Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Biden am 15. Juli 2021

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

P Biden: Es für mich heute eine große Ehre ‑ und das meine ich ernst ‑, eine großartige Freundin wieder hier im Weißen Haus willkommen zu heißen.

Bevor ich irgendetwas anderes sage, möchte ich Ihnen, Kanzlerin Merkel, und der deutschen Bevölkerung meine aufrichtige Anteilnahme und auch die des amerikanisches Volkes für den verheerenden Verlust von Menschenleben aufgrund des Hochwassers in den letzten 24 Stunden in Deutschland sowie auch in benachbarten Ländern ausdrücken. Das ist eine Tragödie, und wir schließen all die Familien in unsere Herzen ein, die geliebte Menschen verloren haben.

Angela Merkel ist in den letzten 16 Jahren schon des Öfteren hier gewesen, und tatsächlich kennt sie mein Büro so gut wie ich selbst. Aber Spaß beiseite: Sie hat während ihrer Amtszeit bereits vier US-Präsidenten erlebt. Ich möchte deshalb für einen Moment den historischen Charakter ihrer Kanzlerschaft würdigen. Sie ist die erste weibliche Kanzlerin in der deutschen Geschichte, sie ist auch die erste Kanzlerin aus dem ehemaligen Ostdeutschland, und sie ist nun auch die Kanzlerin, die am zweitlängsten gedient hat ‑ nur Helmut Kohl hat länger gedient. Das ist ein vorbildliches Leben, ein bahnbrechender Dienst an Deutschland und auch der Welt. Im Namen der Vereinigten Staaten: Danke, Angela, für Ihre Karriere und Ihre prinzipientreue, starke Führung, und danke auch dafür, dass Sie immer wieder ausgesprochen haben, was richtig ist, und immer die Würde der Menschen verteidigt haben. Danke auch für Ihre anhaltende Unterstützung für das lange bestehende Ziel eines freien Europa, das ein Ganzes ist und auch in Frieden lebt.

Sie sind auch eine standhafte Verfechterin der transatlantischen Partnerschaft, und unter Ihrer Kanzlerschaft sind die Freundschaft und Kooperation zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten exponentiell gewachsen. Ich freue mich darauf, dies mit Ihnen heute Abend bei unserem Essen zu feiern ‑ obwohl das heute sehr wohl ein Arbeitsbesuch war.

Kanzlerin Merkel und ich haben heute vieles besprochen. Wir haben darüber gesprochen, wo Deutschland und die Vereinigten Staaten eine gemeinsame Agenda vorantreiben können. Wir haben auch darüber gesprochen, dass Deutschland und die Vereinigten Staaten zusammen mit den anderen großen Demokratien bei den G7 eine Verantwortung haben, mit unseren Werten zu führen ‑ so wie auch die anderen NATO-Mitglieder. Heute haben wir das in unseren neuen Washingtoner Erklärungen kodifiziert. Dieses Dokument unterstreicht unser Bekenntnis zu den demokratischen Prinzipien, die im Herzen unserer Nationen sind, und beschreibt, wie wir sie anwenden, um den größten globalen Herausforderungen von heute und morgen entgegenzutreten.

Unsere beiden Nationen verstehen die Notwendigkeit zu beweisen, dass Demokratien die Bedürfnisse unserer Bevölkerungen im zweiten Viertel des 21. Jahrhunderts befriedigen können. Wir stehen ein für demokratische Prinzipien und für universelle Rechte, wenn wir sehen, dass China oder irgendein anderes Land daran arbeitet, freie und offene Gesellschaften zu untergraben. Wir sind vereinigt in unserem Einsatz dafür, viele Probleme auch anzusprechen, zum Beispiel Korruption und auch falschen Populismus ‑ in unseren eigenen Ländern, in der Europäischen Union und unter den EU-Beitrittskandidaten, oder wo auch immer auf der Welt.

