"Erfolgreiches Europa ist Gebot der Stunde"

EU nach Brexit-Referendum "Erfolgreiches Europa ist Gebot der Stunde"

Nach dem Brexit-Votum der Briten kommt es für Kanzlerin Merkel jetzt darauf an, die Lage mit Besonnenheit zu analysieren. Zudem sei es wichtig, gemeinsam die richtigen Entscheidungen für Europa zu treffen. "Die EU ist stark genug, um den Austritt Großbritanniens zu verkraften", so Merkel.

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Unterlagen zur bevorstehenden Abstimmung

51,9 Prozent der Briten haben am 23. Juni für den Austritt aus der EU gestimmt.

Foto: picture-alliance/Goldmann

Der Austritt Großbritanniens aus der EU sei ein Einschnitt für Europa, eine Situation, die es in den fast 60 Jahren der Verabschiedung der Römischen Verträge noch nie gegeben habe. Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 28. Juni in ihrer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag.

Gleichzeitig rief sie zur Geschlossenheit der verbleibenden 27 EU-Staaten auf. Jeder Vorschlag, der die EU als Ganzes aus der Krise führen könne, sei jetzt willkommen. Jeder Vorschlag, der dagegen die Fliehkräfte stärke, die Europa schon so sehr strapazierten, "hätte unabsehbare Folgen für uns alle. Er würde Europa weiter spalten", so Merkel.

Es komme jetzt auch darauf an, sicherzustellen, "dass die Bürgerinnen und Bürger konkret spüren können, wie sehr die EU dazu beiträgt, ihr persönliches Leben zu verbessern".

51,9 Prozent der Briten haben am 23. Juni für den Austritt aus der EU gestimmt. Lediglich 48,1 Prozent für den Verbleib. 17,4 Millionen Wähler waren für einen EU-Austritt, 16,1 Millionen für eine weitere Mitgliedschaft. Insgesamt 46,5 Millionen Bürger hatten sich für das Referendum registriert - die Wahlbeteiligung lag bei 72,2 Prozent. Der britische Premierminister David Cameron hat als Reaktion auf das Referendum seinen Rücktritt bis Oktober angekündigt.

Merkel: Europa bracht bessere Angebote für die Jungend

Die 27 Staats- und Regierungschefs – ohne den britischen – hätten "drei Bereiche identifiziert, in denen wir effektiver und besser werden müssen", erklärt Merkel in ihrem jüngsten Video-Podcast . Neben Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätzen und Wachstum gehe es um die innere und äußere Sicherheit.

Dazu gehöre auch der Schutz der europäischen Außengrenzen. "Und", so die Bundeskanzlerin weiter, "wir müssen besser werden bei den Angeboten für die Jugend". Die zu hohe Jugendarbeitslosigkeit in der EU hänge eng mit den Themen Wirtschaftskraft und Wettbewerbsfähigkeit zusammen. Darüber wollten die 27 Staats- und Regierungschefs Anfang September in Bratislava sprechen.

Partnerschaftliche Beziehungen zu Großbritannien aufbauen

Die Bundesregierung werde sicherstellen, dass die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien nicht nach dem Prinzip der "Rosenpickerei" geführt werden. Es müsse einen spürbaren Unterschied geben, ob ein Land Mitglied der EU sein wolle oder nicht, so Merkel in ihrer Rede. "Wer beispielsweise freien Zugang zum europäischen Binnenmarkt haben möchte, der wird im Gegenzug auch die europäischen Grundfreiheiten und die anderen Regeln und Verpflichtungen akzeptieren müssen, die damit einhergehen."

Jeder Mitgliedstaat kann beschließen, freiwillig aus der EU auszutreten. Das Verfahren regelt Artikel 50 des EU-Vertrags. Danach wird zunächst Großbritannien dem Europäischen Rat seine Absicht zum Austritt mitteilen. Dann wird die EU mit dem Vereinigten Königreich ein Abkommen aushandeln, in dem die Einzelheiten des Austritts und die künftigen Beziehungen zwischen EU und Großbritannien geregelt sind. Sobald das Austrittsabkommen in Kraft tritt oder spätestens nach einer Frist von zwei Jahren (die auch verlängert werden kann), gelten die Europäischen Verträge für das Vereinigte Königreich nicht mehr.

