Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Ministerpräsident Wüst, Regierender Bürgermeister Müller und Bundesminister Scholz nach der Besprechung von Bundeskanzlerin Merkel mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 18. November 2021

Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Ministerpräsident Wüst, Regierender Bürgermeister Müller und Bundesminister Scholz nach der Besprechung von Bundeskanzlerin Merkel mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 18. November 2021

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Donnerstag, 18. November 2021

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, es war sehr wichtig, dass wir heute die Konferenz zwischen Bund und Ländern hatten. Sie sehen ja an der Konstellation der Pressekonferenz, dass wir uns in einer besonderen Phase befinden, der einer geschäftsführenden Bundesregierung und einer entstehenden neuen Bundesregierung. Das drückt sich jetzt auch hier in dieser Pressekonferenz aus. Aber wir haben diese Konferenz auch in dem Bewusstsein abgehalten, dass es dem Virus vollkommen egal ist, ob sich Deutschland gerade in einer Phase mit einer geschäftsführenden Bundesregierung befindet oder ob Verhandlungen zur Bildung einer neuen stattfinden. Es ist ihm auch egal, wer sich schon wie weit in seinen politischen Überzeugungen bewegt hat, sondern entscheiden tut nur, was die richtigen und wichtigen Maßnahmen sind.

Deshalb war heute auch das einzige Kriterium unserer Beratungen, dass wir uns mitten in der vierten Welle mit der aktuellen dramatischen Infektionssituation in Deutschland befassen und daraus die möglichst besten Schlussfolgerungen ziehen. Das betrifft zum einen die Eindämmung des exponentiellen Anstiegs, und das betrifft zum anderen das schnelle Impfen im Zusammenhang mit der Auffrischungsimpfung.

Zu Ersterem muss man sagen, dass wir eine wirklich besorgniserregende Situation haben. Die ist in Deutschland nicht gleich verteilt, sondern zwischen den Bundesländern gibt es eine Inzidenzspanne von 117 bis 911. Aber Tatsache ist, dass die Verdoppelungszeit jetzt bundesweit 13 Tage betrug und die Verdoppelungszeit hinsichtlich der Belegung von Intensivbetten etwa 23 oder 24 Tage betrug. Wir wissen damit, dass wir uns eine weitere Verdoppelungszeit bei der Belegung von Intensivbetten nicht erlauben können. Das heißt, wir brauchen einen schnellen Stopp oder ein Bremsen des exponentiellen Anstiegs, und dem dienen alle Beschlüsse, die wir heute gefasst haben. Natürlich dient dem auch, auch wenn es darüber unterschiedliche Meinungen gibt, das Infektionsschutzgesetz, das heute im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde und morgen im Bundesrat beraten wird.

Wir wissen, und das ist bedauerlich: Wir könnten besser dastehen, wenn die Impflücke nicht so groß wäre. Deshalb wären viele Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden müssen, nicht notwendig gewesen, wenn es mehr geimpfte Menschen gäbe. Es ist nie zu spät, sich impfen zu lassen. Auch jetzt kann man noch mit einer Erstimpfung einen guten Beitrag für sich und für die Gemeinschaft leisten.

Bei den Beschlüssen, die wir heute gefasst haben, ging es also als Erstes um das Impfen. Heute ist die Auffrischungsimpfung auch noch einmal von der Ständigen Impfkommission bewertet worden, und sie ist für alle empfohlen worden, die älter als 18 Jahre sind und bei denen die zweiten Impfung zwischen fünf und sechs Monaten zurückliegt. Das ist eine gute Nachricht, weil damit natürlich auch für alle mehr Sicherheit eintritt. Aber es ist eine herausfordernde Nachricht, weil nunmehr eine große Zahl von Menschen mit einer solchen Auffrischungsimpfung versehen werden muss. Das sind noch etwa 27 Millionen Impfungen, wenn man überlegt, wie viele Menschen bis zum 30. Juni 2021 schon geimpft waren. 4 Millionen haben wir schon geimpft. Das heißt, etwa 27 Millionen bleiben übrig.

Bund und Länder verpflichten sich, jedem ein Angebot zu machen. Das bedarf einer wirklich großen Kraftanstrengung. Die Chefs der Staatskanzleien werden gemeinsam mit dem Gesundheitsminister bis zur regulären CdS-Konferenz in der nächsten Woche eine Planung dafür vornehmen, wie das geschehen kann, welche Fragestellungen sich auftun und wo unterstützt werden muss. THW und der Katastrophenschutz haben ihre Unterstützung heute auch angeboten. Wir werden dann versuchen, hier wirklich eine große Sicherheit hinzukommen.

Wir haben uns mit den verschiedenen Aspekten des Lebens befasst - das will ich nicht alles darstellen -, die auch im Infektionsschutzgesetz geregelt werden: 3G am Arbeitsplatz, die Frage des öffentlichen Nahverkehrs und anderes.

Aber ich will sagen, dass ein großer Zweck der heutigen Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz ja (die Klärung der Frage) war: Wann muss das Instrumentarium angewendet werden, das wir nach dem Infektionsschutzgesetz zur Verfügung haben? – Da haben wir heute, wie ich finde, sehr, sehr gute Beschlüsse gefasst. Wir haben nämlich Schwellenwerte definiert, ab denen dann ein bestimmter flächendeckender Maßnahmenkatalog eingesetzt werden muss. Das beginnt bei einem Wert des Hospitalisierungsindex - Sie wissen, dass der jetzt für uns die maßgebende Größe ist - von 3. Wenn dieser Wert überschritten wird, dann muss für die gesamten Veranstaltungen 2G - das heißt also, geimpft oder genesen - flächendeckend eingeführt werden. Bei einem Schwellenwert des Hospitalisierungsindex von 6 wird das durch 2G plus ergänzt. Das heißt, auch die Geimpften und Genesenen müssen getestet werden. Wenn der Wert des Hospitalisierungsindex 9 überschreitet, dann muss - natürlich vorbehaltlich der Zustimmung der Landtage, weil die nach der Konstruktion des jetzigen Infektionsschutzgesetzes sozusagen notwendig ist - das gesamte Instrumentarium der Möglichkeiten eingesetzt werden, also Kontaktbeschränkungen und verschiedene Einschränkungen.