Wir haben auch über die Wichtigkeit der weiteren Integration der Westbalkanstaaten in die europäischen Institutionen gesprochen, genauso wie über unsere weitere Unterstützung der Souveränität und der territorialen Integrität der Ukraine sowie die Wichtigkeit von Reformen und der Unterstützung ihrer euroatlantischen Bestrebungen. Wir stehen zusammen, um unsere Verbündeten an der Ostflanke der NATO gegen die russischen Aggressionen zu verteidigen. Ich habe zwar meine Bedenken bezüglich Nord Stream 2 bekräftigt, aber Kanzlerin Merkel und ich sind uns absolut einig, dass Russland die Energieversorgung nicht als Waffe einsetzen darf, um seine Nachbarn unter Druck zu setzen oder zu bedrohen. Daher starten wir heute eine Klima- und Energiepartnerschaft zur Unterstützung der Energiesicherheit und der Entwicklung nachhaltiger Energietechnologien in aufstrebenden Ländern, unter anderem in Mitteleuropa und der Ukraine.

Wir haben auch darüber gesprochen, unsere Unternehmungen in den globalen Klimaambitionen noch einmal zusammenzuführen und noch einen Schritt weiter zu gehen; denn als das Pariser Klimaabkommen geschlossen wurde, dachten wir, wir wüssten, wie ernst die Lage ist, aber seitdem sind die Dinge noch viel schlimmer geworden.

Ich danke Bundeskanzlerin Merkel auch für den Einsatz und die Opfer, die von den deutschen Truppen gebracht wurden, die Seite an Seite mit amerikanischen Truppen fast 20 Jahre lang in Afghanistan gedient haben.

Wir haben außerdem noch einmal unser gemeinsames Engagement bekräftigt, terroristischen Bedrohungen entgegenzutreten, wo wir sie finden, etwa in der Sahelzone in Afrika.

Wenn wir über die Zukunft nachdenken, die wir für die Welt wollen, so können wir, glaube ich, die Gewissheit haben, dass es immer besser ist, wenn wir zwischen unseren beiden Ländern, den Vereinigten Staaten und Deutschland, eng zusammenarbeiten, egal was das Problem oder Anliegen ist.

Wir müssen die COVID-19-Pandemie überall bekämpfen und müssen auch die globale Gesundheitssicherheit für morgen stärken, damit wir für die nächste Bedrohung bereit sind.

Wir müssen auch eine nachhaltige und inklusive wirtschaftliche Erholung unterstützen und fördern, damit der Wohlstand und die Möglichkeiten für alle gestärkt werden. Das ist nicht nur die Arbeit der Regierungen, sondern auch unserer Völker, die ihre Innovationen und auch Einsichten teilen. So können wir die Synergien weiter verstärken. Deshalb haben wir heute den Launch eines Futures Forum zwischen unseren beiden Ländern beschlossen, das die Topexperten in vielen Bereichen zusammenbringen wird, um unsere gemeinsame Zukunft zu gestalten.

Frau Bundeskanzlerin Merkel, ich weiß, dass wir weiter und weiter an der Partnerschaft zwischen unseren Ländern bauen werden, aber ich werde Sie ‑ und das ganz persönlich ‑ sehr vermissen bei unseren Gipfeln. Also vielen Dank noch einmal für die produktive Sitzung heute! Ich freue mich auf unser Abendessen.

BK'in Merkel: Werter Herr Präsident, lieber Joe, zuerst einmal herzlichen Dank für die Anteilnahme mit Blick auf die Flutopfer und Betroffenen in Deutschland ‑ das wissen wir sehr zu schätzen.

Ich bitte auch um Verständnis, dass ich dazu noch einige Worte sagen möchte, denn in den überschwemmten Orten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ist der Tag jetzt schon fast zu Ende ‑ ein Tag von Angst um Leben und Besitz, ein Tag der Sorge und Verzweiflung. Hunderttausende mussten erleben, dass ihre alltägliche Umgebung urplötzlich zum Katastrophengebiet wurde, Wohnhäuser zu Todesfallen, Flüsschen, sonst ruhig, zu reißenden Gewässern. Ich fürchte, das ganze Ausmaß der Tragödie werden wir erst in den nächsten Tagen sehen.

