11. Dezember 1989: Die Botschafter der vier Siegermächte treffen sich in Berlin. Seit 18 Jahren ist das Alliierte Kontrollratsgebäude am Berliner Kleistpark nahezu ungenutzt. Nun erwacht es plötzlich zu neuem Leben.
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Zuletzt haben sich die Siegermächte – USA, Sowjetunion, England und Frankreich – 1971 hier getroffen: um das Viermächteabkommen über Berlin zu besiegeln. Auch zuvor stand das Gebäude weitgehend leer, denn die Sowjetunion verließ den Kontrollrat 1948. 1945 hatten die ehemaligen Kriegsalliierten im Potsdamer Abkommen ihre „Gesamtverantwortung für ganz Deutschland“ unterstrichen. Doch drei Jahre später konnten sie sich nicht mehr darüber einigen.
Die Flugüberwachung für West-Berlin und die Bewachung des letzten Kriegsverbrechers Rudolf Heß im Gefängnis Berlin-Spandau – das waren im Kalten Krieg die einzigen konkreten Aufgaben des Alliierten Kontrollrats. Sollte sich das nun, mit dem Treffen der vier Botschafter der USA, Frankreichs, Großbritanniens und der Sowjetunion, ändern?
Ein Treffen ohne Ergebnis
Das Treffen leitet der amerikanische Botschafter Walters, der turnusgemäß den Vorsitz hat. Ausgegangen ist die Initiative vom sowjetischen Botschafter in der DDR, Kotschemassow. Er hat in seiner Einladung vorgeschlagen, über die Entwicklungen in der DDR zu sprechen. Formal steht auf der Tagesordnung aber die „Berlin-Initiative“ des amerikanischen Präsidenten Reagan von 1987. Sie hat das Ziel, den Luftverkehr von und nach Berlin auszubauen.
Der sowjetische Botschafter erweitert die Diskussion, so erinnern sich Teilnehmer, schnell auf die Entwicklung in Deutschland nach dem Fall der Mauer. Die vier Mächte hätten, gerade aufgrund der Geschichte des Zweiten Weltkrieges, eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Stabilität in Europa. Kotschemassow schlägt weitere Treffen und die Bildung von Arbeitsgruppen vor. Sie sollten „gemeinsame Positionen der vier Staaten hinsichtlich ihrer Verantwortlichkeiten“ erarbeiten.
Die gemeinsame Pressemitteilung, die alle vier Botschafter am Ende verfassen, bezieht sich jedoch ausdrücklich nur auf das Berliner Viermächteabkommen von 1971. In der Mitteilung heißt es: „Der russische Botschafter machte einige Bemerkungen allgemeiner Natur, die von den westlichen Botschaftern an ihre Regierungen übermittelt werden.“ Ein weiteres Treffen wird nicht konkret vereinbart. Es wird, so wird später klar, auch kein weiteres Treffen geben.
Sorgen in Bonn
Bei Bundeskanzler Kohl hat das Treffen der Alliierten Besorgnis ausgelöst. Aus deutscher Sicht ist zu befürchten, dass die vier Siegermächte ihre Kontrollmacht, die formal immer noch besteht, nutzen könnten, um auf den Vereinigungsprozess in Deutschland Einfluss zu nehmen. Die USA, Frankreich und England sind unterschiedlicher Meinung über den Sinn dieses Treffens. Aber ablehnen wollen alle westlichen Mächte die Initiative Russlands nicht. Zu groß ist die Sorge, dass sich Moskau den Veränderungen in Deutschland und Europa entgegenstellen könnte.
Erstmals in der Geschichte des Alliierten Kontrollrates verschicken die USA ihren Brief zur Tagesordnung nicht nur an die drei anderen Alliierten, sondern auch an die Bundesregierung. Und es gibt ein Vorbereitungstreffen der westlichen Alliierten mit Vertretern der Bundesregierung. Schließlich schlagen die USA vor, über Berlin, nicht aber über ganz Deutschland reden. Das sind Anzeichen, dass Fragen über die deutsche Vereinigung nicht ohne die Deutschen behandelt werden sollen.
Keine Verhandlungen mehr ohne Deutschland
Drei Tage später kommt es zum Treffen der NATO-Außenminister in Brüssel, auf dem Außenminister Genscher das Treffen des Alliierten Kontrollrates nach seinen Erinnerungen deutlich kritisiert. Das Kommuniqué der NATO-Ministertagung stellt dann fest: „Wir streben die Festigung des Zustands des Friedens in Europa an, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt. Dieser Prozess muss sich auf friedliche und demokratische Weise, unter Wahrung der einschlägigen Abkommen und Verträge sowie sämtlicher in der Schlussakte von Helsinki niedergelegten Prinzipien im Kontext des Dialogs und der West-Ost-Zusammenarbeit vollziehen. Er muss auch in die Perspektive der europäischen Integration eingebettet sein.“
Mit dieser Erklärung bestätigen die NATO und damit auch die drei westlichen Alliierten, dass Deutschland selbst über den Weg zu seiner Einheit bestimmen kann. Eine Entscheidung durch die Siegermächte über den Kopf der Deutschen hinweg kann es nicht mehr geben.
Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte am 8. Mai 1945 hatten die Siegermächte am 5. Juni mit der Feststellung der Besatzungszonen sowie der Einsetzung eines Alliierten Kontrollrates offiziell die Regierungsgewalt in Deutschland übernommen. Großbritannien, die USA und die Sowjetunion kamen vom 17. Juli bis 2. August 1945 zur „Potsdamer Konferenz“ zusammen. Das Ergebnis dieser Konferenz war das „Potsdamer Abkommen“. Inhalt: die politische und geografische Neuordnung Deutschlands, seine Entmilitarisierung, die von Deutschland zu entrichtenden Reparationen und der Umgang mit deutschen Kriegsverbrechern. Die Konferenz in Potsdam markierte das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa. In gewisser Weise aber auch den Beginn des Kalten Krieges. Auf eine gemeinsame Besatzungspolitik in Deutschland konnten sich die Alliierten nicht einigen. Und die Sowjetunion hat überall in Mittel- und Osteuropa, wo sie Einfluss nehmen konnte, moskautreuen Kommunisten zur Macht verholfen. Zudem entstand im Fernen Osten – in Korea – gerade ein neuer Konflikt, in dem sich die USA und die UdSSR gegenüberstanden.Am 10. April 1949 verabschiedeten die drei westlichen Alliierten Frankreich, Großbritannien und USA in Washington ein Besatzungsstatut für die deutschen Westzonen. Es trat am 21. September 1949 in Kraft. Damit wurde die „Alliierten Hohe Kommission“ (AHK) eingesetzt: Zivile „Hohe Kommissare“ lösten die Militärgouverneure ab. Die drei Hohen Kommissare stellten als Vertreter ihrer Regierungen die oberste Gewalt dar und übten eine Kontrolle über die Bundesregierung sowie über die Regierungen der Länder aus. Erst mit Inkrafttreten der „Pariser Verträge“ am 5. Mai 1955 endete das Besatzungsstatut, die Bundesrepublik Deutschland wurde ein souveräner Staat. Bestimmte „alliierte Vorbehaltsrechte“ blieben jedoch wirksam. Die alliierten Vorbehaltsrechte verloren erst 1990 mit der deutschen Wiedervereinigung und dem Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 15. März 1991 völkerrechtlich und endgültig ihre Wirkung.