Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem französischen Präsidenten Macron anlässlich des Deutsch-Französischen Ministerrats am 22. Januar 2023 in Paris

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im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz und dem französischen Präsidenten Macron anlässlich des Deutsch-Französischen Ministerrats am 22. Januar 2023 in Paris

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Sonntag, 22. Januar 2023

P Macron: Sehr geehrter Bundeskanzler, lieber Olaf, sehr geehrte Damen und Herren Ministerinnen und Minister, sehr geehrte Botschafter, sehr geehrte Damen und Herren!

Wir haben gerade den 23. Deutsch-Französischen Ministerrat abgehalten. Es war das erste Mal, dass dieser Rat getagt hat, seitdem unsere Regierungen im Amt sind. Das wurde lange und intensiv vorbereitet.

Lieber Herr Bundeskanzler, ich bin sehr dankbar, dass Sie heute mit vielen hierhergekommen sind, mit Ihren Ministern, mit Ihren Teams, um, wie wir das heute Morgen gemacht haben, den 60. Jahrestag des Élysée-Vertrags zu feiern, was eine wundervolle Gelegenheit ist und uns gleichzeitig auch in die Pflicht nimmt. Denn gemeinsam möchten wir die Zukunft gestalten. Daran haben wir auch noch einmal bei den Arbeitssitzungen des Ministerrats erinnert sowie heute Morgen unsere beiden Länder.

Unser Europa steht vor großen Herausforderungen. Der Krieg ist wieder auf den Kontinent zurückgekehrt. Es gibt Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Energiebereich. Das kommt zu den großen Veränderungen hinzu, die wir bereits erleben im Bereich Klima und Technologie. Unser Ziel ist dasselbe: Es ist das Ziel eines souveränen, geeinten und solidarischen Europas, das sein Schicksal in die Hand nimmt. Das ist auch das Ziel, das zu unseren deutsch-französischen Entscheidungen und europäischen Entscheidungen in der Pandemie geführt hat, um eine gemeinsame Antwort im Gesundheitsbereich, aber auch im Finanzbereich zu geben. Seit Beginn des Krieges haben wir die Ukraine unterstützt, haben Russland mit Sanktionen belegt und haben uns ständig abgestimmt.

Im Verlauf des Deutsch-Französischen Ministerrats und auch im Vorfeld, bei der Vorbereitung, haben wir an der Konvergenz gearbeitet und an der Abstimmung unserer Strategien und strategischen Vision für Europa und für unsere beiden Länder. Das ist eine stets notwendige Arbeit. Denn wir brauchen die deutsch-französische Konvergenz so ausgeprägt wie möglich in allen Bereichen für unsere beiden Länder und um unser Europa voranzubringen.

Diese Konvergenz haben wir konsolidiert, indem wir beide mit unseren Ministern auch im geopolitischen Bereich gearbeitet haben. Unsere feste Überzeugung ist, dass unser Europa Moldau klare Perspektiven geben musste, aber auch der Ukraine und dem Westbalkan. Das haben wir in den vergangenen Monaten getan. Außerdem wollten wir eine geopolitische Vision fest verankern durch das, was wir mit der Europäischen Politischen Gemeinschaft auf den Weg gebracht haben.

Unser Austausch hat sich natürlich auch mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine befasst. In diesem Kontext haben wir noch einmal bekräftigt - und das werden wir auch nach dieser Pressekonferenz in einem spezifisch diesem Thema gewidmeten deutsch-französischen Sicherheits- und Verteidigungsrat tun -, dass wir unermüdlich und so lange wie notwendig die Ukraine unterstützen und dass wir uns eng abgestimmt mit unseren Partnern engagieren. Unsere Entschlossenheit besteht fort, die Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem Kampf zu unterstützen. Und wenn es um den Wiederaufbau der Ukraine geht, werden wir an ihrer Seite sein.

Die Rückkehr des Krieges auf unserem Kontinent hat natürlich noch einmal unsere gemeinsame Überzeugung gestärkt, dass wir in der Lage sein müssen, für uns selbst als Europäer einzustehen. Das bezieht sich natürlich auch auf unsere europäischen Verteidigungsfähigkeiten. In den vergangenen Wochen haben wir bei unserer strategischen Partnerschaft gerade im Bereich des FCAS Fortschritte gemacht, über die ich mich freue. In einigen Minuten werden wir über die weiteren Themen sprechen.

Unser Austausch hat es auch möglich gemacht, uns mit Wirtschafts-, Industrie-, Energie- und Technologiefragen zu befassen. Im Bereich Energie müssen wir schon seit mehreren Monaten mit den Folgen des Krieges auf die Versorgungssicherheit und auf die Preise umgehen. Wir haben gemeinsam in voller europäischer Solidarität reagiert, und das trägt nun seine Früchte. All das haben wir gemacht, ohne jemals dabei unsere gemeinsame Antwort auf die Herausforderungen im Bereich Klima aus den Augen zu verlieren, und das geht mit einer ehrgeizigen Energiewende einher.

Wir haben das gemacht, indem wir es geschafft haben, unsere Versorgungsstrukturen beim Gas auf historische Art und Weise zu diversifizieren. Wir haben unsere Solidarität hinsichtlich Energie - besonders bei Strom und Gas - zwischen Deutschland und Frankreich noch einmal besonders verstärkt.