Mein tief empfundenes Beileid gilt allen, die in dieser Katastrophe Angehörige und Freunde verloren haben oder die jetzt noch um Vermisste bangen. Ich schließe hier auch die Menschen in den Überschwemmungsgebieten von Belgien, Luxemburg und den Niederlanden ein.

Die Einsatzkräfte leisten Enormes unter schwierigsten und gefährlichen Bedingungen. Ich danke ihnen dafür und darf sagen, dass mir das Leid der Betroffenen sehr nahe geht. Ich weiß, dass es Millionen Menschen in Deutschland genauso geht.

Ich habe mich den ganzen Tag lang über die Lage auf dem Laufenden halten lassen, habe mit den Ministerpräsidenten Dreyer und Laschet gesprochen, mit dem Innenminister Seehofer und dem Finanzminister Olaf Scholz. Ich darf den Menschen in Deutschland sagen: Wir werden Sie in dieser schwierigen, schrecklichen Stunde nicht alleine lassen und werden auch helfen, wenn es um den Wiederaufbau geht.

Lieber Herr Präsident, lieber Joe Biden, vielen Dank für die Einladung nach Washington und für die intensiven Gespräche! Es ist mein erster Besuch hier seit 2019, und ich freue mich sehr über den persönlichen Austausch. Wir sind ‑ das haben wir heute wieder festgestellt ‑ nicht nur Verbündete und Partner, sondern eng befreundete Nationen, und ich bedanke mich auch für den freundschaftlichen Charakter unseres Austausches.

Uns einen gemeinsame Werte und der Wille, die Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Ich bin tief davon überzeugt, dass allein das Bekenntnis zu den Werten nicht reicht, sondern dass wir in einer ganz entscheidenden Zeit leben, in der am Beispiel immer wieder neuer Herausforderungen das Ganze in praktische Politik umgesetzt werden muss.

Deshalb bin ich sehr dankbar, dass wir unsere gemeinsamen Grundlagen, aber auch zukünftige Projekte in der Washingtoner Erklärung zugrunde gelegt haben. Ich freue mich, dass wir ein deutsch-amerikanisches Zukunftsforum haben werden, das sich auch genau mit diesen Fragen auseinandersetzen wird. Unsere Gesellschaften werden diskutieren und gemeinsame Lösungen finden. Ich halte solche Strukturen für sehr wichtig.

Das große Maß an Gemeinsamkeit hat sich auch in unserem Gespräch gezeigt. Wir haben über die Bewältigung der Pandemie gesprochen. Wir sind der Überzeugung, dass diese Bewältigung nur gelingen kann, wenn nicht nur die Menschen in unseren Ländern geimpft sind ‑ wir wollen ja auch, dass möglichst viele sich impfen lassen. Vielmehr müssen wir alle Länder auf der Welt mit Impfstoffen unterstützen. Hierfür arbeiten wir mit COVAX zusammen. ‑ Ich bedanke mich an dieser Stelle, dass die Vereinigten Staaten von Amerika unter deiner Führung, lieber Joe, auch ein klares Bekenntnis zum Multilateralismus gezeigt haben ‑ sei es im Bereich des Klimaschutzes, im Bereich der Weltgesundheitsorganisation oder auch im Bereich der Welthandelsorganisation. ‑ Deutschland und die USA haben deshalb vereinbart, Entwicklungsländern Impfdosen als Spenden zukommen zu lassen. Auch dass wir ganz wesentlich mit der COVAX-Fazilität arbeiten, ist sehr wichtig.

