OVID Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland e. V.

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Sehr geehrte Damen und Herren,

für die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Entwurf der Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2021 bedanken wir uns als Interessenvertretung der ölsaatenverarbeitenden Unternehmen in Deutschland.

Die ölsaatenverarbeitende Industrie bekennt sich zu den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030) als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und leistet bereits heute einen aktiven Beitrag für eine noch nachhaltigere Verarbeitung und Vermarktung von Ölsaaten und ihren Produkten. Lösungsansätze reichen von verantwortungsvollem Lieferketten- und Rohstoffmanagement über Energieeffizienz bis hin zur Abfallvermeidung in der Produktion.

Generell teilen wir die Ansicht der Bundesregierung, dass die Corona-Pandemie die engmaschige und nicht nur wirtschaftliche Vernetzung Deutschlands und Europas mit anderen Regionen und Ländern der Welt vor Augen geführt hat sowie dass die kurzfristige Krisenbewältigung der Pandemie aber auch der langfristige Erhalt unserer natürlichen Ressourcen nur gemeinsam gelingen kann.

Rolle des internationalen Agrarhandels berücksichtigen
Gleichzeitig betonen die deutschen Ölmühlen die herausragende Rolle des internationalen Agrarhandels für eine effiziente und ressourcenschonende Nutzung weltweit knapp werdender Agrarflächen. Eine zu starke Fokussierung auf eine regionale und heimische Nahrungsmittelproduktion in Deutschland wird dagegen kaum helfen, die Folgen des weltweiten Klimawandels wirksam einzudämmen. Denn: In einer hochgradig arbeitsteilig organisierten Agrarwirtschaft sichert die internationale Spezialisierung basierend auf dem Prinzip der Gunstregion eine effiziente Flächennutzung und die Ausschöpfung der Produktionspotentiale. Zudem hat sich trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage infolge der Corona-Pandemie bis jetzt gezeigt, dass die Versorgung der heimischen Märkte mit Speiseölen, Eiweißfuttermitteln und Ölsaaten aus den Ölmühlen weitestgehend reibungslos funktioniert.

Potential der neuen Züchtungstechnologien anerkennen
Unter SDG 2 "Kein Hunger" wird darauf verwiesen, dass "innovative Methoden in Pflanzenproduktion und Tierhaltung" einen wesentlichen Beitrag leisten können, um "die steigende Nachfrage nach hochwertigen Lebensmitteln in ausreichenden Mengen bei gleichzeitiger Ressourcenschonung zu decken" (Seite 88). Insbesondere die Neuen Züchtungstechnologien haben Potential, schnell Antworten auf drängende Aufgaben der Landwirtschaft zu geben wie den Umgang mit dem Klimawandel, Ernährungssicherung und mehr Nachhaltigkeit. Die große Bedeutung dieser Neuen Züchtungstechnologien wird durch die Verleihung des Nobelpreises für Chemie im Oktober dieses Jahres hervorgehoben. Diese Rolle gilt es insbesondere unter SDG 2 und SDG 15 "Leben an Land" zu würdigen.

Ölmühlen unterstützen entwaldungsfreie Lieferketten
Die deutschen Ölmühlen unterstützen die Bundesregierung bei der Eindämmung von Entwaldung aus Produktion und Import von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und begrüßen die im April 2020 veröffentlichten Leitlinien für entwaldungsfreie Lieferketten. Die OVID-Mitgliedsunternehmen haben sich zu entwaldungsfreien Lieferketten verpflichtet und setzen bereits verschiedene freiwillige Maßnahmen hierfür erfolgreich um. Die Lösungsansätze beinhalten u. a. die kontinuierliche Ausweitung luftbildgestützter Rück- verfolgbarkeit, das breite Angebot nachhaltig zertifizierter Rohstoffe sowie vielfach klar formulierte Regeln für Erzeuger und Lieferanten bei der Nicht-Einhaltung bestimmter Nachhaltigkeitsvorgaben. Für die Weiterentwicklung des politischen Engagements halten wir den Dialog mit den Erzeugerländern und wichtigen Importländern sowie die Anerkennung eines smart-mixes, der die vielen freiwilligen Initiativen der Wirtschaft anerkennt und darauf aufbaut,  für vielversprechend.