Hier bin ich - das ist ja kein Geheimnis - der Meinung, dass dieser Katalog nicht ausreicht. Aber wir haben dann auch die Vereinbarung getroffen, auf die Herr Wüst noch näher eingehen wird, dass die Dinge im Laufe der Zeit ja auch wieder überprüft werden können. Es ist sehr gut, dass im Infektionsschutzgesetz die Regelung enthalten ist, dass bis zum 15. Dezember - das ist jetzt insbesondere für Sachsen sehr wichtig - Maßnahmen, die jetzt noch eingeführt werden, dann auch gelten können.

Es ist wichtig, dass Bürgertests - kostenlos natürlich - angeboten werden.

Wir haben uns auch noch einmal dazu bereit erklärt, dass wir bei den Pflegekräften im Zusammenhang insbesondere mit der Intensivpflege einen Bonus zahlen werden.

Außerdem haben wir heute eine Vereinbarung getroffen, die einer Länderbitte entspricht, nämlich dass das Personal in Pflegeeinrichtungen geimpft sein soll. Das heißt also, der Bund wird in Kürze befinden, wie wir uns dazu verhalten. Aber das ist natürlich eine sehr wichtige Mitteilung.

Alles in allem haben wir damit heute, wie ich finde, einen ganz großen Maßnahmenkatalog verabredet. Ich sage allerdings: Die Lage ist hochdramatisch. Es wird jetzt sehr darauf ankommen, dass schnell gehandelt wird, dass konsequent gehandelt wird, dass besser kontrolliert wird. Dann werden wir beobachten müssen, ob wir die Dynamik damit stoppen oder zumindest reduzieren können. Bei der jetzigen Dynamit laufen wir in eine sehr, sehr schwierige Situation hinein, insbesondere für alle Menschen, die in Krankenhäusern und dort insbesondere in der Intensivmedizin arbeiten. Wir haben immer gesagt: Wir wollen unser Gesundheitssystem nicht überfordern. Wir wissen, dass wir das heute nicht flächendeckend einhalten können. Glücklicherweise haben wir an vielen Stellen noch Kapazitäten. Aber es ist wirklich absolut Zeit zum Handeln, und deshalb war diese MPK heute notwendig. Wir werden permanent beobachten müssen, ob das, was wir beschlossen haben, ausreicht, oder ob wir doch zu einer noch schwierigeren Situation kommen werden, was ich nicht hoffe. Es wird jetzt auch von jedem abhängen, sich an die Dinge zu halten - ich kann dazu nur auffordern -, denn wir sind in einer sehr ernsten Situation.

MP Wüst: Frau Bundeskanzlerin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesundheitsschutz hat unsere absolute Priorität, und gemessen an dem Ziel ist die Lage sehr, sehr ernst. Ich stimme der Einschätzung der Bundeskanzlerin uneingeschränkt zu.

Seit elf Tagen gibt es täglich einen neuen Rekordwert an Neuinfektionen. Die Inzidenz liegt in Deutschland bei mehr als 330, Tendenz steigend. Wir müssen uns klarmachen, was diese Entwicklung bedeutet. Für gestern wurden 65 000 Neuinfektionen gemeldet. Von diesen Menschen werden, ohne dass wir heute noch einen Einfluss darauf haben, viele Hundert Menschen sterben. Das gilt genauso für den Tag davor, den Tag davor und für den heutigen Tag.

Wir sind in dieser Pandemie sehr, sehr nah an dem Punkt, an den wir nie kommen wollten, nämlich dass in deutschen Krankenhäusern entschieden werden muss, wen man noch behandeln kann. Unser oberstes Gebot muss sein, diesen Notstand mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger hat absoluten Vorrang. Das ist das Wichtigste. Das ist aktuell das Entscheidende. Darum war es so wichtig und so gut, dass Bund und Länder heute endlich zusammengekommen sind. Wir waren in der Pandemie immer dann am stärksten, wenn wir gemeinsam agiert haben, wenn wir geschlossen agiert haben. Gemeinsames, geschlossenes Vorgehen schafft Akzeptanz und Vertrauen, und beides werden wir in den kommenden Wochen noch brauchen.

Ich bin sehr froh, dass dieses Verständnis und dieser Geist die heutigen Beratungen geprägt haben. Der Dreiklang heißt „Vorsicht, impfen, testen“. Bund und Länder sind deshalb zu einer flächendeckenden Anwendung von 2G, 2G plus und weiteren Maßnahmen bereit, wenn es die Hospitalisierungsinzidenz in drei Schritten - 3, 6, 9 - erfordert. Die Länder sind darüber hinaus entschlossen, was eine massive Ausweitung der Boosterimpfungen angeht, und dazu bereit. Alle Länder halten eine Impfpflicht in Heilberufen, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für erforderlich, weil dort mit vulnerablen Menschen umgegangen wird.

Im Einzelnen: Wir setzen jetzt bundesweit bei einer Hospitalisierungsrate von 3 im Freizeitbereich auf 2G-Regeln, bei einem Wert von 6 auf 2G-plus-Regeln, und bei einem Wert von 9 in Abstimmung mit den Landtagen - so sieht es das Infektionsschutzgesetz dann ja vor - auch auf weitere Maßnahmen.

Auch am Arbeitsplatz brauchen wir mit der 3G-Regel ein deutlich höheres Schutzniveau. Das Gleiche gilt für den ÖPNV, den Regional- und Fernverkehr. Für Personen, die nicht geimpft werden können, beziehungsweise für Personen, für die keine allgemeine Impfempfehlung vorliegt, sowie für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre gelten natürlich Ausnahmen. Wir sind uns einig, dass der Vollzug deutlich gestärkt werden muss. Wir brauchen strikte Kontrollen von Geimpften, Genesenen und Testnachweisen.

