Kanzlerin würdigt Preisträgerinnen und Preisträger von „Jugend forscht“
Ein Termin, auf den sie sich immer gefreut hat: Bundeskanzlerin Merkel würdigte die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger des Bundeswettbewerbs "Jugend forscht". Anders als in den Vorjahren fand der Austausch pandemiebedingt in einer Videokonferenz statt. Die Kanzlerin verlieh dabei auch digital ihren Sonderpreis für die originellste Arbeit.
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„Was ich hier an Kreativität und Ideenreichtum sehe, begeistert mich immer wieder aufs Neue“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Empfang für die Preisträgerinnen und Preisträger von „Jugend forscht“ am Montag. Es waren fast 9000 Forschungstalente beim Wettbewerb angemeldet. Dem Forscherdrang habe die Corona-Pandemie zum Glück also wenig Abbruch getan, so Merkel.
Nachdem im vergangenen Jahr der Empfang wegen der Pandemie ganz ausgefallen war, zeigte sich die Kanzlerin erfreut darüber, dass zumindest auf virtuellem Weg ein Zusammenkommen möglich war. Denn „Jugend forscht“ konnte sich sich aus ihrem Terminkalender nicht wegdenken.
56 Mal wurde der "Jugend forscht"-Wettbewerb bis heute ausgetragen. Ins Leben rief ihn 1965 der damalige Chefredakteur der Zeitschrift "stern", Henri Nannen. Mehr als 280.000 junge Menschen nahmen bisher insgesamt teil. 5.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer – Lehrer und Ausbilder, Professoren und Personaler – tragen den Wettbewerb als Projektbetreuer und Wettbewerbsleiter. Bewertet werden die einzelnen Projekte von rund 3.000 Fach- und Hochschullehrern sowie Experten aus der Wirtschaft – ebenfalls ehrenamtlich.
Vielfalt und Detailschärfe
Der Blick auf den prämierten Forschungsnachwuchs stimme die Bundeskanzlerin optimistisch für die Zukunft. Besonders aufgefallen sei ihr die Vielfalt und Detailschärfe in den zahlreichen Projekten. Ob Medizintechnik, Künstliche Intelligenz, Umwelttechnik oder erneuerbare Energien – damit lasse sich ihrer Ansicht nach die Zukunft erschließen und sie gratuliere daher allen Preisträgerinnen und Preisträgern herzlich für ihre großartigen Ideen.
Besonders wichtig für die Bundeskanzlerin seit, dass rund 40 Prozent der Anmeldungen von Mädchen kommen. Dies sei zwar noch immer nicht die Hälfte, aber der positive langfristige Trend der Zahl der Teilnehmerinnen lasse hoffen. „Wir brauchen alle Talente in unserem Land. Wir brauchen sie, um den Klimawandel zu bekämpfen, um technologische Transformationen und digitale Revolutionen voranzutreiben, und wir brauchen sie nicht zuletzt für Fortschritte im Gesundheitsbereich“, betonte Merkel.
Wissenschaft und Forschung wichtiger denn je
Gerade die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie wichtig Wissenschaft und Forschung für uns alle seien, so Merkel. Dass in relativ kurzer Zeit wirksame Impfstoffe entwickelt werden konnten, sei eine Leistung, die nicht hoch genug geschätzt werden könne.
Auch in Zeiten der Pandemie bleibt es daher das Ziel der Bundesregierung, bis 2025 insgesamt 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Forschung und Entwicklung aufzuwenden. Im vergangenen Jahr flossen, so die Kanzlerin, 3,18 Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung. Das waren insgesamt 110 Milliarden Euro. Damit gehört Deutschland weltweit zur Spitze der innovationsstarken Länder. Investitionen in Forschung und Innovationen und die schnellere Umsetzung der Forschungsergebnisse in Produkte und Dienstleistungen sind die Grundlage von Wohlstand, einer nachhaltigen Entwicklung und von Lebensqualität in Deutschland.
Jugend forscht – Erfolgsgeschichte und ein besonderes Jubiläum
Jedes Jahr verleiht Bundeskanzlerin Merkel den „Sonderpreis der Bundeskanzlerin für die originellste Arbeit“. Diese Tradition geht zurück auf das Jahr 1971, als der damalige Bundeskanzler Willy Brandt zum ersten Mal den Sonderpreis stiftete. Damit wurde in diesem Jahr der Sonderpreis zum 50. Mal vergeben. Damals habe die Teilnehmerzahl bei knapp 1.000 gelegen, heute melden sich regelmäßig bis zu 10.000 junge Menschen für den jährlichen Wettbewerb an, so Merkel.
Der diesjährige Wettbewerb "Jugend forscht" stand unter dem Motto "Lass Zukunft da.". Knapp 9.000 Jungforscherinnen und Jungforscher hatten sich mit mehr als 5.100 Projekten bundesweit für den Wettbewerb angemeldet. In den MINT-Fächern fördert "Jugend forscht" besondere Leistungen und Begabungen. Ziel ist dabei, Jugendliche auch langfristig für diese Themen zu begeistern und sie über den Wettbewerb hinaus in ihrer beruflichen Orientierung zu unterstützen.