Wir müssen aber auch deutlich sein: Wir können aus unserem Europa erst dann den ersten klimaneutralen Kontinent machen und unsere Souveränität steigern sowie unsere Energieresilienz, wenn wir auch die jeweiligen nationalen Entscheidungen beim Energiemix respektieren und gemeinsam unsere Strategien umsetzen.

Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, bei den gemeinsamen Einkaufsmechanismen für das Gas in den kommenden Wochen und Monaten eng zusammenzuarbeiten. Wir möchten langfristige Einkaufsziele erreichen, arbeiten dort bei den Plattformen zusammen und haben gemeinsame Ziele.

Wir arbeiten ebenso zusammen mit unseren wichtigsten Partnern, um die Reform des europäischen Strommarkts, die unerlässlich ist, voranzubringen. Darüber hinaus haben wir auch den Willen, unsere Wasserstoffstrategien aufeinander abzustimmen. Ich möchte noch einmal zwei wichtige Fortschritte der vergangenen Wochen hervorheben. Es geht einmal darum, einen gemeinsamen Ansatz bei der Regulierung zu haben, damit wir CO₂-armen Wasserstoff haben und gleichzeitig unsere nationalen Entscheidungen beim Energiemix achten können. Wir möchten aber ebenfalls eine europäische CO₂-arme Stromproduktion, auch um daraus dann Wasserstoff zu generieren.

Darüber hinaus haben wir das Projekt H2Med, was Portugal, Spanien und Frankreich miteinander verbindet. Sie stehen im Zentrum dieser Wasserstoffstrategie. Das wird dann mit Deutschland verbunden. Deutschland ist ebenfalls ein wichtiger Infrastrukturpartner bei Wasserstoff.

Bei Innovations- und Industriefragen, das heißt auch bei Produktions- und Beschäftigungsfragen, möchten wir grundlegend auf europäischer Ebene zusammenarbeiten. Das heißt, auch in diesem Bereich möchten wir drei Ziele miteinander verbinden: Wir möchten technologische Souveränität, eine Industrialisierung unseres Kontinents und eine Dekarbonisierung. Aus diesem Grund möchten wir die europäischen Anstrengungen, wie im Dezember bereits verabschiedet, verstärken, auch zusammen mit unseren amerikanischen (Partnern), damit die notwendigen Gegebenheiten existieren für einen Zugang zum amerikanischen Markt, damit die Europäische Union wie auch die weiteren Partner behandelt werden können. Das sind insbesondere Mexiko und Kanada. Außerdem möchten wir so auch eine entsprechende europäische Antwort vorbereiten mit einfachen und schnellen sowie gut sichtbaren Instrumenten für unsere Wirtschaft, damit wir mehr Projekte konsolidieren und entwickeln können bei Batterien, bei Batteriekomponenten, bei Wasserstoff, wie ich es bereits angesprochen habe, bei Produktionskapazitäten für Wasserstoff, aber auch industriellen Produktionskapazitäten für erneuerbare Energien.

Darüber hinaus möchten wir auch im Bereich Cloud 5G/6G und künstlicher Intelligenz eine gemeinsame Strategie für Europa haben.

Die Kommission wird in einigen Tagen Vorschläge unterbreiten, wie wir dies gefordert hatten. Wir werden im Februar einen außerordentlichen Rat abhalten. Und mit Olaf werden wir eine gemeinsame europäische Position erarbeiten, damit wir schnell und ehrgeizig die Ziele erreichen. Das Ganze soll einfach sein, soll auch mehr Planungssicherheit bei unseren Unterstützungsmaßnahmen geben und gleichzeitig eine private und öffentliche Antwort mobilisieren.

Wir sind fest davon überzeugt, dass wir bei der Vertiefung unseres Binnenmarkts - ob es sich nun um den Finanzbinnenmarkt oder auch um die Regulierung bei den wichtigsten Regulierungen über saubere Energien handelt – zusammen voranschreiten werden.

Es geht ebenso um unsere Investitionsfähigkeit im Bereich des Digitalen. Auch in diesem Kontext haben wir über unsere europäischen Fiskalregeln diskutiert, denn wir möchten, dass wir eine europäische Antwort in Bezug auf unsere ehrgeizigen Ziele für die Industrie geben. So haben wir beide auch den Erklärungen der Präsidentin der Europäischen Kommission, Frau Ursula von der Leyen, vor einigen Tagen zugestimmt.

Es gibt natürlich noch viele weitere Themen. Ich möchte aber jetzt zum Schluss noch das Thema Jugend ansprechen. Das ist auch ein Kernziel des Élysée-Vertrags. Denn die Jugend soll diesem Vertrag zufolge eine entscheidende Rolle für die Konsolidierung der deutsch-französischen Freundschaft spielen. In diesem Geist haben wir heute Nachmittag einen kurzen Austausch mit dem ersten Jahrgang des deutsch-französischen Programms für Nachwuchskräfte geführt, das vom DFJW unterstützt wird, das seit bald 60 Jahren existiert und bereits mehr als zehn Millionen Gelegenheiten zum Austausch zwischen unseren Ländern geboten hat.

Ebenso haben wir in diesem Geist 2023 ein erstes deutsch-französisches Zugticket für junge Menschen ins Leben gerufen. Außerdem möchten wir auch das Erlernen unserer Partnersprachen fördern.

