Rede der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Franziska Giffey,

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Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete!
Liebe Gäste!

Sie kennen mittlerweile meinen Politikansatz: hingehen, zuhören und dann handeln. Deshalb bin ich viel im Land unterwegs. Ich habe mittlerweile alle 16 Bundesländer besucht, über 300 Termine seit meinem Amtsantritt absolviert und vielen Menschen zugehört, die mir erzählt haben, was sie bewegt.

Ich höre von Erzieherinnen und Erziehern, dass sie sich mehr Zeit, eine bessere Ausstattung und eine bessere Bezahlung wünschen, um allen Kindern gerecht werden zu können. Mir berichten Menschen von ihrer Sorge um ihre pflegebedürftigen Eltern. In Chemnitz haben mir Engagierte erzählt, unter welch teilweise schwierigen Bedingungen sie sich für unsere Demokratie einsetzen und wie dankbar sie dafür sind, dass es das Programm "Demokratie leben!" und die Partnerschaft für Demokratie in Chemnitz gibt. Ich komme auch mit Alleinerziehenden ins Gespräch, die mir sagen, dass sie sich noch mehr Unterstützung wünschen. Und genau das ist es, was uns veranlasst, etwas zu tun.

Die Debatte über die Zukunft unseres Sozialstaates ist in diesen Tagen im Mittelpunkt der Berichterstattung. Sie bewegt viele Menschen. Und die Frage bei all den Konzepten, die es gibt, ist: Was leisten wir jetzt, und was leisten wir im nächsten Jahr, damit die Entlastung bei den Familien auch spürbar ankommt? Das Familienentlastungsgesetz ist angesprochen worden. Es geht nicht nur darum, das Kindergeld zu erhöhen und Familien bei den Steuern zu entlasten – so wie es hier beschlossen wurde –, sondern es geht auch darum, Familien mit kleinen Einkommen zu stärken und zu unterstützen. Und genau das haben wir vor.

Hubertus Heil und ich werden gemeinsam das Starke-Familien-Gesetz auf den Weg bringen. Wir sagen: Ein starkes Land braucht starke Familien. Wir wollen, dass alle Kinder gut aufwachsen können, dass diejenigen, die ein kleines Einkommen haben, von ihrer Arbeit leben können und dass sie, nur weil sie Kinder haben, nicht in den Sozialleistungsbezug fallen. Deshalb werden wir einen neuen Zuschlag zum Kindergeld gestalten, den Kinderzuschlag erhöhen, vereinfachen, leichter zugänglich machen und die Abbruchkante abschaffen; denn wenn Menschen ein bisschen mehr verdienen, kann es ja passieren, dass der gesamte Zuschlag gestrichen wird. All das werden wir verändern, und zwar so, dass wir über eine Million mehr anspruchsberechtigte Kinder haben werden, als das jetzt der Fall ist. Es geht darum, dass Familien, die arbeiten, sagen können: Arbeit lohnt sich; uns bleibt etwas vom Einkommen.

Wir wollen gerne, dass diejenigen, die den Kinderzuschlag bekommen, auch für den Bereich Schule eine Erleichterung erfahren. Hier ist vom kostenlosen Mittagessen gesprochen worden. Ja, genau das haben wir vor. Wir werden das Bildungs- und Teilhabepaket endlich so verbessern, dass der unsägliche eine Euro, der in den letzten Jahren einen riesigen Verwaltungsaufwand verursacht hat, wegfällt, sodass diejenigen, die in sozial schwachen Familien leben, diesen einen Euro nicht mehr zahlen müssen, sondern das Mittagessen kostenlos bekommen. Wir wollen auch, dass es den Eigenanteil zur Fahrkarte, der mühsam errechnet werden muss, nicht mehr gibt; denn dies hat einen riesigen Verwaltungsaufwand verursacht. Wir wollen, dass es nicht nur ein kostenloses Mittagessen und ein kostenloses Schülerticket, sondern auch eine kostenlose Lernförderung gibt, die nicht erst dann einsetzt, wenn eine Versetzungsgefährdung droht, sondern schon davor. Das sind ganz konkrete Schritte zur Bekämpfung der Kinderarmut, die wir im nächsten Jahr umsetzen. Familien werden es merken.