Um die vierte Welle brechen zu können, brauchen wir jetzt erneut einen nationalen Kraftakt beim Impfen. Wir werden daher unsere Impfkapazitäten massiv und flächendeckend ausbauen. Nachdem wir in den Pflege- und Altenheimen mit dem Boostern angefangen haben, wollen wir nun allen Menschen frühestens nach dem fünften Monat ein Angebot für eine Auffrischungsimpfung machen. Zusätzlich zum Regelsystem der Hausärzte werden alle Länder ihre Impfmöglichkeiten massiv ausweiten.

Wir waren uns auch einig, dass wir mit diesem Vorgehen vor allen Dingen die Verwundbarsten stärker schützen müssen. Deswegen halten es im Übrigen auch alle Länder für erforderlich - da gab es eine große Einigkeit -, dass wir einrichtungsbezogen Angehörige von Heil- und Pflegeberufen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krankenhäusern sowie in Einrichtungen der Eingliederungshilfe verpflichtend impfen lassen wollen. Das ist also erstmals eine Impfpflicht.

Zum Testen: Testen bedeutet zusätzliche Vorsicht und Vorsorge für sich selbst und für andere. Deshalb ist es richtig, dass es die Schnelltests wieder überall kostenlos gibt; insbesondere für Menschen mit Kleinem Geldbeutel eine wichtige zusätzliche Schutzoption.

Auch durch Tests müssen wir das Schutzniveau für die Verwundbarsten deutlich erhöhen, gerade in Alten- und Pflegeheimen. Pflegepersonal insbesondere auf den Intensivstationen leistet in diesen Tagen wieder Großartiges. Ihnen allen danke ich im Namen aller Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sowie der Menschen in unserem Land für ihren unermüdlichen Einsatz. Wir wollen es mit Blick auf die besondere Belastung des Pflegepersonals aber nicht bei Dankesworten belassen. Deshalb gibt es erneut einen Pflegebonus.

Parallel zu den heutigen Beratungen hat der Bundestag eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen, die morgen im Bundesrat beraten wird. Dazu möchte ich für die B-Länder sagen, dass wir weiterhin einen ausreichenden Instrumentenkasten für erforderlich halten. Es ist nach unserer Überzeugung - das ist ja bekannt - das falsche Signal, die epidemische Lage von nationaler Tragweite auslaufen zu lassen. Ihre Verlängerung wäre das beste und rechtssicherste Mittel gewesen. Aus unserer Sicht brauchen wir auch über den 15. Dezember hinaus die notwendigen Instrumente zur Bekämpfung von regionalen Hotspots, um die Menschen bestmöglich zu schützen. Es kann aus Sicht gerade der Länder, die schon heute besonders hohe Infektionszahlen haben, nicht sein, dass in extremen Hotspots die Schließung von gastronomischen Betrieben in einer Region nicht flächendeckend möglich ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass gerade da die meisten Infektionen entstehen.

Uns war wichtig, dass wir heute eine Zusage vom Bund erhalten, dass der Instrumentenkasten des Infektionsschutzgesetzes spätestens Mitte Dezember evaluiert wird. Diese Zusage haben wir heute vom Bundesfinanzminister erhalten: Für den Fall einer von ihm angeführten Bundesregierung wird spätestens bei der MPK am 9. Dezember bewertet, ob die Maßnahmen ausreichend sind, und es werden gegebenenfalls auch kurzfristig Änderungen vorgenommen. Für mich und die unionsgeführten Länder steht fest: Als Regierung eines Landes muss ich in jedem Moment für den Fall eines Falles voll handlungsfähig sein, um die Menschen zu schützen. Deshalb ist diese Evaluierungsklausel, wie wir sie heute vereinbart haben, wichtig, und ich danke dafür ausdrücklich.

Zum Schluss möchte ich ganz herzlich allen Bürgerinnen und Bürgern Dankeschön sagen, die sich, ihre Liebsten und andere durch eine Impfung haben schützen lassen. Alle bislang ungeimpften Bürgerinnen und Bürger bitte ich erneut, sich solidarisch zu zeigen und sich zügig impfen zu lassen. Nur so werden wir die Pandemie effektiv bekämpfen.

Vielen Dank.

BGM Müller: Wir sind mitten in einer vierten Welle. Sie hat uns voll getroffen und die Auswirkungen sind dramatisch; da gibt es nichts herumzureden. Zu Beginn der Woche war ich mit den beiden Chefs der landeseigenen Kliniken in einer Pressekonferenz, und sie haben in aller Klarheit geschildert, wo wir stehen. Sie haben berichtet von verzweifelten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Charité und bei Vivantes, von den bitteren Momenten, wenn auch junge Menschen versterben, die ungeimpft sind - darunter Schwangere. Sie haben berichtet, was es für eine physische und psychische Belastung ist, über Wochen und Monate diese Schwersterkrankten auf den Intensivstationen zu sehen.

Wir sind also in einer dramatischen Situation, aber - das will ich hinzufügen - auch nicht, weil nichts passiert ist. Es ist viel passiert in den letzten Monaten. Wir, Bund und Länder, haben mit vielen Maßnahmen, mit vielen entschlossenen Maßnahmen, die wir umgesetzt haben, auch vielen Menschen geholfen, wir haben viele Leben auch gerettet. Es ist aber auch klar, dass wir fest davon ausgegangen sind, dass wir jetzt, in diesen Tagen, schon eine höhere Impfquote haben könnten.

Ich erinnere immer wieder daran, wie wir zu Beginn der Pandemie doch so darauf gehofft haben, ein Medikament oder eine Impfmöglichkeit zu haben, und dass wir doch eigentlich im Ernst alle miteinander nicht damit gerechnet haben, dass es so schnell gehen könnte, einen Impfstoff zur Verfügung zu haben. Wir hatten ihn dann schnell zur Verfügung. Wir haben ihn eingesetzt, wir haben die Impfzentren, Impfstellen, mobile Teams aufgebaut. Wir sind vor Ort gewesen in Kinos, in Shopping-Malls und auf öffentlichen Plätzen und haben viele Menschen impfen können. Aber die Impfquote ist eindeutig zu niedrig. Es sind immer noch rund 25 Millionen Menschen in unserem Land, die nicht geimpft sind. Selbst wenn man die abzieht, die sich noch nicht impfen lassen können, ist die Impfquote immer noch zu niedrig. Es sind zu viele Menschen, die die Impfangebote nicht annehmen, obwohl sie es tun könnten.

