Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen,

  • Bundesregierung ⏐ Startseite
  • Schwerpunkte

  • Themen   

  • Bundeskanzler

  • Bundesregierung

  • Aktuelles

  • Mediathek

  • Service

Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor wenigen Tagen war in Brüssel das Treffen der Verteidigungsminister zur Mission Resolute Support. Zusammengekommen sind alle 39 Nationen, die in Afghanistan Truppen stellen. In einem gesonderten Treffen trafen sich die 19 Länder, die gemeinsam mit uns, mit der Bundeswehr, im Norden die Verantwortung tragen. Die gemeinsame Analyse war sehr offen und eindeutig. Ja, es gab in Afghanistan eine Phase, in der die internationale Gemeinschaft zu sehr auf militärische Durchschlagskraft gesetzt hat und zu wenig auf ziviles Engagement und nötige politische Reformen. Ja, es gab eine Zeit, in der wichtige Verbündete ihren Abzug zu sehr nach dem heimischen Wahlkalender ausgerichtet haben und zu wenig nach den Notwendigkeiten vor Ort. Ja, das hat zu Rückschlägen und enttäuschten Erwartungen geführt.

Wenn man aber unter dem Strich sieht, was 16 Jahre Engagement für Afghanistan gebracht haben, und wenn man sich die Daten anschaut – das sind nicht unsere Daten, sondern die der Organisationen der Vereinten Nationen wie der WHO –, dann stellt man fest: Die Lebenserwartung ist von 45 Jahren auf rund 60 Jahre gestiegen. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich in dieser Zeit verachtfacht. Die Mütter- und die Kindersterblichkeit sind gesunken. An den Universitäten in Afghanistan gab es 2001 8.000 männliche Studenten. Heute sind es Hunderttausend studierende Männer und Frauen. Afghanistan ist nicht mehr die Brutstätte des internationalen Terrors. Deshalb waren wir uns einig: Wir haben vielleicht nicht immer alles richtig gemacht in Afghanistan. Aber heute steht das Land um ein Vielfaches besser da als 2001. Das gilt es zu sichern.

Die afghanische Armee und Polizei bringen im Kampf gegen die Taliban und – auch das ist inzwischen in Afghanistan der Fall – gegen die Nester des IS große Opfer. Die Bilder der brutalen Anschläge der Vergangenheit sind uns noch sehr präsent. Die afghanischen Sicherheitskräfte kontrollieren inzwischen zwei Drittel des Landes. Sie schützen dadurch fast 75 Prozent der Bevölkerung. Eines ist aber auch klar: Ohne die internationale Gemeinschaft, ohne die Beratung, die Ausbildung und vor allen Dingen ohne eine verlässliche Finanzierung würden afghanische Sicherheitskräfte und Polizei nicht durchhalten können. Aber ein stabiles Afghanistan kann letztlich nur durch einen politischen Prozess und Reformen erreicht werden. Dazu braucht es Sicherheit. Es geht darum, den notwendigen Druck auf die afghanische Regierung auszuüben, damit sie Reformen umsetzt. Es geht um ein entschlossenes Vorgehen gegen den Terror, und zwar nicht nur der afghanischen Regierung, sondern genauso auch der pakistanischen Regierung. Es geht darum, den klugen Ansatz eines funktionierenden Versöhnungsprozesses voranzutreiben, zumindest mit den Taliban, die bereit sind, zu sprechen – solche gibt es. Es geht auch darum, die Regionalmächte im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung in Afghanistan besser einzubinden.

Im kommenden Frühjahr wird in Afghanistan gewählt. Ich habe nicht vergessen, wie die letzte Wahl abgelaufen ist. Die Menschen sind trotz Lebensgefahr mit überwältigender Mehrheit an die Wahlurnen gegangen. 40 Prozent der Wähler waren Frauen. Man muss sich klarmachen: Das wäre unter den Taliban niemals denkbar gewesen. Das Erreichte zu sichern, auch das ist unsere Aufgabe, und dazu müssen wir zusammenstehen.

Deutschland trägt im Norden Afghanistans Verantwortung. Dort sind wir die verlässliche Rahmennation für 19 andere Nationen. Wir gehen unseren Weg gemeinsam: Wir bilden aus und beraten das 209. Korps. Unsere Partner im Norden Afghanistans verlassen sich auf uns, genauso wie wir uns auf sie verlassen können. Wir haben nicht vergessen, dass es bei dem schrecklichen Anschlag auf das deutsche Generalkonsulat in Masar auch lettische und georgische Soldatinnen und Soldaten waren, die unseren deutschen Beamten das Leben gerettet haben. Deshalb muss es auch für uns eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir für unsere Partner im Norden zuverlässig sind.

Der Bundestag wird über all das gemeinsam beraten. Damit hierfür genügend Zeit ist, bitte ich um Unterstützung für die Verlängerung des in den wesentlichen Punkten unveränderten Mandats um drei Monate.