7. Agrarkongress des BMUV
Es brauche „einen Schulterschluss von Umwelt und Landwirtschaft“, um die aktuellen Krisen zu bewältigen, das betonten Bundesministerin Steffi Lemke und Bundesminister Cem Özdemir zur Eröffnung des Kongresses, auf dem Maßnahmen für eine krisensichere und nachhaltige Landwirtschaft diskutiert wurden. Ein besonderer Fokus lag auf dem Bodenschutz.
5 Min. Lesedauer

Intakte Böden bilden die Grundlage für eine nachhaltige und ertragreiche Landwirtschaft
Foto: picture alliance / dpa
Der 7. Agrarkongress des Bundesumweltministeriums (BMUV) stand unter dem Motto: „Lebensgrundlagen schützen, Krisen begegnen“. Die akuten Krisen - Klimakrise, Artensterben und Umweltbelastungen - bedrohen die natürlichen Lebensgrundlagen und sind damit auch für die Landwirtschaft problematisch. Gerade deshalb ist eine gemeinsame Allianz von Umwelt- und Landwirtschaftspolitik geboten.
Dazu gehöre „Nährstoffüberschüsse sowie die Verwendung und das Risiko von Pestizideinsätzen bis 2030 zu halbieren, durch ökologische Ansätze und Produktionsweisen die Landwirtschaft widerstandsfähiger zu machen und den Schutz der Böden als natürliche Lebensgrundlage mit einer großen biologischen Vielfalt voranzutreiben“, so Bundesumweltministerin Steffi Lemke.
Wälder zukunftsfest machen
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hob hervor: „Wir schaffen die Voraussetzungen, damit sich die Leistungen der Landwirtschaft für mehr Nachhaltigkeit lohnen. So werden wir bei der EU-Agrarpolitik Zahlungen Schritt für Schritt an den Kriterien Klima-, Umwelt-, Arten- und Tierschutz ausrichten. Und mit dem 900 Millionen Euro starken Wald-Klima-Paket unterstützen wir die Waldbesitzenden dabei, unsere Wälder zukunftsfest zu machen.“
Im Zentrum des Agrarkongresses stand die Bedeutung lebendiger und fruchtbarer Böden für eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung. Professorin Gabrielle Broll von der Universität Osnabrück machte deutlich, dass dieses Thema bisher zu wenig Aufmerksamkeit bekomme. Wie steht es also heute um unsere Böden und welche Rolle spielen sie beim Klimaschutz und dem Erhalt der Biodiversität?
Als Boden wird die oberste, belebte Schicht der Erdkruste bezeichnet. Diese entsteht durch die Verwitterung von Gestein und den Abbau organischer Substanz, wie abgestorbener Pflanzenteile. Dieser Prozess braucht viel Zeit. Ein Zentimeter Boden bildet sich in etwa 200 bis 300 Jahren. Ein Bestandteil des Bodens ist der Humus. Er entsteht durch die Zersetzung organischer Substanz durch Mikroorganismen und ist sehr nährstoffreich. Außerdem enthält er große Mengen an Kohlenstoff.
• Bei der Entstehung von Boden werden im Gestein enthaltene Minerale für Pflanzen verfügbar gemacht. Auch Nährstoffe aus anderen Quellen werden im Boden gespeichert. Diese Eigenschaft ist besonders für die Landwirtschaft von großer Bedeutung.
• Der Boden ist von vielen Poren durchzogen. In diesen Hohlräumen kann Wasser gut gespeichert werden. Ein Kubikmeter Boden kann bis zu 200 Liter Wasser aufnehmen. Bei der Verdunstung dieses Wassers wird die Umgebung gekühlt.
• Die verschiedenen Bestandteile des Bodens filtern Regenwasser. So bleiben Verunreinigungen und Schadstoffe im Boden und gelangen nicht ins Trinkwasser. Gewisse Schadstoffe können im Boden dann neutralisiert werden.
• Der Boden ist nach den Ozeanen der größte Kohlenstoffspeicher der Welt. Allein der Humus bindet dreimal mehr Kohlenstoff, als alle Pflanzen und Tiere zusammen. Besonders Moore können große Mengen an Kohlenstoff speichern.