Jede Generation muss für die künftige Generation auch wieder etwas mehr Wohlstand, Frieden und Brüderlichkeit erringen. Wir ergreifen nun die notwendigen Maßnahmen, um auf diesem Weg der gemeinsamen und konkreten Freundschaft voranzuschreiten.

Das wollte ich hier in dieser Pressekonferenz zum Ausdruck bringen. Vor allem behalte ich vom heutigen Treffen, dass wir noch einmal die Kraft der sechs Jahrzehnte langen Beziehungen zwischen unseren Ländern gesehen haben, dass wir an dieser engen Konvergenz gearbeitet haben, an den vielen Dingen, die wir gemeinsam haben, und vor allem auch, dass dieser Geist der Freundschaft zwischen unseren Ministern, uns und unseren Teams besteht.

Genau dieser Geist wird natürlich auch den Abschluss dieses Tages, die nächsten Tage, die nächsten Wochen und Monate begleiten. Denn wir wissen: Es ist diese deutsch-französische Freundschaft, die es uns möglich macht, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die Pioniere für die Zukunft für unsere Länder, für unser Europa zu sein und auch den entsprechenden Mitnahmeeffekt zu generieren.

Lieber Olaf, vielen Dank, dass du heute nach Paris in diesem Geist der Freundschaft gekommen bist. Vielen Dank für die Arbeit, die wir zusammen umgesetzt haben, und für die Arbeit, die wir noch leisten werden. Du hast nun das Wort.

BK Scholz: Lieber Emmanuel, meine Damen und Herren! Das ist heute für mich ein sehr bewegender Moment. 60 Jahre Élysée-Vertrag - das ist ein ganz besonderes Ereignis. Es ist natürlich auch deshalb so besonders, weil es uns allen, auch uns Nachgeborenen, noch einmal verdeutlicht, aus was für einer Katastrophe sich diejenigen, die früher Verantwortung hatten, mit der Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern, mit den Vereinbarungen, die die Grundlage des Élysée-Vertrags waren und die wir heute feiern, herausgearbeitet haben.

Es ist deshalb mehr als symbolisch, dass wir nicht nur einen Festakt hatten, sondern gleichzeitig zu einer Arbeitssitzung des Ministerrats zusammengekommen sind, wo wir sehr konkrete Fragen dieser Freundschaft, unserer gemeinsamen Zukunft und unserer gemeinsamen europäischen Zukunft besprechen. Das will ich gerne an den Anfang stellen: Wir sind fest davon überzeugt, dass eine gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich nicht nur für unsere Länder, sondern für den Fortschritt in Europa insgesamt notwendig ist. Es wird uns nur miteinander gelingen, das zu bewerkstelligen. Wenn wir uns einigen, dann sind wir noch nicht durch - denn da sind ja noch viele andere -, aber dann ist das immerhin und immer ein ganz, ganz gutes Zeichen dafür, dass eine Verständigung insgesamt gelingen kann. Es ist auch unsere Aufgabe, die wir aus der Geschichte mitführen, dass uns das gelingt und dass wir das weiter tun.

Wir sind dazu aufgerufen, den Fortschritt Europas möglich zu machen und die notwendigen Vorschläge dazu zu unterbreiten. Das betrifft natürlich gerade in diesen Zeiten, in denen wir heute leben, die Erweiterungsentscheidungen, die wir gemeinsam getragen haben und die wir mit der Perspektive für die Staaten des westlichen Balkans, mit der Perspektive für Moldau und die Ukraine und mit der weiteren Perspektive für Georgien vorangetrieben haben. Aus unserer Sicht ist es notwendig, dass man das mit Reformvorstellungen zur Zukunft Europas verbindet, wie das auch in der Vergangenheit der Fall war. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns hier gemeinsam einig sind, dass dazu auch bessere Entscheidungsmechanismen innerhalb der Europäischen Union gehören, zum Beispiel auch Mehrheitsentscheidungen in einzelnen Dossiers, die eine Rolle spielen. Das wäre ein großer Fortschritt für Europa.

Die Welt, in der wir leben, wird bald zehn Milliarden Einwohner haben. Sie wird sehr viele große einflussreiche Nationen kennen und multipolar werden. Wir als Europäerinnen und Europäer, als Franzosen und Deutsche werden in dieser Welt das, was uns wichtig ist, nur in unsere Richtung mit beeinflussen können, wenn wir das als Frankreich und Deutschland, als Europäische Union zusammen tun. Das ist auch die Mission, die sich aus den 60 Jahren Élysée-Vertrag ableitet.

Die Idee des Vertrags war, Freundschaft zwischen den Nationen Europas zu schmieden, dafür zu sorgen, dass kein Krieg mehr stattfindet. Für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat das auch funktioniert. Diejenigen, die, so wie wir beide und viele, viele andere, später geboren sind, haben deshalb eine unglaublich lange Periode des Friedens erlebt, wie sie für Europa und den europäischen Kontinent über Jahrhunderte niemals erreichbar war. Wahrscheinlich sind wir die erste Generation, die über so lange Zeit frei von jeder Erfahrung von Krieg im eigenen Land und mit dem eigenen Land gewesen ist. Das ist etwas, das wir als Wert erhalten müssen.

