Gemeinden
- Wohnflächenkonsum
- Kosten für Wohnen: ergänzen der Zahl der Personen, die von Wohnkosten überlastet sind
- Steigender Wohnflächenkonsum pro Person gegenläufig zu Energieverbrauch pro Quadratmeter: Einsparungen werden durch Wohnflächenwachstum konterkariert
- Paradigmenwechsel bei Förderung: Maximaleffizienz vs. CO2-Wirksamkeit (Einsatz erneuerbare Energien als Quelle berücksichtigen), dazu Pareto-Prinzip
5. Besondere Hinweise der anwesenden Moderatoren / Impulsgeber
Anne Keßler, Bundesbauministerium
- Wir verhandeln multidisziplinär Räume, wenn wir uns für nachhaltige Entwicklung einsetzen!
- Ambitionierte Ziele für zweite Hälfte: Was brauchen Pilotprojekte für größere Resonanz?
Dr. Thomas Welter, Bundesgeschäftsführer, Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA
- Prolog: kein ewiges Wachstum, Reduktion unverzichtbar, Umsteuern brauch Kreativität
- 10 Leitsätze für Umbaukultur: Politisch denken und sich einmischen; Erzählungen für ein neues Zukunftsbild/Visualisieren; Achtung des Bestands; einfach intelligent; Bauen als materielle Ressource; Vollständige Dekarbonisierung; neue Mobilitätsformen; Polyzentralität stärken, Kultur des Experimentierens, politische Versuchsräume
- 7 Thesen für Umbaukultur:
- These 1: Bauen, Bauen, Bauen war gestern (ist nicht die einzige Lösung, Einsatz muss nachhaltig reduziert werden)
- These 2: Keine einfache Lösung, kulturelle Veränderungen nötig (Natur ist egal, ob 5 Grad wärmer). Probleme sind menschengemacht, Lösungen müssen sozial verträglich, vermittelbar und wirtschaftlich sein
- These 3: Die Hierarchie der Ressourcenschonung: Gebrauchsschutz, Um- und Weiternutzung vor Neubau (reduce), trennbare Materialien nutzen (reuse), design to disassembly, sortenrein trennen (clean splitting), recycling statt downcycling
- These 4: Nicht entweder oder. Parallel: Reduktion, Substitution, Evolution.
- These 5: Neue Arbeitsweisen. (Erst Nutzung, dann planen), denken im Pareto-Optimum. Form follows availability (regionale Baustoffe); Kultur des Reparierens („The great repair“) interdisziplinär und intersektoral
- These 6: Suche nach der Ästhetik der Umbaukultur: Rebeauty: Perspektivwechsel für die neue alte Materialität, Makellosigkeit als Makel, Bauen für und mit dem Ort, Identität der Orte fehlt
- These 7: Politik muss gestalten oder wir werden den Zielen hinterherlaufen; Marktanreize setzen; Sell and forget funktioniert nicht; rechtliche Hürden der Umbaukultur beseitigen, Nachhaltigkeit im Vergabewesen? aber auch (Weiter-)Entwicklung von Berufsbildern und Unternehmensstrukturen
Jan Korte, Rat für Nachhaltige Entwicklung
- Problembereiche: Treibhausgase, Flächenneuinanspruchnahme, Verbrauch von Primärrohstoffen
- Zu ergänzen: Zahl der Personen, die von Wohnkosten überlastet sind
- Flächenkreislaufwirtschaft müsste erreicht werden. Hebel: Fokus auf Bestand, Flächen schonen, Kommunen stärken, wenn Neubau: ressourcenleicht, klimapositiv, zirkulär, erneuerbar, langlebig
- Erforderliche Maßnahmen:
- Förderprogramme auf Nachhaltigkeit ausrichten, Nicht-Nachhaltiges nicht mehr fördern, Lebenszykluskosten berücksichtigen
- Zirkuläres Bauen zum Standard machen
- Stille Wohnraumreserven besser mobilisieren
- Instrumente der Bodenpolitik weiterentwickeln: Flächenpolitik scharf stellen: Vorrangregelungen, Moratorien, Zertifikatehandel, Neuregelung Kompensationsmaßnahmen
6. Besondere Empfehlungen/Forderungen an die Bundesregierung
- Steuer-, Förder- und Ordnungspolitik in sich kohärent und konsistent gestalten und an Nachhaltigkeitszielen ausrichten, ressort- und ebenenübergreifende Kooperation
- Kultur des Experiments stärken: Experimentierklausel, Pilotprojekte, Reallabore,
- Gebäudetyp E, Wissenstransfer (auch international!)
- Kommunen stärken: Umsetzungskraft, politische Akzeptanz und gemeinsames Handeln auf kommunaler Ebene sichern
- Neue Handlungsspielräume (zum Beispiel über das Straßenverkehrsgesetz, StVG, und die Straßenverkehrsordnung, StVO) für Kommunen bei ihrer Mobilitätsplanung mit Leben erfüllen, Unterstützung mit Wissenstransfer
- Instrumente der Bodenpolitik weiterentwickeln: Vorkaufsregelungen, Moratorien, Zertifikatehandel, Neuregelung Abrissmanagement
- Rahmenbedingungen für ressourcensparende und klimagerechte Geschäftsmodelle schaffen und damit das Innovationstempo erhöhen
- Integrierte Stadtentwicklungspolitik stärken: Stärkung mehrfache Innenentwicklung, Innenentwicklung vor Außenentwicklung, 30-Hektar-Ziel erreichen, ressort- und sektorenübergreifende Zusammenarbeit stärken