Energie, Blockchain, Start-Ups: das empfehlen die Experten

Jahresgutachten Forschung und Innovation 2019 Energie, Blockchain, Start-Ups: das empfehlen die Experten

Höhere Steuern auf Kohlenstoffemissionen, steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung in kleinen und mittleren Unternehmen, Stärkung von Blockchain-Technologien und Start-Ups: Das sind die Empfehlungen der Expertenkommission Forschung und Innovation, die Kanzlerin Merkel entgegen genommen hat.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Übergabe des Gutachtens der Expertenkommission "Forschung und Innovation" (EFI) im Bundeskanzleramt.

Die Kommission macht Empfehlungen zu technologisch-wissenschaftlichen Zukunftsfragen.

Foto: Bundesregierung/Eckel

"Wir brauchen nachhaltige Lösungen für Mobilität, Wärme und Industrie. Dafür sind technologische, aber auch soziale, ökonomische und regulatorische Innovationen die Grundlagen", sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek bei der Übergabe des Jahresgutachtens für Forschung und Innovation 2019 an Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Die Expertenkommission Forschung und Innovation berät die Bundesregierung in technologisch-wissenschaftlichen Zukunftsfragen. In ihrem Gutachten analysiert sie das deutsche Forschungs- und Innovationssystem sowie die technologische Leistungsfähigkeit und gibt Empfehlungen zu aktuellen Herausforderungen. Einmal jährlich legt sie der Bundesregierung ein Gutachten vor.

"Mit Vorhaben wie den Kopernikus-Projekten für die Energiewende ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zentraler Impuls- und Ideengeber innerhalb der Bundesregierung. Die Bundesregierung stellt die digitale Transformation in den Mittelpunkt ihrer Forschungs- und Innovationspolitik", ergänzte Karliczek in ihrer Rede.

CO2-Steuer befördert Energiewende

Um Innovationen für die Energiewende zu befördern, hält die Kommission eine CO2-orientierte Steuerreform für dringend erforderlich. Sie schlägt außerdem vor, den Ausbau der erneuerbaren Energien mit Energieeinsparungen und Verbesserungen der Energieeffizienz zu kombinieren.

Das deutsche Energiesystem kann aus Sicht der Kommission ohne innovative Technologien nicht kohlenstoffärmer werden - sowohl, was die Versorgungssicherheit angeht, als auch in Bezug auf die Bezahlbarkeit von Energie.

"Aus der unzureichenden CO2-Bepreisung von Energieträgern entsteht ein Wettbewerbsnachteil für die Nutzung klimafreundlicher innovativer Technogien und Geschäftsmodelle", sagt Professor Christoph Böhringer von der Universität Oldenburg, einer der Gutachter. Damit werde der Einsatz von klimafreundlichem Strom aus erneuerbaren Energien in den Sektoren Verkehr und Gebäude erschwert.

Klimaschädlichkeit bestimmt Abgaben und Umlagen

Für die aus Klimaschutzgründen dringend gebotene Energiewende zu einem CO2-freien Energiesystem müssten nicht nur konventionelle Kohle- und Gaskraftwerke durch erneuerbare Energien in der Stromerzeugung ersetzt werden. Es bestehe auch dringender Handlungsbedarf in weiteren Sektoren, die für zwei Drittel der der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich sind: bei Gebäuden, im Verkehr und in der Industrie.

"Viele der aus Sicht von Fachleuten wichtigen Technologien und Geschäftsmodelle sind heute schon marktreif" schreibt die Kommission. "Um diese innovativen und klimafreundlichen Technologien und Geschäftsmodelle zu stärken, müssen Steuern, Abgaben und Umlagen auf Energie über alle Wirtschaftssektoren an der Klimaschädlichkeit bzw. dem CO2-Gehalt von Energieträgern ausgerichtet werden", so die Gutachter. Eine CO2-orientierte Steuerreform solle sozialverträglich gestaltet werden.

Förderung von Forschung und Entwicklung besonders nützlich für kleine und mittlere Unternehmen

"Deutschland sollte Forschung und Entwicklung (FuE) in kleinen und mittleren Unternehmen steuerlich fördern und hier zu den meisten Industriestaaten aufschließen", erklärt der Vorsitzende der Expertenkommission, Professor Dr. Dietmar Harhoff vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb.

"Aufgrund der international vorliegenden wissenschaftlichen Nachweise zu den positiven Effekten dieser Förderung ist das ein Muss und ergänzt die bestehenden und bewährten direkten Projektförderungsmaßnahmen."

