Digital und multikulturell im Alter

Tag der älteren Generation Digital und multikulturell im Alter

Älteren Menschen mehr Teilhabe und Mitgestaltung ermöglichen: das ist Ziel der Projekte „Senioren-Internet Helfer“ und „Generationen – Kulturen – Vielfalt. Die Bundesregierung fördert Initiativen wie diese, unter anderem mit dem „DigitalPakt Alter“ oder dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“.

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Interview Senioren-Internet-Helfer

Die Bundesregierung unterstützt Projekte und Initiativen, die Senioren Angebote für den Umgang mit digitalen Geräten und Software bieten

Foto: Ulrich Wagner

Videokonferenzen mit Freunden, Familienchats während des Lockdowns oder Kontaktnachverfolgung mit der Corona-Warn-App – während der Pandemie zeigte sich eindrücklich, welchen Mehrwert die Digitalisierung bietet. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, wie wichtig digitale Teilhabe ist – vor allem im Alter. Seniorinnen und Senioren verlieren oftmals den Anschluss an die rasanten technischen Entwicklungen und werden dadurch oftmals stark isoliert.

Diesem Problem stellt sich Wolfgang Arndt mit seinem Verein Senioren für Andere in Heilbronn - mit Beratungs- und Bildungskurse für Seniorinnen und Senioren rund um Technik und Digitales. Dabei setzen seine „Senioren-Internet-Helfer“ auf eine eins-zu-eins-Betreuung und den persönlichen Kontakt zwischen Mentorinnen und Mentoren und den Hilfesuchenden. „Alle klassischen Kurssysteme scheitern letztendlich daran, dass die Senioren bezüglich der Vorerfahrung und kognitiver Fähigkeiten so unterschiedlich sind, dass man sie nicht gemeinsam unterrichten kann“, erklärt der 74-jährige Vereinsvorsitzende.

Elementar ist für ihn neben der individuellen Beratung auch, dass die Seniorinnen und Senioren mit ihren eigenen Geräten lernen. Konventionelle Computerkurse an Volkshochschulen seien oft zwar lehrreich und gut konzipiert. „Aber wenn man noch unsicher ist, kann es sehr verwirrend sein, wenn man dann nach Hause kommt und auf dem eigenen Gerät sieht alles ganz anders aus als im Kurs“, erklärt Arndt den Ansatz seines Vereins.

Schlechte Erfahrungen machten die Heilbronner Helferinnen und Helfer auch mit „seniorengerechten“ Geräten oder speziell entwickelter Software für Ältere. Einziger Vorteil seien dabei nur größere Icons und Tasten, führt Wolfgang Arndt aus. „Dafür wurde aber so viel am Betriebssystem verändert, dass es für die Leute schwierig ist, jemanden zu finden, der ihnen helfen kann.“

Der „Internationale Tag der älteren Generation“ wurde von den Vereinten Nationen ausgerufen und macht auf die Belange älterer Menschen aufmerksam. Er wird jährlich am 1. Oktober begangen und steht 2021 unter dem Motto „Digitale Gerechtigkeit für alle Altersgruppen“.

Beratung à la carte

Das auf die persönlichen Bedürfnisse der Hilfesuchenden zugeschnittene Beratungskonzept erfreut sich im Landkreis großer Beliebtheit. Alle sieben Internethelferinnen und -helfer, die jeweils zwei bis drei Termine pro Woche anbieten, sind in der Regel ausgebucht. Außerdem ist der Heilbronner Verein auch bundesweit gut vernetzt.

Zum Start des Projekts wurde vor allem Hilfe bei Laptops gebraucht. Mittlerweile wird vor allem nach Unterstützung bei der Bedienung von Handys und Tablets gefragt. „Manche bekommen von ihren Kindern oder Enkeln ein Smartphone geschenkt und sollen damit dann mal klarkommen. Die landen danach oft bei uns“, scherzt Arndt.

Der Verein vermittelt dann „Internet-Helfer“ mit der jeweiligen Expertise. Für deren vereinsinterne Aus- und Weiterbildung finden regelmäßige Workshops und Stammtische statt.