Wir haben über die Herausforderungen des Klimawandels gesprochen, und ich bin sehr, sehr froh, dass die Vereinigten Staaten in den Pariser Akkord zurückgekehrt sind und dass wir in Glasgow damit eine ganz andere Basis haben, bei der Vertragsstaatenkonferenz gemein für mehr Klimaschutz zu kämpfen. Ich glaube, die meteorologischen Ereignisse ‑ ob es Brände sind, die die Vereinigten Staaten heimsuchen, dramatisch hohe Temperaturen oder eben vollkommen unregulierte Regenfälle ‑ deuten darauf hin, dass die Zahl der extraordinären Wetterereignisse in den letzten Jahren dramatisch zugenommen hat. Darauf müssen wir reagieren.

Dass wir hier beschlossen haben, dass Deutschland und die USA jetzt eine Energie- und Klimapartnerschaft eingehen, ist ein wichtiges Zeichen. Es geht um den Ausbau zukunftsfähiger Technologien wie grünem Wasserstoff, wie erneuerbaren Energien, wie der E-Mobilität und vielem anderen mehr. Wir stehen hier im Wettbewerb mit anderen auf der Welt, und diesen Wettbewerb wollen wir erfolgreich bestehen. Deutschland freut sich hier auf die Zusammenarbeit.

Genauso unterstütze ich das von dem Präsidenten vorgeschlagene Projekt eines weltweiten Ausbaus von Infrastrukturen, das wir auf der G7-Konferenz beschlossen haben. Deutschland wird im nächsten Jahr die G7-Präsidentschaft haben, und wir werden dieses Projekt mit Enthusiasmus weiter voranbringen.

Wir haben über Russland und die Ukraine gesprochen, und in diesem Zusammenhang auch über Nord Stream 2. Hier haben wir unterschiedliche Einschätzungen, was dieses Projekt mit sich bringt. Ich will aber ganz deutlich sagen: Unser Verständnis war, ist und bleibt, dass die Ukraine Transitland für Erdgas bleibt und dass die Ukraine wie jedes Land ein Anrecht auf seine territoriale Souveränität hat. Deshalb engagieren wir uns auch im Minsk-Prozess, und wir werden auch aktiv handeln, wenn Russland dieses Recht der Ukraine, ein Transitland zu sein, nicht einlösen wird. Das heißt, für mich ist Nord Stream 2 ein zusätzliches Projekt und kein Projekt statt des Transits von Gas durch die Ukraine. Alles andere würde sehr große Spannungen hervorrufen. Wir sind ja auch im Gespräch darüber, wie wir das dann gemeinsam deutlich machen können.

Wir haben über weitere Schwerpunkte der Außenpolitik gesprochen, und hier ganz besonders über das Verhältnis zu China. Wir sind Länder, die für demokratische, freie Gesellschaften eintreten und die in solchen Gesellschaften leben. Das zieht natürlich auch nach sich, dass wir dort, wo Menschenrechte nicht garantiert sind, unser Nichteinverständnis deutlich machen. Wir stehen auch zu der territorialen Integrität aller Länder. Wir haben auch über die vielen Facetten der Kooperation oder auch des Wettbewerbs mit China gesprochen ‑ im wirtschaftlichen Bereich, im Bereich des Klimaschutzes, im militärischen Bereich, in Fragen der Sicherheit ‑, und hier stellen sich natürlich viele Herausforderungen.

Beim Nuklearabkommen mit dem Iran sind wir der Meinung, dass alles getan werden sollte, um hier zu einem guten Abschluss zu kommen. Ich glaube aber, man kann sagen: Das hat der Iran auch in seiner Hand.

Wir haben über Afghanistan gesprochen. Unsere Soldaten haben dort über viele Jahre gemeinsam gedient. Sie haben terroristische Gefahren gebannt, aber es ist uns auch nicht ausreichend gelungen, eine Nation zu bauen, so wie wir uns eine Nation vorstellen. Trotzdem sage ich: Es war immer eine gute Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika bzw. eine gute Partnerschaft zwischen unseren Soldaten, die von den deutschen Soldaten ganz besonders geschätzt wurde.

Wir haben auch über die Sahelregion gesprochen, in der der Terrorismus grassiert. Gerade aus der europäischen Perspektive ist dies natürlich eine große Herausforderung, und wir danken den Vereinigten Staaten auch hier für ihren Einsatz gegen den Terrorismus.