Deshalb sind wir auch gemeinsam so empört über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Denn das ist eine Infragestellung vieler Verständigungen, die wir über den Frieden in Europa in den letzten Jahrzehnten gefunden hatten, zum Beispiel die Verständigung, dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden. Es war wichtig bei den Verständigungen über die KSZE und die OSZE, dass das in Europa nicht mehr stattfindet, dass niemand in seinen Geschichtsbüchern blättert, wo Grenzen denn früher verlaufen sind, um sie nach diesem historischen Modell aus 1500, 1600, 1700, 1800 oder sonst wann zu ziehen, sondern dass man sagt: Das sind die Grenzen, die wir haben und die für uns miteinander gelten. Wir werden den Austausch der Menschen über die Grenzen hinweg organisieren. Das ist ja der Grundgedanke der Europäischen Union und ein großer Teil der Freizügigkeit, die unsere junge Generation heute so gerne genießt.

Aber jetzt, wo diese Aggression stattfindet, müssen wir auf sie auch antworten. Deshalb unterstützen wir die Ukraine finanziell, humanitär, auch mit Waffen. Wir beide haben immer wieder darüber gesprochen und diskutiert, was zu tun ist, was der nächste Schritt ist, mit dem man das miteinander koordiniert. Wir werden das auch für die weitere Zukunft tun.

Wir beide haben auch mehrfach mit dem ukrainischen Präsidenten gesprochen, waren gemeinsam mit dem damaligen italienischen Ministerpräsidenten in Kiew, um mit ihm darüber zu diskutieren. Wir reden auch immer wieder mit dem russischen Präsidenten, um ihm deutlich zu machen, dass diese Aggression aufhören muss, dass er seine Truppen zurückziehen muss. Das ist die Perspektive, über die wir jetzt reden. In diesen Kontext ordnen wir unsere ganze Hilfe und unsere Unterstützung ein, die wir so lange fortsetzen werden, wie das notwendig ist, und mit den Mitteln, die dazu erforderlich sind.

Wir haben über die Herausforderungen gesprochen, vor denen wir auch stehen, wenn es um den menschengemachten Klimawandel und die Zukunft unseres Planeten geht. Dabei haben wir eine große Rolle, gerade hier in Europa, wo ein großer Teil der Industrialisierung begonnen hat und in den letzten 200 Jahren große Fortschritte gemacht hat. Das Wachstums- und Wirtschaftsmodell, das uns diesen Wohlstand gebracht hat, wird aber so nicht mehr lange funktionieren und schon gar nicht, wenn es unverändert auf zehn Milliarden andere übertragen werden soll, die diesen Wohlstand auch genießen wollen. Es geht nur, wenn wir für uns und für andere zeigen, die Technologien weltweit wettbewerbsfähig zu entwickeln, mit denen möglich ist, dass man diesen menschengemachten Klimawandel aufhalten und gleichwohl sichern kann, dass es großen wirtschaftlichen Wohlstand gibt, dass das Wachstum in den Ländern Asiens, Afrikas und im Süden Amerikas stattfinden kann, ohne den Planeten zu beeinträchtigen, weil wir es auch tun und weil wir mithelfen, herauszufinden, wie das geht.

Die aktuellen Herausforderungen des Ukrainekriegs betreffen auch das Thema Energie. Wir sehen deshalb, wie richtig dieser Weg ist, sich von fossilen Ressourcen zu lösen. Aber jetzt müssen wir alles dafür tun, dass wir uns von den Abhängigkeiten, die wir haben, freimachen. Für Deutschland darf ich sagen: Das war für uns eine große, große Herausforderung. 50 Prozent der Gaslieferungen, die insgesamt nach Deutschland erfolgten, waren aus Russland, und die sind eingestellt worden. Niemand hätte sich vor einem Jahr vorstellen können, dass, wenn die nicht mehr geliefert werden, es keine Wirtschaftskrise, keine Wachstumskrise gibt und wir keine Herausforderung hinsichtlich der Energieversorgung haben, außer zunächst die hohen Preise. Das ist uns aber mit europäischer Solidarität gelungen. Emmanuel hat es schon gesagt: Wir liefern Strom nach Frankreich. Frankreich liefert Gas nach Deutschland. Das ist nur ein Beispiel für viele Kooperationen, die neben der Tatsache stattgefunden haben, dass wir uns natürlich auch enorm angestrengt haben, neue Importmöglichkeiten mit neuen Partnerschaften in aller Welt zu schaffen, aber auch neue Importmöglichkeiten, zum Beispiel neuen Terminals an den norddeutschen Küsten, und Importmöglichkeiten aus den westeuropäischen Häfen Frankreichs, Belgiens, der Niederlande.

Alles das ist für uns eine gemeinsame Herausforderung, die wir bestanden haben. Sogar die Preise sinken wieder, auch wenn sie noch nicht da sind, wo wir sie gemeinsam haben wollen. Es ist gut, dass wir europäisch gemeinsam geantwortet haben und möglich gemacht haben, dass wir unsere Bürgerinnen und Bürger und unsere Unternehmen unterstützen. Wir werden das weiter tun und daran arbeiten, dass alle gut durch diese Krise kommen.

Gleichzeitig wollen wir den Ausbau der Energiezeugung mit CO2-neutralen Produktionsformen in Deutschland, vor allem mit Windkraft und Solarenergie und mit dem Ausbau unseres Netzes. Gleichzeitig wollen wir, dass es Wasserstoff als das Gas der Zukunft in rauer Menge und zu bezahlbaren Preisen gibt. Das ist ein technologischer Fortschritt, den wir nur gemeinsam bewerkstelligen können. Auch dazu haben wir uns eng verabredet, dass wir das miteinander erreichen wollen.