Im Übrigen gibt es hier eine Schnittmenge zum Gute-Kita-Gesetz, weil diejenigen, die den Kinderzuschlag erhalten, die Wohngeld erhalten und die Sozialleistungen beziehen, künftig eben nicht mehr in die eine Tasche diese Unterstützung bekommen und ihnen aus der anderen Tasche das Geld für die Kitagebühren genommen wird. Diejenigen, die diese Unterstützung vom Staat bekommen, werden künftig überall in Deutschland von den Kitagebühren befreit sein. Das ist das, was wir mit dem Gute-Kita-Gesetz vorhaben. Das ist eine Antwort auf die Kinderarmut, auf die Situation, dass Menschen nicht genügend Geld für sich und ihre Kinder haben.

Das Gute-Kita-Gesetz ist das, was als Nächstes ansteht. Wir wollen nicht nur sagen, dass wir in Qualität investieren. Wir brauchen den Dreiklang aus Qualität, Kapazität und Personal. Es geht auch darum, dass wir weiter – das ist im nächsten Haushalt vorgesehen – in die Kapazität investieren. Wir haben das Sonderinvestitionsprogramm für Kitaplätze. Wir haben im nächsten Jahr 300 Millionen Euro dafür vorgesehen, und wir wollen als Bund bis 2020 zusätzlich 100.000 Kitaplätze schaffen. Das ist ein Beitrag für mehr Kapazität.

Das Gute-Kita-Gesetz ist im parlamentarischen Verfahren. Es ist das erste Mal, dass der Bund – ich will das heute noch einmal sagen – über fünf Milliarden Euro in die frühkindliche Förderung in Deutschland investiert. Es geht darum, mehr Qualität zu schaffen, aber auch darum, Eltern von den Gebühren zu entlasten, sodass sie sich eben nicht mehr die Frage stellen müssen, ob es sich für sie überhaupt lohnt, arbeiten zu gehen, ob sie es sich überhaupt leisten können, einen Kitaplatz in Anspruch zu nehmen.

Das Dritte, was dazugehört, ist das Personal. Natürlich geht das alles nur, wenn Menschen da sind, die das machen. Deshalb bin ich sehr dankbar – das möchte ich auch hier noch mal sagen –, dass im parlamentarischen Haushaltsverfahren ein Vorhaben noch mal verstärkt und unterstützt worden ist, das mir ein Herzensanliegen ist: Wir wollen vonseiten des Bundes eine Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher starten, damit wir die Länder beim Gewinnen und Halten von Fachkräften unterstützen können. Wir hatten ursprünglich 30 Millionen Euro als Startbetrag vorgesehen. Es sind jetzt 40 Millionen Euro geworden. Vielen Dank an alle Parlamentarier, die das bis hierher unterstützt haben.

Auch in der Pflege geht es darum, dass Menschen für den Beruf gewonnen werden sollen. Wir haben für das nächste Jahr eine Ausbildungsoffensive für die Pflegeberufe vorgesehen. Wir werden ganz gezielt in Oberschulen gehen und mit Beratungsteams aus unserem Hause, vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgabenüber die neue Pflegeausbildung ab 2020 informieren, über die schulgeldbefreite, vergütete Pflegeausbildung. Wir wollen, dass junge Menschen über diesen Beruf und seine Entwicklungsperspektiven Bescheid wissen. Deshalb werden wir an die Oberschulen in Deutschland gehen und darüber informieren. Das ist unser Beitrag, um für die Pflege zusätzliche Kräfte zu gewinnen.

Und wir stärken diejenigen, die sich in Deutschland für ein solidarisches Land, für unsere Demokratie einsetzen. Ja, es war eine meiner ersten Entscheidungen, die Mittel für das Programm "Demokratie leben!" zu entfristen. Es geht darum, dass wir diejenigen stärken, die in Deutschland für die Demokratie ganz konkret vor Ort in der Zivilgesellschaft arbeiten. Ich habe nicht die Absicht, dieses Programm infrage zu stellen.

Im Übrigen nur noch mal hier zur Kenntnis: Wir fördern natürlich nur Organisationen, die sich auf dem Boden des Grundgesetzes und der Demokratie bewegen und nicht irgendwelche anderen Organisationen, Herr Münz, von denen Sie gesprochen haben.