Abschließend ist vielleicht noch zu nennen, dass wir einen deutsch-amerikanischen ökonomischen Dialog vereinbart haben, in dem sich unsere Wirtschaftsleute austauschen können; denn wir haben einen erheblichen Handel miteinander. Der soll ausgebaut werden, und die Wirtschaftsbeziehungen sind für uns natürlich von allergrößter Wichtigkeit.

Es war ein freundschaftlicher Austausch. Wir sind enge Partner, und ich möchte, dass das auch nach meiner Zeit als Bundeskanzlerin so bleibt. Ich glaube, mit diesem Besuch haben wir einige Voraussetzungen dafür geschaffen, dass auch Formate da sind, in denen man sich weiter austauschen kann; denn die Welt wird sicherlich auch in Zukunft voller Herausforderungen sein. Danke, dass wir die gemeinsam bewältigen können!

Frage: Herr Präsident, zu Lateinamerika und den Entwicklungen dort in der letzten Woche: Was sind die Bedingungen, unter denen Sie amerikanische Truppen nach Haiti senden würden?

Zweite Frage: Kuba. Was denken Sie gerade über amerikanische Sanktionen? Ihre Pressesprecherin hat heute gesagt, Kommunismus sei eine gescheiterte Ideologie. Was sind Ihre Gedanken hierzu? Vielleicht können Sie uns auch Ihre Meinung zum Sozialismus mitteilen?

Frau Bundeskanzlerin, der Präsident hat gesagt, Sie würden sein Büro so gut kennen, wie er selbst es tut. Können Sie etwas über Ihren Austausch mit den verschiedenen Präsidenten der letzten 16 Jahre erzählen und insbesondere den jetzigen Präsidenten seinem unmittelbaren Vorgänger gegenüberstellen?

P Biden: In zwei Minuten oder weniger, bitte schön. Jetzt weiß ich, warum Sie zum Präsidenten des Korrespondentenausschusses gewählt wurden.

Also: Haiti und Kuba. Der Kommunismus ist ein durch die Bank gescheitertes System. Ich denke nicht, dass Sozialismus ein sehr nützlicher Austausch dafür wäre. Aber das ist eine andere Sache.

Zu den Bedingungen, unter denen wir Truppen nach Haiti entsenden würden: Wir würden amerikanische Marineeinheiten nur an die Botschaft dort schicken, damit sie gesichert ist und dort nichts falsch läuft. Aber amerikanische Truppen nach Haiti zu entsenden, steht heute nicht auf der Tagesordnung.

Nummer zwei, Kuba: Das ist leider ein gescheiterter Staat, in dem sie ihre Bürger unterdrücken. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die wir zu unternehmen überlegen würden, um die Bevölkerung dort zu unterstützen. Aber man müsste auch darauf sehen, dass das nicht von der Regierung gekapert würde. Ich würde es im Moment nicht unternehmen, zum Beispiel Gelder an Kuba zu schicken, weil es höchst wahrscheinlich wäre, dass das Regime das Geld dann beschlagnahmen würde, entweder komplett oder doch einen Großteil.

Zu den Coronaproblemen in Kuba: Ich wäre bereit, große Summen an Impfstoff dorthin zu geben, wenn eine internationale Organisation sie verwalten würde und wenn der Großteil der Bevölkerung Zugang dazu hätte.

Diese Frage haben Sie nicht gestellt, aber wir überlegen bezüglich einer Sperrung des Internetzugangs natürlich, ob wir die Möglichkeit hätten, das noch einmal einzustellen.

Ich denke, damit habe ich Ihre Fragen beantwortet. Vielen Dank.

BK’in Merkel: Ich will drei Punkte sagen.

Erstens. Für jede deutsche Bundeskanzlerin und jeden deutschen Bundeskanzler liegt es im ureigensten Interesse Deutschlands, mit jedem amerikanischen Präsidenten zusammenzuarbeiten.