Seit diesem Jahr ist das Projekt auch Teil des mit Bundesmitteln geförderten „DigitalPakts Alter“ und erhält dafür 3.000 Euro. Mit dem Geld wurden bereits Smartphones und Tablets für den Einsatz in Alteneinrichtungen gekauft. „Das sind Leute, die nicht mit eigenen Geräten zu uns kommen können und der Digitalisierung vielleicht noch ein bisschen ferner stehen“, erklärt Wolfgang Arndt. „Andererseits sehen wir gerade dort den Bedarf, sich digital auszubilden. Denn die Menschen in Heimen waren während der Pandemie quasi eingeschlossen.“ Ohne digitale Kommunikationsmittel sei die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben stark eingeschränkt gewesen.

„Senioren für Andere e.V.“ bietet seit Mai 2015 ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für Senioren im Umgang mit digitalen Geräten und Software an. Der Verein betreibt das örtliche Seniorenbüro Heilbronn. Das Projekt wird als Erfahrungsort des „DigitalPakts Alter“ gelistet und vom Bundesfamilienministerium und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen gefördert.

Begegnung schafft Integration

Knapp 500 Kilometer weiter nördlich, in Hamburger Stadtteil Eidelstedt, wohnt Ingeborg Zöllick. Als die 64-jährige in den Ruhestand ging, wollte sie ihr ehrenamtliches Engagement ausweiten und wurde dabei auf das bundesweite Projekt „Generationen - Kulturen – Vielfalt“ aufmerksam.

„Ziel dieses Projektes ist es, Seniorinnen und Senioren, die länger hier leben und in ihren Stadtteilen verankert sind, mit jungen Geflüchteten zusammenzubringen“, erklären die Hamburger Projektkoordinatorinnen Daniela Santema und Carmen Ripper. So könnten Geflüchtete schneller Kontakte knüpfen und sich sozial integrieren.

Ingeborg Zöllick

Die ehemalige Polizeitbeamtin Ingeborg Zöllick begleitet junge Flüchtlinge auf verschiedenen Wegen in ihrer Heimatgemeinde

Foto: Ingeborg Zoellick

Nach dem Start Anfang 2020 bereitete die Corona-Pandemie dem Projekt einige Probleme. Erst vor wenigen Wochen sei es dann endlich möglich gewesen, einen lange geplanten Ausflug in den örtlichen Zoo zu unternehmen. Dabei bildete eine afghanische Flüchtlingsfamilie mit ein bis drei Seniorinnen und Senioren eine Gruppe, die den Tag gemeinsam im Tierpark verbrachte.

Mit dabei war auch Ingeborg Zöllick, die sehr positiv auf den Ausflug zurückblickt: „Wenn man über drei bis vier Stunden durch die Gegen schlendert, kommt man ganz anders und intensiv ins Gespräch.“

Während es für Zöllick eine „Selbstverständlichkeit“ ist, Menschen aus anderen Ländern zu helfen, sich in Deutschland zurechtzufinden, fällt es anderen Seniorinnen und Senioren nicht ganz so leicht wie ihr. „Es gibt noch Berührungsängste und vor allem die Sprachbarriere ist oft eine Hürde, über die viele nicht hinwegsteigen wollen“, erklärt die Rentnerin. Doch in der Regel könne man gut mit den Geflüchteten kommunizieren, auch wenn man manchmal Hände und Füße bemühen müsse.

Die pensionierte Polizeibeamtin sieht in dem Projekt auch einen großen persönlichen Mehrwert: „Ich finde es super spannend, andere Kulturen kennenzulernen.“ Zu sehen, dass andere Menschen nicht so leben wie sie und es manchmal sehr schwer hätten, ist für Zöllick eine prägende Erfahrung: „Dass es einfach Zufall ist, wo man geboren ist, macht mich demütig.“

Im vergangenen Jahr organisierte das Hamburger Seniorenbüro unter anderem auch einen Besuch in einer Synagoge, eine Pflanzaktion oder ein gemeinsames Minigolfspiel. Für die Zukunft sind weitere Projekte in Planung, beispielsweise ein Yoga-Kurs für Frauen.

„Generationen -Kulturen – Vielfalt“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von neun Seniorenbüros in ganz Deutschland. Ziel des generationenübergreifenden Projektes ist es, kulturellen Austausch zwischen Älteren und Menschen mit Fluchtgeschichte zu ermöglichen. Es wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e.V. koordiniert und vom Bundesfamilienministerium im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ gefördert.