Computer verstehen die Realität

Perlen der Forschung Computer verstehen die Realität

Computer müssen Bilder und Filme nicht nur aufzeichnen können, sondern sie auch verstehen. Nur dann sind Anwendungen wie computeranimierte Filme, selbst fahrende Autos oder das Training von Robotern möglich. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Informatik haben hier bahnbrechende Ergebnisse erzielt.

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Franziska Müllers sitzt vor ihrem Computer im Max-Planck-Institut für Informatik, Saarbrücken.

Der Computer von Franziska Müller, Doktorandin am Max-Planck-Institut, erkennt Greifbewegungen.

Foto: Max-Planck-Institut für Informatik/Oliver Dietze

Den Film Beowulf, einen komplett computeranimierten Film, kannte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Projektpräsentation "Perlen der Forschung " in Berlin nicht. Christian Theobalt, Leiter der Forschergruppe "Graphics, Vision and Video" am Max-Planck-Institut der Informatik, nannte ihn als Beispiel. Derartige Filme arbeiten mit aufwändigster Technik: mit zahlreichen Kameras, die Schauspieler in speziellen Anzügen und genau definierten Lichtverhältnissen aufnehmen. Daraus entstehen dann im Computer Modelle der Schauspieler, die dann für den Film im Computer animiert werden.

Kanzlerin Angela Merkel und Bundesministerin Johanna Wanka (rechts) sitzen an einem Tisch bei der Präsentation von 10 Forschungsobjekten der Max-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft

Christian Theobald erläutert seine Forschungen.

Foto: Bundesregierung/Denzel

Drastisch reduzierter Aufwand

Der gewaltige Aufwand – Beowulf kostete 150 Millionen US-Dollar – lässt sich mit den in Saarbrücken entwickelten Programmen drastisch reduzieren. Sie erlauben es, realistische dreidimensionale Modelle bewegter Körper und Gesichter in manchen Fällen mit nur einer Kamera zu erzeugen – und dies sogar bei wechselnden Lichtverhältnissen.

Animationsfilme können so mit drastisch geringeren Kosten produziert werden – und Hollywood ist bereits interessiert. Das und die Entwicklung immer realistischerer Computerspiele sind aber nur eine Nutzungsmöglichkeit der neuen Technik. Eine andere ist die Gesichtserkennung. Und dabei ist es dem Computer bald einmal möglich, den Gesichtsausdruck zu interpretieren. Eine Kamera beobachtet das Gesicht des Autofahrers und der Computer erkennt, wenn sich in der Mimik Zeichen von Ermüdung einstellen.

Max-Planck-Institut für Informatik. Gesichtsmodell-Seqeunzen.

Der Computer modelliert ein Gesicht.

Foto: Max-Planck-Institut für Informatik/Prof. Dr. Christian Theobalt

Handbewegungen erkennen

Der Computer erkennt aber nicht nur Gesichter, sondern auch Bewegungen von Hand und Fingern. So ist es dem Forscherteam inzwischen möglich, in Echtzeit mit einer einfachen Kamera die Bewegungen der Hand in drei Dimensionen zu erfassen. Hände sind besonders kompliziert, da sie aus zahlreichen Gelenken bestehen und sich sehr schnell und oft kompliziert bewegen. Hinzu kommt, dass gerade bei nur einer Kamera Teile der Hand verdeckt sind. Also muss der Computer die unsichtbaren Teile ergänzen – ein immenser Rechenaufwand, der in Echtzeit bisher nicht zu leisten war.

Die Bewegungsdaten im Computer können dann beispielsweise an einen Roboter weitergegeben werden. So kann mit der Hand vorgemacht werden, wie ein Gegenstand zu greifen und zu bearbeiten ist. Dazu muss er die vorgemachte Handbewegung verstehen, wofür das Bilderkennungsprogramm dann die Voraussetzung ist. Denkbar ist auch, dass der Roboter durch die Analyse der Bewegungen von Kollege Mensch unmittelbar mit ihm zusammenarbeitet.

Max-Planck-Institut für Informatik. Bewegung wird in Echtzeit in ein virtuelles Skelett umgewandelt.

Bewegungen werden in ein virtuelles Skelett übertragen.

Foto: Max-Planck-Institut für Informatik/Prof. Dr. Christian Theobalt

Körperbewegungen erfassen

Darüber hinaus ist es dem Forscherteam inzwischen möglich, mit nur einer Kamera auch Bewegungen des gesamten Körpers zu erfassen und dies unabhängig von der Beleuchtung und ohne dass die aufgenommene Person einen speziellen Anzug tragen muss. Diese Erfassung von Bewegungen ist nicht nur für die Filmproduktion von Bedeutung. Sie kann auch im medizinischen Bereich eingesetzt werden, um Bewegungen zu analysieren.

Die Anwendungsmöglichkeiten sind zahllos. So interessierte sich die Kanzlerin auch dafür, ob die neue Technik auch in der Lage sei, die Bilder von Videoüberwachungskameras zu analysieren. Auch hier sieht Theobalt zwar theoretisch Möglichkeiten, dies ist aber kein Ziel seiner Grundlagenforschung. Mit der Technik kann durchaus auch Unheil angerichtet werden, indem gefälschte Szenen im Computer erzeugt werden.

Theobalt war längere Zeit als Forscher in den USA, aber hat sich bewusst dafür entschieden, in Deutschland zu forschen und hier Innovationen voranzutreiben. Den Forschern ist es wichtig, dass ihre Technologie breit in der Praxis und zum Nutzen aller eingesetzt werden kann. Mit seinen Kollegen und Partnern hat er daher in Saarbrücken eine Firma gegründet, die die Entwicklungen inzwischen vermarktet.