Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Ministerpräsident Wüst und der Regierenden Bürgermeisterin Giffey nach der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Juni 2022

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Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Ministerpräsident Wüst und der Regierenden Bürgermeisterin Giffey nach der Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Juni 2022

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Donnerstag, 2. Juni 2022

BK Scholz: Wir haben uns heute zur Zusammenkunft des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder in Präsenz getroffen. Das ist wirklich ein Unterschied zu vielen Zusammenkünften, die wir in den letzten Jahren coronabedingt haben konnten und die in vielen Fällen nur virtuell durchgeführt werden konnten. Ich will sagen: Das war doch ein großes Familientreffen, auf dem wir uns alle sehr darüber gefreut haben, dass die Entwicklung der Infektionslage, aber auch des beginnenden Sommers es uns möglich macht, auf diese Art und Weise zusammenzukommen. Das war ein gutes Gefühl. Im Übrigen hat es unsere Beratungen auch beflügelt. Wir sind relativ zügig vorangekommen und haben in großem Einvernehmen und auch mit großer Geschwindigkeit, was bei den Dingen hilft, sehr viele gemeinsame Entscheidungen getroffen.

Ein Thema hat natürlich auch diese Debatte bestimmt wie viele, viele andere in der gegenwärtigen Zeit, nämlich der brutale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die Frage, wie wir damit umgehen und was wir tun, um die Ukraine zu unterstützen, aber auch, was die Auswirkungen auf unser Land betrifft. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass wir dazu auch entsprechende Verabredungen getroffen haben. Wir sind uns über die Notwendigkeit einig, solidarisch zu sein, und wir haben noch einmal festgehalten, dass der Prozess der Umsetzung unserer Beschlüsse vom vergangenen Mal auch gut vorangeht. Nun übernehmen die Jobcenter die Unterstützung der Vertriebenen, der Geflüchteten aus der Ukraine, ein großer sozialpolitischer Fortschritt, der jetzt viele gemeinsame Organisationen mit sich bringt. Aber das ist gut organisiert, wie viele miteinander betont haben. Deshalb wollen wir das für die Zukunft auch gern so fortsetzen und diesen Prozess der engen Kooperation auch organisieren.

Das zweite große Thema, das uns umgetrieben hat, ist die Frage der Auswirkungen des Krieges, die sich ja auch in hohen Preisen insbesondere für Energie und mit Blick auf die Energieversorgungssicherheit widerspiegeln. Wir als Land haben darüber diskutiert, wie wir es hinbekommen können, dass wir die Versorgungssicherheit gewährleisten können, dass wir ermöglichen können, dass wir genügend Gas, Kohle und Öl in diesem Land haben, dass die Preise beherrschbar belieben, und was wir tun können, um die Bürgerinnen und Bürger angesichts der dramatischen Preisentwicklung zu unterstützen. Sie wissen, dass gerade jetzt die ganzen Gesetze umgesetzt werden, die zur Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger auf den Weg gebracht worden sind, um die Einzelnen in ihrer ganz konkreten Situation nicht alleinzulassen.

Wichtig ist, dass alle unterstützen, dass wir jetzt die technischen Infrastrukturen ausbauen, die notwendig sind, damit wir Gas aus aller Welt nach Deutschland importieren können. Es werden mit sehr großer Geschwindigkeit und auch mit vielen neuen Gesetzen die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir neue Importmöglichkeiten an den norddeutschen Küsten haben, die dann mit dem deutschen Gasnetz verbunden sind. Dieser Prozess wird von allen begleitet.

Wir sind darüber hinaus intensiv dabei, insbesondere die Herausforderung zu bewältigen, die sich für die Ölversorgung der ostdeutschen Raffinerien stellt. Auch das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die wir miteinander angehen wollen. Darum werden wir uns in der Zukunft auch konkret kümmern.

Für die Zukunft ist es natürlich wichtig, dass wir alles dafür tun, dass wir möglichst schnell nicht nur von fossilen Energieimporten aus Russland, was Kohle, Gas und Öl betrifft, unabhängig werden, sondern von solchen Importen überhaupt. Aus dem Grunde ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Ausbau der Windkraft auf hoher See, an Land, der Ausbau der Solarenergie, der Ausbau des Übertragungsnetzes, eine ganz große Frage, der wir uns hier auch in unseren Diskussionen gewidmet haben und die wir auch weiter voranbringen wollen. Das muss jetzt mit größtem Tempo geschehen. Das geht nur im engen Schulterschluss, zu dem wir uns aber verabredet haben. Es soll in diesem Jahr gelingen, dass die notwendigen Gesetze auf den Weg gebracht werden, damit das jetzt auch mit der entsprechenden Geschwindigkeit geschieht.