Wirksame menschenrechtliche Standards brauchen internationale Harmonisierung
Unsere Branche bekennt sich zu ihrer Verantwortung für die Achtung von Menschenrechten. Diese sind seit Langem Bestandteil unternehmenseigener Grundsätze und Lieferantenbeziehungen. Wir unterstützen daher die Bundesregierung bei der Umsetzung des SDG 8 "Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum" sowie des Nationalen Aktionsplanes Wirtschaft und Menschenrechte und damit den UN-Leitprinzipien von 2011. Für eine erfolgreiche Umsetzung menschenrechtlicher Standards halten wir jedoch eine Harmonisierung auf EU-Ebene, besser noch auf globaler Ebene, für unabdingbar.

Ackerbauliche Vorteile des Rapses bei Ackerbaustrategie stärken
Für die nachhaltige Transformation des Agrar- und Ernährungssystems in Deutschland verweist die Strategie auf die Diskussionen um die Ackerbaustrategie 2035, die als ein grundlegendes Ziel die Stärkung des Bodenschutzes und die Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit verfolgt. Wir betonen an dieser Stelle die herausragende Rolle des Rapses (u. a. Steigerung der Bodenfruchtbarkeit, Ernährung der Honigbienen, Erweiterung der Fruchtfolge mit hohem Vorfruchtwert und hohem Stickstoffbindevermögen) und verweisen mit Sorge auf den Einbruch des Rapsanbaus in Deutschland der vergangenen Jahre. Die handfesten ackerbaulichen Vorteile der Blattfrucht schlagen sich bisher bedauerlicherweise nicht in der Ackerbaustrategie nieder. Eine stärkere politische Unterstützung für die zugleich tragende Säule der Eiweißversorgung Deutschlands halten wir für mehr als geboten.
 
Nachhaltige öffentliche Beschaffung mit Pflanzenölen ermöglichen
Wir begrüßen, dass die nachhaltige öffentliche Beschaffung als neuer Indikator im Rahmen der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen wurde. Mit Blick auf die Bioökonomie- Strategie der Bundesregierung verweisen wir darauf, das große Innovationspotential biobasierter Produkte noch stärker anzuerkennen und insbesondere Pflanzenöle bei der öffentlichen Beschaffung zu berücksichtigen. Von Biokraftstoffen und Glycerin über Druckfarben und Schmierstoffe bis hin zu Kosmetika bieten Pflanzenöle hierbei ein breites Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten, um fossile Rohstoffe mehr und mehr zu ersetzen.

Freiwilligen Nutri-Score auf ernährungswissenschaftliche Basis heben
Die geplante Einführung des Nutri Score (siehe SDG 2 "Kein Hunger") muss sich auf ernährungswissenschaftliche Grundlagen stützen. Bei der Einordnung von gesundem Rapsöl, Sonnenblumenöl oder Olivenöl versagt die aktuelle Nährwertkennzeichnung jedoch, da alle Pflanzenöle und -fette pauschal in die Kategorien C oder D eingestuft werden. Ursache dafür ist, dass das derzeitige Berechnungsverfahren nur den Gesamtfettgehalt eines Lebensmittels sowie den Anteil gesättigter Fettsäuren berücksichtigt. Ernährungswissenschaftlich sinnvoller wäre jedoch auch die einfach ungesättigten und mehrfach ungesättigten Fettsäurespektren in Lebensmitteln einzubeziehen. Lebensnotwendige Fettsäuren werden vom Nutri Score in der gegenwärtigen Form schlicht übersehen — es besteht dringender Anpassungsbedarf der Berechnungsgrundlage des Nutri Score, um Widersprüche zwischen Nährwertdeklaration und Ernährungsempfehlung aufzulösen.