Zweitens. Wir hatten immer Pressekonferenzen, und Sie alle konnten sich immer überzeugen, wie Sie das wahrgenommen haben.

Drittens. Heute war es ein sehr freundschaftlicher Austausch.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Präsident, ich habe eine Nachfrage zu Nord Stream 2. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gerade gesagt, Sie würden aktiv handeln, falls Russland seine Zusagen bricht und zum Beispiel den Gastransit durch die Ukraine unterbricht.

Was meinen Sie damit? Was ist damit konkret gemeint? Wird Deutschland dann Nord Stream 2 von deutscher Seite sozusagen abstellen, und wie soll das rechtlich begründet werden?

Herr Präsident, die Vereinigten Staaten haben jetzt so viele Jahre gegen Nord Stream 2 gekämpft. Jetzt sagt die Betreibergesellschaft, dass es nur noch wenige Wochen, vielleicht sogar nur noch wenige Tage seien, bis die Pipeline fertig sei.

Werden die Vereinigten Staaten diese Pipeline in Betrieb gehen lassen, oder muss sich die Betreibergesellschaft und müssen sich vielleicht auch deutsche Firmen doch noch darauf einstellen, dass es Sanktionen gibt?

BK’in Merkel: Sie wissen ja, dass wir viel Arbeit darauf verwandt haben ‑ übrigens nicht nur Deutschland, sondern die ganze Europäische Kommission ‑, dass mit Russland und der Ukraine ein Vertrag ausgehandelt werden konnte, der den Gastransit erst einmal bis 2024 sicherstellt. Meine Grundannahme ist, dass auch danach eine solche Gaslieferung weiter möglich sein wird. Ich habe zumindest nichts Gegenteiliges gehört; ich sage es einmal ganz vorsichtig.

Dann haben wir ja eine Vielzahl von Instrumentarien ‑ sie liegen im Wesentlichen nicht auf deutscher, sondern gerade auch auf europäischer Seite ‑, die man anwenden kann. Das haben wir ja auch im Zusammenhang mit Sanktionen und Minsk oder auch der Annexion der Krim immer wieder gezeigt. Ich will nicht spekulieren. Ich will nur sagen, dass gerade auch unsere Fachbeamten ja darüber sprechen, welche Möglichkeiten der Reaktion wir haben. Wir sind darüber auch mit unseren europäischen Freunden im Gespräch. Aber das wird sich dann zum entsprechenden Zeitpunkt herausstellen, von dem ich hoffe, dass er nicht kommt.

P Biden: Meine Sicht auf Nord Stream 2: Gute Freunde ‑ das weiß man schon seit Langem ‑ können das vertragen, auch dass wir nicht unbedingt einverstanden sind. 90 Prozent sind bereits gebaut, wenn ich es richtig verstehe. Sanktionen auszusprechen ist da nicht unbedingt sehr nützlich.

Zusammen mit der Kanzlerin werden wir dann erörtern, ob das von Russland irgendwie als Erpressung der Ukraine genutzt werden kann. Dann geht es natürlich auch um die Frage, ob Europas Energiesicherheit, auch die der Ukraine, trotz dieser russischen Interaktion gestärkt werden kann. Aber wir werden sehen.

Frage: Ich habe zwei Fragen für Sie und dann auch für die Bundeskanzlerin.

Morgen wird Ihre Regierung eine Geschäftswarnung für Hongkong ausrufen. Könnten Sie erklären, warum Sie das für notwendig erachten?

Haben Sie mit den Senatoren Manchin und Sinema über die Rahmenbedingungen von 3,5 Milliarden Dollar gesprochen? Wenn sie darum bitten, dass Sie das reduzieren sollten, macht das Sinn?

Nun zu Ihnen, Frau Kanzlerin: China war natürlich auch auf der Agenda. Haben Sie das Gefühl, dass Präsident Biden nach Ihrem Gespräch Ihre Gesichtspunkte bezüglich Chinas besser versteht, oder ist die Lage bezüglich sogenannter Entkopplung noch angespannt?