Nicht so lange haben wir über die Frage von Corona diskutiert, obwohl uns dieses Thema unverändert bewegt. Dazu haben wir einen gemeinsamen Beschluss gefasst, der letztendlich auch zur Kenntnis nimmt, dass wir nun doch sinkende Infektionszahlen haben und dass sich die Lage erheblich verbessert hat. Wir wissen, wie das Impfniveau unserer Bevölkerung ist. Das ist etwas, was wir erst einmal festhalten. Man muss einen solchen Sommer dann auch als eine gute Verbesserung wahrnehmen.

Gleichwohl ist es allen klar, dass wir im Winter und Herbst möglicherweise andere Voraussetzungen vorfinden, als sie heute existieren. Deshalb ist die klare Verabredung, dass wir uns auf genau diesen Moment vorbereiten. Es wird jetzt Berichte des Expertengremiums geben. Es gibt einen Bericht des Krisenstabes, der sorgfältig ausgewertet wird. Darauf aufbauend, werden wir die gesetzlichen Voraussetzungen, die wir brauchen, eng miteinander abstimmen und besprechen, damit wir im Herbst alle Handlungsmöglichkeiten, die wir brauchen, zur Verfügung haben werden und das Notwendige tun können. Alle die Impfstoffe, die dazu gebraucht werden, um diejenigen, die sich impfen lassen wollen, zu unterstützen, werden beschafft und sind bereits beschafft, sodass wir eine gute Unterstützung unserer Bürgerinnen und Bürger möglich machen können.

Einen Punkt aus dem gemeinsamen Beschluss will ich noch hervorheben. Es soll keine erneuten flächendeckenden Schließungen von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geben, sondern es geht ausschließlich darum, dass wir jetzt die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass es einen guten Betrieb in Kitas und Schulen gibt.

Insgesamt war es für mich eine sehr gute, sehr freundschaftliche Zusammenkunft und im Übrigen überhaupt einmal eine in Präsenz.

MP Wüst: Mehr als zwei Jahre Pandemie haben uns gezeigt, wie wichtig das Thema der Krisenfestigkeit generell für unser Land ist. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat deshalb schon im vergangenen Herbst einen Prozess zu dem Thema der Widerstandsfähigkeit des Staates gestartet.

Der brutale russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Bedeutung noch einmal unterstrichen. Er hat eine globale Krise ausgelöst. Präsident Putin bedroht Frieden, Freiheit und Sicherheit in Europa. Wir haben deshalb heute beraten, wie die Sicherheit Deutschlands in einem umfassenden Sinne noch einmal besser gestärkt werden kann. Dazu gehören zum einen die nachhaltige Stärkung der Bundeswehr und eine nationale Sicherheitsstrategie. Die Länder haben heute deutlich gemacht, dass sie bereit sind, bei der Erarbeitung einer solchen Sicherheitsstrategie mitzuarbeiten. Denn Verfassungsschutz und Polizei sind eben auch Ländersache. Deswegen ist es gut, dass die Bundesaußenministerin auch die Einbindung der Länder zugesagt hat.

Für die Sicherheit unseres Landes ist es darüber hinaus wichtig, eine Abhängigkeit von autoritären Regimen möglichst zu vermeiden. Das gilt natürlich in erster Linie für Energie, aber nicht nur. Deutschland muss so schnell wie möglich unabhängig von russischen Energieimporten werden. Deshalb brauchen wir mehr Tempo beim akzeptanzbasierten Ausbau der erneuerbaren Energien, eine Diversifizierung der Energiebezüge und eine engere Zusammenarbeit mit unseren Partnern in Europa, den USA und darüber hinaus. Es geht um den Schutz unseres Klimas, um die Sicherheit unserer Versorgung und die Bezahlbarkeit von Energie, was wiederum unmittelbar mit dem sozialen Zusammenhalt im Land zusammenhängt.