Sonderpreis für originellste Arbeit 2021: „Dramatischer Artenschwund"
Das Insektensterben wurde oft diskutiert, der direkte Zusammenhang mit dem Verlust von Blütenpflanzen jedoch seltener. Jakob Nolte (21) aus Laubach/Hessen kartierte über drei Sommer hinweg die Flora in der Umgebung von Laubach und verglich seine Erhebungen mit botanischen Aufzeichnungen in der Literatur.
Da es mehrere Publikationen für das Untersuchungsgebiet gibt – die älteste stammt aus dem Jahr 1887 –, waren langfristige Vergleiche möglich. Diese zeigen eine massive Verarmung der Flora. Die Zahl der Orchideenarten nahm rapide ab, Gänsefußgewächse verschwanden komplett. Rund 80 Prozent aller Arten wurden seltener oder starben aus. Nur einzelne Arten nahmen zu, nämlich jene, die Bodenstickstoff lieben. Daher ruft Jungforscher Nolte dazu auf, weniger zu düngen und mehr Wert auf Naturschutz zu legen – zugunsten der Artenvielfalt.
Für sein Forschungsprojekt erhielt Jakob Nolte den mit 3.000 Euro dotierten "Sonderpreis der Bundeskanzlerin für die originellste Arbeit". Während des digitalen Austausches mit Kanzlerin hatte er die Gelegenheit, seine preiswürdige Arbeit zu erläutern. Nach vielen Forschungsarbeiten in den vergangenen Jahren mit „technischen Versuchsanordnungen“ und „mathematischen Knobeleien“ gefiel ihr besonders gut, dass es in diesem Jahr eine Forschungsarbeit im Bereich der Botanik geschafft habe, ihren Sonderpreis zu bekommen, sagte Merkel.
Deutschland lebt von der Innovation
Auch Bundesforschungsministerin Anja Karliczek gratulierte allen Preisträgerinnen und Preisträgern zu ihren prämierten Forschungsarbeiten. Sie stünden dafür, dass „wir alle die Gewinnerinen und Gewinner sein können“. Deutschland lebe schließlich von der Innovation und von den Tüftlern, Bastlern und Denkern in diesem Land. Denn diese seien von der Frage geleitet: Wie machen wir das Leben schöner und besser?
Für die Bundesforschungsministerin gehören die Preisträgerinnen und Preisträgern dazu. Denn sie schafften Schritt für Schritt Neues für die vielen großen Fragen dieser Zeit. „Sie sind der Beweis, dass wir viele tolle und sehr kluge junge Menschen haben und dass Kreativität und Leistungsbereitschaft in unserer Jugend einen hohen Stellenwert einnimmt“, sagte Karliczek.
Fragen an die Kanzlerin
Während der Videokonferenz hatten die prämierten Forscherinnen und Forscher die Gelegenheit, persönliche Fragen an die Kanzlerin zu richten. Dabei ging es nicht nur um aktuelle politische und wirtschaftliche Themen. Auch der Werdegang von Angela Merkel spiegelte sich in den Fragen wider.
Aruna Sherma (19 Jahre), 2. Preis im Fachgebiet Physik, interessierte beispielsweise, mit welchen Zielen die spätere Bundeskanzlerin studierte und ob sie mit dem Physikstudium die Absicht verbunden habe, die Welt verändern zu können.
Bundeskanzlerin Merkel: Sie habe ihr Studium mit der Absicht begonnen, sich die Welt besser erklären zu können und mit der Hoffnung, eines Tages etwas zu erklären, was bisher nicht erklärt war. Auch wenn sie nicht davon ausgegangen sei, „etwas Bahnbrechendes zu entdecken“, konnte sie später schon „einige kleine Dinge berechnen, die noch nicht berechnet waren“. Ihr Rat an die Jungforscherin, sich „nicht von der Fülle der Sachen verrückt machen zu lassen“, sich möglicherweise auf ein Spezialgebiet zu konzentrieren, um Neues zu addieren.
Helen Hauck (18 Jahre), 2. Preis im Fachgebiet Chemie, fragte die Kanzlerin nach den größten Schwierigkeiten und Herausforderungen als Frau bei ihrer Karriere als Naturwissenschaftlerin und später als als Politikerin auf der Weltbühne. Und ob die Kanzlerin Tipps für die junge Generation von Naturwissenschaftlerinnen habe.
Bundeskanzlerin Merkel: insgesamt sei sie anders an ihr Studium herangegangen als ihre männlichen Studienkollegen. Sie habe viel und länger überlegt, wie etwas sein könne. So sei sie schließlich auch in der Politik vorgegangen: gut überlegen, beobachten, die „Dinge sattelfest machen“ und sich dann äußern. Dann solle man sich auch zutrauen, das Wort zu erheben.