Zuletzt: Für mich ist es ganz wichtig, dass wir auch in den anderen Feldern, wo die industrielle Zukunft Europas gefragt ist, zusammenarbeiten – ob das das Thema der künstlichen Intelligenz, der Digitalisierung ist, zum Beispiel die Frage der Telekommunikation, oder eben das große Thema Weltraum. Wir wollen zusammenarbeiten. Das haben wir hier verabredet, und das wird uns auch gelingen.

Frage: Herr Bundeskanzler, ich würde gerne nach der Unterstützung für die Ukraine fragen, die Sie beide sehr betont haben. Die Ukraine bittet dringend um Kampfpanzer des Typs Leopard 2. Können Sie der Ukraine zusichern, dass ohne weitere Verzögerung eine Entscheidung getroffen wird?

Bleiben Sie bei der Bedingung, dass so eine Lieferung nur möglich ist, wenn auch die USA Abrams-Kampfpanzer liefern?

Herr Präsident, ist Frankreich bereit, Kampfpanzer des Typs Leclerc zu liefern? Ist es für Sie eine Vorbedingung, dass die USA Abrams-Kampfpanzer liefern, um so eine Entscheidung zu treffen? - Vielen Dank.

BK Scholz: Schönen Dank für die Frage, weil Sie mir zunächst einmal die Gelegenheit gibt, zu sagen, dass unsere beiden Länder sehr viel tun, um die Ukraine zu unterstützen: finanziell, humanitär, aber eben auch mit Waffen. Für Deutschland kommt noch dazu, dass das ein Bruch mit einer langjährigen Rüstungsexporttradition ist, denn wir haben über Jahrzehnte keine Waffen in Gebiete geliefert, die in Kriege verwickelt waren. Das haben wir aus gutem Grund wegen des imperialistischen Angriffs Russlands auf die Ukraine geändert, und das werden wir auch weiter tun. Dazu sind wir eng miteinander verabredet.

Die USA tun sehr viel; Deutschland tut auch sehr viel. Wir haben unsere Lieferungen mit sehr wirksamen Waffen konstant erweitert, die heute schon zur Verfügung stehen. Alle diese Entscheidungen haben wir immer mit all unseren wichtigen Verbündeten und Freunden eng abgestimmt, zum Beispiel mit Frankreich, mit den USA, auch anderen großen Ländern Europas und natürlich immer mit sämtlichen, die sich an dieser Diskussion beteiligen. Das war so, als wir unsere Artillerielieferung mit der Panzerhaubitze 2000 begonnen haben. Das war so, als wir entschieden haben, Mehrfachraketenwerfer - eine sehr weitreichende, wirksame Waffe - zu liefern. Das hätte niemand von denen, die das heute tun, alleine getan. Wir haben uns miteinander verabredet, es zu machen. Das haben wir in jüngster Zeit gemacht, als wir entschieden haben, dass wir Schützenpanzer liefern: den Marder in Deutschland, den Bradley und das ähnliche Modell aus Frankreich. Eine Entscheidung, die praktisch zur gleichen Zeit gefallen ist und die dazu beiträgt, dass jetzt sehr große Unterstützung für die Ukraine mobilisiert werden kann. Wir haben auch bei der Luftverteidigung mit Flakpanzern und mit sehr modernen Systemen wie zum Beispiel IRIS-T oder mit dem Patriot-System geholfen, das wir zur Verfügung stellen.

So, wie wir in der Vergangenheit vorgegangen sind, immer eng abgestimmt mit all unseren Freunden und Verbündeten die konkrete Lage besprechend, werden wir auch in der Zukunft vorgehen. Wir müssen befürchten, dass dieser Krieg noch sehr lange dauert. Deshalb ist für die Ukraine wichtig, dass sie weiß: Wir werden in unserer Unterstützung nicht nachlassen und so lange wie notwendig handeln. Aber deshalb bleibt auch dieses Prinzip, das uns durch die letzte Zeit so gut getragen hat, für die Zukunft wichtig: Wir handeln nur eng miteinander abgestimmt.

P Macron: Wie der Bundeskanzler bereits gesagt hat, haben wir die Ukraine sehr im Bereich Artillerie unterstützt, aber auch mit entsprechenden Fahrzeugen, Ausrüstung und Munition. Bis zu Beginn des Jahres sind auch noch zusätzliche Entscheidungen getroffen worden, die entsprechende Ausrüstungsgegenstände betrafen, die die Ukraine gefordert haben.

Ich habe auch noch einmal den Verteidigungsministern gesagt, dass sie daran arbeiten sollen. Nichts ist ausgeschlossen. Das bedeutet, dass wir uns gemeinsam anschauen und entscheiden. Dabei gibt es entsprechende Kriterien. Zum einen soll es, wie wir das ab Beginn getan haben, zu keiner Eskalation führen. Das war auch immer unsere Position.

Zweitens. Es soll eine tatsächliche konkrete Unterstützung für unsere ukrainischen Freunde sein. Aus diesem Grund muss man auch die Fähigkeiten berücksichtigen, die Ausbildungszeiten und die Möglichkeit, dies im Einsatz zu nutzen. Das haben wir ab Beginn getan. Denn alle Ausrüstungsgegenstände die wir liefern, haben zum Ziel, zu schauen: Wann genau sind sie vor Ort? Gibt es ukrainische Soldaten, die sie benutzen können? Auch das muss man natürlich bei all den Ausrüstungsgegenständen berücksichtigen.

