Eine neue Basis für die Beziehungen zu Moskau

13. September 1990 - Auf dem Weg zur Deutschen Einheit Eine neue Basis für die Beziehungen zu Moskau

13. September 1990: Außenminister Hans-Dietrich Genscher und sein sowjetischer Amtskollege Eduard Schewardnadse zeichnen einen Vertrag ab, der Deutschlands Verhältnis zur Sowjetunion auf eine neue Basis stellt. Er geht weit über die bisherigen Abkommen hinaus.

Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse unterzeichnen den 'Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der UdSSR'.

Vertrag über gute Nachbarschaft mit UdSSR

Foto: Bundesregierung/Reineke

Gewaltverzicht und Zusammenarbeit

Der "Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit", wie er offiziell heißt, hat für beide Staaten herausragende Bedeutung; Moskau spricht deshalb sogar vom "Großen Vertrag".

Nach den Jahrzehnten des Kalten Krieges verpflichten sich die Vertragspartner, sich der Androhung oder Anwendung von Gewalt zu enthalten, Streitigkeiten ausschließlich mit friedlichen Mitteln lösen "und keine ihrer Waffen jemals an[zu]wenden, es sei denn zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung". "Sollte", so weiter, "eine der beiden Seiten zum Gegenstand eines Angriffs werden, so wird die andere Seite dem Angreifer keine militärische Hilfe oder sonstigen Beistand leisten."

Bekenntnis zu Menschenrechten und Selbstbestimmungsrecht

Bis vor kurzem unvorstellbar auch dieser Passus in Artikel 1: "Sie [die Vertragspartner] stellen den Menschen mit seiner Würde und mit seinen Rechten, die Sorge für das Überleben der Menschheit und die Erhaltung der natürlichen Umwelt in den Mittelpunkt ihrer Politik. Sie bekräftigen das Recht aller Völker und Staaten, ihr Schicksal frei und ohne äußere Einmischung zu bestimmen und ihre politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung nach eigenen Wünschen zu gestalten."

Welche Dimension diese Vereinbarungen für die ehemalige Vormacht des Ostblocks hat, macht dieser Satz deutlich: "Das ist die Charta unseres Lebens beim Übergang ins nächste Jahrtausend", sagt der sowjetische Außenminister Schewardnadse bei der Paraphierung.

Ostberlin sitzt nicht am Tisch

Den Vertrag haben Bonn und Moskau ohne Beteiligung Ostberlins ausgehandelt, denn er soll für das wiedervereinigte Deutschland gelten. Die Unterzeichnung findet exakt ein Jahr nach dem Mauerfall, am 9. November 1990 statt – bei einem Besuch des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow im wiedervereinigten Deutschland. Im März 1991 wird der Vertrag ratifiziert.