Deswegen haben wir auch über die Entlastungen gesprochen. Die Länder haben den Bund aufgefordert, bei den Rentnerinnen und Rentnern an Entlastungen zu denken, was bisher nicht in ausreichendem Maße erfolgt ist.

Zur Krisenfestigkeit unseres Landes gehört eben auch, sich noch einmal frühzeitig mit dem Thema Corona zu beschäftigen. Auch wenn wir uns das wünschen: Die Pandemie ist nicht vorbei. Niemand will zurück zu einem Hin und Her von Lockdowns und Lockerungen. Deshalb ist es wichtig, dass wir heute die richtigen Weichen gestellt haben, uns weiter während des Sommers über das Thema zu kümmern. Umsicht und Vorausschau sind nach wie vor der richtige Maßstab im Umgang mit der Pandemie.

Wir haben uns auf einen Fahrplan verständigt. Der Bund wird Vorschläge machen, auf deren Grundlage wir dann gemeinsam beraten. Wir wissen, wir müssen uns auf eine Impfkampagne für Herbst und Winter vorbereiten und Schlüsse aus dem ziehen, was in den letzten Jahren gewesen ist. Es ist wichtig, dass der Bund rechtzeitig vor dem Herbst die Grundlagen für die Pandemiebekämpfung anpasst. Ich bin dankbar dafür, dass der Bund zugesagt hat, die Länder dabei einzubeziehen.

Wir waren uns einig, dass es nicht wieder zu Schul- und Kitaschließungen kommen darf. Deshalb werden die Länder frühzeitig Strategien und Konzepte auswerten und überarbeiten. Es ist gut, dass wir zu einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zurückkommen.

Letzter Punkt: Auch die Folgen des Klimawandels waren heute Thema. Die vergangenen Monate und Jahre haben gezeigt: Wir müssen damit rechnen, dass es immer häufiger Starkwettereignisse, Extremwetterereignisse gibt. Menschenleben, Gesundheit, verlorene Erinnerungen sind unersetzlich. Aber niemand soll durch materielle Schäden in Existenznot gebracht werden. Deswegen waren wir uns im Kreis der Länder einig und haben einstimmig beschlossen, dass wir das Ziel einer Pflichtversicherung für Elementarschäden verfolgen und die Bundesregierung bitten, die Einführung einer solchen Elementarschadenpflichtversicherung zu prüfen. Ich bin dankbar, dass das zugesagt worden ist.

Wir müssen dafür sorgen, dass nach einem Unwetter kein Mensch vor dem finanziellen Ruin steht. Der Klimawandel führt dazu, dass auch der Schutz vor Extremwettern zur Krisenfestigkeit unseres Landes gehört. Umso wichtiger ist es, gleichzeitig den Klimawandel zu bekämpfen und klimaneutrales Industrieland zu bleiben.

Vielen Dank. Ich bitte um Verständnis, dass ich jetzt leider direkt losmuss.

BGM’in Giffey: Herr Kollege Wüst, guten Flug! Ich hoffe, am BER geht alles glatt. Ich bin mir sicher, das klappt.

Meine Damen und Herren, ich möchte natürlich auch von meiner Seite gerne hinzufügen: Ich bin genauso wie die Kolleginnen und Kollegen im Länderkreis, aber auch die Mitglieder der Bundesregierung erfreut darüber gewesen, dass wir uns wieder einmal persönlich treffen konnten und im direkten Gespräch eine relativ normale Ministerpräsidentenkonferenz wie früher hatten, die eine Vielzahl von Themen bearbeitet hat.

Dennoch war es nicht ein Themenspektrum, über das man sagen konnte „Alles ohne Probleme!“, sondern es gibt natürlich gerade im Bereich der Auswirkungen des Ukrainekriegs und der Fragen der Energieversorgungssicherheit, der Energiepreise Themen, die sehr gravierend sind, die uns alle sehr beschäftigen und die natürlich auch die Bevölkerung in Sorge versetzen. Deswegen ist es für uns in Vorbereitung der Ministerpräsidentenkonferenz im Gespräch mit der Bundesregierung von großer Bedeutung gewesen, dass wir das Thema der Energieversorgungssicherheit auf der einen Seite, aber auch der steigenden Energiepreise auf der anderen Seite adressieren und einen Beschluss dazu fassen. Das ist heute geschehen.