Das Dritte ist, dass wir natürlich auch unsere eigenen Verteidigungsfähigkeiten nicht schwächen möchten, ganz besonders bei unseren kritischen Strukturen. Diese Kriterien werden genutzt. Wir stimmen unsere kollektiven Anstrengungen mit unseren wichtigsten Bündnispartnern eng ab. Dazu gehört natürlich auch Deutschland. In den kommenden Tagen und Wochen gibt es nach wie vor Arbeit zu tun.

Frage: Sie haben in Ihren gemeinsamen Erklärungen hervorgehoben, dass es die Notwendigkeit gibt, massiv in die grüne Transformation und die entsprechenden Technologien zu investieren. Haben Sie als Deutschland und Frankreich eine gemeinsame Antwort auf den Inflation Reduction Act gefunden? Wenn ja, welche ist das?

Noch eine besondere Frage an Sie, Herr Präsident, und zwar zum Thema von Burkina Faso, das gefordert hat, dass die französischen Spezialeinsatzkräfte abgezogen würden. Was bedeutet das, und was sind die Folgen für die Einsatzkräfte vor Ort?

P Macron: Eine kurze Antwort auf die zweite Frage: Ich erwarte, dass sich Übergangspräsident Traoré äußert. Ich habe verstanden, dass die Botschaften, die bisher auf einer Reise außerhalb der Hauptstadt übermittelt wurden, sehr verwirrend waren. Das heißt, dass man damit sehr vorsichtig sein und sehen muss, dass es Besonderheiten der Region gibt. Es sind entsprechende Klarstellungen zu diesem Thema von Herrn Taoré notwendig.

Jetzt zum Inflation Reduction Act und dem, was wir als Europäer tun werden: Wir unterstützen - das haben wir gemeinsam festgehalten - ganz klar die Erklärungen und die Linie, die von der Kommissionspräsidentin vor einigen Tagen dargelegt wurden, nämlich die richtigen Ausnahmen mit den USA auszuhandeln, um die Integrität unserer Wertschöpfungsketten zwischen Europäern und Amerikanern zu gewähren. Dann die großen Projekte, die verteidigt werden sollen. Wir brauchen auch entsprechende Finanzierungsmechanismen sowie Regulierungsmechanismen, die es ermöglichen, innovative Industrielösungen für eine grüne Industrie, die wir heute und morgen brauchen, zu entwickeln.

Das bedeutet: Wir unterstützen eine europäische Regelung für diese grünen Industrien. Diese Arbeit werden wir in den kommenden Wochen gemeinsam machen, auch auf Grundlage dessen, was die Kommission vorschlagen wird. Denn die Kommission hat die Verantwortung, entsprechende Instrumente auf den Tisch zu legen. Dann werden wir die notwendigen Finanzierungsmöglichkeiten erörtern.

Das Ganze muss für unsere Unternehmen verständlich sein. Es muss mit dem, was es auf amerikanischer Ebene gibt, vergleichbar und so einfach wie möglich sein. Manchmal haben wir Finanzierungsmechanismen. Wir haben bereits viele davon ins Leben gerufen. Aber es gibt gewisse Komplexitäten, was dazu führt, dass die Industrie sie nicht voll ausschöpfen kann. Das heißt: Es gibt zum einen die Frage nach den Mitteln, aber zum anderen eben auch die Frage nach der Einfachheit der Umsetzung. - Aber ja, wir haben auch dort eine enge Konvergenz bei der Antwort, die wir liefern wollen.

BK Scholz: Ich kann es sehr kurz machen. Es ist notwendig, dass wir mit dem Inflation Reduction Act umgehen und eine europäische Antwort darauf formulieren. Das Erste ist, dass wir zunächst einmal dafür Sorge tragen, dass wir als Europäische Union nicht schlechter behandelt werden als die unmittelbaren Nachbarn wie zum Beispiel Kanada oder Mexiko. Es kann nicht akzeptiert werden, dass die vielen „Local-content“-Regulierungen, die darin sind, eine Diskriminierung europäischer Unternehmen bei ihren Tätigkeiten und Aktivitäten in den USA bedeuten.

Ich habe verstanden, dass es dafür ein großes Verständnis in den USA gibt. Meine Gespräche haben bei mir eher den Eindruck erweckt, dass bei der Konzentration auf das wichtige Thema „Wie kämpfen wir gegen den menschengemachten Klimawandel? Wie bringen wir die digitale Zukunft der USA voran?“ alles Mögliche bedacht wurde, aber vielleicht die Auswirkung auf andere enge Freunde und Partner nicht eine gleiche Rolle gespielt hat. Das hindert aber niemanden daran, das noch möglich zu machen. Ich bin jedenfalls gegenwärtig sehr zuversichtlich, dass wir im Laufe des ersten Teils dieses Jahres die notwendige Verständigung erzielen können.

Man soll, wie es so schön heißt, den Tag nicht vor dem Abend loben. Aber ich jedenfalls bin darauf vorbereitet, ihn später einmal zu loben. Insofern ist das vielleicht die richtige Ausgangsbetrachtung.

