Seit 10. Dezember ist die rund 500 Kilometer lange Bahnstrecke zwischen Berlin und Nürnberg in Betrieb. Damit ist das Ziel erreicht, Berlin und München in weniger als vier Stunden miteinander zu verbinden. Was mit diesem Großprojekt geschaffen wurde, sei wirklich atemberaubend, so Bundeskanzlerin Merkel beim Festakt in Berlin.
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Die neue Schnellfahrstrecke sei "enorm leistungsfähig – und damit eben auch konkurrenzfähig zum Verkehrsträger Flugzeug und allemal zum Verkehrsträger Straße", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Ankunft am Berliner Hauptbahnhof. Sie war zuvor in einen von zwei ICE-Sonderzügen aus München und Nürnberg zugestiegen, die gemeinsam in Berlin einfuhren.
Die Bundesregierung hatte das Zehn-Milliarden-Projekt VDE 8 1991 beschlossen, um das Zusammenwachsen der ost- und westdeutschen Bundesländer zu beschleunigen. Für die Kanzlerin ist die neue Schnellbahntrasse eine "wirkliche Ost-West- und Nord-Süd-Verbindung", die von der finnischen Ostgrenze bis nach Sizilien reicht.
Mit dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember werden Hochgeschwindigkeitszüge auf der gesamten neuen Strecke unterwegs sein. Drei Sprinter fahren dann täglich die 623 Kilometer von Berlin nach München und zurück – mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde. Die Reisezeit verkürzt sich dadurch um mehr als zwei Stunden auf drei Stunden und 55 Minuten.
Es gehe aber um mehr als nur um Daten und Zahlen, so Merkel. Groß sei der Etappenschritt zu moderner Mobilität. "Im Verkehrsbereich erweist sich das als modern, das vor allem drei Herausforderungen gerecht wird: dem rasanten Wachstum des Verkehrsaufkommens, der Digitalisierung, dem Klimaschutz."
Weitere Vorteile der neuen Strecke: Es gibt deutlich mehr Direktverbindungen zwischen den Städten - zum Beispiel zwischen Berlin und Frankfurt oder Leipzig und Stuttgart. Auch Städte wie Magdeburg und Dresden, die nicht unmittelbar an der Schnellfahrstrecke liegen, profitieren von kürzeren Umsteigezeiten in den Bahnknoten Halle, Leipzig, Erfurt und Nürnberg.
Die Sprinter starten dreimal am Tag in Berlin und München - jeweils um 6, 12 und 18 Uhr. Sie stoppen nur in Halle, Erfurt und Nürnberg. Zudem verkehren auf der Strecke reguläre ICE-Züge im Stundentakt, die an allen Bahnhöfen halten. Fahrzeit: viereinhalb Stunden.
Die Bundesregierung hat die insgesamt 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) am 9. April 1991 auf den Weg gebracht, wenige Monate nach der Wiedervereinigung. Das Verkehrsprojekt Nr. 8 ist dabei das letzte und größte. Mit zehn Milliarden Euro ist es auch das teuerste der neun Schienenprojekte dieses Programms.
Das VDE 8 wurde in Abschnitten realisiert:
Natürlich gebe es immer wieder eine Generaldebatte über große Infrastrukturprojekte, räumte die Kanzlerin mit Blick auf die Kritiker des Projekts ein – eine Debatte, die öffentlich geführt werden müsse. Allerdings glaube sie auch, dass "wir in der Lage sein müssen, im 21. Jahrhundert neue Großprojekte zu realisieren, wenn wir mit der Zeit Schritt halten wollen".
Die 17 Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) setzen sich aus neun Schienen- und sieben Autobahnvorhaben sowie einem Wasserstraßenprojekt zusammen. Die Bundesregierung hat das Investitionsprogramm mit einem Gesamtvolumen von knapp 41 Milliarden Euro 1991 aufgelegt.
Deutschland verfüge über "eines der dichtesten und besten Verkehrsnetze", so Merkel. Allerdings "müssen wir dieses modernisieren und bedarfsgerecht weiterentwickeln, denn wir sind mit einer günstigen Lage in der Mitte Europas auch als Verkehrsdrehscheibe für viele andere Länder gefragt".
Die neue Schnellbahntrasse hat nämlich auch eine europäische Dimension: Die Strecke zwischen Berlin und Nürnberg ist ein wichtiger Abschnitt innerhalb der Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN). Die Trasse gehört zu einem der neun Kern-Korridore im Eisenbahnverkehr, dem Skandinavien-Mittelmeer-Korridor, der von der finnischen Ostgrenze bis Sizilien reicht.
Mit dem Lückenschluss zwischen Berlin und Nürnberg wird es künftig möglich sein, durchgehend und sicher über die Ländergrenzen von Süd- nach Nordeuropa zu reisen. Das heißt: ohne Lokwechsel, Zughalt oder den Wechsel des Zugleitsystems. Das Fachwort heißt Interoperabilität. Sie fängt bei der Höhe der Bahnsteigkanten an und hört beim Zugleitsystem auf.
Das TEN-Netz ist zweilagig aufgebaut. Es besteht aus einem Gesamtnetz und einem Kernnetz. Das Kernnetz soll bis 2030, das Gesamtnetz bis 2050 vollendet sein. Im Kernnetz wurden neun Korridore gebildet, sechs davon führen durch Deutschland.
Die neue Strecke weist modernste technische Standards auf. Mit dem European Train Control System, kurz ETCS, und dem Funksystem GSM-R können Züge ohne Streckensignale sicher geleitet werden. Wichtige Daten werden über Funk zwischen Zug, Streckenzentrale und Transpondern im Gleis übermittelt. Die neue Zugleittechnik ist für alle Neubaustrecken in Europa vorgeschrieben.
Weitere Neuerung: Die Schienen liegen nicht mehr auf Schotter, sondern auf Betonplatten. Das Prinzip nennt sich Feste Fahrbahn und hat viele Vorteile. Die Schienen können auf den Platten millimetergenau verlegt werden. Die Feste Fahrbahn ist weniger wartungsintensiv und bietet über Jahrzehnte eine stabile Gleislage - was Geschwindigkeiten bis zu 300 Kilometern pro Stunde ermöglicht.
Damit leiste das VDE 8 "sozusagen Pioniervorleistungen", hob Merkel hervor. Diese Strecke sei jetzt "die Pilotstrecke, um zu zeigen, wie Verkehr in Zukunft ablaufen kann". Dazu gehöre aber auch, den Breitbandausbau ordentlich zu realisieren und gesetzgeberisch Schritt zu halten. In diese modernen Formen der Mobilität habe die Bundesregierung sehr viel investiert.
Zahlen und Fakten zum VDE 8:
> 10 Milliarden Euro Investitionskosten
> 300 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit
> 4 Stunden Fahrzeit zwischen München und Berlin
> 500 Kilometer Strecke, davon 230 Kilometer Neubaustrecke
> 134 Kilometer neue Bahnstromtrasse
> 27 Tunnelbauwerke
> 37 Talbrücken
> 3 Brückenbaupreise
> 3.000 Hektar Ausgleichfläche für Umweltmaßnahmen
> 4.500 Mitarbeiter beim Trassenbau