• Der Boden bietet diversen Organismen einen Lebensraum. Zwei Drittel aller Arten, die es auf der Welt gibt, leben im Boden. Sie lockern den Boden auf und durchmischen die verschiedenen Bodenschichten. In einem Teelöffel Boden leben mehr Organismen, als es Menschen auf der Erde gibt
• Böden sind Teil eines Kreislaufes, bei dem abgestorbene organische Substanz (etwa Pflanzenteile) zersetzt wird und die darin enthaltenen Nährstoffe den Lebewesen wieder verfügbar gemacht werden.
• Im Boden sind viele Rohstoffe enthalten, die vom Menschen genutzt werden.
• Außerdem konservieren Böden Artefakte aus vergangener Zeit. Ein Großteil unseres Wissens über frühere Kultur- und Lebensformen speist sich aus archäologischen Bodenfunden.
Böden bilden unsere Lebensgrundlage und machen den Anbau von Lebensmitteln, aber auch Siedlungsbau erst möglich. Doch sie sind diversen Gefahren ausgesetzt.
• Durch Überweidung und übermäßige Abholzung fehlen Wurzeln, die den Boden festhalten. Der Boden kann dann durch Regen oder Wind schneller Abgetragen werden. So gehen jedes Jahr allein durch Regenfälle viele Milliarden Tonnen fruchtbaren Bodens verloren.
• Die Verdichtung des Bodens durch schwere (Landwirtschafts-) Maschinen hat diverse negative Auswirkungen. In den verdichteten Böden können weniger Organismen leben, was Probleme bei der Humusbildung verursachen kann. Bei starkem Regen kann verdichteter Boden nur einen Teil des Wassers aufnehmen und es kann zu Überflutungen kommen. Ähnliche Auswirkungen hat die Versiegelung von Böden
• Böden sind durch diverse Chemikalien belastet. Pestizide beeinträchtigen Pilze und Mikroorganismen im Boden beim Aufbau von Humus. Auch zu starke Düngung und Abwassereintrag haben negative Auswirkungen auf die Lebewesen des Bodens.
Steffi Lemke betonte auf dem Agrarkongress die Wichtigkeit intakter Böden: „Ich will den Bodenschutz entschlossen vorantreiben: Eine nachhaltige, bodenschonende Landwirtschaft muss zum neuen Standard werden. Im Rahmen der Klimavorsorge will ich Böden schützen vor Verdichtung, Erosion, Humusverlust und wo immer möglich dafür sorgen, dass gesunde Böden wiederhergestellt werden.“
Die Bundesregierung wird ein „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ auflegen, für das bis 2026 vier Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Inhalt dieses Programms sind unter anderem der „Schutz unserer Böden als Kohlenstoffspeicher“ und die Wiedervernässung von Mooren.
Eine Maßnahme ist hierbei die Förderung von Dauergrünland. Diese Flächen bieten vielen Arten einen Lebensraum und verringern das Erosionsrisiko. Auch soll bis 2030 auf 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch gewirtschaftet werden. So sollen der Humusaufbau auf diesen Flächen gefördert und die CO2-Emissionen reduziert werden.
Außerdem werden derzeit Änderungen am Bodenschutzrecht geprüft und eine Bodenschutzregelung auf europäischer Ebene vorangebracht.
Jeden Tag werden in Deutschland 54 Hektar neu als Siedlungs- und Verkehrsflächen ausgewiesen. Die Bundesregierung möchte diesen Wert bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar senken und bis 2050 mit einer „Flächenkreislaufwirtschaft“ keine fruchtbaren Böden und andere Flächen mehr neu verbrauchen. Zudem soll die Bodenentsiegelung vorangetrieben werden. Auf entsiegelten Flächen kann Regenwasser besser versickern, was zu einer Verminderung des Hochwasserrisikos führt.
Bei der Weltnaturkonferenz in Montreal wurde ein Aktionsplan zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt im Boden beschlossen. So soll die Gefährdung durch Pestizide bis 2030 um 50 Prozent sinken. Dies käme auch den bodenbewohnenden Organismen und damit den Böden insgesamt zugute.
Auch jede und jeder Einzelne kann durch das eigene Verhalten den Boden schützen. Ob durch die Verwendung torffreier Erde im eigenen Garten oder die persönlichen Konsumentscheidungen. Mehr Informationen dazu finden sich im Leitfaden des Umweltbundesamtes „Boden schützen leicht gemacht“.