Wir unterstützen alle, dass Sanktionen, die beschlossen worden sind, ihre Wirkung zeigen sollen. Darüber gibt es Einigkeit. Dennoch bedeutet das auf der anderen Seite, dass wir für die Energiesicherheit und die Bezahlbarkeit von Energie eintreten müssen. Das gilt sowohl für Privathaushalte als auch für die Wirtschaft und die Industrie.

Hendrik Wüst hat ja schon davon gesprochen, dass das Thema Entlastung heute eine wichtige Rolle gespielt hat. Wir sehen, dass sich viele Menschen in unserem Land um ihre nächste Energie- und Betriebskostenabrechnung Sorgen machen und dass gerade die Menschen, die ein geringes Einkommen haben, aber auch ältere Menschen, die Rente beziehen, große Sorgen haben, wie sie das leisten können. Deswegen haben wir heute von Länderseite noch einmal an die Bundesregierung die Bitte gerichtet, zu prüfen, inwieweit Entlastung auch für Rentnerinnen und Rentner gewährt werden kann.

Dennoch muss man ganz klar sagen: Entlastungspakete sind nur eine Seite der Medaille. Es geht auch darum, wie wir diejenigen, die auf der Gewinnerseite dieser Krisen- und Kriegssituation stehen, ein Stück weit stärker in die Verantwortung nehmen. Ich sage das ganz besonders im Lichte des seit Kurzem geltenden Tankrabattes. Wir sehen - und das ist das Erleben von vielen Menschen in der Bevölkerung -: Bevor der Tankrabatt galt, gab es Steigerungen der Preise an den Tankstellen. Jetzt gibt es den Tankrabatt. Es wird eine Absenkung erreicht, die aber natürlich mit staatlicher Unterstützung erfolgt. Die Frage ist: Wer profitiert eigentlich davon? Es ist ganz klar, dass es Spekulationen gibt, was die Preise für Öl, Gas und Strom angeht. Das zu unterbinden, ist auch ein wichtiger Teil der Entlastung.

Ein Thema im Rahmen der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz war auch, zu überprüfen, inwieweit solche Preissteigerungen im Vorgriff kartellrechtlich zu verfolgen sind. Herr Habeck hat dazu ausgeführt und hat zugesagt, zu prüfen, inwieweit regulatorisch eingegriffen werden kann, um Spekulationen etwa in Bezug auf Öl, Gas und Strom zu unterbinden und eine kartellrechtliche Überprüfung vorgenommen werden kann.

Wir haben vonseiten der ostdeutschen Bundesländer deutlich gemacht, wie wesentlich die Versorgung der Raffinerien in Schwedt und Leuna für die Versorgung des gesamten Ostteils des Landes ist. Wir hier in Berlin, auch der BER, sind davon abhängig, inwieweit besonders die Raffinerie in Schwedt funktionstüchtig ist. Wenn Rohöl nicht mehr aus russischen Quellen kommt, dann ist die Frage: Wie werden Ölimporte aus anderen Quellen für die Ölraffinieren in Schwedt und Leuna gesichert?

Das hat eine ganz besondere Bedeutung für ganz Ostdeutschland. Deshalb haben wir das Thema heute noch einmal adressiert. Es geht darum, wie wir es schaffen, dass auf der einen Seite die Gasversorgung sichergestellt ist, aber auf der anderen Seite anderweitige Quellen für die Ölversorgung erschlossen werden können. Auch hier gab es vonseiten der Bundesregierung die Zusage, dafür Wege zu finden. Ich glaube, das ist ein sehr wesentlicher Punkt.

Wir haben - das ist eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern - die Umsetzung des Entlastungspakets angeschoben. Gestern war der 1. Juni, und das 9-Euro-Ticket ist angelaufen. Noch kam es zu keiner Überlastung in den Zügen. Es gibt aber eine sehr rege Nachfrage. Allein in Berlin wurden eine halbe Million Tickets verkauft. Das bedeutet, das Ticket wird angenommen. Es ist natürlich im internationalen Vergleich eine große Chance und ein interessantes Experiment, das uns in den nächsten drei Monaten bevorsteht. Ich denke, dass das ein Beitrag dazu ist, diese gemeinsam von Bund und Ländern beschlossenen Entlastungen auch voranzubringen, und es ist heute auch noch einmal bekräftigt worden, dass das gute Schritte sind.

