Der Tag der Rücktritte

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2. November 1989 - Auf dem Weg zur Deutschen Einheit Der Tag der Rücktritte

2. November 1989: Der Tag geht als "Tag der Rücktritte" in die DDR-Geschichte ein: Gewerkschaftschef Harry Tisch und die Parteivorsitzenden der Ost-CDU und der NDPD legen ihre Ämter nieder.

2 Min. Lesedauer

Transparent mit der Aufschrift "Tschüß" bei einer Demonstration.

Der Tag der Rücktritte

Foto: picture-aliance/Berliner Kurier

Blockpartei fordert Rücktritt der Regierung

Unterdessen fordert die "Liberaldemokratische Partei Deutschlands" (LDPD) in ihrer Parteizeitung "Der Morgen" den Rücktritt der gesamten Regierung. Ihr Vorsitzender Manfred Gerlach, so verlangt die LDPD, solle Volkskammerpräsident werden.

Ein mutiger Schritt, denn als DDR-Blockpartei durfte die LDPD jahrzehntelang keinen Zweifel an der führenden Rolle der SED aufkommen lassen. Zwar hat sich die LDPD schon in den Vorwochen immer stärker von der SED distanziert. Sich aber als Blockpartei ausdrücklich und öffentlich gegen die Regierung zu stellen – davor schreckt sie zunächst noch zurück.

Erst als sich die politische Krise zuspitzt, werden die Forderungen der LDPD drängender. Täglich überrascht sie mit neuen Reformvorschlägen. So verlangt sie Rechtstaatlichkeit, eine stärkere Volksvertretung und privatwirtschaftliche Initiativen.

Alle DDR-Parteien gehören zur "Nationalen Front", dem "Bündnis aller patriotischen Kräfte unter der Führung der geeinten Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Partei". Ebenso wie alle "Massenorganisationen", etwa die "Freie Deutsche Jugend", der "Freie Deutsche Gewerkschaftsbund", der "Demokratische Frauenbund Deutschlands" oder der "Zentrale Ausschuss für Jugendweihe". Sie alle müssen die führende Rolle der SED respektieren. Die Parteien haben es jahrzehntelang hinzunehmen, dass die "Nationale Front" für alle Wahlen Einheitslisten zusammenstellt, die keine Bewerberauswahl zulassen. Regelmäßig erhalten die Kandidaten deshalb – offiziell – etwa 99 Prozent Zustimmung.

Blockparteien entfernen sich von der SED

Im Herbst 1989 beginnt es jedoch auch in diesen Parteien zu rumoren. Bereits Mitte September schreiben vier CDU-Mitglieder, die im Kirchendienst tätig sind, den "Brief aus Weimar ". Sie fordern unter anderem Reisefreiheit, ein neues Wahlgesetz und die Veröffentlichung von Umweltdaten.

Mehr und mehr gerät der Parteichef der Ost-CDU, Gerald Götting, seit 23 Jahren an der Spitze seiner Partei, unter Druck. "Ein Christ sagt ja zum Sozialismus" lautet der Titel eines Buches, das er 1960 veröffentlichte. Nie hat er die SED-Diktatur in Frage gestellt. Gut zwei Wochen nach dem Rücktritt Honeckers zieht sich deshalb auch Götting zurück.

Schon 1945 lässt die Sowjetische Militäradministration die Gründung "antifaschistischer Parteien" zu. Allerdings müssen sie sich dem "antifaschistisch-demokratischen Block" anschließen. Die SED lässt sie bestehen, um der DDR einen pluralistischen Anstrich zu geben. Dass sich die "Blockparteien" zu Konkurrenten entwickeln können, wissen die Machthaber jedoch zu verhindern. So sorgt die SED beispielsweise dafür, dass ein ehemaliges KPD-Mitglied Vorsitzender der Bauernpartei wird. Einfluss haben die Parteien deshalb kaum, auf die Sicherheitsorgane – etwa Armee oder Stasi – schon gar nicht. Viele Menschen treten den "Blockparteien" bei, weil sie darin die einzige Chance sehen, dem mitunter drängenden Werben der SED zu entgehen.