Ich sage an dieser Stelle auch - und bleibe da bei meiner Meinung -: Es liegt nicht daran, dass es in den letzten Monaten zu wenig Aufklärung, zu wenig Werben, zu wenig Impfmöglichkeiten, zu wenig Infrastruktur, zu wenig Impfstoffe oder zu wenig Entschlossenheit gegeben hätte. Das ist nicht der Grund, sondern der Grund ist, dass es zu viel Egoismus und zu viel Gleichgültigkeit gibt, dass tatsächlich einige immer noch der Meinung sind, in dieser Solidargemeinschaft komme es auf ihr Verhalten nicht an. Doch, es kommt auf ihr Veralten an. Sich und andere zu schützen, ist lebens-, ist überlebensnotwendig; das muss man so klar sagen.

Insofern werden wir natürlich auch weiter werben, werden weiter Angebote machen - alle Bundesländer, überall. Wir haben dies eben geschildert: Es wurde heute miteinander beschlossen, die Angebote deutlich auszubauen - die Impfzentren, die Impfstellen, es wird weiter die mobilen Teams geben, selbstverständlich. Wir werden weiter um Personal werben, um noch schneller auch die Auffrischungsimpfung anbieten zu können - alles richtig.

Genauso richtig ist es aber auch, jetzt deutlich zu machen, dass es nicht ewig so weitergehen kann, dass eine Minderheit eine Mehrheit dominiert und deren Gesundheit gefährdet, und dass wir jetzt auch entschlossen die 2G- oder auch 2G-plus-Regeln umsetzen. Es war wichtig, dass wir uns heute zwischen Bund und Ländern auf diesen Fahrplan, wie er beschrieben wurde, verständigen konnten - mit den entsprechenden Grenzen, die dann zu 2G, 2G plus oder noch darüber hinausgehenden Maßnahmen führen. Ich glaube, dass das nötig ist und dass es viele Menschen gibt, die inzwischen auch darauf warten, dass sie als Genesene und Geimpfte auch die Möglichkeit haben, weiter Dinge in Anspruch nehmen zu können, und dass andere, die sich nicht impfen lassen, eben auch damit leben müssen, dass sie nicht mehr so uneingeschränkt Zugang zu vielen Lebenssituationen haben, andere Beschränkungen in Kauf nehmen müssen, sich eben auch testen lassen müssen oder andere Maßnahmen hinnehmen müssen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es jenseits dieses Hochfahrens der Impfkapazitäten, das wir uns vorgenommen haben, und jenseits der 2G-Regeln auch wichtig ist, dass wir noch einmal klar gesagt haben, dass es strenge Testpflichten in den Pflegeheimen, in den medizinischen Einrichtungen gibt, damit wir die Betroffenen, die dort sind und die die Schutzlosesten sind, mit diesen Maßnahmen so gut es geht schützen können. Ich glaube, dass es ein wichtiges Signal war, dass wir uns heute darauf verständigt haben, schleunigst für bestimmte Berufsgruppen einrichtungsbezogene Impfpflichten in Angriff zu nehmen und dass das vorangetrieben werden muss.

Ich will abschließend auch noch hinzufügen, dass ich darauf setze, dass wir den Maßnahmenkatalog, den wir haben, durch den Beschluss des Deutschen Bundestages auch in den Ländern entschlossen umsetzen; denn wir haben einen weitgehenden Maßnahmenkatalog zur Verfügung und wir hatten ihn auch in den letzten Wochen zur Verfügung. Viele, die beklagen, dass manche Dinge nicht umgesetzt worden sind, hätten es in eigener Verantwortung tun können. Auch für die nächsten Wochen ist das noch möglich. Gerade diese nächsten Wochen sind auch entscheidend für die Frage, wie wir über Dezember und Januar kommen. Dafür hat uns der Bundestag mit seinen Beschlüssen die entsprechenden Möglichkeiten gegeben, und insofern setze ich auch darauf, dass es jetzt jenseits von Ansprüchen, die möglicherweise die eine Seite an die andere Seite hat, einfach dazu kommt, dass wir jetzt auch wirklich konstruktiv mit dieser Beschlusslage umgehen.

Ich will mich dem Dank, den Herr Wüst eben ausgesprochen hat, ausdrücklich anschließen - dem Dank an so viele, die in den letzten Monaten solidarisch waren, so viel mitgetragen haben, sich so besonnen verhalten haben und sich und andere geschützt haben.

Ich will diesen Dank aber auch noch einmal mit einem deutlichen Appell verbinden, sich jetzt nicht zurückzulehnen, sondern dass alle noch einmal mithelfen und jetzt, wenn sie es nicht getan haben, Impfangebote annehmen, die Angebote zur dritten Impfung, der Auffrischungsimpfung, annehmen. Ja, in dieser Phase, in der hoffentlich viele die Angebote auch annehmen, kann es zu Wartezeiten kommen. Ich bitte dafür um Verständnis. Wir werden alles tun, um so schnell wie möglich diese Impfangebote besser und schneller umsetzen zu können. Aber bitte warten Sie in den nächsten Wochen nicht einfach darauf, sondern bemühen Sie sich jetzt um diese Auffrischungsimpfung, bemühen Sie sich jetzt um Termine - jeder Tag zählt.

Ich möchte auch noch den Appell formulieren, dass wir jenseits vom Impfen - Erst-, Zweit- und Auffrischungsimpfung - auch weiter daran denken, uns an Regeln zu halten. Es wird wichtig bleiben - auch mit einer Impfung wird es wichtig bleiben, auf Abstand, auf Hygiene, auf Masketragen, auf all diese Regeln weiter zu achten, um, wie gesagt, nicht nur uns selbst, sondern andere zu schützen.