Zum Thema der Geflüchteten möchte ich noch einmal deutlich machen, dass wir ja in der letzten Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz eine sehr wichtige sozialpolitische, aber auch integrationspolitische Einigung herbeigeführt haben, nämlich die Weichenstellung des Rechtskreiswechsels, also die Kriegsgeflüchteten genauso wie anerkannte Asylbewerber zu behandeln, sie damit in die Grundsicherung nach dem SGB II zu bringen und damit auch dafür zu sorgen, dass die Geflüchteten ihre Leistungen künftig über die Jobcenter erhalten, auch die Integrations- und Sprachkurse erhalten und entsprechend bessere Möglichkeit für Integration und berufliche Perspektiven haben.

Wir haben bei der letzten MPK-Sitzung vorhergesagt, dass unsere Schätzung sein würde, dass wir wahrscheinlich Ende Mai bei 0,5 Millionen Geflüchteten liegen werden. Wir haben jetzt eine Zahl von ungefähr 450 000 registrierten Geflüchteten. Das heißt, unsere Annahme ist eigentlich schon ganz richtig eingetreten. Wir können nämlich davon ausgehen, dass die Zahl der registrierten Geflüchteten nicht die Gesamtzahl abbildet. Es ist ja ganz klar und wir wissen, dass wir noch nicht registrierte Geflüchtete hier im Land haben, und das bedeutet, dass wir wahrscheinlich schon über dieser Marke von 0,5 Millionen Geflüchteten in Deutschland liegen. Allein in Berlin sind davon 270 000 erstangekommen und erstversorgt worden. In der Stadt geblieben oder registriert worden sind mittlerweile fast 70 000. Wir sind also aus Berliner Sicht eines der großen Drehkreuze.

Wir haben heute auch darüber gesprochen, was der Rechtskreiswechsel zum gestrigen Tag, zum 1. Juni, bedeutet, auch dafür, wie das entsprechend in den Ländern umgesetzt wird. Wir konnten eigentlich einhellig feststellen, dass das eine gute Umsetzung war, eine sehr schnelle Gesetzgebung, die es ermöglicht hat, dass von einer Sitzung der MPK zur nächsten diese gesetzlichen Regelungen umgesetzt werden, und dass wir, Jobcenter und Sozialämter das auch gemeinsam gut vorbereitet haben. Das funktioniert. Mehrere Ministerpräsidenten haben heute auch noch einmal ihren Dank an die Bundesregierung für diese schnelle und richtige Entscheidung ausgesprochen, die dazu führen wird, dass wir Fehler, die in der Integrationspolitik in der Vergangenheit gemacht worden sind, nicht wiederholen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt und auch ein wichtiger Quantensprung, der erreicht worden ist.

Jetzt geht es darum, dass wir die Versorgung, Unterbringung, Registrierung, erkennungsdienstliche Maßnahmen und auch entsprechende arbeitsmarktpolitische Perspektiven gut gestalten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die der Bund hier gesetzt hat, bieten dafür eine gute Voraussetzung. Die Hauptaufgabe, die darüber hinaus natürlich auch bei den Ländern verortet ist, ist tatsächlich neben der Integration in den Arbeitsmarkt jetzt auch die Integration in Schule und Bildung. Ein Drittel der Geflüchteten sind Kinder und Jugendliche zwischen null und 17 Jahren. Das heißt, wir stehen hier eben auch vor einer großen zusätzlichen Herausforderung.

Zum Thema Corona nur noch ganz kurz: Ich begrüße es sehr, dass wir heute diesen Beschluss gefasst haben, der ein Stück weit auch das vorbereitet, was in Herbst und Winter passieren wird. Es war ja in den letzten beiden Jahren immer wieder die Rede davon, dass der Sommer nicht ausreichend genutzt worden sei, um sich auf die kommende mögliche Welle in Herbst und Winter vorzubereiten. Das soll dieses Mal anders sein. Ich finde, es ist ein wichtiges Signal, dass wir also jetzt schon, auch im Juni, in dem die Zahlen sinken und in dem wir wirklich eine sehr geringe Hospitalisierungs- und Intensivstationsrate haben, trotzdem sagen: Wir treffen jetzt die Maßnahme, die vorbereiten, was in Herbst und Winter eventuell kommen kann. – Das ist richtig so, und wir haben heute sehr, sehr zügig diesen Beschluss verabschieden können. Das war, glaube ich, einer der schnellsten Coronabeschlüsse in den ganzen letzten zwei Jahren. Ich denke, dass wir jetzt einfach anhand der Beratungen des Expertenrates die nächsten Maßnahmen vorbereiten werden, damit wir dann auch gut in den Herbst und Winter gehen können. - Vielen Dank.