Ansonsten haben wir die Kommission gebeten, ein Assessment der Situation der europäischen Hilfen vorzunehmen und sie mit dem, was in den USA stattfindet, in den dafür relevanten Industrien zu vergleichen. Das werden wir gemeinsam bewerten und schauen, ob zusätzliche Maßnahmen notwendig sein werden. Dafür ist aber ein sehr sorgfältiges und wahrscheinlich für verschiedene Bereiche unterschiedlich ausfallendes Assessment dringend erforderlich.

Zuletzt - das will ich gern bestätigen - sind wir uns darin einig, dass die heutigen Regeln für Hilfen für Unternehmen, die in moderne Bereiche investieren und in technologischer Hinsicht Neuland betreten wollen, viel zu bürokratisch sind, dass die Entscheidungsprozesse zu lange dauern und dass die Vorhersehbarkeit des Ergebnisses für viele nicht sehr gut ist. Das würden wir alle gemeinsam gern ändern. Insofern sind wir über die verschiedenen Ankündigungen, die wir aus der Kommission gehört haben, ganz froh, weil sie in die gleiche Richtung gehen.

Frage: Herr Bundeskanzler, Monsieur le Président, Sie haben heute beschlossen, bei der europäischen Souveränität voranzugehen. Eine Ihrer wichtigsten Initiativen, Herr Bundeskanzler, ist das European Sky Shield, bei dem weder Frankreich noch Polen dabei sind und für das Sie auch beabsichtigen, Rüstungsgüter vor allen Dingen aus Amerika und Israel zu kaufen. Wie lässt sich das mit der Idee einer verbesserten europäischen Souveränität vereinbaren?

Herr Präsident, warum ist Frankreich nicht Teil dieser Initiative? Welches waren Ihre Einwände? Gibt es eine Hoffnung, dass Sie wie zum Beispiel bei anderen Themen wie zum Beispiel der berühmten Midcat-Pipeline, noch zu einer deutsch-französischen Einigung mit einem europäischen Mehrwert kommen?

BK Scholz: Schönen Dank für die Frage. Zunächst einmal: Sie haben zum Schluss noch einmal die Pipeline angesprochen, die Portugal, Spanien, Frankreich und auch Deutschland verbinden wird. Das ist ein gutes Zukunftsprojekt. Ich bin sehr froh, dass wir übrigens schon sehr lange in diese Richtung gearbeitet haben. Die Gespräche zwischen dem Präsidenten und mir sind ja konstant und permanent. Dieses Thema haben wir früh miteinander besprochen. Deshalb ist das, was wir hier miteinander bekannt machen konnten, auch eigentlich das notwendige Ergebnis unserer Gespräche, die wir lange geführt haben, und auch ein Hinweis auf die gute Qualität unserer engen Zusammenarbeit gewesen.

Was die konkrete Ausrüstung der verschiedenen Armeen betrifft, ist zu beachten, dass die Lage in den verschiedenen Ländern schon geografisch unterschiedlich ist. Wenn man sich in Europa umschaut, sieht man, dass es in vielen Ländern ganz andere Interessen als zum Beispiel bei denjenigen gibt, die sehr dicht an der Ostgrenze Europas liegen. Das kann man sich gut vorstellen. Gleichzeitig haben wir sehr enge Kooperationen in sehr entscheidenden, weitreichenden Projekten. Ich will es einmal beschreiben: Wir haben jetzt zum Beispiel beim FCAS-Projekt einen großen Fortschritt gemacht. Wir beide sind aktiv geworden, um eine Einigung auch der Industrie möglich zu machen, damit die Sachen jetzt schnell vorangehen. Das ist für uns ganz, ganz wichtig. Das ist ein Projekt für die 40er-Jahre. So lang sind die Vorlaufzeiten; so ist die Entwicklungssituation.

Für uns ist ganz wichtig, dass wir aufgrund der Situation, in der wir uns befinden, Entscheidungen treffen können, die in ganz kurzer Zeit, das heißt, indem wir mit heute existierenden Produkten arbeiten, realisiert werden können, weil wir nicht über eine Modernisierung vorhandener Systeme reden, sondern, was uns in Deutschland betrifft, über die Anschaffung von etwas, das es in dieser Form bisher gar nicht gibt, das aber für unsere Sicherheit notwendig ist. Deshalb haben wir von vornherein gesagt: Wir müssen auf heute existierende Handlungsmöglichkeiten zurückgreifen, weil wir sonst zu lange Zeit warten müssten.

P Macron: Sie haben ein Beispiel der Energieinfrastruktur genannt. Vor einigen Monaten habe ich gesagt, dass das Projekt Midcat kein Projekt ist, das wir unterstützen, und zwar deshalb nicht, weil die Strategie, die das ganze Projekt aufgebaut hatte, nicht mehr geeignet war. Das Projekt sollte über die Pyrenäen führen. Wir haben dann erneut über die Strategie und über das, was wir aus energiepolitischer Sicht tun wollen, gesprochen. Dann haben wir die richtigen Antworten in Sachen Infrastruktur gegeben. Das heißt, wir haben gesagt: Wir brauchen Wasserstoff. Es ist viel einfacher, von Hafen zu Hafen über das Mittelmeer zu gehen. Jetzt erweitern wir das um unsere deutschen Freunde.