Danke.

BM Scholz: Unser Land befindet sich in einer neuen Coronawelle, die Virusinfektionen nehmen mit großer Geschwindigkeit zu. Wir merken, dass es eine wachsende Belastung auf den Intensivstationen gibt. Das ist etwas, was wir uns alle gerne erspart hätten.

Klar ist, dass viele sich jetzt Sorgen machen, Ängste neu entstehen und auch Erinnerungen an die Situation, wie sie im letzten Winter und in den anderen Wellen, die uns so herausgefordert haben, wieder hochkommen. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass wir uns jetzt unterhaken, dass wir als Land gemeinsam handeln und all die notwendigen Maßnahmen ergreifen und die Schritte unternehmen, die wichtig sind, um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger zu schützen - jeder für sich, aber auch wir uns alle gemeinsam.

Deshalb ist es gut, dass wir jetzt eine Reihe von Maßnahmen unternehmen können, die mit den neuen Gesetzgebungen des Bundestages möglich geworden sind, und es ist sehr gut, dass auch die Ministerpräsidentenkonferenz zusammen mit der Bundesregierung jetzt konkrete, präzise Beschlüsse über das, was jetzt zu tun ist, gefasst hat, damit wir gut durch diesen Winter kommen. Denn das ist genau das, was wichtig ist. Wir müssen jetzt die Monate, die vor uns liegen, in denen die Infektionen schon wegen der Jahreszeit wieder zunehmen werden, als Monate betrachten, in denen wir mit großer Geschwindigkeit die Anstrengungen auf den Weg bringen, die wir jetzt brauchen.

Dazu zählt zuallererst, dass sich diejenigen impfen lassen, die sich noch nicht haben impfen lassen. Mein Appell ist, dass alle sich jetzt einen Ruck geben und die Entscheidung für sich selber, für ihre Liebsten, für ihre Angehörigen treffen. Es ist deshalb gut, dass wir eine solche Ausweitung der Impfangebote bekommen - in den Arztpraxen, aber auch bei den öffentlichen Angeboten mit mobilen Impfmöglichkeiten und mit Impfmöglichkeiten in den neu eröffneten Impfzentren.

Es ist wichtig, dass wir viele davon überzeugen, dass sie sich jetzt eine Auffrischungsimpfung holen; denn auch das hilft durch die Pandemie. Es ist klar: Da geht es um Millionen, denn viele haben sich ja schon einmal oder zweimal impfen lassen. Allein wenn diejenigen, die vor knapp sechs Monaten geimpft wurden, sich jetzt ein drittes Mal impfen lassen, dann wird das bis zum Jahresende fast - nicht ganz - 30 Millionen Auffrischungsimpfungen umfassen. Das zu organisieren, das möglich zu machen, ist eine große Anstrengung, die alle miteinander sich vornehmen müssen - überall in den Städten und Gemeinden in Deutschland, in den Landkreisen, in den Ländern. Das müssen wir jetzt organisieren. Dazu hat sich die Ministerpräsidentinnen- und Ministerpräsidentenkonferenz verabredet, dazu ist die Bundesregierung entschlossen und dazu sind auch die Grundlagen mit den Entscheidungen des Bundestages getroffen worden.

Wir werden, um durch den Winter zu kommen, einschneidende Maßnahmen sehen, die es bisher nicht gegeben hat. Ich will das noch einmal in Erinnerung rufen: Wir werden an den Arbeitsplätzen die 3G-Regelung umsetzen, weil angesichts der Tatsache, dass so viele sich haben impfen lassen und dass für alle die Möglichkeit besteht, sich impfen zu lassen, das jetzt auch die konkret mögliche und richtige Maßnahme zum Schutz aller Bürgerinnen und Bürger ist. Es ist aber ein weitreichender Schritt. Das gleiche gilt für die Regelungen, die wir für den öffentlichen Verkehr getroffen haben und die der Bundestag jetzt vorbereitet hat. Auch das trägt zu größerer und mehr Sicherheit in unserem Land bei.

Mein Wunsch ist also, dass wir alle das jetzt als Zeit nutzen, in der wir zeigen, dass wir als Land zusammenhalten können. Das gilt für die Bürgerinnen und Bürger, und da darf man darauf setzen, dass viele das auch miteinander machen werden und dass sie ihren Beitrag leisten werden, aber es gilt auch für uns alle, die wir Verantwortung haben im öffentlichen Leben dieses Landes. Dass das möglich ist, davon bin ich nach dem heutigen Tag sehr überzeugt. Es waren gute Beratungen im Bundestag, es war eine gute Beratung hier in der Ministerpräsidentenkonferenz, es war eine gute Beratung zwischen der Bundesregierung und den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder, und ich glaube, so müssen wir weitermachen.

Frage: Zum Thema Kontrollen bei 2G und 3G zunächst an Sie, Frau Bundeskanzlerin: Wann sind Sie denn persönlich das letzte Mal, zum Beispiel im Restaurant, nach Ihrem Impfzertifikat gefragt worden.

Ganz grundsätzlich gerne auch an den Rest der Runde: Wie soll es gelingen, dass das wirklich überall praktisch kontrolliert wird?

BK’in Merkel: Ich persönlich bin sowieso nicht so viel unterwegs, aber nach Testbescheinigungen bin ich bei Veranstaltungen, die das vorher angekündigt haben, schon gefragt worden. Bei Restaurant und Ähnlichem habe ich den Eindruck - auch aus Erzählungen -, dass einfach noch viel zu wenig kontrolliert wird. Es kann nie flächendeckend kontrolliert werden, aber es muss eine Systematik entstehen, bei der jeder weiß, dass die Gefahr einer Kontrolle da ist. Dies ist noch nicht überall flächendeckend der Fall gewesen, aber ich glaube, jetzt haben alle ihre Entschlossenheit deutlich gemacht. Dass das gewollt wird, war auch bei den Ländern heute spürbar. Ich war gestern auch beim Deutschen Städtetag, und auch da ist inzwischen eine große Bereitschaft dafür da. Denn es sieht ja jeder, was in den eigenen Krankenhäusern los ist, und dass sich das so weiterentwickelt, muss verhindert werden.

