"Zurück auf diesem Eis zu sein, war ein unbeschreibliches Gefühl"

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Eindrücke aus der MOSAiC-Expedition "Zurück auf diesem Eis zu sein, war ein unbeschreibliches Gefühl"

Trotz Corona-Pandemie, ist die Polarforschung 2020 ein entscheidendes Stück vorangekommen. Es war das Jahr der größten Arktisexpedition aller Zeiten: der MOSAiC-Expedition. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt erforschten die Arktis im Jahresverlauf. Fünf von ihnen blicken auf ihre ganz besonderen Momente des Jahres 2020 zurück.

4 Min. Lesedauer

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Video zur MOSAiC-Expedition Eine Mission der Superlative

Im Herbst 2019 ließ sich der deutsche Eisbrecher Polarstern im Eis einfrieren und trieb mit der Eisdrift ein Jahr lang bis September 2020 quer über die nördliche Polarkappe. Verantwortlich für die Expedition war das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Fünf der über 300 MOSAiC-Forscherinnen und -Forscher berichten, was sie dabei besonders bewegt hat.

Prof. Dr. Markus Rex, Expeditionsleiter der MOSAiC-Expedition und Atmosphärenphysiker am Alfred-Wegener-Institut

Ein besonderer Moment des Jahres 2020 war, als ich im Frühsommer in der Nähe des Nordpols mit dem Hubschrauber von unserem Forschungseisbrecher Polarstern aus auf unsere Eisscholle und in unser Forschungscamp zurückkehrte – die gleiche Scholle, die ich in tiefster Polarnacht Ende 2019 verlassen hatte, und die ich nun zum ersten Mal im Licht des Polartags unter mir sah. Nach der Landung war ich bei lauen Null Grad in der Sonne auf jener Eisfläche unterwegs, die ich Monate zuvor in grimmiger Kälte und der undurchdringlichen Schwärze der Polarnacht verlassen hatte und die seitdem quer durch die Arktis gedriftet war. Ich erkannte Markierungsfahnen, die ich dort im Winter ins Eis gebohrt hatte, und auch einige Presseisrücken, die ich zur Orientierung genutzt hatte. Obwohl hier noch meine verharschten Fußspuren aus dem Winter im Schnee zu sehen waren, war ich in einer völlig anderen Welt. Das Bild vor meinen Augen ließ sich mit dem Bild aus dem Winter kaum zur Deckung bringen. Zurück auf diesem Eis zu sein, war ein unbeschreibliches Gefühl.

Dr. Stefanie Arndt, Meereisphysikerin am Alfred-Wegener-Institut

Meinen ganz besonderen Moment des Jahres 2020 habe ich auf der MOSAiC-Expedition erlebt. Während meiner Arbeiten auf dem Meereis konnte ich zusehen und zuhören, wie sich ein Eisrücken bildet. Der Moment, wenn sich aus ebenem Eis meterhohe Eisberge auftürmen, ist nicht nur ein faszinierendes Naturspektakel. Es ist vor allem Ausdruck der Zerbrechlichkeit und Veränderung des arktischen Meereises in Zeiten des Klimawandels. Es ist ein Ereignis, wo man hinschauen muss – denn wer weiß, wie lange wir das noch im Sommer erleben dürfen.

Bjela König, Sicherheitskoordinatorin Forschungsschiffe

Für mich persönlich und beruflich ist 2020 ein fantastisches Jah - in vielerlei Hinsicht. Das fing schon ganz zu Beginn des Jahres an, nämlich am 1.1.2020, als wir mit dem russischen Eisbrecher Kapitan Dranitsyn im norwegischen Tromsø einliefen. Es war ein irres Gefühl, nach dreieinhalb Monaten wieder an der Pier zu liegen, von der wir am 20.9.2019 mit der POLARSTERN abgelegt hatten, um zur MOSAiC-Expedition aufzubrechen. Meine persönliche Zeitrechnung war immer nur bis zu diesem Abfahrtstag gegangen, weil so viel vorzubereiten und zu bedenken war und mir einfach die ganze Zeit die Angst im Nacken gesessen hatte, dass ich irgendetwas Wichtiges vergessen hatte. Nie hatte ich auch nur einen winzigen Gedanken an die Rückkehr verschwendet, da diese viel zu weit weg war. Und dann habe ich an diesem Abend in Tromsø am 1.1.2020 auf einmal realisiert, dass wir den ersten Abschnitt von MOSAiC tatsächlich geschafft hatten. Es hat keine richtigen Pannen gegeben und noch viel wichtiger: keine schweren Verletzungen oder Unfälle. Ein großartiges Gefühl, gepaart mit der Freude darüber, Teil dieser Expedition zu sein. Hinzu kam bei der Ankunft in Tromsø auch die Aufregung auf die kommende Zeit zu Hause, da sich auch privat einiges für mich geändert hatte und ich mich, wie sich nun im Nachhinein herausstellt, auf ein fantastisches Jahr freuen konnte.

Christian Pilz, Doktorand im Bereich Experimentelle Aerosol-Mikrophysik am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e.V. (TROPOS)

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie stand die Fortführung der MOSAiC-Expedition auf der Kippe und damit mehrere Jahre der Vorbereitung unserer Ballon-Messungen sowie meine eigene Promotion. Die Freude darüber, den Ballon das erste Mal über der Eisscholle fliegen zu sehen und endlich die ersten Daten mit meiner eigens entwickelten Messplattform zu sammeln, war schließlich umso größer. Häufig war die Konzentration kleinster Aerosol-Partikel in der Arktischen Atmosphäre in bis zu 1.000 Metern Höhe um ein Vielfaches größer als am Boden. Was bisher nur vermutet wurde, konnte mit den Messungen von nie dagewesener Genauigkeit nachgewiesen werden und hat damit geholfen, die Ursachen für die drastische Erwärmung der Arktis besser zu verstehen.

Dr. Clara Hoppe, Marine Biogeowissenschaftlerin am Alfred-Wegener-Institut

Mein unvergesslichster Augenblick in 2020 hat im Februar auf dem russischen Eisbrecher Kapitan Dranitsyn stattgefunden. Nach wochenlangem Bangen darüber, ob wir es schaffen würden, mit dem vorhandenen Treibstoff der Kapitan Dranitsyn durch das dicke Eis der Polarnacht weit genug in die Zentralarktis vorzudringen, tauchten endlich die Lichter des Forschungsschiffes "Polarstern" vor uns in der Dunkelheit auf. In diesem Moment war da eine riesige Freude und Erleichterung, dass wir unsere jahrelang vorbereiteten wissenschaftlichen Arbeiten tatsächlich würden durchführen können. Und das zu einer Jahreszeit, in der das sonst schier unmöglich ist - eine wirkliche once-in-a-lifetime Chance!