Rede der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner,

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Sehr geehrte Damen und Herren,

ich kann mich noch gut an meine eigene Schulzeit erinnern: Als Schülerin genoss ich besonders die Pausen zwischen den Stunden. Sie waren am spannendsten. Mir war damals freilich herzlich egal, ob das Pausenbrot gesund war. Hauptsache es schmeckte!

Dass das Essen gerade in der Schule gut schmecken muss – darüber sind wir uns alle einig. Wir wissen aber auch, wie wichtig eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung tatsächlich ist: Sie ist – neben Bewegung – der Schlüssel zu einem langen Leben bei guter Gesundheit.

Also einfach ein gesundes Mittagessen in Kita und Schule auf den Tisch gezaubert – das war's? Klingt simpel, aber ganz so einfach ist es leider nicht.

I. Ausgangslage: Kinderernährung heute, Rolle der Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung

Ob zuhause oder unterwegs, in der Kita oder Schule – es war noch nie so einfach, sich gesund zu ernähren. Unsere Lebensmittel waren noch nie sicherer, vielseitiger und günstiger. Doch trotz der guten Voraussetzungen ist eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung auch heute keine Selbstverständlichkeit.

Ganz im Gegenteil: Allein unter unseren Kindern und Jugendlichen sind 15 Prozent übergewichtig. Zum Vergleich: Das sind etwa doppelt so viele übergewichtige 5- bis19-jährige wie noch 1975.

Warum ist das so? Mindestens drei Gründe sprechen dafür:

Erstens: Zum einen haben sich unsere Essensgewohnheiten in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Drei gemeinsame Familienmahlzeiten am Tag sind heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Auch bei mir zu Hause bestimmten Frühstück, Mittagessen und Abendbrot den Rhythmus des Tages.

Und während Veganer das eine Extrem leben, kommen bei den meisten Leuten Fleisch- und Wurstwaren heute fast täglich auf den Tisch. Verändert hat sich auch unser Trinkverhalten: Statt Wasser stehen bei manchen kalorienhaltige Erfrischungsgetränke auf dem Tisch.

Zweitens: Anders als früher wird heute wichtiges Ernährungswissen nicht mehr von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Heute können 54 Prozent der Jungen und 21 Prozent der Mädchen in Deutschland nicht mehr kochen.

Drittens: Schließlich hat sich auch unsere Lebensgestaltung und unser Alltag gewandelt. Die Arbeitswelt ist schneller und fordernder geworden. Wir verbringen heute weit mehr Zeit außer Haus, in Schule und Beruf, als zu Hause.

Die Zahl der Kinder, die mittags in der Kita verpflegt wird, hat sich in den vergangenen zehn Jahren nahezu verdoppelt. Und gerade deshalb wird es immer wichtiger, dass dort etwas Gesundes auf den Tisch kommt.

Ihnen, die Sie direkt oder auch indirekt Einfluss nehmen auf die Kita- und Schulverpflegung, kommt eine elementare Rolle in der Ernährungserziehung unserer Kinder zu! Eine Rolle, das will ich hier deutlich sagen, die Sie bereits angenommen haben und ausfüllen: Immer mehr Kitas und Schulen, aber auch Caterer berücksichtigen schon heute die Qualitätsstandards für eine gesunde Mittagsverpflegung in Kita und Schule, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft entwickelt hat.

Und gerade die Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung leisten Großartiges für eine flächendeckende qualitativ hochwertige Verpflegung in unseren Kitas und Schulen. Seit zehn Jahren werben die Vernetzungsstellen für eine gesunde Mittagsverpflegung als ein Baustein der Ernährungsbildung. Und ebenso lange ist unser Ministerium Ihr Partner.

Die bundesweiten Tage der Schulverpflegung, die wir heute hier eröffnen, sind Ausdruck dieser vertrauensvollen Partnerschaft. Übrigens haben wir erstmalig die bundesweiten Tage der Kitaverpflegung veranstaltet. Unter dem gemeinsamen Motto "Vielfalt schmecken und entdecken" wird noch bis Ende November fast überall in Deutschland an Kitas und Schulen gekocht, verkostet, informiert und ausprobiert.

Deswegen war es mir auch ein Herzensanliegen, die Förderung der Vernetzungsstellen weiter auszubauen: Ab 2019 werden wir die Mittel für die Vernetzungsstellen verdoppeln und das Nationale Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule ausbauen. Denn die Verbesserung der Schul- und Kitaverpflegung bietet eine wichtige Chance: In Kitas und Schulen haben wir die besten Chancen, alle Kinder zu erreichen, unabhängig von Herkunft oder Geldbeutel der Eltern.

Soweit die Ausgangslage. Nun zur alles entscheidenden Frage: Was können, was müssen wir gemeinsam tun, damit unsere Kinder und Jugendlichen gesund aufwachsen?

II. Ernährungspolitische Agenda

Wir müssen ran an die Ursachen von Fehl- und Überernährung, und wir müssen gesunde Ernährung einfacher machen. Wie will ich das erreichen? Drei Maßnahmen sind mir besonders wichtig:

  • Wir brauchen eine breitere – am besten flächendeckende – Anwendung der Qualitätsstandards für Kita- und Schulessen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, kurz DGE-Standards.
  • Wir müssen die Grundlagen gesunder und ausgewogener Kinderernährung weiter erforschen.
  • Und wir müssen Ernährungsbildung noch besser mit gesunder Schul- und Kita-Verpflegung verzahnen.