Denken Sie, dass die USA genug dazu beigetragen haben, die Welt zu impfen, oder denken Sie, dass es angebracht ist, dass hier in den USA nun Kinder unter zwölf Jahren geimpft werden, während Erwachsene in anderen Ländern noch auf ihre erste Dosis warten?

P Biden: Ist das schon alles? Okay, zwei Fragen. Aber der Dolmetscher würde natürlich noch mehr Fragen annehmen, nicht nur diese zwei.

Aber sprechen wir jetzt über die Geschäftswarnung. Die Situation in Hongkong ist schlechter und schlechter geworden. Die Commitments, die die chinesische Regierung mit Blick auf Hongkong eingegangen ist, hat sie nicht eingehalten. Deshalb wird diese Warnung herausgebracht, um zu zeigen, dass es sich eventuell verschlechtern könnte.

Was das Zweite angeht, bin ich sehr zuversichtlich, dass alles wunderbar funktionieren wird. Ich verstehe, weshalb die Presse teilweise skeptisch ist, dass ich diesen Deal zustande bringen kann. Ich habe gehört, wie die Presse schon mindestens zehn Mal gesagt hat, dass dieser Deal tot sei. Aber nein, ich bin immer noch zuversichtlich, dass ich das halten werde, was ich vorgeschlagen habe, und zwar von beiden Seiten des Hauses. Auch die republikanischen Senatoren sind Commitments eingegangen, wie wir voranschreiten sollen und was zusätzlich in diesem Infrastrukturprojekt inbegriffen wäre. Ich erwarte, dass sie das einhalten, was sie versprochen haben.

Zur weiteren Frage, was eventuell passiert: Diejenigen, die zuhören, werden es eventuell nicht ganz verstehen. Aber diese Budgetabstimmung und der Prozess, das Verfahren, wird genau so gehen, wie ich es heute gesagt habe. Wer Kinder hat und weniger als 150 000 Dollar im Jahr verdient, wird eine Steuererleichterung erhalten, die tatsächlich umfangreich ist. Wenn das Kind sieben Jahre alt oder jünger ist, werden sie 3700 Dollar pro Kind auf ihr Konto bekommen, natürlich in zwölf Auszahlungen auf das ganze Jahr verteilt. Dies wird dazu beitragen, dass sich die Kinderarmut um 40 Prozent reduzieren kann. Wir haben Mechanismen, um diese beiden Möglichkeiten zu zahlen, Mechanismen für die Auszahlung sowohl des Infrastrukturpaketes als auch dieses menschlichen Infrastrukturpakets. Ich denke, dass wir die Unterstützung erhalten werden.

BK’in Merkel: Wir haben über China gesprochen, und es gibt ein großes gemeinsames Verständnis, dass, erstens, China in vielen Bereichen Wettbewerber ist und dass der Handel mit China darauf beruhen muss, dass wir ein „level playing field“ haben, dass also die Standards gleich sind. Es war im Übrigen auch in dem EU-China-Investitionsabkommen ein großer Verhandlungspunkt, dass China zum Beispiel Kernarbeitsnormen im Zusammenhang mit der Internationalen Arbeitsorganisation einhält.

Wir sind davon überzeugt, dass wir versuchen sollten, in möglichst vielen Bereichen die technologische Führerschaft für unsere Länder zu haben. Es ist legitim, dass China das für sich auch will. Aber wir werden dafür arbeiten. Wir haben am Beispiel der Chips darüber gesprochen. Ich denke, dass der „CHIPS Act“, den Präsident Biden auf den Weg gebracht hat, eine ganz fundamentale und wichtige Weichenstellung ist.

Es ist dann die Frage, wie wir in einer Zeit der Digitalisierung, in der die Sicherheitsfragen natürlich noch einmal eine ganz andere Bedeutung haben, Handel miteinander führen können. Darüber sollten wir uns austauschen. Darüber sollten wir sprechen. Wir wollen darüber reden, wie auch die Normen im Internet gemeinsam vereinbart werden können.