Verkehrswende mit nachhaltigen Biokraftstoffen gestalten
Biokraftstoffe leisten schon heute einen verlässlichen und belegbaren Beitrag zum Klimaschutz im Verkehr: Allein im Jahr 2018 haben sie offiziellen Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zufolge rund 9,5 Mio. t CO2äq. eingespart. Davon entfallen über 6 Mio. t Treibhausgasminderung auf Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse, die gleichzeitig zur Versorgung mit proteinreichen Futtermitteln beitragen. Diese futtermittel- produzierenden Biokraftstoffe unterliegen zudem einer global gültigen, strengen und unabhängigen Nachhaltigkeitszertifizierung durch externe, staatlich zugelassene Kontrollsysteme, die sicherstellt, dass die nationalen und europarechtlichen Vorgaben eingehalten werden.
Das beträchtliche Treibhausgasminderungspotential von Biokraftstoffen sollte insbesondere mit Blick auf das SDG 13 "Maßnahmen zum Klimaschutz" als Teil der Lösung neben anderen Ansätzen wie der Förderung von E-Mobilität oder wasserstoffbasierten Technologien im Verkehr verstanden werden. Um das Potential klimafreundlicher Kraftstoffe und Antriebe weiter zu entfalten, ist eine stufenweise Anhebung der THG-Quote nach dem BImSchG erforderlich. Der Vorteil der Quote liegt in ihrer Technologieoffenheit, d. h. sie nimmt keine Vorgaben vor, welche Kraftstoffe oder Antriebe eingesetzt werden müssen, um sie zu erfüllen: Die effizientesten Optionen setzen sich bei diesem Instrument folglich durch.

Ferner unterstützen wir die realistische Perspektive auf das Thema Elektromobilität, wie sie im Rahmen der Strategie auf Seite 252 gezeichnet wird:
"Einen wichtigen Beitrag zur Senkung von Treibhausgasemissionen soll nach dem Klimaschutzprogramm 2030 die Elektromobilität leisten. Die dafür derzeit erforderlichen Lithium-Ionen-Batterien haben ihrerseits einen CO2-Fußabdruck. Herausforderungen bestehen derzeit z.B. bei der Energieintensität sowie der Versorgung mit nachhaltig geförderten und weiterverarbeiteten Rohstoffen. Dies sind wesentliche Stellschrauben für den Beitrag der Elektromobilität zum Klimaschutz im Verkehrsbereich sowie zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele."
Für die Mammutaufgabe der Erreichung der deutschen Klima- und Nachhaltigkeitsziele werden alle verfügbaren Technologien eine zentrale Rolle spielen müssen. Geradezu elementar dazu gehören Biokraftstoffe und Elektrofahrzeuge; ohne sie ist die Zielerfüllung aussichtslos. Gleichwohl hat die Elektromobilität im Hinblick auf die Wahrung von Nachhaltigkeitskriterien noch Nachholbedarf.

Steigerung der Energieeffizienz und Vermeidung des Rückzuges wichtiger Industriesektoren
Als energieintensive Branche unterstützt die ölsaatenverarbeitende Industrie Forschung und Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung der Energieeffizienz. Förderprogramme zur weiteren Optimierung der Energieeffizienz müssen mit Blick auf die praxistaugliche Umsetzung und die wirtschaftliche Verfügbarkeit entsprechender Technologien ausgebaut werden. Gleichzeitig sollte bei Gesetzgebungsvorhaben stets geprüft werden, ob diese zu Lasten abwanderungsgefährdeter Sektoren erfolgen — auch unter der Prämisse, einen Export von Herausforderungen zur Nachhaltigkeit zu vermeiden und stattdessen effektive Problemlösungen an bestehenden Standorten zu entwickeln.

Die Entwicklung hin zu einem nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystem als einem der sechs Transformationsbereiche im Rahmen der Strategie kann nur durch die konstruktive und dialogorientierte Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten entlang der Lieferkette gelingen. Eine gemeinsame Kraftanstrengung von der landwirtschaftlichen Produktion in den Ursprungsländern bis zum Verbraucher an der Ladentheke ist hierfür erforderlich. Alle Akteure sind dabei aufgerufen, wissenschaftlich fundierte und überprüfbare sowie gleichzeitig praktikable und anreizorientierte Kriterien und Maßnahmen zu entwickeln, die die Eigenverantwortung der Unternehmen stärken. Letztendlich kann nachhaltiges Wirtschaften nur zielführend vorangetrieben werden, wenn alle drei Säulen der Nachhaltigkeit angemessen berücksichtigt werden.

Wir bedanken uns für die Berücksichtigung unserer Anliegen. Für Rückfragen und ergänzende Erläuterungen stehen wir jederzeit gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

OVID Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland e. V.
                                                                                             
                                                        
Dr. Gerhard Brankatschk                  Dr. Momme Matthiesen
Geschäftsführer                                Geschäftsführer