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben gerade gesagt, um die Ölversorgung der ostdeutschen Raffinerien würden Sie sich konkret kümmern. „Kümmern“ klingt ja gut. Wie konkret passiert das? Was genau machen Sie?

Frau Giffey, Sie haben ja Sorge, dass die Preissenkung trotz der Tankrabatte bei den Leuten nicht richtig ankommt. Das Bundeskartellamt kann aber nur nachträglich Bußgelder verhängen. Was erwarten Sie von der Bundesregierung und vom Bundeskanzler in genau diesem Punkt?

BK Scholz: Wir sind seit Dezember dabei, die Energieversorgungssicherheit der Bundesrepublik Deutschland genau zu analysieren. Deshalb treffen uns alle Herausforderungen, die seit dem Kriegsbeginn auf uns zugekommen sind, nicht unvorbereitet. Wir haben uns damit auseinandergesetzt, wie die Versorgungswege für die Kohle in diesem Land sind und wie viele russische Kohle wir importieren. Wir haben die gleiche Untersuchung gemacht, was das Öl betrifft, und wir haben das Gleiche für das Gas getan, was die Importwege aus Norwegen und aus den Niederlanden betrifft, die neben den russischen Pipelines existieren, aber insbesondere auch das LNG-Gas, das über die westeuropäischen Häfen kommt. Wir haben dabei festgestellt, dass wir sehr viel dafür tun müssen, neue LNG-Terminals an den norddeutschen Küsten zu errichten, und dieses Gesetz ist unterwegs. Wir werden mit größter Geschwindigkeit voran marschieren.

Genauso intensiv verstehen wir die Situation, dass die beiden Raffinerien im Osten an das Pipelinenetz Druschba angebunden sind und dass, wenn sie von anderer Stelle Öl bekommen wollen, sie dafür andere Transportwege benötigen. Das ist etwas, das wir im konkreten Gespräch mit allen erörtern. Wir wissen genau, wie das für Leuna funktionieren kann. Wir haben auch konkrete Vorstellungen im Hinblick auf Schwedt und sind jetzt dabei, das mit den Ländern zu erörtern. Wir haben dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die solche Gespräche führt, damit das alles gut im Blick ist und man dann die entsprechenden Entscheidungen daraus ableiten kann. Dass ich Ihnen jetzt nicht ganz genau sagen werde, was wir wann an welcher Stelle machen werden, werden Sie sicherlich bedauern, aber verstehen.

BGM’in Giffey: Zur Frage nach konkreten regulatorischen Maßnahmen: Es gibt ja eben zwei Wege, zum einen die kartellrechtliche Prüfung. Sie haben die Probleme, die sich damit verbinden, schon angesprochen. Natürlich ist ja auch die Beweisführung nicht so einfach. Das hat der Wirtschaftsminister heute auch noch einmal ausgeführt. Ob das quasi ein Übertragen von Preisen, die jemand anders macht, und quasi das Abschöpfen der Möglichkeiten ist, die der Markt bietet, oder ob dem tatsächlich Absprachen vorausgehen, ist eben sehr schwer nachzuweisen. Das ist eine Problematik der kartellrechtlichen Prüfung.

Auf der anderen Seite geht die Frage aber natürlich die Gewinne an. Wenn es hier also über die Maßen Gewinne gibt, die ja dann auch nachweislich vorhanden sind, dann finde ich schon den Gedanken einer Prüfung einer Gewinnbegrenzungsklausel interessant, ebenso die Frage, inwieweit man - das hat Herr Bürgermeister Bovenschulte ja auch eingebracht - in gewisser Weise Übergewinne auch besteuern kann. Das sind Dinge, hinsichtlich der die Bundesregierung genau prüfen muss, was rechtlich möglich ist. Für uns als Länder ist nur ersichtlich, dass, wenn man dort nicht ein Regulativ in welcher Form auch immer einsetzt, es dann natürlich die Wahrscheinlichkeit gibt, dass über die Maßen auch Gewinne gemacht werden, Spekulationsgewinne gemacht werden und eine krisenhafte Situation zur eigenen Profitmaximierung ausgenutzt wird. Das muss unterbunden werden.