Der Bundessieger des Preises der Bundesforschungsministerin für die beste interdisziplinäre Arbeit im Fachgebiet Technik, Amon Schumann (17 Jahre), ist der Meinung, dass man der gegenwärtigen Klimakrise nur durch massiven technologischen Fortschritt begegnen könne, um unser jetziges Wohlstandsniveau zu halten. Er wollte daher von der Bundeskanzlerin wissen, wie die Politik handeln solle, um den technologischen Fortschritt in Deutschland von politischer Seite aus zu fördern.
Bundeskanzlerin Merkel: Als Politiker setze man nur den Rahmen, investiere in Forschung und Entwicklung. Dafür brauche man eine starke industrielle Basis und vor allem Berechenbarkeit. Dafür hat die Bundesregierung die steuerliche Forschungsförderung eingeführt, um auch mittelständische Betriebe einen Anreiz zu mehr Forschung zu geben. Auch Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen seien mit einbezogen und erhielten bis zum Jahr 2030 entsprechende Fördergelder. Ihr sei daher wichtig, dass Forschung nicht „von der Politik vorgegeben werden soll“. Als Beispiel nannte sie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Leistung wissenschaftlich und politisch unabhängig begutachte. Wichtig für sie sei, dass sich unsere Forschungsergebnisse in die praktische Anwendung übersetzen lassen.
Saramaria Schreib (18 Jahre), 4. Preis im Fachgebiet Arbeitswelt, interessiert, was aktuell getan werde, um die hohe Belastung der Ärzte und des Klinikpersonals zu reduzieren und auch dem Ärztemangel auf dem Land zu begegnen. Und ob es Pläne beispielsweise für junge Ärztinnen gebe, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.
Die Bundeskanzlerin: die Kommunen sollten ihrer Ansicht nach überlegen, ob sie nicht wieder Gesundheitszentren anbieten könnten, in denen sich Ärzte Arbeitsplätze teilten, um sich nicht mit einer eigenen Hausarztpraxis zu verschulden und wo es auch „überschaubare Arbeitszeiten“ gäbe. Auch Telemedizin und feste Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner seien gerade auf dem Land wichtig. Dafür sei allerding auch der Breitbandausbau wichtig.
Lukas Dellermann (18 Jahre), 3. Preis im Fachgebiet Chemie, ist der Ansicht, dass Kunststoffe Großartiges leisten können, obwohl sie gleichzeitig aktuell gesellschaftlich stark in der Kritik stehen. Er wollte daher von der Kanzlerin wissen, wie sie die Zukunftschancen von Kunststoffen bewerte und ob man in der Politik eher den Nutzen des Werkstoffs oder eine eventuelle Abfallproblematik sehe.
Bundeskanzlerin Merkel: Man werde auch in Zukunft nicht ohne Werkstoffe, auch Kunststoffe, auskommen. Es stelle sich ihr jedoch die Frage, mit welcher Art von Energie sie produziert werden und was passiere mit dem dabei angefallenen CO2 passiere. Die Frage dabei sei, wieviele Kreislaufwirtschaft könne man bei der Produktion von Werkstoffen möglich machen. Hier sei das ganze Potenzial noch lange nicht ausgeschlöpft. Daher werde in Zukunft immer mehr der gesamte Lebenszyklus in der Ökobilanz eine Rolle spielen.
David Sauer (17 Jahre), 3. Preis im Fachgebiet Biologie, begeistert sich für Naturwissenschaften und würde gerne in seinem weiteren Lebensweg in der akademischen Forschung arbeiten. Seiner Meinung nach leidet diese Branche jedoch sowohl unter schlechten Arbeitsbedingungen als auch unter schlechten Karriereaussichten. Er wollte von der Bundeskanzlerin wissen, ob sie eine Perspektive sehe, wie er seinem Wunsch trotzdem nachgehen könne ohne am Ende in „ewig befristeten und unterbezahlten Postdoc-Verträgen steckenzubleiben“.
Bundeskanzlerin Merkel rät ihm, sollte man seinen „Status“ auch nach dem 2. Postdoc-Vertrag nicht verbessert haben, zu überlegen, gerade in jungen Jahren, ob es nicht vielleicht besser sei, in die Industrie oder in die Wirtschaft zu gehen oder Gründer zu werden. Als Bundesregierung habe man diese „Unsicherheit“ versucht aufzufangen mit der Einführung sogenannter „Tenure-Track-Professuren“ in Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
Die Einladung aller Bundessiegerinnen und Bundessieger sowie der Platzierten (2. bis 5. Preise der sieben Wettbewerbskategorien) zu einem Empfang im Bundeskanzleramt und die Überreichung des „Sonderpreises für die originellste Arbeit" (3.000 Euro) gehört seit 1981 zur guten Tradition des Wettbewerbs.