Wenn einer technischen Lösung eine klare Strategie zugrunde liegt, dann findet man auch immer eine Antwort. Aber wenn wir die falsche Strategie haben, dann können wir auch nicht die richtige technische Lösung dafür finden. Das heißt, dass es nicht sinnvoll ist, eine reine Gasinfrastruktur über die Pyrenäen zu entwickeln, was mindestens sechs oder sieben Jahre dauert, wenn wir eine entsprechende moderne Gasstrategie haben. Denn wir wollen ja perspektivisch Wasserstoff entwickeln. Deshalb haben wir unsere Strategie noch einmal klargestellt. Wir haben die Instrumente definiert, eine Einigung mit Portugal und Spanien gefunden und könne das Ganze jetzt sogar noch ausweiten. Das ist wichtig für eine saubere Produktion, aber auch für eine Diversifizierung und Erweiterung in Richtung Deutschlands, aber vielleicht auch in Richtung anderer Länder, in Richtung Mittel- und Osteuropas.

Meiner Meinung nach gilt dasselbe für die Verteidigung unseres Luftraums. Ich denke, dass es gut ist, dass es unterschiedliche Vorschläge gibt. Deswegen arbeiten wir ja daran. Jetzt werden wir gemeinsam daran arbeiten, um zu sehen, welche Strategie wir auch aus dem neuen geopolitischen Kontext ableiten müssen.

Frankreich hat auch aufgrund der Tatsache, dass wir mit entsprechenden Rüstungssystemen ausgestattet sind, besondere Charakteristika. Das geht gleichzeitig mit dem Willen einher, Lösungen zu finden. Das heißt, dass ich will, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten natürlich mit Deutschland, aber auch mit unseren Partnern - dazu gehört auch Polen; denn zu dritt gibt es ja auch ein Format, das Weimarer Dreieck - ganz klar unsere strategische Risikoanalyse durchführen und dann schauen, wo wir investieren wollen, dass wir einen entsprechenden Ansatz mit Blick auf die Fähigkeiten und die damit einhergehenden Fristen haben und dass wir auf dem Weg hin zu einer gemeinsamen Strategie unsere technologische und industrielle Souveränität so weit wie möglich wahren.

Frage: Herr Bundeskanzler! Herr Präsident, Sie haben es geschafft, bei den Wahlen ein klares Mandat zu erhalten. Aber jetzt ist eine Mehrheit der Franzosen gegen Ihre Rentenreform. Sie haben kürzlich Aussagen getroffen. Können Sie sagen, dass sie am Eintrittsalter von 64 Jahren festhalten werden, koste es, was es wolle, selbst wenn erneut zahlreiche Franzosen auf die Straße gehen?

Haben Sie Angst vor einer Blockade des Landes?

P Macron: Wissen Sie, ich glaube an das Mandat und an die individuelle und kollektive Verantwortung. Ich denke, wenn man wählen geht - das tut man in allen Ländern; das sind wichtige Punkte -, dann definiert man ein Mandat. Das tut man für den Präsidenten, genauso aber auch für die Assemblé. Dieses Mandat wurde erteilt. Dann verhandelt man. Das hat es ermöglicht, dieses Projekt in den vergangenen Monaten noch weiter auszuarbeiten und mit sehr vielen sozialen Aspekten zu vervollständigen

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass ein Drittel der Bruttogewinne aus dieser Reform durch unterschiedliche Mechanismen der Umverteilung wieder neu verteilt wird. Das heißt, dass es eine soziale Debatte gibt, die jetzt abgeschlossen ist, und dass es dann politische Diskussionen gibt. Das respektiere ich. Ich möchte, dass die Regierung, aber auch die Abgeordneten im Senat und in der Assemblée nationale daran arbeiten.

Parallel dazu gibt es entsprechend unserer Verfassung, die immer geachtet worden ist, auch in der Pandemie, natürlich das Recht, zu demonstrieren und seine Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Das ist demokratisches Leben, und das ist etwas Gutes. Ich will also, dass dieses demokratische Leben seinen Gang geht, dass jeder die Möglichkeit hat, dies zu tun, und dass es dann so wenige Störungen für unsere Landsleute gibt wie möglich. Das ist es, was ich dazu sagen kann. Natürlich geht es auch darum, dass die Rolle eines jeden respektiert werden muss.

Morgen wird der Gesetzentwurf im Kabinett besprochen werden, danach im Parlament. Parallel dazu gibt es Demonstrationen.

Zusatz: Sie haben keine Antwort auf die 64 Jahre gegeben.

P Macron: Ich werde zu diesem Thema keine Antwort geben. Denn ich werde ja nicht statt der Regierung oder der Abgeordneten sprechen. Das wird am Montag im Kabinett diskutiert, und danach geht es seinen Gang. Aber wir wissen eben auch, welches die Notwendigkeiten sind. Die Notwendigkeiten sind wohlbekannt. Man hat gesagt: 65 Jahre bis 2031. Wir haben auch eine Erhöhung der Beitragszeit vorgesehen. Aber wir werden das nicht vergessen. Die 43 Jahre wurden bereits 2013 so beschlossen. Jetzt gehen wir zu 64 Jahren über. Das ist ja bereits eine Veränderung, eine gewisse Offenheit, ein Kompromiss. Damit muss man jetzt auch entsprechend vorangehen. Die Regierung arbeitet mit dem Parlament zusammen, und zwar in Ruhe und Klarheit und mit dem Wunsch und dem Willen, zu überzeugen, um das ganze Land voranzubringen.

Vielen Dank.

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