Die Kommission plädiert dafür, die steuerliche Förderung zunächst nur auf KMU mit bis 249 Mitarbeitern einzuführen. Diese seien in besonderem Maße von Finanzierungsproblemen betroffen und zudem stark auf steuerliche Förderung angewiesen.

Zu den Kosten für die steuerliche Förderung betont Harhoff, "dass jedem Euro Steuermindereinnahmen im Mittel zusätzlich mobilisierte private FuE-Aufwendungen von 1,33 Euro als positive Wirkung gegenüber stehen."

Chancen von Blockchain nutzen

Die Experten betonen die besondere Bedeutung der Blockchain-Technologie für das unveränderbare und fälschungssichere digitale Speichern und Übertragen von Daten. Die für den Sommer geplante Strategie sollte Schnittstellen mit anderen digitalpolitischen Strategien der Bundesregierung wie der Strategie für Künstliche Intelligenz (KI) benennen.

Unter Blockchain versteht man eine dezentrale Datenbank, bei der die Liste von Transaktionsdatensätzen chronologisch linear erweitert wird. Das funktioniert etwa wie bei einer Kette, an deren unteren Ende ständig neue Elemente hinzugefügt werden (daher auch der Begriff "Blockchain" = "Blockkette"). Damit können große Datenmengen dezentral verschlüsselt und verwaltet, dazu Kosten für IT-Infrastruktur eingespart werden.

"Deutschland befindet sich in einer aussichtsreichen Position, um die Entwicklung der Blockchain-Technologien mit zu gestalten und wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenziale zu realisieren", so Professor Harhoff. Dieser aktuelle Standortvorteil sollte von der Politik als Hebel verwendet werden, um die weitere Entwicklung und Anwendung der Blockchain-Technologien in Deutschland zu fördern.

Derzeit gebe es bereits Pilotprojekte, in denen daran gearbeitet werde, mit Hilfe von Blockchain-Technologien finanzielle Transaktionen abzuwickeln, Stromhandel dezentral zu organisieren, digitale Identitäten zu verwalten, den Informationsfluss zwischen Behörden zu unterstützen oder Regulierungsbehörden und Unternehmen die Einhaltung von Berichtspflichten zu erleichtern.

Digitalisierung von Hochschulen

An die Hochschulpolitiker richten die Wissenschaftler die Empfehlung, die Hochschulen mittels Einführung einer Digitalisierungspauschale pro Studentin bzw. Student zu unterstützen und die Entgeltordnung zu ändern, um mehr IT-Fachkräfte zu gewinnen. Der Fachkräftemangel sei ein zentrales Hindernis für die Digitalisierung der Hochschulen.

Die Kommission schlägt den Hochschulen vor, eine Digitalisierungsstrategie mit klar definierten Zielen sowie einen darauf abgestimmten Implementierungsplan auszuarbeiten. Diese sollte mit der von der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) wiederholt geforderten Profilbildung an Hochschulen Hand in Hand gehen.

Start-Up-Ökosysteme weiter stärken

Start-Ups verfolgen neue Geschäftsmodelle und modernisieren mit ihren Innovationen das Angebot von Produkten und Dienstleistungen. Solche Unternehmen in der ersten Gründungsphase kommen oft aus der Wissenschaft und spielen deshalb eine wichtige Rolle beim Transfer von Erkenntnissen und Technologien in die Praxis.

Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sind auch für Start-Ups ein wichtiges Instrument, um Fachkräfte zu gewinnen und an sich zu binden. Um die Rechtssicherheit bei der Einführung solcher Programme zu erhöhen, raten die Experten, dass Start-Up-Verbände in Abstimmung mit Bundesbehörden möglichst rechtssichere Standardverträge für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme entwickeln.

Start-Ups schaffen nicht nur neue Arbeitsplätze, sie sind auch Impulsgeber für Innovationen in etablierten Unternehmen. Weil sie Probleme haben, Wagniskapital zu bekommen, schlägt die Kommission vor, Anreize für institutionelle Anleger zu setzen, stärker in Wagniskapital zu investieren.

Gründungskultur stärken

Start-Ups entwickeln sich dort besonders gut, wo sie ein funktionierendes Ökosystem mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AUF) mit etablierten Unternehmen, Investoren und anderen Start-Up-Gründern vorfinden.

Deshalb raten die Experten der Bundesregierung, die Gründungskultur an allen Hochschulen weiter zu stärken und die Gründungsausbildung in allen Studiengängen zu verankern. "Wenn wir den Innovationsstandort Deutschland stärken wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen für Gründungen und das Wachstum von Start-Ups weiter verbessern", schreibt die Kommission.