Frage: Die explodierenden Infektionszahlen zeigen ja, wie dramatisch die Große Koalition und auch die Länder im Bundestagswahljahr die Kontrolle über dieses Virus verloren haben, und die Ampelparteien, Herr Scholz, wirken jetzt ja auch nicht gerade überzeugender. Frau Bundeskanzlerin, wie schwer tragen Sie an diesem Vertrauensverlust in der Bevölkerung? Wenn Sie heute ganz frei ohne Ministerpräsidenten und Herrn Scholz hätten entscheiden können, was hätten Sie dann verfügt?

Herr Scholz, Sie können im Gegensatz zu Frau Merkel nun Lehren aus Fehlern ziehen. Es wirkt ja absurd, bei diesen Zahlen die pandemische Lage auslaufen zu lassen. Warum haben Sie es nicht verhindert? Ist das der Preis für eine Regierung mit der FDP?

BK’in Merkel: Von meiner Seite will ich sagen: Wir haben Anfang August, also bereits im Wahlkampf, eine MPK gehabt, die einige Maßnahmen festgelegt hat, insbesondere 3G. Wir haben damals keine Mehrheit für 2G gehabt. Das bedauere ich. Ich hätte das damals schon gerne als eine Möglichkeit ins Auge gefasst. Heute hat die Entwicklung dazu beigetragen, dass das natürlich jetzt ganz normal und sinnvoll erscheint. Im August gab es noch lange Diskussionen darüber, ob man solche radikalen Maßnahmen machen kann.

Ich hätte auch gerne diese MPK etwas früher gehabt. Aber darüber will ich jetzt nicht lange nachdenken.

Der Instrumentenkasten stand den Ländern natürlich zur Verfügung. Die Frage, wann man handelt, ist vielleicht immer noch ein bisschen davon getragen, dass die Dramatik des exponentiellen Wachstums, über das ich oft gesprochen habe, manchmal unterschätzt wird. Jetzt haben wir uns aber hier zusammengefunden. Was ich mir wenigstens gewünscht hätte, ist, dass, wenn schon die epidemische Lage von nationaler Tragweite abgeschafft werden muss, was mir überhaupt nicht einleuchtet und was ich als psychologisches Signal auch immer für falsch gehalten habe, die Länder den gleichen Katalog zur Verfügung haben, wie er bisher in Paragraf 28a des Infektionsschutzgesetzes enthalten ist - ausgenommen die Ausgangssperre, sage ich ganz deutlich, und ausgenommen die Frage der flächendeckenden Schulschließungen. Beides wollen wir nicht. Aber es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die nicht in diesem Infektionsschutzgesetz so, wie es da ist, vorhanden sind. Wir brauchen uns nicht über die epidemische Lage so oder so zu unterhalten. Das können die Länder dann auch machen. Aber den Maßnahmenkatalog hätte ich mir umfassender gewünscht.

BM Scholz: Es ist gut, dass wir hier zu gemeinsamen Ergebnissen gekommen sind. Dadurch werden jetzt Entscheidungen auf den Weg gebracht, die jetzt überall in Deutschland schnell und zügig ergriffen werden. Darum geht es ja.

Das geschieht auch zu einem Zeitpunkt, wo es darauf ankommt. Das wird nicht Stück für Stück geschehen, sondern gewissermaßen in einer großen Anstrengung, die jetzt überall in Deutschland unternommen wird. Das ist, glaube ich, ein ganz großer Vorzug gegenüber früheren Situationen, wo viele vielleicht gezögert haben, wo an unterschiedlichen Stellen in Deutschland unterschiedliche Maßnahmen ergriffen worden sind. Jetzt sehe ich schon, dass - abgesehen von den Auswirkungen der unterschiedlichen Lage beim Infektionsgeschehen - trotzdem gemeinsam gehandelt wird.

Ich will nur sagen: 2G wird jetzt überall gemacht. Das ist die Konsequenz der Verabredung. Wir haben all die neuen Möglichkeiten, die mit den sehr scharfen Regelungen, die der Gesetzgeber geschaffen hat, verbunden sind. Das wird auch dazu beitragen, dass wir besser durch diese Situation kommen. Hier ist jetzt also die Grundlage für gemeinsames Handeln und auch dafür, dass alle ihrer Verantwortung gerecht werden. Ich bin auch davon überzeugt, dass ihr alle gerecht werden.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, können Sie uns und den Sportfans hier erklären, ob 2G auch auf dem Fußballplatz für Fußballprofis gilt? Unter Punkt 8 heißt es, dass 2G auch für Sportveranstaltungen und Ausübungen gelte. Es entsteht also die Frage, ob künftig Sportprofis noch ungeimpft Fußball spielen dürfen.

Die Frage an Herrn Wüst - Sie haben sich dazu heute nicht geäußert -: Wie verhalten Sie sich denn morgen im Bundesrat? Wird Nordrhein-Westfalen gegen das Infektionsschutzgesetz, gegen die Ampelvorschläge dazu stimmen?

Wie verhalten sich die unionsgeführten Länder insgesamt? Danke.

BK’in Merkel: Zu dem Infektionsschutzgesetz muss ich an dieser Stelle auf den Bundesfinanzminister verweisen, der es, glaube ich, intensiver verhandelt hat.

Normalerweise ist es so, dass in der Arbeitswelt 3G gilt und nicht 2G verhängt wird, auch wenn in dem Bundesland der Schwellenwert 3 bei der Hospitalisierung überschritten wird. 2G gilt dann sozusagen für alles, was nicht die Arbeitswelt betrifft. Jetzt kommt es darauf an, ob das die Arbeitswelt ist oder ob es sozusagen die Freizeitwelt ist. So verstehe ich das. Aber ich bin weder Juristin noch bin ich mit dieser spezifischen Sache intensiv befasst. Notfalls müssen wir das nachreichen.