Die zukünftigen Beziehungen Großbritanniens zur EU möchte die Bundeskanzlerin auf eine enge und partnerschaftliche Grundlage stellen. Dabei werde die Bundesregierung jedoch ein besonderes Augenmerk auf die Interessen der deutschen Bürgerinnen und Bürger und der deutschen Wirtschaft legen. "Großbritannien ist und bleibt ein wichtiger Partner, mit dem uns sehr vieles verbindet: die guten nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Bürgerinnen und Bürgern, die kulturelle Verbundenheit, die enge wirtschaftliche Verflechtung, unsere Partnerschaft in der Außen- und Sicherheitspolitik und nicht zuletzt unsere gemeinsamen Werte."

EU - Garant für Frieden, Wohlstand und Stabilität

Beim Gipfeltreffen am 28. und 29. Juni in Brüssel waren sich die EU-Staats- und Regierungschefs einig: Alle bedauerten die Entscheidung der britischen Bevölkerung, die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union beenden zu wollen. In einer gemeinsamen Erklärung legten die 27 EU-Mitgliedstaaten den weiteren Fahrplan eines geordneten Austritts Großbritanniens aus der EU fest.

Die Bundeskanzlerin fasste die Diskussion der EU-27 nach den Gesprächen in Brüssel so zusammen: "Es ging vielen Kollegen darum, nicht bei der Situationsbeschreibung stehen zu bleiben, sondern zu handeln. Ein Kollege hat zum Beispiel gesagt, dass Amerika, als Russland vor vielen Jahren den ersten Raumfahrtflug absolviert hat, gesagt hat: Jetzt schicken wir jemanden zum Mond. Es geht also darum, dass wir sozusagen eine positive Agenda, eine positive Zielsetzung haben, mit der wir unseren Anspruch deutlich machen, Wohlstand zu produzieren."

Europa wieder fit machen

Ziel der 27-EU sei es, bis zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge im März 2017, die EU wieder für die Zukunft fit zu machen. "Was wir vielmehr brauchen, das ist ein erfolgreiches Europa; und ein erfolgreiches Europa, das ist ein Europa, an dem die Bürgerinnen und Bürger teilhaben können, mit dem sie sich identifizieren können und das ihr Leben spürbar verbessert. Das ist das Gebot der Stunde", so Merkel.

Die EU habe nicht jedes Versprechen an die Bürgerinnen und Bürger erfüllen können. Das Versprechen von Lissabon an die europäische Bevölkerung, Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen, war "kein Größenwahn der damaligen europäischen Politiker; aber eingelöst wurde es nicht – weil Regeln missachtet wurden, weil Verträge nicht eingehalten wurden, weil Einzelinteressen sich gegen das Gemeinwohl durchsetzen konnten." Für Merkel war das Wohlstandsversprechen selbst nicht falsch, im Gegenteil. "Deshalb müssen wir jetzt einen neuen Anlauf nehmen und uns gemeinsam dafür einsetzen, Europa wettbewerbsfähiger zu machen und die Kluft zwischen Globalisierungsgewinnern und Globalisierungsverlierern zu verkleinern."

Die Europäische Union sei eine historische Leistung, die Frieden, Wohlstand und Sicherheit auf dem europäischen Kontinent gebracht habe. Sie werde "unser gemeinsamer Rahmen bleiben". Wie die Bundeskanzlerin betonte, würden die europäischen Bürger von der EU bessere Ergebnisse erwarten, "wenn es darum geht, Sicherheit, Beschäftigung und Wachstum zu gewährleisten und Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu geben. Wir müssen hier in einer Weise Erfolge erzielen, die uns vereint, nicht zuletzt im Interesse der jungen Menschen."

Jeder Mitgliedstaat kann beschließen, freiwillig aus der EU auszutreten. Das Verfahren regelt Art. 50 EU-Vertrag. Danach wird zunächst Großbritannien dem Europäischen Rat seine Absicht zum Austritt mitteilen. Dann wird die EU mit dem Vereinigten Königreich ein Abkommen aushandeln, in dem die Einzelheiten des Austritts und die künftigen Beziehungen zwischen EU und Großbritannien geregelt sind. Sobald das Austrittsabkommen in Kraft tritt oder spätestens nach einer Frist von zwei Jahren (die auch verlängert werden kann), gelten die Europäischen Verträge für das Vereinigte Königreich nicht mehr.