Wie genau das aussehen kann, muss natürlich durch die Bundesregierung geprüft werden. Diese Bitte ist heute durch die Länder formuliert worden, und es ist zugesagt worden, das zu prüfen. Ich hoffe, dass wir dann auch bald eine Rückmeldung erhalten werden. Das ist natürlich eine Frage, die das Wirtschaftsministerium auch rechtlich prüfen muss.

Frage: Herr Bundeskanzler, zu Corona: Inwieweit sollte aus Ihrer Sicht das Infektionsschutzgesetz für den Herbst wieder weitergehende Maßnahmen ermöglichen? Muss darin aus Ihrer Sicht zum Beispiel wieder eine Pflicht zum Tragen von Masken in Innenräumen stehen?

Die Länder fordern nun ja, dass der Bund die kostenlosen Bürgertests auch über Ende Juni hinaus finanziert. Inwieweit können Sie das heute zusagen?

BK Scholz: Zunächst einmal ist es so, dass wir uns verabredet haben, dass wir sehr sorgfältig den Herbst vorbereiten. Wir haben jetzt Sommerreifen drauf, wenn ich das Beispiel so wählen darf. Es geht darum, dass wir die richtigen Winterreifen bereit haben, wenn es darauf ankommt, und falls es eine sehr eisige Landschaft wird, brauchen wir dann vielleicht auch noch weitere Möglichkeiten, um dann sicher voranzukommen.

BGM’in Giffey: Schneeketten.

BK Scholz: Schneeketten und was weiß ich. - Das alles werden wir jetzt miteinander diskutieren. Alle sind sehr dafür, dass wir, bevor wir jetzt mit Schnellschüssen kommen, die beiden angekündigten und lange vorbereiteten Berichte des Expertengremiums abwarten, aber auch eine Auswertung dessen vornehmen, was der Krisenstab zusammengetragen hat - Best-Practice-Erfahrungen aus den Ländern, „lessons learned“, die dabei identifiziert worden sind, und auch die Frage: Was für verschiedene Szenarien können entstehen? -, woraus wir dann Schlüsse ableiten.

Weil das alles gerade gemacht wird, macht es keinen Sinn, einzelnen Sachen vorzugreifen und gewissermaßen, wenn man sich gerade verabredet, keine Schnellschüsse zu machen, einen zu machen. Sie werden daher verstehen, dass ich mich an das halte, was wir mit den Ländern vereinbart haben. Es ist aber - das kann man der Atmosphäre heute sehr deutlich entnehmen - ein sehr konstruktiver, kooperativer Prozess, und alle wollen sicherstellen, dass alle Entscheidungen getroffen sind - auch, was die gesetzlichen Fragestellungen betrifft -, bevor es mit dem Herbst losgeht. Das ist das Anliegen der Bundesregierung und der Länder, und ich bin sehr zuversichtlich, dass das auch gelingt.

Im Übrigen ist die Bitte der Länder an uns herangetragen worden und das wird jetzt sorgfältig geprüft.

Frage: Frau Giffey, können Sie uns sagen, welche zeitliche Vorstellung Sie und die anderen Länder bei der Bitte an den Bundeskanzler und die Bundesregierung haben, was die Entlastung der Rentner angeht?

Herr Bundeskanzler, wie stehen Sie, was das angeht, der Bitte der Länder gegenüber? Haben Sie, wenn Sie es wohlwollend sehen, eventuell auch schon ein Instrument im Kopf? Glauben Sie, dass das einigungsfähig im Regierungsbündnis ist?

BGM’in Giffey: Ich kann nur sagen: Wir haben da heute keine zeitlichen Limits gesetzt, sondern wir haben lediglich noch einmal diesen Gedanken mit eingebracht, dass wir sehen, dass Menschen mit geringem Einkommen - - Ich fand es sehr eindrücklich, dass letztendlich die Themen Preissteigerungen und Preisweitergabe unmittelbar zusammenhängen und dass Preisweitergaben eigentlich auch nicht mehr zu verhindern sind. Es wird so sein, dass Leute auf ihrer nächsten Betriebskostenabrechnung deutliche Steigerungen sehen, und das bedeutet, dass gerade diejenigen mit kleineren Einkommen und die Rentnerinnen und Rentner mit kleinen Renten davon besonders betroffen sind. Dies zu adressieren war uns heute wichtig. Wir haben jetzt aber keine zeitlichen Limits dafür gesetzt. Trotzdem glaube ich schon, dass es notwendig ist, sich mit dieser Frage möglichst bald konkret auseinanderzusetzen.