BM Scholz: Auf alle Fälle ist es so, dass wir hier einen so großen Katalog von Maßnahmen haben, die möglich sind - ich blättere das einmal auf – und die alle im Einzelnen im Gesetz beschrieben sind. Das wird eine ganz große Veränderung mit sich bringen. Das wird auch noch in den nächsten Tagen Ihre Berichterstattung sehr prägen, wenn ich das einmal vorhersagen darf, weil natürlich gegenwärtig erst einmal diskutiert worden ist – und das ist völlig in Ordnung -: Was geht denn? Was wird gemacht? Was kommt da rein? Dabei standen einzelne Fragen im Mittelpunkt.

Tatsächlich wird es aber so sein, dass hier ein sehr umfassenderer und auch in vielen Fällen weitreichenderer Handlungskatalog zur Verfügung steht, als er bisher zur Verfügung stand. Gleichzeitig ist es so, dass hiermit auch noch die Verabredung verbunden ist, weite Teile davon auch jetzt schon aktiv umzusetzen.

Ansonsten hat es die Kanzlerin trotz der Einschränkungen, die Sie vorgenommen hat, sehr präzise beschrieben. Es gibt Regelungen für Freizeitveranstaltungen. Da sind Beschränkungen möglich, wenn sie jeweils vor Ort ergriffen werden. Dazu ist auch 2G für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorgesehen. Das ist ja damit verbunden. Selbstverständlich bedeutet das auch, dass dann für diejenigen, die berufstätig sind, die Regeln gelten, die für den Arbeitsplatz gelten.

Die Länder haben natürlich die Möglichkeit, beides zusammenzuführen, wenn sie das in einer einheitlichen Veranstaltung machen. Das ist aber eine Entscheidung, die dann vor Ort zu treffen ist.

MP Wüst: Sie haben mich nicht gefragt, ich will aber trotzdem darauf eingehen, Herr Blank. In der Vorbesprechung der Länderchefinnen und -chefs waren wir uns sehr schnell einig, dass, wenn Zuschauer im Stadion 2G beachten müssen, das nach unserer Auffassung auch für die Profis gelten soll. Die Rechtslage war klar. Ob das umgesetzt wird, müssen wir jetzt prüfen. Aber das war einhellige Auffassung der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten.

Zu dem an mich adressierten Teil Ihrer Frage: Ich werde jetzt im Lichte der Ergebnisse dieses Tages mit dem Papier natürlich die Abstimmung in der nordrhein-westfälischen Landesregierung suchen. Dann werden wir, wie es in viereinhalb Jahren guter Zusammenarbeit immer gewesen ist, in Nordrhein-Westfalen für morgen eine gemeinsame Linie finden.

Frage: Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten haben sich jetzt darauf verständigt, eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen einzuführen. Dem haben, wenn alle zugestimmt haben, auch die Landesregierungen mit FDP-Beteiligung zugestimmt. Herr Scholz, was bedeutet das denn jetzt für die Meinungsfindung innerhalb Ihrer möglichen zukünftigen Koalition? Sie haben ja jüngst auch gesagt, dass Sie eigentlich befürworten, dass man in die Diskussion eingestiegen ist. Wie schnell kommt diese Impfpflicht jetzt? Die Mehrheit im Bundesrat haben Sie ja schon einmal.

BM Scholz: Das ist ein guter Beschluss, der hier gefasst worden ist. Wenn die Bundesregierung sich einvernehmlich mit den Ländern auf diesen Text verständigt, kann man daraus entnehmen, dass diese Aufgeschlossenheit sehr weitreichend ist und auch in die nächste Regierung hineinreicht. Insofern ist jetzt der Prozess für eine Gesetzgebung zu dem Thema eröffnet. Man sieht an den Tatsachen, dass wir die Formulierungen, die jetzt in dem Beschluss stehen, im Einzelnen fünfmal hin- und hergewendet haben und dass noch richtige Gesetzgebungsarbeit und auch öffentliche Anhörungen dazu notwendig sind, wie man das im Einzelnen macht. Aber mit dem Beschluss, der hier getroffen worden ist, mit der Entscheidung der künftigen Koalition, eine Diskussion darüber zu eröffnen, ist natürlich auch vorgegeben, dass am Ende dabei auch etwas herauskommt. Ich befürworte das, wie ich ja schon gesagt habe, und halte das auch für richtig.

Ich bin sehr froh darüber, dass wir jetzt in einer Situation sind, wo gesellschaftlicher Konsens, der auch Politik wird - und zwar schnell und zügig -, möglich ist, den man sich vor einem Jahr, vor einem halben Jahr nicht hätten vorstellen können. Ich greife noch einmal das Thema 3G am Arbeitsplatz und die Frage der entsprechenden Regeln für den öffentlichen Verkehr auf, wo wir gesagt haben: Auch da müssen entsprechende Vorschriften beachtet werden. Natürlich gilt das auch für die Frage der Durchsetzung von Impfvoraussetzungen für berufliche Tätigkeiten in Bereichen, wo Menschen gefährdet sind, wenn sie von jemandem infiziert werden können. Genau das ist in dem Beschluss angelegt. Ich befürworte sehr, dass das jetzt der Fall ist. Meine Haltung ist hier klar.

BK’in Merkel: Ich will nur sagen: Die geschäftsführende Bundesregierung, also der Bundesgesundheitsminister, wird jedwede Hilfe leisten, wenn gewollt wird, dass bei der Gesetzgebung geholfen wird. Da muss man also jetzt nicht 14 Tage gar nichts tun, wenn es gewollt wird.