Wir haben vor, im nächsten Jahr einen großen Schritt in Richtung Engagementförderung zu gehen. Wir werden eine deutsche Engagementstiftung gründen; wir bereiten das jetzt alles vor. Wir stocken den Kinder- und Jugendplan um über elf Millionen Euro auf, sodass wir 205 Millionen Euro für die politische und internationale Jugendarbeit ausgeben. Wir stellen zusätzlich eine Million Euro für die Gründung des Deutsch-Israelischen Jugendwerkes zur Verfügung. Wir stärken auch, dank des Parlaments, die Freiwilligendienste mit zusätzlich 65 Millionen Euro. Wir wollen, dass der Freiwilligendienst so ausgebaut wird, dass er mehr Menschen zur Verfügung steht. All das stärkt Engagement, all das stärkt Zusammenhalt und Demokratie.

Zwei Punkte, die ich noch ansprechen möchte: Wir haben zwei wichtige Entscheidungen getroffen für Menschen, die besonders von Gewalt und schlimmen Erfahrungen in ihrem Leben geprägt sind. Es geht einmal um die Aufstockung der Mittel für den Kampf gegen häusliche Gewalt an Frauen, gegen Partnerschaftsgewalt, für den runden Tisch, für ein Programm gegen Gewalt an Frauen. Das ist jetzt auch noch mal aufgestockt worden. Zum anderen geht es darum, dass wir endlich den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs mit seiner Arbeit, mit seinem Team verstetigen. Wir haben dafür im nächsten Haushalt 5,9 Millionen Euro vorgesehen – das alles ist ein wichtiges Signal.

Dieser Haushalt ist ein Haushalt für die Familien und das Engagement in Deutschland. Daran haben die Haushälterinnen und Haushälter einen wichtigen Anteil. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken für Ihre Unterstützung, für Ihre Mitwirkung, dafür, dass wir gemeinsam arbeiten für starke Familien in einem starken Land, für Zusammenhalt, Demokratie, gute Pflege und gelebte Solidarität. Wir wollen Deutschland zukunftsfähig machen und damit dazu beitragen, dass Deutschland insgesamt stärker wird.

Sehr geehrter Herr Müller, zu Ihren Bemerkungen zur dauerhaften Finanzierung und einem festen Betreuungsschlüssel: Wir sind im parlamentarischen Verfahren. Die Dauerhaftigkeit der Mittel ist eine Forderung seitens der SPD. Es ist aber, wie Sie wissen, ein Thema, das mit mehreren Beteiligten besprochen werden muss. Es ist im Gesetzentwurf ganz klar definiert, dass die Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit der Finanzierung ein Ziel ist, das der Bund auch verfolgt. Die Basis dieses Gesetzes ist, dass wir natürlich diese Forderung haben und auch weiter daran festhalten werden. Wir sind der Auffassung, dass wir bei diesem Thema jetzt mit dem Gesetzentwurf einen ersten Schritt machen.

Im Übrigen: Eine Bindung an einen Fachkraft-Kind-Schlüssel ist etwas, worauf man sich vorher mit allen Ländervertretern, mit allen Jugendministern nicht einigen konnte. Wir haben einen Beschluss der Jugend- und Familienministerkonferenz, in dem man sich ganz klar gegen einen bundeseinheitlichen Fachkraft-Kind-Schlüssel als Standard ausspricht, weil die Länder hier unterschiedlich weit sind. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen.

Natürlich sind bundesweite Standards für einen Fachkraft-Kind-Schlüssel das langfristige Ziel, aber an diesem Punkt sind wir noch nicht. Die Bedingungen in den einzelnen Bundesländern sind so unterschiedlich, dass das nicht zu einen war. Die Landesregierungen würden einen solchen Gesetzentwurf nicht mittragen. Deshalb sind wir jetzt bei einem Zwischenschritt, den wir mit diesem Gesetz gehen. Im Moment sind wir noch nicht so weit, einen bundeseinheitlichen Fachkraft-Kind-Schlüssel zu vereinbaren, haben in diesem Handlungsfeld aber sehr wohl vorgesehen, diesen Schlüssel zu verbessern. Das ist prioritär. Daran werden sich alle Bundesländer orientieren.