Reaktion auf Kohls Zehn-Punkte-Plan

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29. November 1989 - Auf dem Weg zur Deutschen Einheit Reaktion auf Kohls Zehn-Punkte-Plan

29. November 1989: Der Zehn-Punkte-Plan des Bundeskanzlers vom Vortag ruft im In- und Ausland unterschiedlichste Reaktionen hervor. In der Bundesrepublik stößt er weitgehend auf Zustimmung. Im Ausland reicht die Bandbreite von Ermutigung bis strikter Ablehnung.

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Ein Wahlkampfaufkleber mit eindeutiger Aufforderung zur Wiedervereinigung: BRDDR.

Reaktionen auf Kohls Zehn-Punkte-Plan

Foto: picture-alliance/dpa

Viel Zustimmung, aber auch Ablehnung und Bedenken

Einige sind nur verärgert. Denn Kohl hat sie nicht vorab informiert. Das hat der Bundeskanzler nicht getan, damit der Plan nicht vor seiner Präsentation zerredet werden konnte.

In der Bundesrepublik begrüßen die Parteien Kohls Bekenntnis zur deutschen Einheit – bis auf die Grünen. Sie wollen eine "Politik der Zweistaatlichkeit". Kohls Koalitionspartner FDP ist irritiert, weil der Kanzler nicht einmal seinen Außenminister informiert hat. Inhaltlich erheben die Liberalen jedoch keine Einwände.

Auch die oppositionelle SPD reagiert zustimmend: Der Kanzler sei in vielen Punkten auf die Sozialdemokraten zugegangen. "Deshalb stimmen wir in allen zehn Punkten zu", so der SPD-Bundestagsabgeordnete Karsten Voigt unmittelbar nach Vorstellung des Plans. Auch der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt steht auf Kohls Seite: "Dieser Plan ist auch unser Plan", sagt er. SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine spricht hingegen von einem "diplomatischen Fehlschlag".

Auch international löst Kohls Plan unterschiedliche Reaktionen aus. Beim nächsten EG-Treffen in Straßburg am 8. Dezember 1989 habe eine eisige Stimmung geherrscht, berichtet der ehemalige Kanzleramtsminister Rudolf Seiters (Video).

Offen: die Amerikaner

Der amerikanische Präsident George Bush sen. steht der Wiedervereinigung grundsätzlich offen gegenüber. Die Menschen in Ost- und Westdeutschland sollten selbst entscheiden, ob sie die Einheit wollen und wie sie aussehen soll. Aber die Amerikaner haben Vorstellungen: Auf jeden Fall solle die Wiedervereinigung friedlich und allmählich erfolgen. Außerdem müsse ein wiedervereinigtes Deutschland der Nato und der Europäischen Gemeinschaft angehören. Um die europäische Stabilität zu erhalten, sei jede Veränderung der Grenzen in Europa nur auf friedlichem Wege möglich.

Bushs Außenminister James Baker erklärt: "Wir sollten bestimmte Ansichten von einer Wiedervereinigung weder gutheißen noch ausschließen. Einheit kann vieles bedeuten: einen einzigen Bundesstaat etwa, eine Konföderation oder sonst etwas."

Dagegen: Margaret Thatcher

Ganz anders als Bush reagiert die britische Premierministerin Margaret Thatcher auf Kohls Zehn-Punkte-Programm. Sie ist eindeutig dagegen: Die Wiedervereinigung stehe nicht auf der Agenda. Damit erteilt sie dem Konzept des Kanzlers eine glatte Absage. Schon als am 9. November 1989 die Berliner Mauer fällt, ist Großbritanniens Regierungschefin in ernster Sorge. Charles Powell, der einflussreichste Berater der Premierministerin, warnt vor einem Deutschland, das nun rücksichtslos werde, vor einer Bundesrepublik mit "Tunnelblick".

Verärgert: die Franzosen

Frankreich ist zunächst zurückhaltend bis verärgert. Grund ist weniger der Inhalt des Programms als die Tatsache, dass der Bundeskanzler nicht die Regierung in Paris vorher informiert hat. Außenminister Dumas bezeichnet das Zehn-Punkte-Programm in der Nationalversammlung am 29. November als einen Entwurf, der lediglich eine Diskussionsgrundlage darstelle.

Inhaltlich kritisieren die Franzosen: Das Zehn-Punkte-Programm enthalte keine verbindliche Aussagen zur Anerkennung der bestehenden Grenzen in Europa sowie zu den Zuständigkeiten der Vier Mächte. Im Großen und Ganzen sind die Franzosen aber verhandlungsbereit. Jacques Attali, Mitterrands engster außenpolitischer Berater, signalisiert dem Kanzlerberater Horst Teltschik in einem Telefonat, man könne im Elysée-Palast "damit leben".

Misstrauisch: die Sowjetunion

Moskaus Haltung ist für die Entwicklung der DDR und das Ziel der Wiedervereinigung besonders entscheidend. Ohne Zustimmung der Sowjetunion kann es nicht vorangehen. Und der Kreml ist skeptisch: Der russische Außenminister, Eduard Schewardnadse, wirft Kohl vor, auf die Wiedervereinigung zu drängen und sich einzumischen. Dabei würden die Interessen und die Meinungen der anderen Länder der Region – einschließlich der DDR – ignoriert. Die Menschen in der DDR wollten "ihren Staat, ihre Gesellschaft verändern". Es sei eine "Auseinandersetzung innerhalb einer Gesellschaft".

Zurückhaltend: Egon Krenz

Egon Krenz, Ende November noch Staatsratsvorsitzender der DDR, erklärt in der ARD, eine Konföderation komme für die DDR nur in Frage, wenn von zwei souveränen deutschen Staaten ausgegangen werde. Die Einheit Deutschlands stehe derzeit nicht auf der Tagesordnung. Im Übrigen könne man über alles sprechen, sofern es sich um keine "leeren Worthülsen" handle.