Regenerative Landwirtschaft
In einer der trockensten Regionen Deutschlands zeigen Ökolandwirt Benedikt Bösel und sein Team wie Landwirtschaft zukünftig funktionieren kann. Ein Ortsbesuch in Brandenburg.
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Ein 270 Jahre altes, traditionsreiches Gutshaus mit Holzdielen und weiß getünchten Wänden. Hier in Alt Madlitz in Brandenburg ist Benedikt Bösels Büro. „Das wäre in der Tat ziemlich grandios, wenn wir das hier umsetzen könnten“, ist durch die verschlossene Tür zu hören. Worum geht es? Vielleicht bespricht er gerade ein neues, deutschlandweit einmaliges Konzept, um noch nachhaltiger trockenen Boden renaturieren zu können?
Denn bereits jetzt gibt es schon vieles auf dem Hof „Gut&Bösel“, das spektakulär ist. Hier ist es dem jungen Landwirt Bösel gelungen, einen klassischen Agrarbetrieb auf regenerativ umzustellen – und ihn zugleich zu einem Vorreiter in der agrar- und forstwissenschaftlichen Forschung zu machen.
„Weitermachen wie bisher, war keine Option“
Nachdem Benedikt Bösel im Jahr 2016 die Betriebe seiner Eltern mit 3.000 Hektar Land und Forst übernommen hatte, war ihm schnell klar: „Mit klassischen, industriell geprägten Methoden wird die Landwirtschaft in dieser trockenen und niederschlagsarmen Region langfristig nicht überlebensfähig sein. Neue Konzepte mussten her.“ Der Dreh- und Angelpunkt: „Wir müssen zurück zu einem gesunden Boden.“
Die Lösung fand Bösel in der regenerativen Landwirtschaft – einer Landwirtschaftsform, die Lebensmittel produziert – und gleichzeitig die Bodengesundheit fördert und wiederherstellt, das Klima, die Wasserressourcen und die Biodiversität schützt. Und sich auch für die Landwirtinnen und Landwirte ökonomisch rechnen soll.
Seitdem erforschen er und sein Team unterschiedliche Methoden der regenerativen Landwirtschaft und entwickeln neue Landnutzungskonzepte, in denen sich alle Komponenten des jeweiligen Ökosystems gegenseitig unterstützen.
Mit seinen rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat er eine beachtliche Anzahl von Projekten in Angriff genommen, unter anderem:
- syntropischen Agroforst
- eine „rotierende“ Rinderherde
- unterschiedliche Kompostierungsverfahren, die die Biologie zurück in den Boden bringen
- einen klimaangepassten Waldumbau
- die Renaturierung von alten Feldsöllen
- eine Baumschule, die auf die Ausprägung von einheimischen Pflanzen mit starken Wurzelsystemen setzt
2022 wurde das Engagement von Bösel gewürdigt: Er wurde mit dem Ceres-Award als „Landwirt des Jahres“ ausgezeichnet.
Hier stellen wir einige der neuen Landnutzungskonzepte zur Herstellung intakter Ökosysteme vor:
Der Schlüssel: motivierte junge Leute, die anpacken
Die Voraussetzung für den Umstieg auf die regenerative Landwirtschaft ist, dass Menschen sich ambitioniert mit ihrem Fachwissen, ihrer Kraft und Energie tagtäglich dafür einsetzen. Bei Gut&Bösel gelingt das. Ein permanentes Kernteam wird von wechselnden Praktikantinnen und Praktikanten tatkräftig ergänzt.
Und Bösel ist optimistisch: „Die jungen Leute in Stadt und Land werden mehr und mehr von dem Potenzial überzeugt sein, welches in der Landwirtschaft steckt; wie wichtig die Arbeit der Landwirte ist. Das Land wird zukünftig der lebenswertere Raum sein. Denn hier ist der richtige Ort für junge Menschen, die das Bedürfnis haben, mit ihren Händen Sinnvolles zu tun, der Klimakrise entgegenzuwirken, das Artensterben zu stoppen und nährstoffreiche Lebensmittel zu produzieren. Hier können die jungen Menschen die Dinge, die ihnen selber wichtig sind, in die Hand nehmen und vorantreiben.“
Es ist ihm gelungen, fachlich hervorragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, die gemeinsam mit ihm den Umbau vorantreiben. Praktikanten ziehen wieder Praktikanten nach. Denn das Konzept spricht sich herum. Auch Hofführungen und Aktivitäten in den Medien sorgen dafür, dass es wieder ein wachsendes Interesse an der Landwirtschaft gibt.
Die Zahlen zur Berufsausbildung in „Grünen Berufen“ geben Bösel Recht: Viele Jugendliche entscheiden sich für die praktische Arbeit auf den Feldern, in Ställen, im Gemüse-, Obst- und Weinanbau. Rund 13.000 neue Ausbildungsverträge wurden 2022 in der Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei geschlossen. Rund 57.500 Studierende wurden im Sommer 2020 in den Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften sowie in der Veterinärmedizin an deutschen Hochschulen immatrikuliert.
Begleitung durch die Wissenschaft
Benedikt Bösel ist sich sicher, dass die Zustände, die für die Landwirtschaft im trockenen Brandenburg schon jetzt herrschen, auch andere Regionen in den kommenden Jahren treffen können. Folgeerscheinungen des Klimawandels und von Extremwetterereignissen sind deutschlandweit erwartbar.
Deshalb legt er einen großen Fokus auf das Thema Forschung. „In Kooperation mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Instituten sammeln wir auf all unseren Flächen Daten, werten Prozesse und Erkenntnisse aus“, sagt Bösel. Mit an Bord sind unter anderem das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie, das Julius Kühn-Institut, das KTBL, die BTU Cottbus und die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.
Vom Bundeslandwirtschaftsministerium wird das Forschungsvorhaben DaVaSus (Data and value –based decision making for a sustainable land use) gefördert. Ziel ist es, die Daten eines landwirtschaftlichen Betriebs und der Umwelt so zu erfassen, zu bündeln und als Entscheidungsgrundlage zu nutzen, dass das ökologische, soziale und regionalökonomische Optimum angestrebt werden kann.
Alle Forschungsaktivitäten von Gut&Bösel werden seit Anfang 2021 durch die neu gegründete Finck Stiftung durchgeführt und koordiniert. Der Schwerpunkt der Forschungsarbeit liegt auf den unterschiedlichen Methoden der regenerativen Landwirtschaft. Geplant ist, die Erkenntnisse nach dem Open-Source-Prinzip an Forschung, Bildung, Naturschutz und Gesellschaft weiterzugeben. Auch die Bildung und Ausbildung gehört zur Arbeit der Finck Stiftung sowie das Durchführen von Naturschutzprojekten.
Bösel ist begeistert: „Die Art der Landnutzung ist die alles entscheidende Frage unserer Zeit: Wenn wir beginnen, unsere Landnutzungsphilosophie so auszurichten, dass wir über die Lebensmittelproduktion auch Boden- und Biodiversitätsschutz betreiben, Nährstoffkreisläufe schließen und Menschen sowie Tiere gut behandeln, dann können wir mit Mut und Freude in die Zukunft schauen.“