Vom Smartphone beschützt

Hightech-Strategie Vom Smartphone beschützt

Per Smartphone auf Schritt und Tritt überwacht: Die Erfassung von Bewegungsdaten schreckt in der Regel ab. Bei Großveranstaltungen hilft dies jedoch, Menschenmassen sicher zu leiten. Forscher nutzen das im Rahmen des Zukunftsfeldes "Digitale Wirtschaft und Gesellschaft" der Hightech-Strategie.

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Londoner Polizist mitLaptop

Gefahrenabwehr am Computer

Foto: DFKI

Smartphones haben die Olympischen Spiele in London 2012 sicherer gemacht, ebenso wie die Amtseinführung des niederländischen Königs Willem-Alexander im April 2013. Wie schwierig es ist, große Menschenmengen so zu leiten, dass durch zu starkes Gedränge keine Panik entsteht, hat die Katastrophe auf der Love Parade in Duisburg 2010 deutlich gemacht.

Smartphone-Apps bei Olympia

Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz nutzte erstmals beim Olympia-Marathon in London Smartphones-Apps. Projektleiter Paul Lukowicz nennt sie Event-Apps. Das sind Handy-Programme, die Veranstalter für Großereignisse ohnehin heute schon oft erstellen.

Die Nutzer speichern dabei ihre Eintrittskarten und erhalten nützliche Informationen zum Ereignis, beispielsweise Stadtpläne. Sie erfahren, dass man sie über Gefahren warnen kann, vorausgesetzt, sie haben der Nutzung ihrer anonymisierten Positions- und Bewegungsdaten zugestimmt.

Selbst wenn nur drei Prozent der Besucher einer Massenveranstaltung mit einer Datenweitergabe einverstanden sind, reicht das völlig aus, um zu ermitteln, wo möglicherweise eine Gefahr droht. Von der halben Million Besucher der Amtseinführung des niederländischen Königs am 30. April 2013 luden 72.000 Personen die App auf ihr Mobiltelefon. 48.000 davon stimmten der Datenweitergabe zu.

Bewegungsdaten auswerten

Crowd Sensing nennt sich diese Technik. Die Sensoren im Gerät erfassen die Bewegungsdaten einzelner Personen und können so einschätzen, wo sich im Moment und in naher Zukunft wie viele Menschen aufhalten.

Menschenmengen symbolisiert in Stadtplan angezeigt

Computer zeigt, wo sich die größten Menschenmengen finden

Foto: DFKI

Die Daten landen auf einem zentralen Rechner und werden von Sicherheitskräften ausgewertet. Auf einem Stadtplan wird die Menge der Menschen dargestellt. Die Höhe und Farbe von eingeblendeten Balken signalisiert, ob wegen großen Andrangs Gefahr droht. Zu erkennen ist ebenso, wenn sich größere Menschenmengen aufeinander zu bewegen. Die Karte wurde in London auch mit den Überwachungskameras im öffentlichen Raum gekoppelt. So gab es auch Bilder vom Geschehen am Ort.

Die Forscher arbeiten ebenfalls daran, Vorhersagen aus Kommunikationsdaten abzuleiten. So lässt sich registrieren, wie viele Leute aus der App eine bestimmte Wegbeschreibung anfordern oder nach dem besten Transportmittel zu einem bestimmten Ort fragen. Kombiniert man den Zeitpunkt der Anfragen mit den Wegzeiten, lässt sich vorhersagen, an welcher Stelle es bald zu einem Gedränge kommen kann.

Kommunikation mit Besuchern

Über die App können die Sicherheitskräfte die Besucher direkt ansprechen. Ein Kommunikationskanal richtet sich an alle. Darüber bekommen sie Informationen über die Veranstaltung oder einen Überblick über die Verkehrssituation.

Smartphone-Ansicht Marathon London

Information auf dem Smartphone zum Marathon

Foto: DFKI

Die Sicherheitskräfte können sich aber auch ganz gezielt an Besucher in einem bestimmten Bereich wenden. Sie klicken auf der Übersichtskarte einen bestimmten Bereich an und schicken den Menschen dort eine Nachricht auf das Smartphone. Diese Nachricht kann sie auffordern, das Areal zu verlassen oder in eine bestimmte Richtung zu gehen oder bestimmte Orte zu meiden.

"Die U-Bahn-Station, die Sie gerade ansteuern, ist überfüllt. Gehen Sie bitte zu einer anderen Station." Durch solche Nachrichten sollen Großereignisse reibungslos ablaufen.

Olympia 2016

Ein ganz großes Ereignis, die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro, hat zum deutsch-brasilianischen Gemeinschaftsprojekt RESCUER geführt. Hier arbeiten neun Institutionen unter Leitung des Fraunhofer Institut für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern und der Universität im brasilianischen Salvador da Bahia zusammen. Das Krisen- und Notfallsystem wird Besucherinnen und Besuchern ermöglichen, mit ihren Smartphones ständig oder nach Bedarf bestimmte Daten an die Einsatzleitstellen zu schicken. Aus diesen Daten berechnet das System eine Einschätzung der Lage.

Karina Villela vom Fraunhofer Institut erläutert, dass es darum geht, dass eine Menschenmenge freiwillig eine Aufgabe übernimmt. Menschen werden Mittel an die Hand gegeben, mit denen sie aktiv dazu beitragen können, ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten.