Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel nach dem Sondertreffen des Europäischen Rats am 24. und 25. Mai 2021

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, wir hatten einen informellen Europäischen Rat, der sich eigentlich mit außenpolitischen Diskussionen, Klima und COVID befassen sollte, der dann aber gestern Abend natürlich auch einen aktuellen Bezug zu der beispiellosen außerplanmäßigen Landung - um es vorsichtig zu umschreiben - des Ryanair-Fluges in Minsk hatte. Wir haben über diese Frage sehr intensiv beraten und alle miteinander gesagt, dass sie das Wort „beispiellos“ im wahrsten Sinne des Wortes verdient und dass das ein inakzeptables Vorgehen der belarussischen Behörden ist - eine erzwungene Landung, die Menschen in Gefahr gebracht hat und die vor allen Dingen zu der Festnahme des Journalisten Roman Protasewitsch und seiner Partnerin Sofia Sapega geführt hat. Das haben wir ganz entschieden verurteilt, und wir haben Belarus aufgefordert, die beiden umgehend freizulassen.

Wir sind der Meinung, dass die Internationale Zivilluftfahrtorganisation, ICAO, den Fall dringend untersuchen muss. Wir haben außerdem die Außenminister gebeten, weitere Personen und Organisationen auf die Sanktionsliste zu nehmen - es sind ja bereits viele belarussische Politiker, unter anderem auch Präsident Lukaschenko, auf dieser Liste -, vor allen Dingen auch weitere gezielte Wirtschaftssanktionen zu beschließen und die Überflüge über den EU-Luftraum durch belarussische Fluggesellschaften zu verbieten. Wir haben auch die europäischen Fluggesellschaften aufgefordert, Flüge über Belarus zu vermeiden. Die Lufthansa zum Beispiel hat das auch schon so angekündigt.

Im Anschluss hatten wir dann einen sehr guten und intensiven Austausch zu Russland. Das war ein wichtiger Zwischenschritt hin zum Europäischen Rat im Juni. Bis dahin werden die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst einen Bericht mit Handlungsoptionen vorlegen; denn es geht ja um sehr handfeste Entschlüsse, welche Art von Politik wir gegenüber Russland durchführen wollen. Wir waren uns einig, dass wir auf die russische Politik gemeinsam und koordiniert reagieren müssen und dass es auch notwendig ist, eine gemeinsame Vorstellung davon zu entwickeln, welche Art von Beziehungen wir uns vorstellen. Wie gesagt, die Diskussion wird im Juni-Rat fortgesetzt.

Wir haben dann auch die Beziehungen zum Vereinigten Königsreich noch einmal dargelegt, insbesondere mit Blick auf Irland und Nordirland, und haben über den Nahen Osten sowie über den EU-US-Gipfel am 15. Juni gesprochen. Aufgrund der aktuellen Vorkommnisse in Mali haben wir auch dazu noch einmal Schlussfolgerungen getroffen, die darauf aufbauen, dass wir uns den Entscheidungen der Afrikanischen Union und von ECOWAS anschließen.

Wir haben schnell beziehungsweise sofort und, wie ich finde, auch entschieden reagiert. Die Diskussion gegenüber Belarus, aber auch Russland, war zielorientiert und konstruktiv, und das hat auch den Charakter dieses ganzen Rates geprägt.

Heute Vormittag fand dann die Diskussion über COVID-19 statt. Wir alle haben begrüßt, dass es jetzt eine Einigung über das digitale Impfzertifikat gibt, und haben der portugiesischen Präsidentschaft dafür auch gedankt. Es ist jetzt natürlich noch ein Stück Arbeit nötig, um dies umzusetzen - wir arbeiten ja auch national in Deutschland daran -, aber die Rechtsgrundlage ist jetzt erst einmal da, und das ist wichtig.

Wir haben des Weiteren das Thema der Virusvarianten, also der Mutationen, auf die Tagesordnung gebracht; ich habe das auch selber angesprochen. Wir wissen, dass wir hier in Zukunft noch schneller und gemeinschaftlicher reagieren müssen. Deshalb war es gut, dass im Rat schon in der letzten Woche eine Verständigung auf einen Mechanismus erfolgt ist, um schnell und koordiniert auf neue Varianten reagieren zu können.

Wir haben uns heute auch noch einmal mit der Impfstoffverteilung beschäftigt - sowohl mit der europäischen als auch mit der internationalen. Wir wissen, dass, um die Pandemie weltweit in den Griff zu bekommen, alle die Chance haben müssen, Impfstoffe zu bekommen. Europa beziehungsweise die Europäische Union ist hier ein gutes Beispiel; denn von den auf unserem Gebiet produzierten Impfstoffen geht ein großer Teil in Drittstaaten. Das reicht aber natürlich noch nicht aus. Deshalb haben wir auch noch einmal hervorgehoben, dass die Initiative Italiens mit dem G20-Gesundheitsgipfel von allergrößter Bedeutung war und dass wir von dem europäischen Kontingent mindestens 100 Millionen Dosen bis zum Ende des Jahres sozusagen abgeben werden. Ich habe bereits in der Rom-Konferenz erklärt, dass Deutschland sich mit 30 Millionen Dosen daran beteiligen wird.

Der Nachmittag galt dem Klimaschutz. Ursula von der Leyen hat von dem Paket „Fit for 55“, also „Fit für das 55-Prozent-Ziel“, berichtet und hat noch einmal die große Bandbreite der Rechtsakte, die uns im Juli erwarten, erläutert. Wir warten jetzt auf die Vorschläge.

Wir haben heute eine Orientierungsdiskussion geführt. Es war vollkommen klar, dass wir, nachdem wir das Klimaschutzgesetz haben, uns heute natürlich noch nicht detailliert auf Maßnahmen verständigen konnten, weil die Vorschläge der Kommission ja gar nicht vorliegen. Aber der Zwischenschritt war wichtig, weil alle noch einmal ihre nationalen Erwartungen in Bezug auf das Paket der Kommission äußern konnten. Ich denke, das wird dabei helfen, dann im Herbst unter slowenischer Präsidentschaft die Beratungen zu diesem Thema wirklich zügig in Angriff zu nehmen.

Alles in allem ein dicht gefüllter Europäischer Rat - außerplanmäßig, aber zum richtigen Zeitpunkt, würde ich sagen. Deshalb war es aus meiner Sicht sehr konstruktiv und gut, wie wir diskutiert haben.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich hätte gerne eine Frage zu den Wirtschaftssanktionen gestellt. Es gibt ja schon so ein Waffenembargo gegen Belarus. Können Sie vielleicht schon etwas genauer beschreiben, was noch mehr getan werden könnte? Gibt es vielleicht schon irgendeine Vorstellung auf EU-Ebene? Was glauben Sie? Könnte man Importsanktionen verhängen oder den Export von EU-Gütern nach Weißrussland unterbinden?

Eine Frage zu der ganzen Aktion von Lukaschenko hinsichtlich des Ryanair-Fluges: Sind Sie besorgt, dass das Erstarken von Putin in der Region dazu geführt hat, dass er sich so etwas überhaupt getraut hat, dass ihn vielleicht auch die fehlende Reaktion der EU ermutigt haben könnte, solche Aktionen überhaupt zu unternehmen und dass das noch weiter zunehmen könnte?

BK’in Merkel: Wir sind der Meinung, dass es sich um den Bruch von internationalen Abkommen handelt. Wenn die Völkergemeinschaft zusammenarbeiten will, dann ist das nicht akzeptabel. Es geht jetzt nicht darum, ob jemand schuld ist. So etwas macht man nicht. Wenn, dann muss darauf eine Reaktion erfolgen. Diese haben wir beschlossen. Ich kann jetzt keine einzelnen Unternehmen nennen. Es müssen Unternehmen gefunden werden, die eben geeignet sind und hinsichtlich derer es auch rechtsfest ist, dass wir sie sanktionieren. Genau das konnten wir gestern Abend in der kurzen Diskussion nicht leisten. Damit ist der Rat beauftragt worden. Ich glaube, das ist auch die richtige Stelle.

Wichtig für uns ist das politische Signal, dass wir es jetzt nicht bei einfachen Listungen belassen, sondern dass wir darüber hinaus gehen wollen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich habe auch eine Frage zu Belarus. Wie lautet denn aus Ihrer Sicht zusammengefasst die Botschaft an Lukaschenko, die von den Beschlüssen ausgehen?

Damit verbunden die Frage: Wenn er die beiden Personen, die verhaftet worden sind, wieder freilässt, würde das auch heißen, dass diese Maßnahmen - zum Beispiel die Sperrung von Flügen - aufgehoben werden?

Was ist das Kalkül hinter diesen gezielten wirtschaftlichen Sanktionen, die ja deutlich über das hinausgehen, was in den bisherigen Sanktionsrunden gemacht worden ist?

BK’in Merkel: Es gibt kein Kalkül in dem Sinne - das hört sich so nach Taktik an -, sondern es ist die Antwort auf einen beispiellosen Vorgang. Ich würde ja gerne Wenn-dann-Fragen beantworten. Aber leider stellt sich diese Wenn-dann-Frage-nicht. Es gibt keine Freilassung. Es wäre schön, es gäbe sie, denn dann könnten wir auch die weiteren Schritte besprechen.

Aber nichtsdestotrotz steht die Freilassung ganz weit oben. Es ist ja auch ganz evident, dass die Drohung, die angebliche Sicherheitsgefährdung des Flugzeuges - - - Darüber hätte man ja noch reden können, wenn niemand verhaftet worden wäre. Wenn aber die Gelegenheit einer Landung dazu genutzt wird, unliebsame Gegner sozusagen ins Gefängnis zu befördern, dann ist doch ganz offensichtlich, was da passiert ist, zumal ja das vorgeschobene Argument der Hamas, die dort angeblich etwas von sich gegeben hätte, auch sofort dementiert wurde.

Der Vorgang ist beispiellos. Die ICAO muss jetzt -rum wie num- eine Untersuchung vornehmen. Es wäre sehr, sehr wichtig, wenn die beiden Personen freigelassen würden. Aber leider kann ich Ihnen die Frage, was dann passiert, nicht beantworten. Ich würde es gerne tun.

Frage: Guten Tag, Frau Bundeskanzlerin! Kurze Frage: Warum gibt es keine gemeinsamen Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zum Klima oder kommen die noch?

BK’in Merkel: Es gibt kurze Schlussfolgerungen zum Klima. Diese heißen, dass wir noch einmal auf unsere Beschlüsse vom 10. und 11. Dezember zurückgehen, dass wir die Kommission bitten, schnell ihr Legislativpaket und ein Impact Assessment vorzulegen, also die Folgen für die einzelnen Nationalstaaten herunterzubrechen. Wir freuen uns darüber, dass jetzt auch die Vereinigten Staaten von Amerika wieder an Bord sind, und wollen auch bei der COP 26 in Glasgow und unter den G20-Mitgliedern aktiv auftreten. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass der Europäische Rat, unabhängig von den Beratungen in den einzelnen Fachräten, noch einmal darauf zurückkommen wird, um die Vorschläge der Kommission nach dem 14. Juli zu bewerten.

Zusatzfrage: Was halten Sie persönlich davon, dass die polnische Regierung die Eilanweisung des Europäischen Gerichtshofes ignoriert, den großen Braunkohletagebau im deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck sofort zu stoppen? War das auch ein Thema?

BK’in Merkel: Das war heute kein Thema. Deshalb kann ich dazu nicht detailliert Stellung nehmen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, kurz zurück zur Geschichte mit Belarus. Wie bewerten Sie die Rolle des russischen Präsidenten? Bisher war ja immer nur die Rede von Sanktionen gegen Herrn Lukaschenko beziehungsweise das belarussische Regime. Aber man sagt ja allgemein, dass das wohl nicht möglich gewesen wäre ohne das Okay von Putin. Werden Sie das Gespräch mit dem russischen Präsidenten über diesen Vorfall suchen?

Was heißt das Ganze eigentlich für das Verhältnis der EU zu Russland? Dazu gibt es ja sehr ambivalente Signale: zum einen einen Vorfall wie gestern, zum anderen aber auch die Tatsache, dass sich der russische Präsident bald mit Herrn Biden trifft. Es sind ja sehr ambivalente Signale, die man hört.

BK’in Merkel: Man kann unterschiedlicher Meinung sein und sich trotzdem sprechen und treffen. Das tue ich mit dem russischen Präsidenten. Ich habe gestern in der Russland-Diskussion auch dazu aufgerufen, dass wir das auch als Europäische Union insgesamt tun. Denn unsere europäischen Interessen können wir natürlich im Gespräch mit dem russischen Präsidenten besser vorbringen, als wenn das der amerikanische Präsident tut, wobei ich sehr zufrieden wäre, wenn es zu einem solchen Treffen kommen würde. Das hat es immer gegeben, auch im Kalten Krieg. Diplomatie hat nur dann eine Chance, wenn man miteinander spricht.

Wir haben gestern keine gesicherten Erkenntnisse über die Rolle Russlands gehabt. Deshalb haben wir auch keine Bewertung vorgenommen. Wenn ich mit dem russischen Präsidenten spreche, dann wird sicherlich auch dieses Thema auf der Tagesordnung stehen. Aber wir können uns jetzt nicht mit Mutmaßungen abgeben. Dass es ein enges Verhältnis zwischen Belarus und Russland gibt, ist bekannt. Aber wie gesagt: keine gesicherten Erkenntnisse.

Man wird sicherlich noch einmal überlegen, ob es noch Passagiere gab - das ist ja die Vermutung -, die auch nicht bis Vilnius weitergeflogen sind, und wer das ist. Aber ich kann darüber nur mutmaßen, und das möchte ich nicht.

Frage: Hallo! Frau Bundeskanzlerin, habe ich Sie gerade richtig verstanden, dass die Vorkommnisse in Minsk und die (akustisch unverständlich) durchaus in einem gemeinsamen Kontext diskutiert wurden?

BK’in Merkel: Nein, das haben Sie nicht richtig verstanden. Wir haben natürlich die Frage gestreift, ob Russland etwas mit der Sache zu tun haben könnte. Wir haben keine Erkenntnisse gehabt und das deshalb nicht weiter vertieft.

Die Russland-Diskussion stand unabhängig von der Belarus-Diskussion schon seit Langem auf der Tagesordnung. Das war der Grund dafür, dass wir uns gestern Abend getroffen haben. Wir haben sie vollkommen unabhängig vom Fall Belarus und auch in einem viel umfassenderen Kontext geführt.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Sie nach Herrn Protasewitsch fragen. Sie haben gestern seine Freilassung gefordert. Gestern Abend ist ein Video von ihm aufgetaucht, das der britische Premierminister Boris Johnson als erschütternd empfunden hat. Frau Tichanowskaja hat gesagt, sie habe den Eindruck, dass er misshandelt worden sei. Herr Protasewitsch selbst sagt, nein, ihm gehe es gut und er werde gut behandelt.

Welchen Eindruck haben Sie von dem Video, und was sagt uns das über die Zustände in Belarus?

BK’in Merkel: Ich kann es auch nur als besorgniserregend und erschütternd einstufen, wie es Boris Johnson gesagt hat. Das macht unsere Forderung danach, dass er freigelassen werden muss und dass man alles dafür tun muss, zumal wenn man seine Eltern hört, ja nur noch dringlicher. Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Kanäle dafür nutzen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich habe noch eine Frage zu Nord Stream 2. Kommissionschefin von der Leyen sprach gestern davon, dass auch dieses Thema noch einmal in diesem Bericht zu der Russlandpolitik erörtert werden soll und dass Vorschläge gemacht werden sollen. Wie weit sind Sie dabei zu gehen bereit? Gibt es bestimmte Vorschläge wie zum Beispiel diesen Abschaltmechanismus, über den oft gesprochen wurde, mit denen Sie sich anfreunden könnten?

Sehen Sie, nachdem die US-Regierung ja von bestimmten Sanktionen abgesehen hat, jetzt einen besonderen Handlungsdruck auf Berlin, sozusagen auf die Amerikaner zuzugehen und einen Kompromiss zu finden?

BK’in Merkel: Es wird sicherlich über Nord Stream 2 mit Amerika auch noch einmal Diskussionen und Gespräche geben. Wir haben das ja erst einmal begrüßt, weil ich sowieso sehr kritisch zu den exterritorialen Sanktionen stehe, egal wo sie angewandt werden. Das ist ein Instrument, das, glaube ich, doch hinterfragt werden kann.

Der Hohe Beauftragte hat uns gestern einen einführenden Bericht über Russland gegeben. Das war recht interessant, was sowohl die Frage der Direktinvestitionen in Russland anbelangt, von denen ein großer Teil aus der Europäischen Union stammt, als auch die Frage der Energieabhängigkeit, von der ich sagen würde, dass wir eben längst nicht einseitig von Russland energieabhängig sind. Aber es gibt natürlich starke Energiebeziehungen zu Russland.

