Die Sinne von Tieren nutzen

Perlen der Forschung Die Sinne von Tieren nutzen

Tiere haben Sinnesorgane, mit denen sie die Welt anders wahrnehmen. Sie erkennen Dinge, die der Mensch nicht sieht. Wie man aus dem Verhalten von Tieren Rückschlüsse auf viele Umweltaspekte ziehen kann, untersuchen Ornithologen der Max-Planck-Gesellschaft.

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Wikelski und ein Helfer bringen einen Sender an einem Schaf an.

Tierforscher Wikelski montiert einen Sender bei einem Schaf

Foto: Wikelski/ORN-MPG

"Wir wollen die Welt verstehen - und zwar in Echtzeit". So begründet Martin Wikelski, Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie, das Projekt ICARUS (International Cooperation for Animal Research Using Space) bei seinem Vortrag für die Bundeskanzlerin im Januar 2017. Er erzählt von der Kuh Berta im Stall von Giovanni in Italien. Sie ist eines von vielen Tieren, die für ihn die Umwelt beobachten.

Perlen der Forschung mir Bundeskanzlerin Merkel.

Wikelski erläutert der Bundeskanzlerin sein Projekt

Foto: Ausserhofer/MPG

Andere Wahrnehmung

Tiere haben seit Millionen von Jahren entwickelte Sensoren, mit denen sie die Welt teilweise ganz anders wahrnehmen als wir. Wenn wir verstehen, was Tiere uns sagen wollen, könnten wir die Welt besser verstehen. Das wiederum lässt sich nur aus ihrem Verhalten erschließen. Also müssen wir sie und vor allem ihre Bewegungen genau registrieren.

Das geschieht bisher mit größeren Geräten am Halsband der Kuh, bald aber mit nur wenige Gramm schweren Sendern, die auch an einem Ohrclip sitzen können - nicht viel größer als ein Eurocent-Stück. Bald werden diese Geräte noch kleiner werden, so dass sich selbst Heuschrecken damit versehen lassen. Bald werden tausende von Zugvögeln, Nutztieren und anderen Tieren mit diesen Geräten ausgestattet, die sie in ihrer Lebensweise nicht beeinträchtigen.

Beobachtet aus dem Weltraum

ISS - International-Space-Station

Internationale Raumstation ISS

Foto: NASA

Das Gerät enthält ein GPS-Modul, mit dem sich der Aufenthaltsort des Tieres bis auf wenige Meter genau ermitteln lässt. Andere Sensoren erfassen Beschleunigung, Erdmagnetfeld, Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Die Daten werden mit einem winzigen Sender direkt an die Internationale Raumstation ISS gesendet. Eine dort für das Projekt installierte Antenne empfängt die Daten von Berta und tausenden weiteren Tieren, die einen solchen Sender tragen. Die Daten werden gespeichert und gelangen zu einem geeigneten Zeitpunkt an eine Empfangsstation auf der Erde, wo die Daten zur Auswertung zur Verfügung stehen.

Perlen der Forschung

Kuh Berta mit Sender

Foto: Wikelski/ORN-MPG

Inzwischen kann jeder auf diese Daten zugreifen, die in der Datenbank movebank gespeichert sind. So ist es möglich, die Routen bestimmter Zugvögel grafisch darzustellen. Mit Hilfe dieser Daten können Forscher zahlreiche Fragen zum Verhalten der Tiere beantworten. Welche Wege wählen Zugvögel oder Fledermäuse? Unter welchen Bedingungen machen sie Umwege? Inzwischen können die Forscher aus dem Flugverhalten Rückschlüsse nicht nur auf Wind und Wetter, sondern auch auf andere Umweltfaktoren ziehen.

Wichtige Hinweise liefern die Daten für den Artenschutz. Denn je mehr wir über eine Tierart wissen, desto besser können wir sie schützen. Das gilt vor allem für Tiere, die viel unterwegs und damit vielen Gefahren ausgesetzt sind.

Blinde Passagiere

Perlen der Forschung

Truthahn erhält einen Sender

Foto: Wikelski/ORN-MPG

Aber auch für den Schutz der Menschen können die Daten etwas leisten. Viele Krankheitserreger legen als blinde Passagiere von Zugvögeln, Meerestieren oder Huftieren weite Strecken zurück. Wenn man die Routen kennt, kann man besser vorhersagen, wo Epidemien drohen. So kann die Beobachtung afrikanischer Flughunde beispielsweise helfen, Ebola-Epidemien vorherzusagen. Das Verhalten von Störchen kann helfen festzustellen, wo sich Heuschreckenschwärme bilden.

Aktuelle Untersuchen laufen derzeit vor allem bei Nutztieren. Erste Erkenntnisse lassen vermuten, dass sich aus ihrem Verhalten Rückschlüsse auf drohende Naturkatastrophen ziehen lassen. Wenn es den Forschern gelingt, typisches Verhalten zu identifizieren, das auf ein Ereignis hindeutet, könnte ein daraus abgeleitetes Frühwarnsystem möglicherweise Menschenleben retten. Offenbar sind die Sensoren von Tieren den derzeit verfügbaren technischen Mitteln der Katastrophenvorhersage überlegen.