Ich denke also, dass wir uns gerade im Bereich des Verhältnisses zu China viel koordinieren sollten. Wir koordinieren uns auch innerhalb der Europäischen Union.

Manchmal gibt es natürlich auch Interessen, bei denen amerikanische Unternehmen wiederum mit europäischen Unternehmen im Wettbewerb stehen. Auch da müssen wir das so zur Kenntnis nehmen. Aber ich denke, dass die Grundlagen des Umgangs mit China doch einfach auf den gemeinsamen Werten fußen, die unsere Länder auszeichnen.

Zweitens zum Impfen: Wir sind uns einig, dass die Pandemie nur bekämpft werden kann, wenn jeder Mensch geimpft ist. Auch wir in Europa haben zwar europäische Produktion exportiert, aber natürlich auch alles darangesetzt, zuerst unsere Bevölkerung zu impfen. Das führt zu kritischen Diskussionen mit Ländern, die heute noch keinen Impfstoff haben. Umso mehr tun wir alles, indem wir COVAX unterstützen, viel Geld dort hineinstecken und unsere Firmen ermutigen, die Kapazitäten zu erhöhen und die Produktionsmengen aufzubauen. Wir werden in Afrika zum Beispiel mit dafür sorgen, dass Menschen ausgebildet werden und dass dort vor Ort Produktion stattfinden kann. Das werden wir tun. Aber es gibt de facto eine Ungleichheit, an deren Überwindung wir aber mit aller Kraft arbeiten, und zwar sehr gemeinsam.

Frage: Jeweils eine kurze Frage für Sie:

Meine erste Frage, die viele Menschen in beiden Ländern Sorgen bereitet: Können Sie uns erklären, warum es immer noch einen Einreisestopp für Deutsche und Angehörige von EU-Staaten gibt, während es möglich ist, dass Menschen aus der Türkei einreisen können, wo es siebenmal so hohe Inzidenzen gibt? Was ist das größte Argument dafür, das Einreiseverbot für den Schengen-Raum nicht aufzuheben?

Kanzlerin Merkel, Sie haben mit den Unternehmen gesprochen. Sie haben die Beschwerden und die Sorgen gehört. Manche haben angedroht, dass sie ihr Geschäft von den USA wegverlagern. Was war Ihr Hauptargument heute, um für eine Aufhebung des „travel bans“ zu werben? Haben Sie das Gefühl, dass Sie damit durchgekommen sind?

P Biden: Wir haben auch den Leiter unseres COVID-Teams mit in das Gespräch einbezogen, weil die Bundeskanzlerin das angesprochen hat. Die Frage war, wie schnell wir es aufheben können. Ich werde Ihnen in den nächsten Tagen eine Antwort liefern können. Denn ich warte auf die Antworten aus unserem COVID-Team, wann das so weit sein soll. Die Bundeskanzlerin hat das tatsächlich gefragt.

BK’in Merkel: Ich habe das Thema angesprochen. Ich habe die gleiche Antwort bekommen, die der Präsident Ihnen jetzt gegeben hat. Das wird eben auch von dem COVID-Team bewertet. Wir haben uns darüber ausgetauscht, dass in beiden Gebieten die Deltavariante jetzt sehr an Dominanz zugenommen hat und uns natürlich noch einmal vor neue Herausforderungen stellt.

Wir haben auch darüber gesprochen, dass so eine Entscheidung natürlich möglichst nachhaltig sein sollte. Es nützt nichts, etwas für ein paar Tage zu entscheiden und die Entscheidung dann wieder zurückzunehmen. Deshalb vertraue ich einmal auf das amerikanische COVID-Team.

P Biden: Frau Bundeskanzlerin, Sie waren ja schon mehrfach hier. Ich weiß, dass wir das Essen nicht verpassen werden. Vielen Dank! Vielen Dank auch für Ihre Fragen!