18. Mai 1990 - Auf dem Weg zur Deutschen Einheit
Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR unterzeichnen den Vertrag über eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion. Bundeskanzler Helmut Kohl bezeichnet die Vertragsunterzeichnung als "Geburtsstunde des freien und einigen Deutschlands".
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Der erste große Schritt zur Einheit
Die Soziale Marktwirtschaft als gemeinsame Wirtschaftsordnung, die Deutsche Mark als gemeinsame Währung, das System der sozialen Sicherung in ganz Deutschland: Mit dem Vertrag zur Währungsunion ist der erste große Schritt zur Deutschen Einheit getan.
Im Palais Schaumburg setzen die Finanzminister Theo Waigel und Walter Romberg ihre Unterschriften unter den Vertrag zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion. In der Präambel wird gewürdigt, dass die friedliche und demokratische Revolution vom Herbst 1989 das Ziel hatte, die Einheit Deutschlands zu vollenden.
Im Kapitel 1 bekennen sich die beiden Vertragsparteien zur freiheitlichen, demokratischen, föderativen, rechtsstaatlichen und sozialen Grundordnung. Ausdrücklich ist festgehalten: "Entgegenstehende Vorschriften der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen ihrer bisherigen sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung werden nicht mehr angewendet."
Von der sozialistischen Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft
Bundeskanzler Kohl würdigt in seiner Ansprache die Menschen in der DDR, die "mit der Kraft ihrer Freiheitsliebe die Ketten des Unrechtsregimes gesprengt" haben. Und er sagt: "Die Geschicke der Deutschen in der Bundesrepublik und in der DDR werden dadurch unauflöslich miteinander verwoben. Von nun an ist klar: Wir gehen in eine gemeinsame Zukunft."
Kohl ist jedoch bewusst, dass alle Deutschen vor einer beispiellosen Herausforderung stehen. Die deutsche Einheit wird kein leichter Weg werden: "Wir betreten in vieler Hinsicht Neuland und ... müssen nach Lösungen suchen für eine Fülle von neuen Problemen".
Neuer Gründergeist ist gefordert
DDR-Regierungschef Lothar de Maizière bekräftigt den Geist der Freiheit und den Wunsch der Menschen in der DDR nach sozialer Gerechtigkeit. Er betont, dass das Zusammenwachsen des geteilten Deutschland bei den Menschen und ihren Lebensverhältnissen beginnt.
Und er erinnert an die desolate wirtschaftliche Situation, die durch 40 Jahre sozialistische Planwirtschaft in der DDR entstanden ist: "Niemand soll sich über die tiefe Krise der DDR-Wirtschaft Illusionen machen."
De Maizière fordert: "Ausgehend von einem realistischen Bild der Lage müssen wir mit einem neuen Gründergeist, mit Engagement, mit Zuversicht und mit dem Vertrauen in die eigene Kraft an die Arbeit gehen."
"Der gemeinsame Alltag beginnt"
Als am 1. Juli 1990 der Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in Kraft tritt, titeln die Zeitungen: "Der gemeinsame Alltag beginnt" (FAZ, 2.7.1990) und "D-Mark-Zeitalter in DDR begann mir Jubel und Ansturm auf die Banken" (Die Welt, 2.7.1990). Das Handelsblatt meint, "nach dem Währungsumtausch ist ein Konsumrausch nicht zu befürchten", und die Süddeutsche Zeitung stellt fest: "Optimismus begleitet den Start zur Währungsunion."
Um die Vertragsunterzeichnung zu ermöglichen, haben die Bundesregierung und die elf westdeutschen Länder am 16. Mai vereinbart, einen "Fonds Deutsche Einheit" mit einem Volumen von 115 Milliarden DM für die Wiederaufbauhilfe in Ostdeutschland zu schaffen.
Der Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion nimmt in währungspolitischer Hinsicht die wirtschaftliche Einheit vorweg. Privateigentum, freie Preisbildung und die Abschaffung staatlicher Monopole sollen die künftige Wirtschaft in den neuen Ländern kennzeichnen. Wichtigster Eckpfeiler auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet ist die Übernahme des bundesdeutschen Sozialversicherungssystems mit Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung. Die Sozialunion sichert die Rechte der Arbeitnehmer in der DDR entsprechend den bundesdeutschen Grundlagen bei Tarifautonomie, Betriebsverfassung, Streikrecht, Kündigungsschutz, Mitbestimmung.