Ein Kamerabild allein reicht nicht

Sicherheitsforschung Ein Kamerabild allein reicht nicht

Sind wir sicher, wenn sensible Bereiche mit Kameras überwacht werden? Was haben technologische Innovationen mit der Sicherheit von Menschen zu tun? In vier Folgen stellen wir beeindruckende Projekte der Sicherheitsforschung vor – ein Baustein der Hightech-Strategie der Bundesregierung.

3 Min. Lesedauer

Überwachungskamera am Flughafen

Auffälliges nicht nur sehen, sondern auch bemerken

Foto: picture-alliance / Photoportal

Der alte Herr braucht etwas Kraft, um die Tür zu öffnen. Irgendwo müssen doch die Toiletten sein. Hinter der Tür öffnet sich ein breiter Gang – und gleich geht eine Sirene los. Sicherheitskräfte eilen herbei. Es war ein Notausgang, direkt im Blickfeld von einer der 1.700 Kameras, die den Münchener Flughafen überwachen.

Wann reagieren Menschen auf ein Kamerabild?

Reagieren Sicherheitskräfte immer sofort, wenn sie etwas Auffälliges auf dem Monitor sehen? Leider nicht, denn um 1.700 Kamerabilder ständig zu überwachen, brauchte es viele Menschen. Sollen die vielen Kameras also nur ein Sicherheitsgefühl erzeugen? Oder dabei helfen, Straftaten im Nachhinein aufzuklären? 

Kamera rekonstruiert die Größe von Personen nach dem Kamerabild

Kamera rekonstruiert die Größe von Personen nach dem Kamerabild

Foto: sive

Auffälliges erkennen

Damit das System von selbst weitere – und sehr verschiedene – Auffälligkeiten  erkennen kann, ist die Wissenschaft gefragt. So fördert das Bundesforschungsministerium im Projekt "Verbesserung der Sicherheit von Verkehrsinfrastrukturen" (SiVe) Forschungen zur Bilderkennung. Der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS leitet das Verbundprojekt. Beteiligt sind unter anderem der Flughafen München, das Fraunhofer Anwendungszentrum Logistiksystemplanung Informationssysteme und die TU München.

Das Projekt arbeitet daran, Videobilder automatisch auszuwerten. Bei kritischen Ereignissen löst es Alarm aus. Wollte etwa jemand eine der Rollbrücken über die Straße sprengen, würde er vermutlich eine Bombe aus dem vorbeifahrenden Auto werfen oder abstellen. Das neue System registriert, wenn ein bewegtes Objekt etwas abstellt, sich dann entfernt und das abgestellte Objekt unbeweglich bleibt. Sofort erscheint das Videobild auf dem Monitor.

Personen erkennen und wiedererkennen

Eine weitere Anwendung, an der die Forscher derzeit arbeiten, hilft dabei, eine Person oder einen Gegenstand wiederzufinden. 

3D-Modell einer Person mit verschiedenen Gepäckstücken

Computer unterscheidet Gepäckstücke

Foto: sive

Beispielsweise kommt die Meldung an, ein Terrorist mit grüner Jacke und blauem Koffer befinde sich auf dem Flughafen. Die Bilderkennungssoftware soll nun die Bilder aller in Betracht kommenden Kameras aktuell und rückwirkend auf eine verdächtige Person durchsuchen.

Zunächst das Video vom Eingangsbereich. Hat eine Person, auf die diese Beschreibung zutrifft, den Flughafen tatsächlich betreten? Wie sieht sie genau aus? Und wo steht sie gerade? Kein Mensch wäre in der Lage, in der gebotenen Eile alle in Betracht kommenden Aufnahmen durchzusehen. Vor allem dürfte niemand in der Lage sein, alle in Frage kommenden Kamerabilder nach der Person zu durchsuchen.

Die Forscher haben ein System entwickelt, das immer Menschen zusammen mit Gepäckstücken sucht. Aus den bewegten Kamerabildern errechnet der Computer ein dreidimensionales Modell dieser Kombination aus Person und Gepäckstücken. Bei der Suche nach dem Mann mit grüner Jacke und blauem Koffer bietet der Computer dann dem Sicherheitspersonal eine Liste von Bildern von koffertragenden, grün gekleideten Personen an.

Computer entscheiden nicht

Vier Bilder aus Überwachungskameras mit Personen die einem Suchkriterium entsprechen

Computer bietet Bilder von Menschen mit roten Koffern an

Foto: sive

Bei aller Begeisterung ist sich Dirk Dickmanns, Projektleiter bei EADS, sicher: Auch auf längere Sicht werden Computer nicht selbstständig Entscheidungen treffen können. Sie bieten dem Menschen ein Bild an, weil sie schneller suchen können. Entscheiden können sie dagegen nicht. Dafür braucht es weiterhin eine menschliche Sicherheitskraft.

Das Teilprojekt "Bildbearbeitungsbasierte Sicherheitstechnologien" im Projekt SiVe ist eines von mehreren vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekten im Themenfeld "Schutz von Verkehrsinfrastrukturen".

Die Forschungsvorhaben suchen nach neuen Erkenntnissen, wie sich die verschiedenen Verkehrsträger besser schützen lassen: von Straßen und Schienen über Luftverkehrswege bis zu Wasserstraßen. Sie sind stark vernetzt und daher fachübergreifend konzipiert. Dabei geht es auch um ethische, psychologische und organisationswissenschaftliche Fragestellungen.

Als vor kurzem Jugendliche einen Mann auf einem Berliner U-Bahnhof schwer verletzten, fragte die Presse, warum denn trotz der Kameras auf dem Bahnhof niemand eingegriffen hat. Die Kameras nahmen den Vorgang auf, niemand sah dies jedoch. Ein Fehlverhalten der Beschäftigten? Sicher nicht, denn zur Überwachung aller Kameras auf Berliner U-Bahnhöfen wären eine riesige Anzahl von Mitarbeitern notwendig. Also wozu dann die Kameras?

Zunächst dazu, um den Täter zu identifizieren und zu fassen. Dem Opfer hilft dies allerdings wenig. Auch hier wäre Bilderkennung erforderlich. Und daran wird tatsächlich gearbeitet. Das Programm müsste die Bewegungen des Videobildes auswerten und alle normal schnellen Bewegungen der Fahrgäste herausfiltern. Welche Bewegungen sind typisch für eine Gewalttat? Diese wären zu identifizieren. Viel Arbeit für die Forscherinnen und Forscher.