BK Scholz: Es hat eine gute Diskussion gegeben, darüber ist schon berichtet worden. Das ist ja nicht Beschlusslage - weder der Länder noch von irgendwem sonst -, sondern alle haben, wie ich finde, einfach die Tatsachen beschrieben. Es gibt die Herausforderung der Preisentwicklung. Wir haben sofort reagiert mit den Entscheidungen, die wir getroffen haben, mit den beiden Paketen, die jetzt 30 Milliarden Euro umfassen und die jedenfalls für den Durchschnitt aller Bürgerinnen und Bürger zu 90 Prozent die vermutlichen Preissteigerungen für dieses Jahr aufgreifen. Das wird nicht für alle im gleichen Maße gelten; deshalb gibt es auch Nachfragen, ob man noch an der einen oder anderen Stelle Veränderungen vornehmen kann.

Viel wichtiger ist aber vor allem die Frage: Wie geht es im nächsten Jahr weiter? Denn das, was wir jetzt gemacht haben - auch wenn es 30 Milliarden Euro sind und Entlastungen für viele bietet: für Grundsicherungsempfänger, für Familien, für Kinder, für diejenigen, die Heizkostenzuschüsse brauchen, weil sie mit dem Wohngeld nicht zurechtkommen, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für diejenigen, die öffentlichen Verkehr benutzen, für diejenigen, die von den niedrigeren Spritpreisen profitieren -, entspricht alles zusammen wahrscheinlich noch nicht der Größe der Herausforderung, die uns im nächsten Jahr begegnen wird.

Deshalb gibt es die Notwendigkeit, darüber zu reden, was zu tun ist. Ich habe in meiner Erklärung zum Haushalt des Bundes gesagt: Wir haben die Situation von Rentnerinnen und Rentnern, von Studentinnen und Studenten, von Familien, von Grundsicherungsempfängern und eben auch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ganz fest im Blick.

Eine ganz konkrete Aktivität, die wir jetzt vornehmen wollen und die wir auf den Weg bringen, ist, dass wir, so wie das schon einmal war, in einer herausfordernden Zeit die konzertierte Aktion zusammenrufen wollen und aus der Sozialpartnerschaft mit Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Staat gemeinsam diskutieren wollen, wie wir mit dieser Herausforderung für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes umgehen wollen. Ich weiß aus den Rückmeldungen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, dass sie dazu bereit sind und sagen: Das ist genau die Zeit, in der man so etwas machen muss. Da werden wir all die verschiedenen Aspekte beleuchten, die eine Rolle spielen, und ich glaube, genau das ist auch der Weg, um gute Lösungen zu entwickeln, bei denen alle mithelfen, dass es für unser Land und für die Bürgerinnen und Bürger immer so ist, dass wir niemanden alleine lassen mit seinen Herausforderungen.

Frage: Meine Frage ist eher eine persönliche Frage, die Sie zwar am Anfang schon ein bisschen beantwortet haben; trotzdem möchte ich gerne wissen: Wie war das jetzt, alle wieder in Präsenz hier zu haben? Haben Sie sich mit Handschlag begrüßt? Wie war es? War es tatsächlich so viel besser, nicht mit Kacheln zu sprechen, sondern mit echten Menschen?

BK Scholz: Es war - ich will das gar nicht kleinreden - großartig. Es war zwar sehr eng, aber der Raum ist ja auch gut belüftet - für alle diejenigen, die da Sorgen haben. Es war einfach eine völlig andere Atmosphäre, sich real zu begegnen. Ich glaube, dass das auch nicht nur dadurch, dass wir alle in einem Raum waren, Nähe geschaffen hat, sondern dass es auch emotional eine Nähe geschaffen hat, die ja auch notwendig ist, wenn wir jetzt als Land angesichts dieser Herausforderungen zusammenstehen wollen. Es war wirklich wie ein Klassen- oder Familientreffen - alle haben sich wirklich gefreut, wieder so zusammen zu sein. Ich finde, aus diesem Moment sollten wir etwas machen.

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