BM Scholz: Da ist jetzt das Startsignal durch die politischen Debatten gesetzt, die vorher stattgefunden haben und zu denen ich mich ja verhalten habe. Durch die Entscheidung heute ist, glaube ich, noch einmal ein richtiger Schritt nach vorne gemacht worden. Mein Eindruck ist: Es findet eine sehr breite Zustimmung.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich muss einfach diese Gelegenheit nutzen, um Ihnen eine Frage zur Außenpolitik zu stellen.

Wie reagieren Sie denn auf die Veröffentlichung des diplomatischen Briefwechsels zwischen den Außenministern von Deutschland, Frankreich und Russland durch die russische Seite hinsichtlich des Normandie-Formats? Die französische Seite hat sich schon geäußert und hat gesagt, dass durchaus nicht diplomatisch gang und gäbe ist. Das Normandie-Format ist Ihnen ja eine Herzensangelegenheit. Ihre Reaktion würde uns interessieren.

BK’in Merkel: Können Sie mir noch einmal den Sachverhalt erklären? Ich habe mich heute den ganzen Tag mit Gesundheitspolitik beschäftigt.

Zusatzfrage: Klar. Die russische Seite hat den diplomatischen Briefwechsel zwischen den Außenministern Heiko Maas, Yves Le Drian und Lawrow über „SPUTNIK“ öffentlich gemacht, und zwar die Briefe wirklich eins zu eins und detailliert über 25 Seiten. Herr Lawrow hat argumentiert, dass er die Veröffentlichung nutzen möchte, um die Position der russischen Seite darzustellen, warum es bisher zu keinem Treffen gekommen ist.

BK’in Merkel: Ach so! Gut, ich meine, dass Briefe veröffentlicht sind, ist ja jetzt nicht so überraschend. Ich lese viele meiner Briefe in der Zeitung. Insofern hat sicherlich keiner etwas zu verbergen.

Aber die Tatsache, warum es zu keinem Außenministertreffen gekommen ist, wird mit Sicherheit von französischer und deutscher Seite einerseits und russischer Seite andererseits vollkommen unterschiedlich gesehen. Ich habe das immer sehr bedauert. Ich habe auch den russischen Präsidenten darum gebeten, dass, so lange ich Bundeskanzlerin bin, ein solches Treffen stattfindet. Ich hätte mir sogar ein Treffen auf Chefebene gewünscht. Das ist leider nicht zustande gekommen. Deshalb bedauere ich das sehr. Daran wird auch die Veröffentlichung des Briefwechsels nichts ändern, dass meiner Meinung nach ein solches Treffen hätte stattfinden können.

Nehmen wir einmal die heutige MPK. Wenn wir sagen würden, weil wir uns zehn Tage vorher noch nicht einig sind, was genau das Ergebnis eines Treffens ist und deshalb treffen wir uns erst gar nicht, würden wir viel weniger Resultate erreichen. Treffen haben immer eine Eigendynamik. Deshalb sind sie gut und wichtig. Deshalb bedauere ich es, dass es in letzter Zeit zu solchen Treffen nicht gekommen ist.

Frage: Eine Frage, die an die Kanzlerin und den Vizekanzler als Vertreter des Bundes geht. Sie haben jetzt für 2G und 2G plus Schwellenwerte für die Länder festgelegt. Warum sind Sie nicht den größeren Schritt gegangen und haben bei der 2G-Regel zum Beispiel eine bundesweite Regelung verhängt? Denn dieser Grenzwert von 3 ist so niedrig, dass doch eigentlich jedes Bundesland – ich glaube, bis auf Bremen im Moment – diese Regelung sowieso schon einführen muss. Warum nicht der große Schritt, wie wir das ja auch früher hatten, dass bundesweit 2G und dann entsprechend auch 2G plus eingeführt wird?

BM Scholz: Das ist doch eine bundesweite Verständigung, wenn man die Kriterien festlegt, die darüber entscheiden, wann man den jeweils nächsten Schritt geht. In Deutschland steht im Grundgesetz, dass die Länder die Gesetze des Bundes in eigener Verantwortung ausführen. Wir sind ein föderales Land mit einer hohen Verwaltungskompetenz. Deshalb treffen wir uns zum Beispiel in solchen Veranstaltungen wie dem gemeinsamen Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder. Deshalb gibt es die Ministerpräsidentenkonferenz, den Bundesrat und all die Verabredungen.

Aber das ist doch jetzt sehr weitgehend. Eigentlich macht Ihre Frage doch insofern einen guten Sinn zum Abschluss. Wir haben uns untergehakt. Deutschland handelt gemeinsam. Es gibt klare Kriterien, wie wir weiter entschieden gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland vorgehen wollen, wie wir die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürgern schützen wollen. Viele Bürgerinnen und Bürgern machen sich große Sorgen. Sie wollen, dass wir das gemeinsam lösen und gemeinsam anpacken. Das ist jetzt der Schlusspunkt. Das ist etwas, was wir uns miteinander vorgenommen haben. Dazu gehören dann auch solche weitreichenden und strengen Regeln, wie wir sie jetzt umsetzen.

Ich glaube also, dass das heute ein guter Tag für den Zusammenhalt in Deutschland und ein guter Tag für eine aktive, engagierte Bekämpfung der Gesundheitsgefahren war, die von dem Coronavirus ausgehen. Es sollte auch weiter so gehen. Wir müssen das gemeinsam hinbekommen. Und wir werden es auch gemeinsam hinbekommen, uns in dieser Situation auf einen Weg zu begeben, wie wir es hinbekommen, dass die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürgern geschützt wird. Ich glaube, das war wirklich ein guter Tag.

Ich will das auch noch einmal sehr persönlich sagen: Viele Bürgerinnen und Bürger sind besorgt. Sie haben Ängste. Sie wissen nicht, was da passieren wird. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir entschlossen und gemeinsam handeln. Das tun wir.

BK’in Merkel: Nur eines: Bis auf die wenigen Monate der Bundesnotbremse war es ja immer unser Angang, uns mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten auf bestimmte Schwellenwerte zu einigen. Insofern ist das in einer langen Tradition der Pandemiebekämpfung meiner Meinung nach eine gute Botschaft.

Danke schön.

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