In diesem Kontext muss man auch über alle Energieverbindungen nachdenken. Es gibt TurkStream, es gibt Nord Stream, es gibt die Leitungen durch die Ukraine. Man muss jetzt immer wissen, worüber man spricht. Spricht man über die Energieabhängigkeit von Russland beziehungsweise die Energiebeziehungen mit Russland, die es auch im Kalten Krieg gegeben hat, oder spricht man über die Frage, ob Nord Stream 2 ein Instrument ist, um die Durchleitung von Gas durch die Ukraine zu minimieren, wobei wir uns dafür eingesetzt haben, dass es einen Gasvertrag gibt, der der Ukraine auch weiterhin die Transitgebühren sichert? Das sind ja zwei völlig unterschiedliche Fragen: Möchte ich überhaupt aus Russland Rohstoffe beziehen, und kann jemand, der sich auf seine Transitgebühren verlässt, nun durch Nord Stream 2 oder durch eine andere Erdgasleitung sozusagen in eine nachteilige Situation kommen?

Ich denke, dass das natürlich bei den Diskussionen, die wir dann im Juni führen werden, auch noch einmal eine Rolle spielen wird. Ich persönlich glaube, dass das, was im Kalten Krieg möglich war, auch heute möglich sein sollte. Aber ich habe auch immer einen besonderen Schwerpunkt auf die Frage der Ukraine gelegt.

Dazu, was man tun könnte, wenn: Das dritte Energiebinnenmarktpaket gibt uns bestimmte Handlungsoptionen. Aber das muss ja alles nach Recht und Gesetz erfolgen. Deutschland hat diesem dritten Energiebinnenmarktpaket zugestimmt, und die Möglichkeiten, die es in diesem Zusammenhang gibt, kann man auch jederzeit nutzen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich habe noch eine Frage zu Ihrer gestrigen Russlanddiskussion. Seit 2016 trägt die EU ja die fünf Prinzipien wie eine Monstranz vor sich her, was die Russlandpolitik angeht. Umgesetzt worden ist davon wenig. Frustriert es Sie nicht, dass Sie da eigentlich gar nichts bewegen können und wieder alles verschieben mussten? Müssten da nicht langsam Taten folgen?

BK’in Merkel: Nein, das frustriert mich überhaupt nicht, weil wir ja diesen Mehrschrittprozess schon verabredet hatten. Wir haben in Porto über genau diese Frage gesprochen, wie eine Russlanddiskussion aussehen kann. Sie ist durch die Vorkommnisse in der Tschechischen Republik oder durch die Erkenntnisse aus den Untersuchungen über das, was 2015 oder 2014 passiert ist, noch einmal auf die Tagesordnung gekommen. Dann haben wir gesagt: Wir diskutieren, wir bitten die Kommission um einen Bericht, und auf der Grundlage dieses Berichts mit konkreten Handlungsoptionen werden wir dann im Juni die Diskussion fortsetzen. Wenn das Ganze zu einer gemeinschaftlichen Einschätzung unserer Russlandpolitik führt, dann wäre ja schon sehr viel gewonnen.

Das, was gestern in dieser Orientierungsdiskussion herauskam, ist, dass alle der Meinung waren, dass wir in der Summe natürlich sehr viele Möglichkeiten haben, auch gegenüber Russland aufzutreten, aber dass wir unter unseren Möglichkeiten bleiben, weil es eben oft doch sehr unterschiedliche bilaterale Reaktionen einzelner Mitgliedstaaten gibt. Diese Heterogenität schwächt die Europäische Union. Wenn wir von europäischer Souveränität sprechen, dann brauchen wir eben auch einen gemeinsamen Auftritt. Das ist das, was die Diskussion geprägt hat.

Da wir uns vorher doch recht schnell über eine Reaktion in Bezug auf Belarus einigen konnten, hat diese Diskussion eigentlich in dem Geist stattgefunden, dass man auch in anderen außenpolitischen Fragen eine gemeinsame Haltung entwickeln sollte.

Danke schön und viele Grüße an die Bildschirme! Ich meinte die Personen, die hinter den Bildschirmen sitzen.