Lassen Sie mich kurz auf diese drei Maßnahmen eingehen.

Erste Maßnahme: Breitere Anwendung der DGE-Standards. Wenn es darum geht, gesunde Ernährung einfacher zu machen, sind unsere DGE-Standards der Gold-Standard. Sie machen ein Essen weder teurer noch weniger lecker. Sie dienen als Leitplanke. Daher will ich auch, dass die Qualitätsstandards die Grundlage jedes Speiseplans in Kitas und Schulen werden.

In Rheinland-Pfalz sind Sie mit Ihrer "Drei-Sterne-Auszeichnung" für Kitas und Schulen ja auf einem guten Weg: Auch hier ist der DGE-Standard das Maß aller Dinge. Doch wir sind noch weit davon entfernt, dass die DGE-Standards flächendeckend in Schul- und Kitaküchen angewendet werden. Nur in etwa der Hälfte der Schulen, in denen der Standard im Jahr 2014 bekannt war, wurde er auch umgesetzt. Und nach einer Studie zur Kitaverpflegung aus dem Jahr 2016 berücksichtigen sogar nur knapp ein Drittel der Kitas den DGE-Qualitätsstandard als Basis für ihr Mittagessen. Da ist noch Luft nach oben!

Deshalb hat unser Ministerium das Nationale Qualitätszentrums für Ernährung in Kita und Schule geschaffen, kurz NQZ. Das NQZ ergänzt und unterstützt die Arbeit der Vernetzungsstellen in den Ländern. Darüber hinaus ist es aber auch auf Bundesebene aktiv. Gemeinsam mit unserem Ministerium veranstaltet es Anfang November den Bundeskongress Schulverpflegung in Berlin. Dazu lade ich Sie schon heute herzlich ein!

Das ist ein Anfang und soll Ihnen vor Ort helfen, die Schul- und Kita-Verpflegung zu verbessern. Gleichzeitig haben wir das Institut für Kinderernährung am Max-Rubner-Institut eingerichtet. Mit ihm will ich ran an die Ursachen von Fehlernährung.

Zweite Maßnahme: Grundlagenforschung Kinderernährung. Was ich in unserer Überflussgesellschaft besonders erschreckend finde: Immer mehr Kinder – und längst nicht mehr nur diejenigen mit einer Vorerkrankung oder Übergewicht – zeigen Krankheitsbilder auf, die auf eine Mangelernährung zurückzuführen sind. Genaue Zahlen gibt es hier leider noch nicht. Deshalb soll das neu geschaffene Institut für Kinderernährung die Ursachen von Fehlernährung erforschen und fundierte Empfehlungen für die Ernährung von Kinder und Jugendlichen liefern.

Dritte Maßnahme: Bessere Verzahnung von Ernährungsbildung und Mittagessen. Wie aber kommen wir am Schluss vom Wissen zum Handeln? Auch das beste Mittagessen nützt nichts, wenn die Kinder und Jugendlichen es am Ende nicht essen. Die von unserem Ministerium geförderten Kita- und Schulverpflegungsstudien zeigen: Das Mittagessen muss mehr als "nur" satt machen und gesund sein. Es muss auch schmecken. Essen ist zudem nicht nur die Aufnahme von Nährstoffen. Auch das Drumherum, die Pausenlänge und so manches mehr müssen stimmen.

Doch selbst wenn alles passt, reicht ein gesundes Mittagsangebot allein nicht aus, um unsere Kinder zu kompetenten Essern zu entwickeln. Dafür müssen wir auch die Fähigkeit unserer Kinder fördern, Ess-Entscheidungen intuitiv richtig zu fällen. Die Experten in meinem Ministerium sprechen von Ernährungskompetenz.

Sie reift in den Köpfen heran. Deshalb setze ich auf Ernährungsbildung. Mit vielen zielgruppengerechten Bildungsangeboten, von den "Krümel-und Klecksi-Paketen" für die Kitas über den "Ernährungsführerschein" für die Grundschulen bis hin zu den "SchmExperten" für die weiterführenden Schulen.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Landfrauen unter uns: Viele dieser Bildungsangebote hätten wir ohne Sie nicht durchführen können!

Ernährungsbildung ist wichtig, denn sie hilft auch, die Akzeptanz des Kita- und Schulessens zu erhöhen. Deshalb gehören Ernährungsbildung und eine gesunde Mittagsverpflegung für mich auch zusammen wie die zwei Seiten einer Medaille! Und deshalb will ich ihr Zusammenspiel auch noch weiter fördern! Gerade auch mit den Tagen der Schul- und Kitaverpflegung. Ganz nach dem Motto "Vielfalt schmecken und entdecken!"

Wir müssen ran an die Ursachen von Fehl- und Überernährung. Und wir müssen gesunde Ernährung einfacher machen. Unsere Kitas und Schulen sind der Dreh- und Angelpunkt für einen gesunden Start unserer Kinder ins Leben. Hier lässt sich am besten ein gesundheitsförderlicher Lebensstil lernen, und zwar durch Ernährungsbildung und ein gesundes Mittagessen.

Sie alle hier können dazu beitragen, dass uns zukünftig die Verzahnung von beidem noch besser gelingt. Deshalb machen Sie mit und bringen Sie sich ein! Herzlichen Dank!